Der eiserne Gustav
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Der eiserne Gustav

Roman

  1. 913 Seiten
  2. German
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Der eiserne Gustav

Roman

Über dieses Buch

Die Zeit während und nach dem 1. Weltkrieg: Gustav Hackendahl besitzt ein kleines Fuhrunternehmen in Berlin. Weil Hackendahl in allen Angelegenheiten so stur ist, hat er den Spitznamen: "Der eiserne Gustav" bekommen. Die Geschäfte laufen wegen der Kriegswirren schlecht. Zudem tauchen die ersten Automobile auf den Straßen der Hauptstadt auf, gegen die Gustav nun mit seinen Pferdekutschen konkurrieren muss - doch er hat keine Chance, den Betrieb noch länger weiterzuführen. Unterstützung von seiner Familie ist nicht zu erwarten. Diese ist zerstritten und bricht auseinander. Gustav Hackendahl will sich nun wenigstens einen Traum verwirklichen: Er fährt in der Nachkriegszeit mit seiner Kutsche von Berlin nach Paris...

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Information

Sechstes Kapitel.: Rausch der Armut

1 – Vater Hackendahl in der Inflation

Der alte Gustav Hackendahl, der Vater – denn es gab ja auch einen jungen Gustav Hackendahl, den ältesten Sohn vom gefallenen Otto; der Alte hatte ihn freilich nie gesehen –, der alte Gustav Hackendahl fand es immer schwieriger, mit einem Pferde zwei Menschen zu ernähren, nämlich sich und seine Frau.
Früher, vor dem Kriege, konnte man mit einer Droschke sogar Kinder großziehen, wenn man sich nur ein bißchen Mühe gab, die richtigen Warteplätze aufsuchte und einen Gaul vor dem Wagen hatte, der den Leuten Vertrauen einflößte.
Aber wer setzte sich heute noch in eine Pferdedroschke? Liebespaare im Sommer und Angesoffene zu allen Jahreszeiten. Dann gab es noch eine gewisse Nachfrage nach Droschken, wenn Wahlen waren; dann fuhr man alte und kranke Leute, die eine vernünftige Abneigung gegen Autos hatten, zum Wahllokal.
Aber all das verschlug nichts, das Geschäft ging nicht mehr – in diesen Zeiten konnte ein Pferd nicht einmal mehr sich selbst ernähren, geschweige denn zwei alte Leute. Gustav Hackendahl gewöhnte es sich an, wenn er von seinen Fuhren durch die Kaiserallee heimwärts zuckelte, bei der Furagehandlung von Niemeyer erst einmal das Tagesfutter für den Rappen einzuhandeln, denn der Rappe ging vor. Als Hackendahl zum erstenmal für den Zentner Hafer, der vor dem Krieg sechs Mark gekostet hatte, sechshundert zahlen mußte, hatte er doch trotz all seiner Eisernheit gemeint, jetzt sei es mit der Welt am Ende. Nun zahlte er längst sechstausend Mark, und die Welt lief weiter nach dem Spruch: »Je öller, je döller!«
Bloß, daß Hackendahl schon längst nicht mehr den Hafer zentnerweise kaufte. »Und die mögen bei Niemeyern noch so sehr anjeben, Mutter, ick hole mir alle Taje meine zwölf Pfund Hafer! Zehn Pfund kriejt der Rappe, und zweie bleiben alle Tage zurück fürn Sonntag. Ick bin vorsichtig geworden!«
Aber alle Vorsicht half nichts. Oft mußte Hackendahl mit abgewendetem Kopf bei Niemeyer vorbeifahren, weil er kein Geld hatte, weil einen ganzen langen Tag kein Mensch eingestiegen war in die Droschke. Da stand denn der eiserne Gustav in der ehemaligen Tischlerwerkstatt bei seinem Gaul, hatte dem ein Futter zurechtgemanscht aus ein bißchen Heu und ein bißchen Streu und dachte an die alten Zeiten, da der Hafer alle Tage zentnerweise vom Boden geholt worden war, sein eigener Hafer von seinem eigenen Boden, und wie der Futtermeister Rabause (was aus dem wohl geworden war?) mit der vollen Futterschwinge durch den Stall gelaufen war.
»Jute Zeiten, Rappe, fette Zeiten – wie jut und fett, det merken wir alle erst heute. Du ooch, oller Dussel! Ick habe doch nischt – du kannst mir anstoßen mit deine Fresse, es fällt nischt raus!«
Nun gut, auf seine alten Tage lernte es der eiserne Gustav noch, sich in jede Situation zu schicken. Aber es machte keinen Spaß, weil es trotz aller Anstrengungen kein Vorwärts gab, sondern nur ein unaufhaltsames Zurück. Was verschlug es denn, wenn er ein paar Fuhren machte für Niemeyer, ihm Hafer, Heu und Stroh ausfuhr – es verschlug gar nichts! Mutter stand doch mit leeren Händen da.
Es war zum Lachen (da man ja nun einmal nicht weinen wollte), jetzt gab es genug Brot, und Butter dazu. Aber das Vier-Pfund-Brot kostete 20 000 Mark, und für das Pfund Butter hatte man 150 000 Mark auf den Ladentisch zu legen! So waren die Kerle, die jetzt das Regiment hatten: Erst nichts zu fressen und dann keinen Verdienst, sich was zu kaufen – solche Kerle waren das! Irgendwie machten sie's immer falsch.
Gustav Hackendahl, wenn er da bei seinem Rappen im Stall stand, grübelte hin und her, wie er es anders einrichten, ein bißchen mehr Geld verdienen könnte. Er schob den kalten Zigarrenstummel von einem Mundwinkel in den anderen. Es war wirklich ein Jammer, wie Mutter aussah, die Kleider schlotterten um die Frau, als hätte man sie einer Bohnenstange zum Vögelscheuchen angezogen. Mutter mußte endlich mal wieder ein bißchen Speck auf die Rippen kriegen, es war ein Elend mit diesem Hungern! Im Kriege war gewissermaßen noch eine gewisse Ordnung in der Hungerei gewesen, da hatten alle gehungert (oder es hatte doch wenigstens so ausgesehen), man hatte gesetzlich geregelt auf Karten gehungert. Man hatte sich gewissermaßen mit seinem Hunger einrichten können.
Aber jetzt wurde ganz regellos Kohldampf geschoben. In den Läden gab es Ware genug für den, der sie kaufen konnte. Das Volk aber lief an den glänzenden, an den überfüllten Läden vorbei, es sah lieber gar nicht erst hin, oder es sah auch gerade hin, rein aus Daffke – und dann fragte es sich, was es eigentlich ausgefressen hatte, daß es so hungern mußte. Mehr Sünden als die Fresser hatte es auch nicht auf dem Gewissen.
Aber Fragen half nicht viel, und die Umzugfuhren der kleinen Leute mit einem geliehenen Plattenwagen halfen auch nichts. Man rackerte sich einen halben Tag ab, und wenn es ans Zahlen ging, dann hieß es: »Heute paßt es nu grade nicht so besonders. Aber am Freitag, wenn Maxe mit der Lohntüte kommt ...«
Ja, Hundedreck! Wenn das Geld wirklich am Freitag fiel, da war es gerade noch ein Paar Schnürsenkel oder eine Schrippe wert! Mutter sagte wohl: »Geh doch mal zu den Kindern, Justav! Die Sophie und der Erich haben bestimmt ihr gutes Auskommen. Sie werden ihre alten Eltern doch nicht verhungern lassen wollen!«
Nein, darin war Gustav eisern, er ging nicht zu seinen Kindern, dann noch lieber auf die Wohlfahrt! Es war jetzt so, daß er richtig grinsen konnte, über sich, die Kinder und über die ganze Welt: Er, der ehemalige Wachtmeister von den Pasewalker Kürassieren, hatte fünf Kinder ohne Hungern großgekriegt. Aber diese Kinder, die alle mehr gelernt hatten als der Vater, kriegten zwei Eltern nicht satt! Darüber grinste er.
»Det is der Lauf der Welt, Mutter«, sagte er. »Und daran will ick lieber nischt ändern. Manchmal seh ick ja Erichen mit seim Auto am Zoo vorbeibrausen. Nur, er sieht mir nich. Und is ooch richtig von ihm. Denn wat soll det heeßen – ick hab bloß 'nen ollen vermotteten Kutschermantel, und er hat 'nen schnaften See-aal-pelz oder wie die Dinger heeßen – det jehört nich zusammen, det hat Jott nich jewollt. Nee, Mutter, sei zufrieden, det wir unsere Ruhe haben. Janz verhungert sind wir ja immer noch nich, und so wird et schon weiterjehn. Und Heinz kommt ja noch immer ...«
Jawohl, Heinz kam immer. Er kam regelmäßig einmal die Woche zum Abendessen, weil da der Vater zu Hause war, und redete mit den Eltern. Meistens von den alten Zeiten. Und er brachte seinen eigenen Anteil am Essen mit, wie es sich in diesen Zeiten bei Besuchen gehörte. Und sein Anteil war stets so bemessen, daß Mutter noch ein ganzes Mittagessen davon machen konnte. Was man ihm um so höher anrechnen mußte, als es ihm bestimmt auch nicht üppig ging. Mutter sah mit Bekümmernis, daß Heinz noch immer denselben Mantel trug, mit dem er vor nun fast vier Jahren von ihnen gegangen war.
Aber wenn sie ihn fragte, lachte er bloß. »Ich komm schon durch, Mutter, hab bloß keine Bange. Wir alten Leute halten es schon aus. Die Hauptsache, daß wir die Jungen großkriegen, Mutter.«
»Daß du dich auch noch mit den Bengels von der Gudde abgibst, Heinz!«
(Für Mutter blieb Ottos Frau immer die Gudde, obwohl sie ihr gewissermaßen doch einmal durch Übersendung von ein paar Bestecken verziehen hatte ...)
»Das sind großartige Bengels, Mutter, die laß man! Ohne die machte mir das ganze Leben keinen Spaß. So weiß man doch, wofür man schuftet ...«
»Pst! Der Vater!« mahnte die Mutter.
Aber mit dem Vater war das gar nicht mehr so schlimm. Er konnte schon gut ein Wort vertragen über die Bengel, seine Enkel. Ja, er konnte sogar schon ein Wort über sie reden, wenn es auch kein freundliches war.
»Und wirklich hat keener'n Buckel, Heinz? Du sohlst, ick wette, du sohlst! Und wenn man ooch den Buckel von außen nich sieht, innen steckt er – da freß ick'n Besen druff!«
»Dann freß man, Vater!« lächelte Heinz und erzählte geruhig weiter, die Mutter mochte mit den Augen plinken, soviel sie wollte.
Er war überhaupt sehr ruhig geworden und schwer zu erschüttern, der junge Heinz Hackendahl. Zweiundzwanzig Jahre alt – aber besonnen und gesetzt wie ein Alter.
»Ja, wie es mit dem Gelde wird, Vater, kann ich dir auch nicht sagen. Ich bin ja bloß ein kleiner Schreiber auf der Bank, wenn ich jetzt auch gottlob meine Lehrzeit hinter mir habe. Die Mark wird wohl weiter fallen und der Dollar weiter steigen, besonders jetzt, wo die Franzosen die Ruhr besetzen wollen ...«
Die Alten schwiegen beklommen. Schließlich fragte Vater Hackendahl: »Und von wat soll ick meinen Rappen füttern?«
Heinz Hackendahl dachte eine Weile nach. Er verstand wohl, daß der Rappe nur für jemand anders genannt wurde, für zwei andere. Dann sagte er: »Ich werde dir das nächste Mal Bescheid sagen, Vater. Vielleicht finde ich was.«
Beim nächsten Male aber traf er seinen Vater nicht an, und das war nicht so schlecht, denn er hatte für den Vater trotz aller Bemühungen nichts gefunden. Dafür hatte aber Vater selber was gefunden. Die Mutter war sehr bekümmert und in Sorge. »Du wirst sehen, Heinz, zum Schlusse kommt es bloß darauf raus, daß Vater wieder ins Saufen gerät, wie damals, als Otto gefallen war.«
Aber Heinz war zuversichtlich. »Das ist ganz recht von Vater, daß er das macht! Du sollst sehen, Mutter, da verdient er was; und er paßt auch dafür! Und mit dem Saufen hab bloß keine Angst – Vater ist viel zu stolz, um je ein Säufer zu werden.«
2 – Der Spaßmacher beim groben Gustav

An einem guten Tag unter diesen schlimmen Tagen hatte Vater Hackendahl am Bahnhof Zoo einen langbeinigen Mann mit Pferdezähnen als Fahrgast gefunden, und dieser Mann, der die Füße sofort auf den Vordersitz der Droschke gepackt hatte, während er sich im Hintersitz rekelte, hatte vom eisernen Gustav verlangt, in der Stadt spazierengefahren zu werden. »Uie sagt Sie? Zewei Stunde, und um Zewölf an die Schlesische Bahnhof!«
Eine Märchenfuhre, eine Glückslast – ein wahrer Inflationssegen, ein Engländer, nein, wie sich dann herausstellte, ein Amerikaner, der Berlin auf der Durchreise zu besehen wünschte. Nun, er besah sich unter Hackendahls Führung Berlin gründlich, das heißt, er probierte Berlins Bier, Wein und Schnaps, sehr gründlich. Und wenn er zu Anfang noch amerikanisch wortkarg in die Lokale gestolpert war: »Just a moment, please«, so hatte ihn, je mehr sie in das Zentrum vorstießen, je weiter sie nach dem Osten kamen, der Geselligkeitstrieb erfaßt, und Vater Hackendahl mußte ihn auf jeder Expedition begleiten, ging es nun in die »Traube« oder in eine Gerold-Stube.
Ein toller Kerl mit einem schneeweißen Gesicht, das kein Alkohol färben konnte, mit einer Mähne feuerroter Haare darüber. Er hatte wohl drüben, in seinem trockengelegten Heimatlande, eine fast manische Vorliebe für Flaschen bekommen, nicht einmal für die kurzen Weiterfahrten in der Droschke mochte er ohne Flasche sein. Er steckte sie in seine Manteltaschen, er baute sie vor sich auf den Vordersitz, er betrachtete sie mit trunkenen, aber lächelnden Blicken und schüttelte sie zärtlich. Wenn sie dann gluckerten, lachte er.
Es war eine Glücksfuhre, aber eine schwierige Fuhre – ein Segen, daß wenigstens der Rappe keinen Geschmack für Alkohol hatte (sie versuchten, ihn mit Kognak zu tränken, aber der Rappe verzichtete).
Durch irgendein Wunder schaffte Hackendahl wirklich den Zwölfuhrzug auf dem Schlesischen Bahnhof. Aber der Amerikaner verlangte, daß »my friend Gustav« mit auf den Bahnsteig komme, und so wurden sie denn die Bahnhofstreppe hinaufgetragen, jeder von zwei Gepäckträgern, und sie waren gewaltig heiter und erheiterten noch gewaltiger.
Am Zuge freilich kam der Trennungsschmerz, sie lagen ein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Der eiserne Gustav
  2. Erstes Kapitel: Die gute schöne Friedenszeit
  3. Zweites Kapitel.: Ein Krieg bricht aus
  4. Drittes Kapitel: Die lange schwere Zeit
  5. Viertes Kapitel: Ein Friede bricht aus
  6. Fünftes Kapitel: Welche Hand müßte nicht verdorren ...?
  7. Sechstes Kapitel.: Rausch der Armut
  8. Siebentes Kapitel: Wer Arbeit kennt und da nicht rennt
  9. Achtes Kapitel: Die Fahrt nach Paris
  10. Impressum