Teil I – Grundlagen, Begriffe und Bezüge
Einleitung: Messtechnik im Alltag
Sicherung der Produktqualität ist für jedes Unternehmen von immer größerer Bedeutung, besonders im Hinblick auf die Notwendigkeit, seine wirtschaftliche Stellung auf dem Markt zu halten oder zu festigen.
Hohe Qualitätsanforderungen an ein Produkt bedeuten heutzutage zwingend, dass ein angemessenes Qualitätsmanagementsystem vorhanden sein muss (Stichwort “Produkthaftung”).
Diese Erkenntnisse sind nicht neu –die moderne Technologie und die Möglichkeiten sowohl in der mechanischen Fertigung als auch die Möglichkeiten der elektronischen Messdatenerfassung und – verwertung haben frühere Fertigungsverfahren abgelöst. Ein „passt schon“ oder einen „Daumenwert“ gibt es nicht mehr.
Der Zwang zu wirtschaftlichem Handeln und die moderne Fertigungstechnologie führen dazu, Abläufe zu prozessualisieren.
In Bezug auf die Kernfaktoren unterscheiden sich Geschäftsprozesse und technische oder Fertigungsprozesse kaum. Um Unschärfen zu reduzieren, soll festgestellt werden, dass sich die weiteren Betrachtungen und Ausführungen in Abgrenzung zu Dienstleistungen ausschließlich auf technische Prozesse beziehen.
Prozesse sind schwerpunktmäßig durch folgende Merkmale charakterisierbar:
- wertschöpfungsorientiert
- messbarer Input
- messbarer Output
- Steuerungsgrößen
Um ein gutes (= wertschöpfendes) Prozessergebnis erzielen zu können, ist eine ständige Überwachung des Prozesses und daraus folgernd eine Steuerung erforderlich.
Allein an den Begriffen kann ein direkter messtechnischer Bezug abgeleitet und erkannt werden. Schon aus diesem Grund muss der Messtechnik ein besonderer Stellenwert zugeordnet werden.
Erstaunlicherweise findet man aber in vielen Betrieben die Funktion des Qualitätsbeauftragten oder Qualitätsmanagementbeauftragten – der im ganzheitlichen Qualitätsmanagement letztendlich auch für eine Messmittelüberwachung zuständig ist – häufig durch kaufmännisches Personal besetzt.
Messgeräte sind aber nicht „einfach da“ oder – die Aufgabe „Messmittelmanagement“ ist nicht das Verwalten der Geräte: der zielgerichtete und sachgerechte Einsatz hat unmittelbaren Einfluss auf die erzielten (Mess-) Ergebnisse.
Diese Messergebnisse können nur als Teil einer Wertschöpfungskette dienen, wenn die Messgeräte selbst einer qualitativen Überwachung unterliegen und auch für die betreffende Messaufgabe geeignet sind.
Metrologie – grundsätzliche Kategorisierung
Messungen sind so sehr Teil unseres täglichen Lebens geworden, dass sie oft kaum wahrgenommen oder als gegeben hingenommen werden: Einige wenige Beispiele:
- Der Geschwindigkeitsmesser im Auto
- Uhren überall
- Die morgendliche Wägung des Gewichts
- Untersuchungen beim Arzt (z.B. Blutdruck)
- GPS-System zur Navigation im Auto
- Verbrauch von Strom, Gas und Wasser
- Kauf von Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse nach Gewicht,
- Auftanken von Kraftfahrzeugen
- Fahrzeugüberprüfungen bei der Haupt- oder Abgasuntersuchung
- Reifenluftdruckprüfung an der Tankstelle
- Sehstärkenbestimmungen beim Optiker
Es werden immer genaue Ergebnisse erwartet – schließlich will niemand für Ware bezahlen, die er gar nicht erhalten hat. Auch hinsichtlich der eigenen Sicherheit besteht eine große Erwartungshaltung an die Messtechnik – ob der „genau“ eingestellte Luftdruck an den Fahrzeugreifen oder die berechtigte Erwartung, in ein perfekt gewartetes Flugzeug zu steigen – auf perfekt funktionierende Technik wird sich verlassen.
Messtechnik wird – ganzheitlich betrachtet – als Metrologie bezeichnet. Die Metrologie ist die Lehre von den Maßen und den Maßsystemen. In der 3. Ausgabe des VIM von 2007 wird Metrologie als „Wissenschaft vom Messen und ihre Anwendung“ definiert.
Um den oben beschriebenen Erwartungen und Forderungen zu genügen, kann der große Bereich der Metrologie in drei grundsätzliche Kategorien eingeteilt werden:
- gesetzliches Messwesen
- wissenschaftliche Metrologie
- Industrielle Metrologie
Gesetzliches Messwesen
Die grundlegenden Aufgaben und Ziele des gesetzlichen Messwesens sind im Eichgesetz verankert, das auch die in Deutschland geltenden europäischen Anforderungen enthält. Zweck dieses Gesetzes ist es, den Verbraucher beim Erwerb messbarer Güter und Dienstleistungen zu schützen und im Interesse eines lauteren Handelsverkehrs die Voraussetzungen für richtiges Messen im geschäftlichen Verkehr zu schaffen, die Messsicherheit im Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz sowie in ähnlichen Bereichen des öffentlichen Interesses zu gewährleisten und das Vertrauen in amtliche Messungen zu stärken.
In der "Organisation Internationale de Métrologie Légale" (OIML) arbeiten die Vertreter von knapp 100 Staaten an einheitlichen Bau- und Prüfvorschriften für alle Messgeräte. Im Zertifizierungssystem der OIML bescheinigen die von den Mitgliedsstaaten herausgegebenen Zertifikate, dass eine bestimmte Messgerätebauart mit den Empfehlungen der OIML übereinstimmt. So kann eine in einem Lande geprüfte und zugelassene Bauart in einem anderen ohne Wiederholung der Prüfung zugelassen werden.
In Deutschland gibt es als nationale Gruppe die Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen (AGME).
Sie ist das Koordinierungsorgan der Eichaufsichtsbehörden. Ihr gehören die Leiter der Eichaufsichtsbehörden der Länder und als Gast ein Vertreter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) an. Der Vorsitz wechselt alle 2 Jahre.
Um für die Verbände der Wirtschaft und die Partner in den anderen Mitgliedstaaten einen sich nicht alle 2 Jahre ändernden Ansprechpartner zu schaffen, ist eine Geschäftsstelle eingerichtet worden.
Die Arbeitsgemeinschaft setzt die in den nationalen Gremien gefassten Beschlüsse für den Vollzug durch die Eichämter und die staatlich anerkannten Prüfstellen um. Die für einen einheitlichen Vollzug in der Praxis relevanten technischen, organisatorischen und rechtlichen Fragen werden abgestimmt. Einzelheiten können der Geschäftsordnung der AGME entnommen werden.
Wissenschaftliche Metrologie
Die wissenschaftliche Metrologie ist kein auf Universitäten oder Forschungseinrichtungen zu reduzierendes Fachgebiet.
Allgemein bekannt ist, dass die Physikalisch-Technische Bundesanstalt mit Hauptsitz in Braunschweig der „Wächter“ für die nationalen Normale der Bundesrepublik Deutschland ist. Was genau dort geleistet wird, ist weniger bekannt – dabei haben die Ergebnisse der wissenschaftlichen Metrologie direkten – wenn auch vielleicht zeitverzögerten – Einfluss auf Messtechnik im Alltag.
Die drei hauptsächlichen Entwicklungs- und Tätigkeitsfelder sind:
1. Definition von international akzeptierten und anerkannten Einheiten – zum Beispiel dem Kilogramm
2. Der Aufbau und Erhalt einer nationalen und internationalen Rückführbarkeit jeder physikalischen Messgröße und Anschlussmöglichkeit vom einfachen Messmittel über Transfer-, und Gebrauchsnormalen bis hin zum nationalen Normal.
3. Die Realisierung der Darstellung der einzelnen Parameter durch stabile, weltweit wiederholbare Techniken (siehe hierzu auch „das internationale Einheitensystem SI“)
Beispielsweise galt lange Zeit als internationale Temperatur...