Zur Logik der Philosophiegeschichte
Von Metaphysik zu Metasprachen
Die Monadologie von Leibniz ist der letzte universelle Versuch, die Aporien des Ein und Alles zu überwinden, ohne dem subjektiven Part das Monopol zu reservieren für die Repräsentanz des Ganzen. Leibniz zitiert Gott herbei, um überhaupt noch die 'prästabilierte Harmonie', den gesetzmäßigen Nexus aller solipsistischen Individualitäten, zu garantieren. Jede Monade reflektiere jede andere durch Perzeption und Apperzeption, sie reflektiere, wie jede Monade jede andere reflektiere. Und wenn jede Monade die wechselweise Reflexion aller übrigen Mitmonaden reflektiert, ist jede außerhalb des Universums aller anderen Monaden. Jede Monade liegt bei Leibniz gleichsam innerhalb dieses Außerhalb, sie ist exterritorial, sofern sie Inbegriff aller Ko-monaden ist. Jede Monade ist Einwohnerin desselben Jenseits ihrer selbst, und sie ist 'fensterlos', weil keine auf eine andere einwirken kann, sofern jede als Repräsentantin des Restes der Welt jenseits der repräsentierten Welt steht, durch den Abgrund einer logischen Meta-Stufe von der Summe aller übrigen Monaden getrennt. Da jede Monade sowohl Teil der Welt als auch Inbegriff der Welt aller Monaden ist, muß sie gerade als Bild des Ganzen ein Bestandteil des Ganzen sein und gerade Rädchen im Ganzen als Spiegel des Ganzen. Jede Monade spiegelt sich als Atom des Kosmos und als Kosmos zugleich : Sie spiegelt, daß sie sich spiegelt beim Spiegeln der Welt.
Was sie alle voneinander trennt, ist ja keine geheimnisvolle Zersplitterung der Welt in pluralistische Divergenzen, sondern der meta-physikalische Charakter jeder Monade in Bezug auf das Weltall aller übrigen Monaden. Es gibt kein 'Fenster' zwischen den Meta-Ebenen; jede Monade kann, abhängig von der Perspektive ihrer Stellung zu den anderen Monaden, die logische Stufe nullter oder erster oder weiterer Ordnung annehmen.
Sie ist Individuum, Begriff, Inbegriff von Begriffen etc. zugleich, je nach Perspektive, aber nie innerhalb ein und derselben Hinsicht. Die spiegelnde Monade bleibt von gleicher Seinsart wie die gespiegelte, jede ist spiegelnd und gespiegelt zugleich. Aber es macht einen großen Unterschied, ob die Monade sich selbst spiegelt als Monade unter anderen Monaden oder in ihrer Funktion, sich selbst samt allen Monaden zu spiegeln. Als vis prima et activa voller appetitus und nexus ist sie Spiegel aller Spiegel und Spiegel unter Spiegeln gleichzeitig. Gott ist die Idee der vollendeten Klarheit, die Reflexion aller Reflexionen.
Nach Kants berühmtem Grundsatz sind die Bedingungen der Möglichkeit meiner Erfahrung zugleich auch immer die Ermöglichungsbedingungen für die Gegenstände dieser Erfahrung selbst. Ich kann nichts erfahren, ohne die Gegenständlichkeit des Erfahrbaren erst selbst herzustellen, aber nicht den Erfahrungsgegenstand selbst. Das transzendentale Ich bei Kant konstituiert nicht sein empirisches Objekt, aber dessen Objektivität.
Sätze, die nicht nur etwas über mich selbst aussagen, sondern über andere und über anderes, schon bevor ich das alles außerhalb von mir erblicke, also meine ‚synthetischen Urteile a priori‘ über das, was ich nicht selbst bin, solche Urteile über die Welt vor aller sinnlichen Erfahrung mit ihr, sind nur möglich nach Kant, weil ich es bin (das Ich, das ich mit anderen übrigens anthropologisch gemeinsam habe), der zwar nicht die Erfahrungsgegenstände aus dem Nichts schafft wie ein Gott, wohl aber die Form ihrer Gegenständlichkeit selbst, synthetisch hergestellt aus chaotischen Sinnesreizen. Nach Vico erkennen wir nur das eigentlich ganz, was wir selbst geschaffen haben und soweit wir es selbst geschaffen haben. Laut Kant erkennt das Subjekt sein Objekt nicht viel anders, als ein Handwerker, wie Kants Vorfahre es war, sein Material bearbeitet. Dieser Handwerker bringt das Werk hervor, die Schaffung des Rohstoffs selbst überläßt er seinem Schöpfer. Was er dem von Gott geschaffenen Rohstoff hinzufügt, sind die ebenfalls von Gott geschaffenen Formen, in die er den Rohstoff durch seine Bearbeitung erst bringt — als Geschöpf Gottes.
Er formt das Material nach einem vorgefaßten Bild in seinem Kopf, aber dieses Bild selber hat er nicht selbst gebildet und die Form nicht geformt. Der Arbeiter macht das Auto, aber nicht den Kunststoff und das Metall selbst, wenigstens nicht die Roh-Erze.
Der Arbeiter kauft das Auto, das er produziert, wie das Subjekt sich vom Objekt 'affizieren' läßt, dessen Objektivität ihm entstammt. Kant macht klar, daß gerade seine vollendete Herrschaft über die von ihm produzierte Welt den Menschen von dieser Welt kategorial ausschließt, nicht anders als das Kunstwerk sich von seinem Schöpfer löst und, einmal aus seiner Innerlichkeit entlassen, ihm von außen begegnet. Auch dem Arbeiter ist ja das Fertigprodukt 'entfremdet', weil ihm weder die Rohstoffe noch die Produktionsmittel und Fertigungspläne gehören. Durch die Macht der Subjektivität über die Welt ist das Subjekt von der Welt getrennt wie die res cogitans von der res extensa bei Descartes. Die Welt so zu sehen, wie sie an sich selbst sein mag, wie sie also aussieht, wenn sie nicht angesehen wird, setzt das Opfer der Augen voraus, und wenn ich sie nicht sehe, wie sie ohne meinen Blick mich anblickt, dann deshalb, weil ich nicht bin wie sie. Und ich sehe ja die Welt nach Kant auch durch keine Brille (weil ich selbst diese Brille bin, die kein Teil jener Welt ist, die ich durch sie hindurch wahrnehme).
Ein passiver Wachsabdruck der Welt sein, ohne alle subjektive Zutat des Betrachters mich unendlich fügsam all ihren launisch beweglichen Kurven und Kanten anschmiegen, hieße mit ihr verschmelzen und Teil von ihr werden, ohne sie zu sehen, sei's richtig, sei's falsch.
Indem ich mich nach einer Welt richte, die ich aller Erfahrung zuvor immer schon auf mich zu- und abgerichtet und diese Dressur eben immer nur vergessen haben muß, bin ich mit mir allein, beschränkt auf meine schrankenlose Herrschaft über die erfahrbare Welt.
Das intelligible Ich ist wohl Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung und aller Erfahrungsgegenstände, aber es ist nicht Bedingung der Möglichkeit dafür, Bedingung dieser Möglichkeit zu sein. Es hat gar keine Macht über seine Macht über die Gegenständlichkeit der Erfahrungsgegenstände: Es ist nicht Bedingung der Möglichkeit seiner eigenen Intelligibilität und Transzendentalität.
Dem empirischen Ich ist sein sinnliches Material, dem intelligiblen Ich seine eigene Subjektivität vorgegeben. Meine Autonomie gegenüber der von mir bestimmten Welt ist mir selbst gleichsam heteronom: Ich bestimme alle Gegenstände meiner Erfahrung, nicht aber, daß ich ihre Gegenständlichkeit bestimme. Was mit der Subjektivität zur Welt hinzutritt, ist kein aparter Weltbestandteil unter anderen, sondern die Ganzheit des Ganzen oder ihre Einheit als Einzelheit. Die Einheit der Teile ist selbst eine Einzelheit, die als Bestandteil in höhere Einheiten eingehen kann, nicht aber in jene Ganzheit, deren Ganzheit sie ist. Die Einheit eines Ganzen ist mit diesem Ganzen noch nicht mitgegeben. − Was mich von der Erkenntnis der Dinge trennt, wie sie an sich sein mögen, ist dasselbe, was mein Sein von ihrem Sein insgesamt trennt. Meine Subjektivität wäre kein Graben zwischen mir und den Dingen, wenn sie selbst ein Ding unter Dingen wäre; als Ding unter anderen aber wäre sie keine Erkenntnis der Dinge im Ganzen. Ausgeschlossen von den Dingen an sich im Ganzen bin ich nur als möglicher Inbegriff des Ganzen: transzendentale Dialektik des ganz Unbedingten.
Wenn meine Subjektivität ein Ding unter Dingen wäre, müßte sie kein Graben sein, der mich von den Dingen trennt. Die Freiheit ist das Ausgeschlossensein jenes Teils des Ganzen, welches das Ganze erkennt, von diesem Ganzen. Die Einheit aller Einzelheiten ist keine Einzelheit unter all diesen Einzelheiten, sondern bestenfalls Einzelheit für eine nächsthöhere Einheit, und die Einzelheiten sind nicht die Einheit ihrer selbst, sondern die Allgem-Einheit nächstniedrigerer Einzelheiten, also von Einzelheiten der logisch niedrigeren Stufe. Wenn das 'Ding an sich' bei Kant unerkennbar ist, dann deshalb, weil das Ich, wenn es die Gesamtheit aller Phänomene potentiell erkennt, auch wohl sich selbst als empirisch zugängliches Phänomen unter Phänomenen erkennt, aber nie denjenigen, der die phänomenale Welt im Ganzen erkennt und setzt. Die Welt als Seiendes im Ganzen ist mögliches Phänomen fürs Ego, nicht aber, daß sie sein Phänomen ist. Gegenstand seiner Erfahrung ist dem Ich sein eigenes phänomenales Vorkommen in der Welt, aber nicht seine Transzendentalität und Apriorität selbst. Intelligibel ist ihm potentiell alles, nur nicht seine eigene Intelligibilität.
Das Ich ist 'Bürger', und es ist bei Kant „Bürger zweier Welten", es ist Atom und Gemeinschaft. (Bei Kant ist das Atom bestimmt durch die Gemeinschaft der Atome und die Gemeinschaft bestimmt durch die Atome.) Es ist gleichsam Bestandteil der proletarischen Welt mit ihrer durchgängigen Verkettung aller Glieder, und es ist Mitglied der bürgerlichen Welt mit ihrer 'Causalität aus Freiheit', jederzeit immer auch diese Kette zerreißen und einen neuen Anfang machen zu können.
Wenn der Proletarier für den freien Bürger sowohl ein Phänomen ist wie ein unerkennbares Ding an sich, dann deshalb, weil er die Freiheit hat, seinerseits einen Blick auf den Bürger zurückzuwerfen und ihn zu erkennen bei seinen erkennungsdienstlichen Aktivitäten. Der Proletarier ist für den Bürger jenes Sinnesmaterial, das er für ihn bearbeitet. Er wird geformt zu einem durchschaubaren Gegenstand nach Kategorien der Verfügungsgewalt. − Aber er ist nicht nur eine Erscheinung für den Bürger, sondern ein Ding an sich: die Freiheit der praktischen Vernunft, nicht nur Objekt und Mittel zu sein, sondern immer auch Subjekt und Selbstzweck, der ein Subjekt zum Objekt macht und einen Zweck zu seinem bloßen Mittel, ihn zu überschreiten. Der Prolet hört nicht auf, Subjekt zu sein, wenn er Objekt ist. Er ist eine objektivierte Subjektivität : Teil der Welt des Bürgers und Fähigkeit zugleich, diese Welt gerade dabei zum bloßen Teil seiner eigenen Welt zu machen.
In Fichte kommt jener Kant zu sich selbst, der so frei ist von der Welt, sie zu konstituieren. Sie erhält nun eine konstitutionelle Verfassung vom menschlichen Grundgesetzgeber. − Weitergetrieben findet sich hier die Dialektik des objektiven Ganzen und jenes subjektiven Teils vom Ganzen, welcher das Ganze erst 'produziert' und in die Welt 'setzt'.
Der Rheinfall bei Schaffhausen sei überwältigend, gab Fichte zu, aber es sei das Ich, welches diese Überwältigung erst verursache, ein Ich, durch das der Rheinfall überhaupt erst das Ich überwältigen könne.
Dieses Ich ist wie bei Kant 'das transzendentale Ich der reinen Apperzeption, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können', um verschiedene Vorstellungen von ein und demselben Gegenstand zu sein. Das Ich setze sich selbst als Ich, indem es das Nicht-Ich im Ganzen setze, und es setze das Nicht-Ich, indem es sich selbst in die Welt setze als dieses Ich. Es ist nichts vor diesem Akt, jenseits dieses Aktes und unabhängig von diesem Akt, das Nicht-Ich in die Welt zu setzen.
Das Ich setzt bei Fichte sich selbst, indem es die Welt setzt, und diese Welt setzt es in die Welt, indem es sich selbst voraussetzt. Dieses Sich-selbst ist nun zum einen ein Stück Welt unter anderem und zum anderen das Ich, das die Welt im Ganzen setzt samt dem Ich darin. Die Exterritorialität des setzenden Ich gegenüber der von ihm in die Welt gesetzten Welt ist hier bis zur Spitze einer Freiheit des Ich vom (Nicht-)Ich getrieben.
Genauer — das intelligible Ich ist frei von der gegenseitigen Beeinflussung des empirischen Ich und des empirischen Nicht-Ich : Es mache diese Wechselwirkung erst möglich, es sei die Bedingung dafür, daß die praktische Vernunft die Natur ebenso bestimme, wie die theoretische Vernunft von derselben Natur sich bestimmen lasse. Das Ich sei frei, weil es in die Welt setze, daß das Ich und das Nicht-Ich sich gegenseitig in die Welt setzen können. Bei Fichte setzt das Ich, daß es in die Welt gesetzt wird, es macht sich wie Sartre später für seine eigene Geburt verantwortlich. − Die Trennung des transzendentalen vom empirischen Ich ist hier so perfekt, daß das empirische Ich fast schon eher zum empirischen Nicht-Ich gehört. Dieses transzendentale Ich ist durch mindestens eine Meta-Stufe getrennt vom (Nicht-)Ich, das es setzt. Nur das empirische Ich ist vom Nicht-Ich determiniert, das transzendentale Ego bestimmt selbst, daß es strikt empirisch bestimmt sein könnte. Diese 'Ichheit' ist bei Fichte Urheber dafür, daß Tatsachen Ursachen anderer Tatsachen werden. Als Ursache aller Ur- und Tatsachen sei sie selbst keine Tatsache, sondern eine 'freie Tathandlung'. Diese Faktizität des Ego cogito bestehe darin, kein Faktum unter anderem zu sein, um alles Tatsächliche erst als Artefakt des Ego phänomenal aufscheinen lassen zu können.
Schon bei Kant hatte das psychologische Ich samt seinen Eigenschaften und Zuständen eher zur phänomenalen Außenwelt als zum intelligiblen Ich gehört: Wir sehen uns selbst nicht anders als jedes Stück Welt im Lichte von Kategorien, von Anschauungsformen und Ideen. Ich sei mir selbst nicht auf privilegierte Weise offenbar. Das Ich ist für Fichte freigesetzt und freigestellt von der Welt, um für das Setzen der Welt frei zu sein, — und nur, weil es nicht in die Welt gesetzt ist, kann es sie in diese Welt setzen. Genauer: Das Ich setzt in die Welt, daß es in die Welt gesetzt wird. Das Einzige, was an der Welt transzendent ist, sei das transzendentale Ich. Es setzt die Welt: Es setzt sich selbst als Teil der Welt und es setzt in die Welt, daß es alles in die Welt setzt samt dem empirischen Ich darin. Dieser Triumph der narzisstischen Allmachtsphantasie ist die Kehrseite der realen Ohnmacht des empirischen Ich inmitten einer Welt von empirischem Nicht-Ich. Man könnte sogar einen Schritt weitergehen und sagen, bei Fichte sei das empirische Ich vom transzendentalen nur abgehoben, um mit ihm zusammenzufallen : Gerade als vom Nicht-Ich zutiefst bestimmtes erwacht es zu seiner Selbstbestimmung und bestimmt die Welt. Es kann aber die Welt nur in die Welt setzen samt seiner eigenen empirischen Existenz darin, wenn es determinierter Bestandteil und Produkt der Welt ist. Als Produzent ist das Ich Produkt der Welt, und Weltproduzent ist es ja nur, sofern es Weltprodukt ist.
In Schelling kommt jener Fichte zu sich, der dem Ego cogito, der Ursache aller Tatsache, jede eigene Tatsächlichkeit abspricht. Die Tat ist bei Fichte so wenig eine Tatsache wie das Faktum eine Tathandlung. Auch bei Fichte ist das transzendentale Ich nicht transzendent zu der von ihm getätigten und produzierten Welt, sondern nichts als die apriorische Bedingung der Möglichkeit jedes innerweltlichen Nicht-Ich, aber er schüttet das Menschenkind mit dem Bad der Diana aus, wenn er das Ich, das die Welt bildet, und seine eigene empirische Faktizität wie ein Stück Nicht-Ich dort hineinversetzt, eben nicht selbst zur konstituierten Welt gehören lassen kann. Indem die Welt als Nicht- Ich definiert ist, kann das Ich, das intelligible Ego cogito, nicht mehr Teil der Welt sein. Fichte hat Recht, wenn er den Graben zwischen Subjekt und Objekt so ernst nimmt wie Descartes. Aber er nimmt ihn so ernst, daß er nur von einem Subjekt überwunden werden kann, welches so angesetzt und konzipiert ist, daß es schon in sich sein eigenes Gegenteil aus sich heraussetzt und voraussetzt. Das Ich produziert gerade als Ich sein Gegenteil, und es ist für Fichte nichts als diese Produktion dessen, was es nicht ist. Die Differenz von empirischem Ich und empirischem Nicht-Ich ist das transzendentale Ich selbst, ob nun das Ich das Nicht-Ich oder dieses jenes faktisch determiniert. So behält es Macht über das, womit es sich befleckt, und muß sich mit dem beflecken, worüber es Macht gewinnt. Schelling nun ist der erste und einzige der Idealisten, durch den Idealismus sich anschickt, sich durch sich aufzuheben. Als Idealist ist Schelling so etwas wie ein Materialist malgré lui mème. Die idealistische Vernunft entdeckt erst bei Schelling sich selbst als das einzige Faktum, das sie nicht in Vernunft auflöst, weil sie kein Faktum ist, sofern sie die Vernunft aller Fakten ist. Alles ist potentiell vernünftig, außer der Vernunft selbst. Alles ist geistig bestimmt, nur der Geist selbst nicht, aber das macht ihn nicht zu einem Stück Natur unter anderem. Daß es Vernunft gibt, daß alles vernünftig zugeht, wenn es vernünftig zugeht, sei irrational, ein irrationales Faktum. Dieses materialistische Motiv einer Ähnlichkeit des Geistes mit der von ihm bestimmten Natur nimmt beim späten Schelling neomythische Züge an. Zur zweiten Natur geworden, verfällt der Geist wieder der Natur, der er sich entrungen hatte. Man sieht, daß nicht nur durch seine ästhetische Theorie, sondern auch durch seine Aufklärungsdialektik Schelling schon einige Grundgedanken Adornos präfiguriert. Dabei verwechselt Schelling durchaus nicht die erste Natur mit der zur zweiten Natur gewordenen Kulturarbeit an ihr. Die Kultivierung der Natur ist für Schelling zur zweiten Natur geworden, nicht wieder zur ersten, und das macht die Vernunft aller...