Saint Matorel
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Saint Matorel

  1. 160 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Saint Matorel

Über dieses Buch

Eine Inkunabel des frühen Surrealismus: nach über einhundert Jahren zum ersten Mal wieder mit den eigens für den Text geschaffenen Radierungen von Pablo Picasso vereint. Die Erstausgabe, 1911 bei Kahnweiler in Paris in einhundert Exemplaren erschienen, gehört heute zu den Preziosen berühmter Bibliotheken. Die wenigen auf dem Kunstmarkt gehandelten Exemplare erzielen verlässlich hohe Preise im fünf- bis sechs­stelligen Bereich. Dieser kleine Roman aus dem Jahre 1911 ist eine Entdeckung, ein noch nie ins Deutsche übersetztes Meister­werk des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er ist ein Zeugnis der Literatur der frühen Moderne, von überschäumender Fantasie und gleichzeitig ein Meilenstein auf dem Weg zum Surrealismus. Jacob erzählt darin die Geschichte des kleinen Metroangestellten Victor Matorel, der etwas wirr im Kopf ist, sich zum Katholizismus bekehrt und als Bruder Manassé 19 Monate in einem Lazaristenkloster verbringt, ehe er "im Geruch der Heiligkeit" stirbt und zusammen mit seinem Freund Émile Cordier, der sich ebenfalls zum Katholizismus bekehrt hat, auf einem Pferd durch die sieben Sphären zum Himmel aufsteigt. Saint Matorel, der viel Autobiografisches enthält, entwickelt sich keineswegs chronologisch. So beginnt der Roman mit der Begegnung des Autors mit Victor Matorel in der Metro, um dann gleich vom Tod Matorels und seinem Aufstieg in die Sphären zu berichten. Er zeigt schon das Imitationstalent von Max Jacob, die Fähigkeit, sich in die Haut anderer zu versetzen, die bis zum Identitätsverlust geht. Der Roman ist komplex, burlesk und poetisch zugleich, voller theosophischer und mythologischer Anspielungen und überreich an Bildern. Er erschien zuerst 1911 in der Galerie Simon (bei Kahnweiler) mit kubistischen Graphiken von Picasso, die wir die Freude haben, in der deutschen Ausgabe mit abdrucken zu dürfen.

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DER HIMMEL

KAPITEL I

INS KLOSTER! INS KLOSTER!

Es war drei Uhr morgens; Victor kam mit im Regen gesenktem Kopf von den Zügen zurück. An der Ecke des Boulevard Voltaire und der Rue Sedaine, vor der Rue Sedaine, hörte er neben dem Postamt eine Stimme.
»Geh nach Hause, im Korridor ist Licht, obwohl Mitternacht vorbei ist!«
Die Straße war menschenleer. Nun, im Haus, in dem Victor Möbel stehen hatte, sah Victor den Flur erhellt von Kerzen.

MATOREL

Madame Concierge, Madame Concierge, sagen Sie mir, warum Sie Kerzen anzünden?

DIE CONCIERGE

Im Haus liegt ein Toter, wegen des Wechsels der Jahreszeit.
Man führte Victor in ein Zimmer in der ersten Etage, in dem ein geschmückter Leichnam der Vergrößerung einer Fotografie glich; das musste ein städtischer Beamter in Zivil sein, aber nichts besagte es als sein Gesicht.

DIE WITWE

Mein Gott, der im Himmel ist, o Jesus, o Maria, wer wird in dem großen Bett bei mir schlafen?

MATOREL

Frau Witwe, keine unnützen Worte, kann ich Ihnen behilflich sein?

DIE WITWE

Es ist wirklich notwendig, meinen Cousin aus Pantin zu holen, damit er morgen den Verblichenen küsst.
Der folgende Tag war der Ruhetag für Victor. Er brach um sechs Uhr morgens im Regen auf, und ging außerhalb der Stadtmauer unter Platanen entlang. Er klopfte an die Tür eines einzeln stehenden Hauses.

MATOREL

Tok! Tok! Blinder, der du am Morgen schläfst. Wach doch auf Blinder, der du nahe an der Straße schläfst.

DER BLINDE

Ich bin nicht von Geburt an blind.
Ich war Angestellter und habe Kenntnisse.
Wer ist da?

MATOREL

Ihr Cousin ist tot!

DER BLINDE

Meine Frau hat nicht das Essen für die Tiere gerichtet.
Ah! Welches Unglück! Sie wecken einen Mann, der schläft!
Ich muss zuerst essen! Wo sind die Koteletts?

MATOREL

Pflücken wir, wenn Sie wollen, die Früchte des Feldes.

DER BLINDE

Wir werden in Paris zu Mittag essen. Holen Sie einen Regenschirm.

MATOREL

Oh! Die Sonne! Die vierstrahlige Sonne!

DER BLINDE

Ziegel fallen herunter! An der Straße standen aber keine Häuser!
Stellen wir uns beim Bistro der Stadtmauer unter.
Kennen Sie nicht die Negerin vom Krankenhaus?

MATOREL

Ich habe Angst! Wir werden sie morgen besuchen.
Ich werde Sie an der Hand führen!

DER BLINDE

Sie sind gütig, Monsieur, ich fühle, dass ich Sie liebe.

MATOREL

Blinder, ich liebe Sie, und liebe mich selbst.

DER BLINDE

Sie sind sehr naiv, Monsieur! Ich bin Abiturient und ich habe meinen Militärdienst abgeleistet.

MATOREL

Was trinken wir? Ich werde Ihnen unterwegs Geschichten erzählen; versuchen Sie, sie zu begreifen, denn ich bin verrückt außerhalb meines Zugdienstes.

DER BLINDE

Ah! Mein Gott! Die Straßenbahn! Die Straßenbahn! Verpassen wir nicht die Straßenbahn! Und ich, der zum Friseur in der Rue de Flandre gehen wollte!

MATOREL

Passen Sie auf! Monsieur! Sie werden überfahren werden!
Acht Tage später näherte sich Matorel um die Mittagessenszeit in der Rue Sedaine einem Menschenauflauf. Er erkundigte sich nach der Ursache des Geredes: anscheinend suchte eine blinde Bettlerin nach einem Postamt. Matorel bot ihr an, sie zu führen: zwei Mal konnte er nicht verhindern, dass sie sich an den Bäumen des Boulevards stieß, weil der Regen ihn selbst blind machte. Die blinde Frau dankte ihm und wollte nicht die zwei Sous annehmen, die Matorel ihr anbot.
»Denke an die Negerin, sie wird niederkommen«, sagte die blinde Frau.
Und Matorel kam nach Hause und war an der Grippe erkrankt.
Am ersten Tage seiner Grippeerkrankung sagte die Concierge, die sich um ihn kümmerte, zu ihm:
»Im Haus war eine Schwarze. Sie war seit einem Monat im Krankenhaus: sie hat Zwillinge geboren; der eine ist tot, der andere lebt.«
Am zweiten Tag seiner Krankheit hatte Matorel zwei Visionen, die sich durch ihre Kraft unterschieden von den gewöhnlichen Visionen des Wahnsinns: die erste bestand darin, dass er selbst eine Bettlerin mit gelockten Haaren und Augen, die wie Kohle glänzten, war, die sich um eine Statue aus weißem Marmor drehte; die zweite Vision bestand aus sechs Mönchen, die ihm glichen und die seinen Leichnam wegtrugen; gleichzeitig entstand ein großer Lärm in dem Zimmer; die Wolken vernebelten die Decke, roter Donner brach aus den Wolken hervor; eine Frau in weißem Kleid, die eine Schlange zähmte, erschien, und tausend Stimmen, die Matorel den Dämonen und den Engeln zuschrieb, sprachen abwechselnd.

DER ENGEL

Strecke dich auf deinem Bett aus und bete.

MATOREL

Ich lag auf dem Bett, als ich Wolken sah und Donner hörte; die Sonne war rot, der obere Teil der Wolken war weiß und sphärisch.

DER ENGEL

Du hast Gott gesehen!

MATOREL

Ich habe nicht aufgehört zu weinen! Weinen! Oh! Welch eine Freude.

DER ENGEL

Schweig! Du wirst nicht umsonst den Namen Gottes aussprechen.

MATOREL

Sagen Sie mir, wo liegt die Wahrheit: ich schwöre, dass ich mich ihrem Gesetz beugen werde.

EIN DÄMON

Du bist ein Heiliger, ach! ach! ach! ach!

MATOREL

Mein Gott! Oh! Welche Nachricht! Ich weine darüber! Ich werde versuchen, es zu werden.

DER ENGEL

Das Böse ist verschwunden, die Intelligenz ist eins!

MATOREL

Man muss wissen, was die Intelligenz ist.

DER ENGEL

Schweig.

MATOREL

Ich habe alle Rechte: alles ist Dummheit.

DER ENGEL

Du musst das Wasser entfernen, das du im Geist hast; dieses Wasser ist das Böse.

MATOREL

Du weißt nicht, wie viel Gutes du mir tust, Geist!

DER ENGEL

Wir handeln nur in Massen, alles liegt im Funken.

MATOREL

Aber dann? … Man hat das Recht … Das Recht, man selbst zu sein?

DER ENGEL

Schweig. Gib allem eine Bedeutung, respektiere alles und lasse dich respektieren. Schweigen und Respekt!
Alles ist eine Form von Dummheit: absolut alles. Das ist die einzige Religion, die einzige Weisheit; du hast alle Rechte und du bist fromm und intelligent.

MATOREL

Und wenn ich vor Kummer sterbe?

DER ENGEL

Das interessiert mich nicht.

MATOREL

Ich bin schüchtern wie eine Fliege, und du verabscheust die Torheit.

DER ENGEL

Alles ist erlaubt.

MATOREL

Du verabscheust die Torheit in allen ihren Formen.

DER ENGEL

Die Dummheit, das ist die Materie.

MATOREL

Ich verstehe! Ah! Ich verstehe! Oh! Die Tiere, die Tiere! Ich war mein ganzes Leben lang ein Tier.

DER ENGEL

Misstraue der Dummheit.

MATOREL

Ich schwöre, dass ich immer sehr religiös und sehr intelligent sein werde, so weit wie mir Gott die Kraft dazu gibt.

DER ENGEL

Alles wendet sich zum Besten! Aber welche Mühe er uns bereitet hat, und das seit so vielen Jahren!

MATOREL

Oh! Die Formen der Dummheit! Man ist verblüfft darüber!

DER ENGEL

Er ahnt nicht, was er soeben gesagt hat. Man wird sich daran erinnern.

MATOREL

Ich danke Gott, der universalen Intelligenz, auf Knien; ich bekenne weinend seine Schönheit, seine Einheit.

DER ENGEL

Die Religion und die Weisheit reichen sich die Hand.

MATOREL

Bin ich wie die Menschen, von d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Über den Autor
  4. Impressum
  5. INHALT
  6. PROLOG
  7. ERSTER TEIL: DIE ERDE
  8. ZWEITER TEIL: DER HIMMEL
  9. ANHANG