1. „Erste Hilfe“: Welche Überlegungen, Schritte
und Maßnahmen sind direkt nach der
Diagnosestellung wichtig?
„Ich wusste von einem Moment auf den anderen nichts mehr.
Ich fühlte nur Leere in meinem Kopf - und Angst und Hilflosigkeit bis unter die Haarspitzen. Gab es keine Alternativen zu dem, was mein Arzt mir auf einen Zettel skizziert hatte? Konnte ich denn gar nichts für mich selbst tun und war nur von dem abhängig, was mir da eingeflößt werden sollte? So hatte das zumindest für mich geklungen…
Ich hatte so viele Fragen und keine Antworten und fühlte mich absolut allein.“
(Martina, 49)
Nach dem Schrecken der Diagnose ist es kaum mehr möglich, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Und dabei wäre genau dies in einer solchen Situation so wichtig und entscheidend, um sich mit den richtigen Informationen in eine gute Behandlung begeben zu können!
Zuerst einmal sieht man sich als Betroffener mit einer schier unüberschaubaren Menge an unterschiedlichen und sich zum Teil widersprechenden Informationen konfrontiert, was nun zu tun sei. Ganz abgesehen davon, dass die ärztlichen Fachbegriffe von den wenigsten Laien vollständig verstanden werden!
Die erste Hürde kann hier schon die Unterscheidung der unterschiedlichen medizinischen Disziplinen im Bereich der Krebstherapie und somit der Herangehensweisen sein.
Die allererste Frage, die es zu beantworten gilt, lautet:
1.1 „Was bedeuten eigentlich „Schulmedizin“,
„Alternativmedizin“ & Co?“
Zu Beginn scheint das Feld der Medizin, das sich mit Krebserkrankungen auseinandersetzt, schier unüberschaubar.
- Was kann ich tun?
- Wo gehe ich dafür hin?
- Was macht die verschiedenen medizinischen Richtungen überhaupt aus und mit welchen Methoden arbeiten sie?
Was wir heute wissen, ist, dass sich immer mehr Patienten in Deutschland eine verträglichere Medizin und weniger Nebenwirkungen durch begleitende natürliche Maßnahmen wünschen.
Dem wird Rechnung getragen; namhafte Institutionen wie die Deutsche Krebshilfe investieren eine Menge Forschungsgelder in diesen Bereich. Wir wissen außerdem auch, dass schulmedizinische Onkologie und Naturheilkunde, gemeinsam angewendet, Ihre Lebens- und Behandlungsqualität verbessern können.
Das heißt jedoch nicht, dass die onkologische Praxis bei Ihnen um die Ecke sich mit diesem kombinierten Ansatz auskennt: Für eine Behandlung, in der fundiert schulmedizinische und komplementärmedizinische Ansätze kombiniert werden, brauchen Sie speziell darin fortgebildete Ärzte. Nicht jeder Arzt ist hierfür offen. Die beiden verschiedenen Ansätze werden oft sehr eindimensional und als kaum vereinbar wahrgenommen; für viele Patienten stehen „Einfühlungsvermögen, Zeit und Zuhören“ der alternativen Richtung gegen „Apparatemedizin, Symptombehandlung und ärztliche Fließbandabfertigung“ der Schulmedizin. Und vielleicht erleben Sie bereits gerade den Kampf zwischen Naturheilkunde und Schulmedizin, zwischen Kräutern und Chemie, innerhalb Ihrer Familie und Bekannten am eigenen Leib: Ihre beste Freundin versucht Sie gerade zu überzeugen, dass Sie allein durch eine zuckerfreie Ernährung und Einnahme von Weizengrassaft den Krebs heilen werden. Ihr Partner dagegen wettert gegen alles, was nicht „Hardcore-Chemie“ ist und liegt Ihnen in den Ohren, nur ja nicht links und rechts zu schauen und niemanden außer Ihren Onkologen zu Rate zu ziehen, weil alles andere „Quacksalberei und Unfug“ sei. Willkommen im traditionsreichen „Entweder-oder-Denken“ der Medizin, wo gerne die eine Seite die andere verteufelt und aus beiden Richtungen bevorzugt die extremsten Fallbeispiele herangezogen werden, um die andere zu verunglimpfen.
Doch es geht auch anders: Schul- und Naturmedizin nähern sich seit geraumer Zeit auch und gerade im Bereich der Onkologie immer mehr an. Daraus entstanden ist die Disziplin der „Integrativen Onkologie“, die Schulmedizin und Komplementärmedizin vereint und großes Potenzial hat.
Diese Annäherung zahlt sich für die Betroffenen aus, für die es nicht mehr nur „Entweder-oder“ gibt, sondern „Sowohl-als-auch“.
Der Vorteil ist, dass der Therapeut der Wahl immer häufiger auch in der Schulmedizin ausgebildet ist und Schulmediziner für Alternativen offener geworden sind. Zudem steigt die Sicherheit und Klarheit für die Patienten, weil die naturmedizinischen Mittel und Methoden nun immer besser getestet werden.
Es gibt ein schönes chinesisches Sprichwort hierzu:
„Wer etwas Schweres zu tragen hat, der sollte beide Hände nehmen.“
Statt sich nur allein auf die Schulmedizin oder ausschließlich auf Naturheilverfahren zu verlassen, können Sie sich auch an Mediziner wenden, die beides zum Einsatz bringen, oder zumindest offen für eine produktive Zusammenarbeit sind.
Da viele verwirrt sind von den verschiedenen Bezeichnungen und Disziplinen, die es in diesem Bereich gibt, hier eine Begriffsklärung:
Schulmedizin
Unter der sogenannten reinen Schulmedizin versteht man zunächst die allgemein anerkannte, an Universitäten gelehrte und angewandte klassische Medizin, in der Ursache und Wirkung mit wissenschaftlichen Methoden objektiv nachweisbar sein müssen. Angewendete Methoden werden auf deren Wirksamkeit mit Studien überprüft. Nur bei ausreichender Wirksamkeit werden die Kosten hierfür dann von unserem Gesundheitssystem übernommen und die Behandlung standardmäßig etabliert.
Die Schulmedizin geht primär krankheitsorientiert vor.
Die schulmedizinische Disziplin in der Krebsbehandlung heißt Onkologie.
Krebs ist heute besser zu therapieren, als wir landläufig denken: Insgesamt betrachtet zeigt die deutsche Statistik, dass mittlerweile mehr als 50% aller Krebstherapien erfolgreich sind; mehr als die Hälfte der Erkrankten geht also dauerhaft krebsfrei aus der Behandlung hervor. Zum Vergleich: Laut deutschem Krebsforschungszentrum überlebte vor 1980 nur 1/3 der Krebspatienten ihre Erkrankung. Die Krebssterblichkeit ist also deutlich rückläufig. Da die Bevölkerung immer älter wird, gibt es aber auch immer mehr Neuerkrankungen. Für manche Krebsarten hat sich dabei der Ausblick extrem verbessert: Noch in den 1970er-Jahren konnte nur jeder zehnte Patient mit einem Hodgkin-Lymphom geheilt werden; heute sind es neun von zehn. Nach 5 Jahren gilt übrigens eine Krebserkrankung bei den meisten Tumorarten als geheilt und Rückfälle als unwahrscheinlich. Auf diesen 5-Jahres-Zeitraum bezieht sich in der Regel auch die Angabe der sogenannten „Überlebensrate“, die jedoch von Krebserkrankung zu Krebserkrankung unterschiedlich ist (mehr Erläuterungen zu diesen statistischen Angaben finden Sie im Kapitel „Überlebensraten und Krebssterblichkeit“).
Was macht nun überhaupt eine Krebserkrankung aus und wie geht die Schulmedizin in der Behandlung vor?
Krebs entsteht durch das unkontrollierte Wachstum und die Vermehrung einer einzelnen Zelle. Tatsächlich bilden sich in unserem gesunden Körper durch Irrtümer bei der Zellteilung und weitere, in der Regel äußere Einflüsse laufend Krebszellen, die normalerweise jedoch vom Immunsystem erkannt und vernichtet werden. Wenn das Immunsystem diese unkontrolliert wachsenden Zellen aber nicht erkennt und beseitigt, können Tumore wachsen.
In der onkologischen Schulmedizin wird hauptamtlich mit Chemotherapie und Strahlentherapie daran gearbeitet, dieses Zellwachstum zu hemmen. Auch Antikörper- und Antihormonbehandlungen kommen zu Einsatz.
Bei der Chemotherapie verabreicht der Arzt dem Patienten sogenannte Zytostatika, also Medikamente, welche die Tumorzellen angreifen und den Tumor dadurch schrumpfen lassen beziehungsweise im Wachstum hemmen. Die Medikamente werden in bestimmten Abständen („Zyklen“) gegeben. Wird eine Chemotherapie nicht gut vertragen, können die Pausen zwischen den Zyklen verlängert oder die Chemotherapie abgebrochen werden, ansonsten werden die Zyklen zu Behandlungsbeginn festgelegt. Zwischen den Zyklen wird überprüft, ob der Tumor kleiner geworden ist, beziehungsweise, ob sich die Krebszellen zurückgebildet haben.
Mehr ...