Dritter Teil
MEINE CURURU-KRÖTE
DAS NEUE HAUS, DIE GARAGE UND DONA SEVÉRUBA
»Ist die Wut verraucht, Sesé?«
»Ich weiß nicht, Adão.«
»Belüg mich nicht, denn ich finde die Wahrheit heraus, Sesé.«
»Sie ist fast verraucht. Bald habe ich alles vergessen.«
Ich spürte, dass Adão erleichtert aufatmete.
»Donnerwetter! Du bist eine harte Nuss. In einer Villa wie dieser zu wohnen, sollte ausreichen, um irgendeinen Fehler eines x-beliebigen Vaters zu verzeihen.«
Tatsächlich war ich außer mir vor Freude. Die Ferien hatten begonnen und ich war aus dem Internat in ein neues Haus eingezogen. Eine Riesenvilla. Ja, das war ein richtiges Zuhause. Den Umzug hatte ich gar nicht mitbekommen. Sie ließen mich auch nicht den weißen und roten Hühnern Tschüss sagen, die im alten Haus blieben. Ich weiß nicht, ob sie verkauft oder verschenkt wurden. Sicher ist nur, dass sie nicht in das neue Haus passten.
An der Vorderseite befand sich eine nicht endende Terrasse, die sich auch über die linke Seite des Hauses erstreckte. Überall waren Fenster. Vor dem Haus lag die Balustrade des Dammwegs von Petrópolis. Und dort unten ein Meer, so groß, dass alle Ozeane der Welt auf einmal hineinpassten. Von hier oben konnte man die Ausmaße des Ganzen gut erkennen.
Und als wäre dies nicht genug, gab es sogar noch einen großen, vollständig zementierten Hof, durch den man ein ganzes Leben lang rennen konnte, sowie einen Garten. Auch ein ganz neues eigenes Zimmer hatte ich bekommen. Ein größeres Bett, ohne Kopfteil. Einen glänzenden Schrank, der nach frischem Holz roch. Nur etwas fehlte in der neuen Umgebung: mein alter Sessel Orozimbo. Jemand hatte ihn geerbt. Stattdessen stand ein anderer dort, mit rotem Blumenmuster, sehr chic und elegant. Ich prüfte alles persönlich. Po hüpft auf dem Bett, Po hüpft auf dem Sessel. Alles angenehm und weich. Ich akzeptierte es:
»Adão, es ist wirklich gut, dass wir nicht mehr in das andere Haus zurückmussten.«
Dabei dachte ich an die Episode mit dem Kätzchen.
»Wer weiß, ob dein Vater nicht auch dachte, was du denkst.«
Seine Worte verwirrten mich etwas.
»Das glaube ich nicht. Was mit mir zu tun hat, bedeutet niemandem etwas. Ich bin ein Nichts, ein großer Dreck. Niemand kümmert sich um mich.«
»Wer weiß. Das menschliche Herz ist immer für Überraschungen gut.« »Nein, ist es nicht, Adão. Doch auf alle Fälle ist es wunderbar, hier zu wohnen.«
Jetzt musste ich herumrennen, um alles zu sehen, alles zu entdecken. Mich an alles zu gewöhnen.
Das Tollste war die rechte Seite des Hauses. Dort stand ein üppiger Mangobaum, voller einladender Tarzanäste. Die Äste waren so groß, dass sie über die Mauer des Nachbarn hinauswuchsen. Ich musste dringend herausfinden, wie die Nachbarn waren. Das war sehr wichtig. Zwischen dem Haus und dem Mangobaum, der wie dafür bestimmt war, den Namen Dona Gustava zu tragen, befand sich ein riesiger Schuppen. Verzückt betrachtete ich sein Dach. Dort konnte man mindestens zwei Trapeze aufhängen. Alles war ein Fest. Und ein noch größeres Fest war es für das Hündchen Tulu. Seine Wirbelsäule war mit der Zeit geheilt, sodass es wieder wie jeder andere Hund herumlaufen konnte, der nie angefahren worden war. Tulu heftete sich an meine Fersen, als wollte er die durch meinen Internatsaufenthalt verlorene Zeit wiedergutmachen. Brav schlief er vor meiner Zimmertür, und kaum wurde es hell, kratzte er ganz vorsichtig daran.
War er nicht in meiner Nähe, genügte es zu pfeifen, und schon kam er angerannt und wedelte mit seinem weißen Schwänzchen.
»Lass uns die Garage anschauen, Tulu.«
Wir rannten dorthin, dabei sprang er mir dauernd vor die Füße.
»Wahnsinn, oder?«
Dort passten zehn oder mehr Autos rein. Der Vorbesitzer des Hauses musste verdammt reich sein.
»Was für ein riesiges Fenster!«
Ich öffnete es und sprang auf die Fensterbank. Ich ließ die Beine baumeln und begutachtete den Rest des Gartens, der vollständig von einer Mauer umgeben war. Tulu jaulte verzweifelt. Er hatte sich auf die Hinterbeine gestellt, um mich mit dem Pfötchen erreichen zu können. Was für eine Welt entfaltete sich vor meinen Augen. So viele Bäume. So viele Caju-Bäume. Und noch mehr Kokospalmen. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Zuerst musste ich alles koordinieren. Auch weil die Ferien begonnen hatten und ich mindestens drei Monate über dieses Königreich herrschen würde.
Der Sand in dem weitläufigen Garten war weiß und fein wie am Strand. Gut, so konnten wir uns hier eine zweite Sahara vorstellen. Aber gab es in der Wüste Caju-Bäume? Eher nicht. Dann war meine Wüste eben anders. Es würde sie geben.
Ich kletterte in die Garage hinein und untersuchte die hohen Regale voller alter Sachen, die noch für alles Mögliche gut sein konnten. Bestimmt hatten die alten Bewohner all diese Dinge zurückgelassen wie wir die Hühner. Was mich am meisten an diesen Regalen faszinierte, war ein Haufen Schläuche. Und in der Ecke eine fette Maschine, um Reifen aufzupumpen. Ob sie funktionierte? Sie war über und über mit Staub bedeckt, den ich wegblies, bevor ich sie zwischen meinen Beinen aufstellte. Ich bewegte ihre Arme und sie richtete sich auf. Sie war ölverschmiert. Ich drückte sie nach unten, sie gehorchte, gab ein Geräusch von sich und blies den Staub über den Boden. Ich jubelte.
»Funktioniert, Tulu! Jetzt nehmen wir einen Reifen und probieren, ob er sich füllen lässt.«
Ich befestigte den Schlauch und bewegte die Arme der Luftpumpe. Der Reifen wurde dicker und dicker, bis er ganz hart und vollständig aufgepumpt war.
»Was für ein Kraftakt!«
Ich setzte mich auf den Boden, um mich auszuruhen, und betrachtete zufrieden die Pumpe an der Wand.
»Von jetzt an werde ich jeden Tag all diese alten Schläuche aufpumpen. Nicht einmal mehr sonntags brauche ich rauszugehen. Ich werde alles hier aufblasen und die Luft wieder rauslassen. Ich werde solche Muckis kriegen, dass nicht mal Tarzan es fassen wird.«
»Hast du schon einen Namen für die Garage und die Pumpe?«, wollte Adão wissen.
»Lass uns ein bisschen nachdenken. Es sind zu wichtige Leute, als dass man ihnen einfach irgendeinen Namen geben könnte.«
»Was die Garage betrifft, keine Ahnung, Sesé. Aber wenn du mich lässt, taufe ich die Pumpe.«
Das machte mich neugierig. Nie hatte Adão mich um so etwas gebeten.
»Gut. Ich erlaube es.«
Voller Scham sagte Adão: »Dona Celeste.«
»Donnerwetter, Adão. Wie schön. Wenn sie nicht schon immer so hieß, dann heißt sie jetzt so. Und niemand wird Dona Celeste diesen Namen mehr wegnehmen.«
Tulu hatte sich zu meinen Füßen auf den Boden gelegt und hörte dem Gespräch zwischen mir und meiner Kröte ganz unbefangen zu. Lange musterte ich die Garage. Ich wusste, dass ich einen besonders schönen Namen für sie aussuchen musste. Nicht irgendeinen. Ihre Größe und Eleganz waren unverkennbar. Plötzlich hatte ich einen Geistesblitz! Da war der Name. Jetzt fehlte nur noch Adãos Zustimmung.
»Wirkt sie nicht wie ein dickes, sympathisches Hausmädchen?«
»Finde ich auch, Sesé.«
»Und sieht sie nicht aus wie jemand, der eine rot-weiß karierte Schürze trägt?«
»Allerdings.«
»Also wird sie Dona Maneca heißen.«
»Wunderschön.«
Wir gratulierten uns gegenseitig.
»Weißt Du, Adão. Ich finde, wir sind die größten Namensgeber aller Zeiten.«
»Das finde ich auch.«
Während der ersten gemeinsamen Mahlzeiten herrschte Verlegenheit. Ich redete noch nicht wieder mit meinem Vater, aber wir sahen uns an. Nervös stupste Adão mich von innen. Es läuft gut, Sesé. Es läuft gut.
Mein Vater sah zur Reisschüssel und dann zu mir. Ich sah zur Reisschüssel und dann zu ihm. Ich griff nach der Schüssel und reichte sie ihm. Da streckte er die Hand aus und nahm sie entgegen.
Adão jubelte vor Freude. Es läuft gut, Sesé. Es läuft gut.
Ich wusste, dass der Anfang schwer sein würde. Dass zwischen ihm und mir noch viele solche Situationen und Reisschüsseln standen, aber dass es vorbeigehen würde.
Und dann gi...