Weihnacht
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Weihnacht

Eine Weihnachtsgeschichte mit Winnetou und Old Shatterhand

  1. 556 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Eine Weihnachtsgeschichte mit Winnetou und Old Shatterhand

Über dieses Buch

Eine Weihnachtsgeschichte mit Winnetou und Old Shatterhand

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Information

Der Prayer-man

Eine Reihe von Jahren war nach dem bisher Erzählten vergangen; das Leben hatte mich in seine strenge Schule genommen und aus dem unerfahrenen Knaben einen Mann gemacht. Aber die Härte, mit welcher es mich behandelte, war eine nur scheinbare, denn ich hatte mir ja meinen Weg selbst vorgezeichnet und neben all den Anstrengungen und Entbehrungen, welche mich trafen, auch Freuden und Genugthuungen gefunden, die mir bei einem andern, ruhigeren Lebensgange versagt geblieben wären. Hatte ich doch – und das war eine der reichsten Gaben, die mir geworden sind, – meinen herrlichen, unvergleichlichen Winnetou kennen gelernt und mit ihm eine Freundschaft geschlossen, welche ich fast als einzig dastehend bezeichnen möchte. Diese Freundschaft allein wäre schon eine vollwichtige Entschädigung für alle erlittenen Mühsale und Entsagungen gewesen, aber an dem rauhen Pfade, den ich wanderte, standen auch noch andere schöne Blüten und Früchte, welche ich mir pflücken durfte. Hierzu gehörte vor allen Dingen die Liebe, welche mir von allen meinen braven Bekannten entgegengebracht wurde, während diejenigen, welche kein reines Gewissen hatten, nichts so fürchteten wie die Namen Winnetou und Old Shatterhand.
Meinen letzten Ritt hatte ich mit diesem edelsten der Indianer vom Rio Pecos aus durch Texas und das Indianer-Territorium nach dem Missouri gemacht, von welchem aus er, während ich zurückblieb, nach den Bergen ritt, um Nuggets zu holen. Da ich von vielen meiner Leser über die zwischen Winnetou und mir herrschenden Geldverhältnisse gefragt worden bin, benutze ich die jetzige Gelegenheit eine Andeutung darüber zu geben.
Man sprach und spricht noch heute sehr oft davon, daß die Indianer große Goldlager gekannt haben oder noch kennen, welche sie weder selbst ausbeuten noch den Weißen verraten. Selbst der qualvollste Tod könne sie nicht bewegen, ein solches Geheimnis mitzuteilen. Nun haben zahlreiche Schriftsteller, welche nie über den Ocean gekommen sind und von den Indianern und deren Verhältnissen überhaupt keine blasse Ahnung besitzen, diese Sage aufgegriffen und unsere Litteratur mit einer Menge von Büchern – – ja nicht etwa bereichert, in denen regelmäßig von der Entdeckung solcher verborgener Goldlager erzählt wird. Die Herren Verfasser haben sogar sehr häufig die Güte, mir ihre Machwerke mit der Bitte einzusenden, ein Vorwort dazu zu schreiben oder ihnen in sonst irgend einer Weise in Beziehung auf den »wohlverdienten« Absatz beizuspringen. Mich ekelt sehr oft schon der Titel an, und wenn ich mich trotzdem überwinde und einen Blick auf den Inhalt werfe, so dauert es gewöhnlich nur kurze Zeit, bis ich das Dings zuklappe, um es dem Verfasser wieder zuzustellen. Eigentlich sollte man solche nichtsnutzige oder gar schädliche Schreibereien gleich verbrennen dürfen, zumal sie ja meist für die Jugend bestimmt sind, ohne daß der Verfasser zu wissen scheint, daß für diese das Beste eben nur grad gut genug ist.
Ich habe eben jetzt so eine Lehrjungenarbeit zugeschickt bekommen, welche den Titel »Der König der Illoris« führt und drüben in den Felsengebirgen spielt. Nun frage ich, wo es einen Stamm dieses Namens giebt. Der Herr Verfasser, von welchem leider, leider schon mehrere Indianergeschichten für die Jugend, und noch dazu von einer hervorragenden Verlagsbuchhandlung, veröffentlicht worden sind, weiß nicht einmal, daß die Indianer nicht von Königen regiert werden, sondern sich selbst ihre Häuptlinge wählen, die sie ebenso gut wieder absetzen können. Und das ist bloß der Titel! Der Inhalt bringt ein fortwährendes Blutvergießen; jede Person, mit welcher der Verfasser nichts mehr anzufangen weiß, läßt er ermorden; da ist er sie doch los. Die Namen sollen indianische sein, kommen aber in keiner einzigen Sprache der Erde vor, weil er sie alle erfunden hat. Was von dieser Erzählung verdaulich ist, hat er mir nachgemacht. Er bringt genau eine so innige Freundschaft, wie zwischen Winnetou und mir herrschte, ferner meinen Jagdhieb, meinen Henrystutzen, meinen Hengst, natürlich aber unter anderen Namen; ebenso kommen Doppelgänger von Old Firehand, Sam Hawkens, Dick Stone, Bill Bulcher, den beiden Toasts u.s.w. vor; aber alles, was er von ihnen erzählt, hat oder hätte da drüben in den Felsenbergen ganz unmöglich geschehen können. Er besitzt auch nicht eine Spur von Kenntnis der dortigen Verhältnisse und spricht von ihnen in der Weise, in welcher ein Kaffer etwa über das Parallelogramm der Kräfte oder die Absorption des Sternenlichtes sprechen würde, falls er gezwungen wäre, zu verschweigen, daß er überhaupt nichts davon weiß. Daß ein solches Buch keinen Nutzen sondern nur Schaden bringen kann, versteht sich ganz von selbst, dennoch kann ich nur meine Empfehlung verweigern, habe aber keine Macht, den Druck desselben zu verhindern. Der Verleger ist zwar in Beziehung seiner Kenntnisse über die Indianer ebenso ein Idiot wie der Verfasser, aber ein gewandter Geschäftsmann und wird Tausende von Exemplaren verkaufen, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, daß er den wohlberechtigten Wissensdurst der Jugend benutzt hat, sein ungesundes Mischmasch zu teurem Preise an den Mann zu bringen.
Natürlich behandelt auch dieses Werk einen armen Indianer, welcher ein ungeheures Goldlager kennt und dem man mit geradezu scheußlichen Martern so lange zusetzt, bis er sein Geheimnis verrät. Ich sage, wenn derartige Kenntnisse so häufig wären, wie solche Erzählungen es den Lesern weismachen wollen, so würde es nicht Tausende und Abertausende von armen, roten Männern geben, welche, hungernd und frierend, ihre Blöße kaum bedecken können und als körperlich und moralisch heruntergekommene Bettler und Vagabunden vor den Thüren derer herumstreichen, von denen sie um alles, was sie früher besaßen, gebracht worden sind.
Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß die Kunde von Indianern, welche solche Geheimnisse gekannt haben, in allen Fällen eine Unwahrheit gewesen ist. Oh nein; ich selbst habe ja auch Rote gekannt, und zu diesen gehörte mein Winnetou, welche, wenn sie Gold brauchten, genau wußten, wo sie es zu holen hatten; aber das waren nicht gewöhnliche Männer, sondern sie gehörten alten, hervorragenden Familien an, in denen derartige Geheimnisse vom Vater auf den Sohn vererbten und niemals einem andern Familien- oder Stammesmitgliede, am allerwenigsten aber einem Weißen mitgeteilt wurden. Man muß nämlich wissen, daß der Sinn für Familienangehörigkeit, also der Stolz auf eine ungewöhnliche Abkunft, dem Indianer nicht etwa etwas Unbekanntes ist. Dieser Sinn wird ihnen allerdings sehr häufig abgesprochen; aber wer das thut, verrät dadurch nur seine Unkenntnis und plappert gedankenlos Behauptungen nach, welche von den Unterdrückern der roten Rasse vorgebracht worden sind, um ihr grausames Vergehen in einem weniger verwerflichen Lichte erscheinen zu lassen. Es giebt unter den roten Stämmen berühmte Familien, denen anzugehören eine große Ehre ist. Daran kann der Umstand, daß die Indianer sonst keine Familiennamen besitzen, gar nichts ändern. Es ist da bei ihnen genau so wie z. B. bei gewissen Völkern des Altertumes und des heutigen Orientes, die auch keine Familiennamen kannten oder kennen und doch Familien aufzuweisen haben, welche sogar weltgeschichtlich berühmt geworden sind.
Winnetou konnte eine ganze, lange Reihe berühmter Vorfahren aufzählen, welche alle Häuptlinge gewesen waren. Er kannte ihre Wirksamkeit und jede einzelne ihrer Thaten und hatte von ihnen die Kunde von Placers überkommen, über welche ihn selbst die ausgesuchtesten Martern nicht hätten zum Reden bringen können. Ich war der einzige Mensch, dem er, aber auch nur höchst selten und dann ganz, ganz von weitem, eine leise Andeutung darüber machte. Dazu kam, daß sein überhaupt so unvergleichlich scharfes und geübtes Auge einen ungewöhnlichen Blick für Fundorte edlen Metalles besaß. Ich wußte, daß er auf seinen vielen Wanderungen von einem Stamme zum andern selbst auch Stellen entdeckt hatte, wo Gold oder Silber zu finden war. Er hatte dann oft tage-, ja wochenlang zugebracht, diese Orte unzugänglich zu machen oder wenigstens so zu verbergen, daß ein anderer sich lange Zeit in unmittelbarer Nähe befinden konnte, ohne zu ahnen, daß er an einer Quelle großen Reichtums sitze.
Solche Stellen waren es, die er aufsuchte, wenn er einmal in die Lage kam, Geld zu brauchen. Im wilden Westen war dies nie der Fall, denn da schoß er sich unterwegs das Fleisch, welches er zur Nahrung brauchte, und konnte darauf rechnen, in jedem befreundeten Lager oder Zelte mit Freuden als Gast aufgenommen zu werden. Aber wenn er ein Fort oder eine sonstige Niederlassung aufsuchen mußte, um Munition zu kaufen, oder wenn er eine weitere Reise nach den »civilisierten« Gegenden unternahm, dann brauchte er Geld, und da versah er sich vorher stets mit einem Vorrate von Nuggets, welche er gegen geprägte Münze oder »mit Zahlen versehenes Papier« umtauschte.
Daß dann seine Kasse, wenn ich bei ihm war, auch für mich offen stand, brauche ich eigentlich nicht erst zu sagen; aber es kam das nicht sehr häufig vor, denn ich gehöre nicht zu der Art von Menschen, für welche es eine Freundschaft nur giebt, um angezapft zu werden. In der Not um Geld würde ich mich nur an Fremde, nie aber an einen Freund wenden, denn ich weiß aus Erfahrung, welche ich an andern, sonst ganz guten Menschen machte, daß das Borgen ein wahrer Freundschaftsmörder ist. Man sage mir dagegen, was man will, ich behaupte doch: Es sei mir jemand noch so wohlgesinnt, er fühle eine noch so große Hochachtung für mich und er sei von meiner Zahlungsfähigkeit auch noch so felsenfest überzeugt, sobald ich mir hundert oder fünfzig oder auch nur zwanzig Mark von ihm borge, fällt ein wenn auch noch so kleiner Tropfen auf die schönen Schwingen unserer Freundschaft und nimmt, wenn auch nur einige der glänzenden Schuppen weg – – der Schmetterling ist von jetzt an lädiert. Die wahre Freundschaft ist zum größten Opfer, die zwischen Winnetou und mir war sogar zum Opfer des Lebens bereit; diese Opferbereitschaft ist etwas Hohes, Heiliges, das Borgen aber etwas so Alltägliches, Niedriges, trivial Materielles, daß es zwischen Freunden vermieden werden und nur – – zwischen zwei blutarmen Gymnasiasten und dem lieben Franzl in Falkenau vorkommen sollte!
Zwar, wenn Winnetou für mich bezahlte, war das kein Borgen zu nennen, und er hatte die Nuggets umsonst; aber auch dieses Wort »bezahlen« hat, wenn es für einen andern, und sei dieser der beste Freund, geschieht, einen andern Klang als wenn man für sich selbst bezahlt. Hätte er mich mit an das Placer genommen und mir erlaubt, soviel Nuggets, wie ich brauchte, einzustecken, dann ja, gut! Aber was er in seiner Tasche hatte, das waren für mich nicht mehr herrenlose Nuggets, sondern das war sein Gold, sein Geld, und wenn er das für mich ausgab, so hatte ich immer das Gefühl, als dürfe ich nicht mit dabei sein, als müsse ich hinausgehen, um es nicht zu sehen. Und dieses Gefühl war es, welches mich dafür sorgen ließ, von seinen Nuggets möglichst unabhängig zu sein.
Sobald wir nämlich in eine bewohnte Gegend kamen, welche Postverbindung hatte, verwandelte ich mich aus dem Westmanne in den Schriftsteller. Meine Arbeiten wurden von jeder Zeitung gern aufgenommen und meist sofort und gut bezahlt. Diese Honorare waren es, welche mir meine Unabhängigkeit ermöglichten, und diese Zeitungsbeiträge sind es, welche den Reiseerzählungen zu Grunde liegen, mit denen ich seit einiger Zeit vor meine Leser getreten bin. Winnetou fühlte genau wie ich. Es ist ihm nie eingefallen, mir auch nur die geringste Andeutung darüber zu machen, daß dieses Schreiben für Honorar doch ganz überflüssig sei. Er hat sogar oft, wenn die Bezahlung nicht gleich eintreffen wollte, mit mir obgleich wir eigentlich keine Zeit dazu hatten, geduldig gewartet, bis sie kam, und sich dann ebenso darüber gefreut, als ob er selbst der Verfasser, und zwar ein mittelloser Verfasser sei. Ich erinnere mich noch heut mit Vergnügen einer Zurechtweisung, die ein reicher Pflanzer, dessen Knaben ich aus dem Missisippi gezogen hatte, von ihm erfuhr. Dieser Mann wollte, weil er mich wegen meines abgetragenen Prairieanzuges für einen armen Teufel hielt, mich mit einer Geldsumme belohnen; Winnetou aber trat sofort zwischen ihn und mich, blitzte ihn mit seinen Augen zornig an und sagte:
»Kann man das Leben eines Menschen mit Geld bezahlen? Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apatschen, und dieser Gentleman ist Old Shatterhand, mein Freund. Er könnte Millionen besitzen, wenn er sie von mir annähme; er mag sie aber nicht. Und du willst ihm diese armseligen Dollars schenken? Stecke sie ein; du brauchst sie selbst!« –
Also ich war mit Winnetou an den Missouri gekommen, und zwar nach St. Joseph, wo es damals fünf Zeitungen, darunter eine deutsche, gab und die Verbindung mit ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Weihnacht
  2. Einleitung zu "Weihnacht"
  3. Der Prayer-man
  4. Old Jumble
  5. »Sti-i-poka«
  6. Im Schnee
  7. Impressum