Heilungswege chronischer Erkrankungen - Theorie und Praxis eines neuen psychosomatischen Behandlungskonzeptes
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Heilungswege chronischer Erkrankungen - Theorie und Praxis eines neuen psychosomatischen Behandlungskonzeptes

mit 10 Fallstudien, Selbsthilfemanual und einem Beitrag von Arn Strohmeyer

  1. 236 Seiten
  2. German
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Heilungswege chronischer Erkrankungen - Theorie und Praxis eines neuen psychosomatischen Behandlungskonzeptes

mit 10 Fallstudien, Selbsthilfemanual und einem Beitrag von Arn Strohmeyer

Über dieses Buch

Unsere moderne deutsche Medizin steht den zahlreichen chronischen körperlichen Erkrankungen, die in jedem Alter Lebensqualität drastisch reduzieren oder gar zum vorzeitigen Tod führen, weitgehend hilflos gegenüber. Darüber hinaus schädigt sie oft bei der gleichzeitigen Anwendung vieler Präparate durch Neben- und Wechselwirkungen den gesamten biochemischen Stoffwechsel und verkürzt das Leben der ihr anvertrauten Patienten.Allein in den USA wurden nach wissenschaftlichen Studien in 27 Jahren 3 Millionen Todesfälle registriert, die eindeutig auf Medikamentenunverträglichkeiten basieren. In Deutschland herrschen ähnliche Verhältnisse. Mitverantwortlich ist dabei sicher auch die marktexpansive und rücksichtslose Pharmaindustrie, von der sich die Medizin abhängig macht.In diesem Buch wird eine vom Verfasser entwickelte Psychotherapiemethode beschrieben, bei der mit einer kurzpsychoanalytischen, psychosomatischen Behandlung über ein halbes Jahr gravierende Besserungen erreicht, in nicht wenigen Fällen Heilungswege eingeschlagen werden. Das Buch wendet sich mit 10 Fallschilderungen und einem Selbsthilfemanual an interessierte Leser, Ärzte und Psychotherapeuten.

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Information

Kasuistische Analysen

Im Folgenden werden zehn Fallstudien vorgestellt, in denen die für die Entstehung chronischer Krankheiten relevanten biographischen Zusammenhänge und das sich daraus ableitende psychoanalytische Behandlungskonzept ersichtlich sind.
1. Fallstudie
Die hier abgehandelte Krankengeschichte betrifft eine Patientin, die im Alter von 22 Jahren wegen schmerzhafter chronifizierter Blasenentzündungen vielfach antibiotisch behandelt wurde, infolge der oft eminenten Schmerzen ihren Alltag nicht mehr bewältigen und ihre Vorlesungen im Studium der Sozialarbeit zeitweise nicht mehr besuchen konnte. Frau A. wuchs als Kind in einer von Alkoholsucht und Gewalt des Vaters bestimmten Familie mit drei jüngeren Geschwistern auf. Sie beschreibt ihre Mutter als kalt und uninteressiert, wobei lediglich die im Haus lebenden Großeltern mütterlicherseits den drei jüngeren Geschwistern Zuwendung und Geborgenheit entgegenbrachten. Schon im Schulalter war die Patientin stark übergewichtig, wollte wie ein Junge spielen und wurde in der Schulklasse oft wegen ihrer Adipositas gehänselt. Im Alter von 18 Jahren kam es zwischen ihr und dem Vater zu einer Eskalation, als die Patientin es wagte, den Vater zu kritisieren, und ihn verbal angriff. Daraufhin trat dieser seine am Boden liegende Tochter mehrfach in den Bauch.
Die bis dato nur gelegentlich und passager unter Blasenbeschwerden leidende Patientin entwickelte in den folgenden Jahren allmählich chronifizierende gravierende Blasenschmerzen, die ihren Studienalltag als Sozialarbeiterin und ihre Lebensqualität erheblich einschränkten und verschlechterten. Nach dem schweren Trauma hatte sie mit ihren jüngeren Geschwistern bei den inzwischen nicht mehr im Elternhaus lebenden Großeltern Unterkunft und liebevolle Pflege erfahren. Durch ihren Partner erfuhr sie ebenfalls viel Hilfe. Dennoch war sie außerstande, ein von Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz bestimmtes autonomes Leben zu führen. Depressionen und Selbstunsicherheit waren vorherrschend. Als Frau A. vor drei Jahren eine psychoanalytische Therapie in meiner Praxis begann, dominierten noch die oft tagelangen Schmerzen, womit eine Alltagsbewältigung unerreichbar schien. Im Therapieverlauf spürte die Patientin, dass man ihr, entgegen ihren traumatischen Kindheitserfahrungen zuhörte, sie aber für ihre kontroversen Ansichten nicht verurteilt oder gar körperlich verletzt wurde. Dieser psychoanalytische positive Übertragungsaspekt und die Bewusstmachung des früher erlebten Psychotraumas ließen in der Patientin allmählich eine Selbstsicherheit und eine offensivere Bewältigung der Lebensprobleme entstehen. Sie konnte die erlittenen seelischen Wunden der Vergangenheit zuordnen, musste diese aber nicht wie ein ständig aufrechterhaltenes traumatisch bedingtes Weltbild auf die Gegenwart übertragen.
Das psychosomatische Denkmodell besagt u. a., dass ungelöste seelische Konflikte sich ständig biochemisch abbilden. Als einfaches Beispiel kann dienen, dass sich innerhalb von Sekunden die Schweißdrüsenaktivität steigern und zu erheblicher Transpiration führen kann, wenn z. B. eine Phobie situativ aktualisiert wird. Trifft bei einer Spinnenphobie der Patient auf eine plötzlich in der Nähe auftauchende Spinne, wird als somatische Reaktion das sympathische Nervensystem aktiviert und es manifestiert sich meist auch eine Herzfrequenzsteigerung, wobei durch das Nebennierenmark Noradrenalin und Adrenalin vermehrt ausgeschüttet werden. Klingt der auslösende Reiz schnell ab, normalisiert sich das neuro-humorale Ungleichgewicht nach einer zeitlichen Verzögerung wieder. Handelt es sich aber um einen Dauerstress, der durch abgewehrte Konflikte die freie Handlungsfähigkeit eines Menschen beeinträchtigt und zu Realitätsverzerrungen führt, etablieren sich weitgehend konstante biochemische Muster. Diese können z. B. bei einem Patienten mit einer essentiellen Hypertonie nach Jahren oder Jahrzehnten zu einer sogenannten Endorganstörung wie Koronarsklerose mit nachfolgendem Herzinfarkt oder anderen schweren körperlichen Erkrankungen führen. Unter einer Endorganstörung versteht man eine irreversible Störung eines Organs, die in der Regel nicht mehr behoben werden kann und bleibende Schäden hervorruft. Natürlich stellen persistierende körperliche Schmerzen unterschiedlicher Genese auch Dauerbelastungen für die Psyche dar, so dass man von somato-psychischen Regelkreisläufen spricht.
Im Fall der oben beschriebenen Pathobiographie der Patientin, die schon in der Kindheit maskuline Züge aufwies, ist anzunehmen, dass durch das negative Bild ihrer emotional abweisenden Mutter keine Identifikation mit ihrer eigenen Weiblichkeit erfolgte. Es entwickelte sich zwar eine sogenannte manifeste, aber keine latente psychosexuelle Identität. Es ist im Nachhinein nicht nachzuweisen, ob in diesem Zusammenhang bereits hormonelle Veränderungen existierten, die vor Beginn der Psychotherapie in meiner Praxis in Erscheinung getreten waren. Zu diesem Zeitpunkt wurden keine speziellen blutchemischen Befunde erhoben. Sicher ist, dass bereits im Jahr vor Therapiebeginn in meiner Praxis (2015) der Verdacht auf ein Adrenogenitales Syndrom (AGS) bestand.
Das AGS wird in der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie folgendermaßen definiert: »Das Adrenogenitale Syndrom ist eine angeborene Störung der Hormonbildung der Nebennierenrinde. Die Nebennierenrinde bildet das Stresshormon Cortisol, welches für die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress und die Aufrechterhaltung des Kreislaufes und Blutzuckers verantwortlich ist. […] Als weitere Hormone produziert die Nebennierenrinde männliche Geschlechtshormone (sog. Androgene). Beim AGS kommt es durch eine angeborene genetische Veränderung im Syntheseweg zur verminderten Bildung von Cortisol und des die Salzbildung regulierenden Aldosterons sowie einer vermehrten Bildung männlicher Hormone. Der Begriff Adrenogenitales Syndrom beschreibt mehrere Erkrankungen, die nach dem genetisch veränderten Eiweiß (Enzym) benannt werden.
Die häufigste Form ist der 21-Hydroxylasemangel. In der Abbildung der Hormonbildungsstörungen bei dem AGS werden u. a. in der Zona reticularis der Nebennierenrinde bei einer überschüssigen Produktion von DHEA und Testosteron bei der Frau u. a. vermehrte Behaarung (Hirsutismus), Zyklusstörungen und Vermännlichung angegeben.«7
Bei der Patientin wurde 2014 endokrinologisch ein Hormonprofil erstellt, bei dem phänotypisch der Hirsutismus bestätigt wurde. Bei dieser Untersuchung wurden mehrere Hormonwerte als deutlich erhöht markiert (Androstendion + 6,208, normal 0,21–3,8 ng/ml, DHEA-Sulfat +5,4, normal 0,4–4,3, Testosteron +1,17, normal 0,08–0,48 ng/ml).
Etwa ein Jahr nach Beginn der Psychoanalyse wurden 2016 Testosteron und Androsteron im o. g. Referenzbereich ermittelt, wobei nur noch DHEA gering erhöht war. Um noch beweiskräftigere Fakten aufzuzeigen, wäre es zweifellos sinnvoll, einen weiteren Hormonstatus nach der im letzten Jahr erfolgreich beendeten Psychotherapie quasi epikritisch nach zu erfassen.
Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die inzwischen gewonnene sehr gute Selbstwirksamkeit und Autonomie der Patientin, die sich hinsichtlich ihrer verantwortlichen Aufgabe in der Sozialarbeit und in ihrer Partnerbeziehung sowie in der Alltagsbewältigung souverän entwickelte, nachhaltige Spuren in der biochemischen Matrix generiert haben. Auch subjektiv zeigen sich nur noch selten Blasenbeschwerden, die bei Frau A. über einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren ein immenses Leiden erzeugt hatten. Inzwischen kann die Patientin, anstatt belastende Emotionen angstbesetzt zurückzuhalten und Harnverhaltung und Blasenentzündung zu erzeugen, ihren verschiedenartigen, auch aggressiven Emotionen Ausdruck verleihen. Sie muss eben nicht mehr die internalisierte Bestrafung durch den Vater fürchten, der sie bei einer kritischen Bemerkung ihm gegenüber schwerstens mit Fußtritten attackierte (s. o.) und damit über lange Zeit zur Aggressionshemmung der Patientin beitrug. Die o. g. Blasenentzündungen (Zystitiden) waren recht sicher konsekutiv.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie postuliert in ihrer zitierten Krankheitsdefinition des Adrenogenitalen Syndroms, dass die beschriebene hormonelle Erkrankung genetisch bedingt sei. Nach dem bisherigen einschlägigen humangenetischen Verständnis wären solche Patienten lebenslang auf biochemische Substitution angewiesen und könnten auf dem Wege der Psychotherapie allenfalls lernen, mit den Auswirkungen dieser schicksalhaften Erkrankung seelisch fertigzuwerden. Eine direkte Alteration des Hormonprofils über eine psychoanalytische Therapie wäre nach der aufgeführten Formulierung der Genese des AGS durch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie unvorstellbar und absurd. Die obigen Ausführungen zum speziellen psychotherapeutischen Verlauf lassen aber zumindest die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen einer nachweislichen Persönlichkeitsreifung und einer signifikanten Remission morbider hormoneller Werte bis hin zum Erreichen von Referenznormen zu. Im Januar 2020 erklärte die Patientin bei der epikritischen Befragung, dass sämtliche Beschwerden weiterhin weitgehend ausgeblieben seien und sie seelisch und körperlich gesund sei. Gelegentlich manifestieren sich kurzfristig Blasenbeschwerden, die sie als Indikator dafür einsetze, Korrekturen in ihrem Leben vorzunehmen. Wenn diese erfolgt seien, verschwänden auch die Blasensymptome wieder.
Auch bei vielen anderen Systemerkrankungen, wie z. B. dem Typ-2-Diabetes mellitus, ist in medizinischen Fachkreisen unumstritten, dass die weitgehend determinierte Entstehung der Erkrankung genetischer Natur ist. Allerdings führte Prof. Dr. Egle, ehemaliger Leiter der Psychosomatischen Klinik Gengenbach, als Internist und Psychoanalytiker schon 2012 auf dem Psychotherapiekongress in Lindau/Bodensee aus, dass höchstwahrscheinlich Diabetes 2 durch das Nebennierenrindenhormon Kortisol und andere Metaboliten über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse (HHN) gesteuert werde. Dieser Mechanismus wird offenbar über einen chronischen psychischen Stress, der bei anhaltender ungelöster psychosozialer Konfliktsituation entsteht, maßgeblich beeinflusst und hat über die zunehmende Schwächung der Insulinproduktion negative Auswirkungen auf den Kohlenhydratstoffwechsel.
Wie ich oben erläuterte, sind tiefgreifend ungelöste, oft bis in die Kindheit zurückreichende Konflikte Ursache dauernder seelischer Spannungen. Diese erzeugen strukturelle Verhaltensmuster, d. h. eine weitgehend konstante Signatur, wie auf Realitätsanforderungen reagiert werden kann. So wird z. B. ein Patient, der schon als Kind für offene Meinungsäußerungen bestraft wurde, nach der bewussten oder oft auch unbewussten Devise Verbalisierungen eigenen Ärgers oder gar Wut unbedingt umgehen und Disharmonien vermeiden wollen. Auch wenn dieses »Harmonisieren« auf der Handlungsebene gelingen mag, erzeugt dieses Verhalten bei Persistieren des fixierten Interaktionsmusters aus ganzheitsmedizinischer Sicht somatische Korrelationen in der biochemischen Matrix. So klagen nicht selten Patienten mit einer derartigen Aggressionshemmung über Sodbrennen. Dieses ist die Folge einer vermehrten Magensäurebildung, die durch eine Überproduktion der Magensäure in den Belegzellen entsteht und vielfältige Folgeerkrankungen wie Magenulcus und Ösophagitis erzeugen kann. Die Auswirkungen dieser chronischen psychosomatischen Erkrankung gehen mit behandlungsbedürftigen Schmerzen und Verdauungsstörungen einher. Dadurch wird das ohnehin primär labile seelische Gleichgewicht noch nachhaltiger gestört. Es entsteht ein psycho-somatischer und somato-psychischer Circulus vitiosus, der zur Chronifizierung der Erkrankung beiträgt.
Die überwiegende Mehrzahl der Einwohner Deutschlands wird mit zunehmendem Alter wegen somatisch manifestierender Erkrankung rein organmedizinisch symptomatisch behandelt, ohne dass eine Aussicht auf wesentliche Besserung oder Ausheilung besteht. Dabei ist natürlich unbestritten, dass notwendige Substitutionen und pharmakologische Behandlungen wie im Falle des Diabetes mellitus oder selbst bei einer essentiellen Hypertonie zumindest vorübergehend eingesetzt werden. Der entscheidende Mangel besteht darin, dass solche Patienten kaum jemals auf eine notwendige zweigleisige Vorgehensweise hingewiesen werden, nämlich auf die unverzichtbar notwendige psychosomatische Psychotherapie, die o. g. Dauerstress erkennen und reduzieren hilft. Erst hierdurch können fortgeschrittene Organschädigungen wirksam reduziert werden.
Das ärztliche Bewusstsein hat sich nach meinen jahrzehntelangen Praxiserfahrungen nicht wesentlich geändert. Selbst in dem vorwiegend präferierten Diagnosemanual ICD-10 werden nur somatoforme krankheitswertige Störungen erwähnt, dabei aber psychische und somatische Symptomatik und Erkrankungen unabhängig voneinander notiert. Es existieren also offiziell keine grundsätzlichen psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne, wobei lediglich u. a. bei Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und koronaren Herzerkrankungen eine psychische Mitursache eingeräumt wird. Demgegenüber geht die wohl mindestens 5000-jährige chinesische Medizin von einem ganzheitlichen Menschenbild aus, in dem Körper, Seele und Geist mit gleicher Wirksamkeit ständig aufeinander Einfluss nehmen und interagieren. Man könnte metaphorisch von lediglich verschiedenen physikalischen Aggregatzuständen sprechen, wie Gas, Wasser und feste Materie durch chemische Reaktionen oder veränderte Druck- oder Temperaturverhältnisse ineinander übergehen können. Durch solche Wechselwirkungen entstehen sie in einem sich stetig wandelnden Energiefeld.
Die rein pharmakologische Behandlung der im Wesentlichen psychosomatischen Erkrankungen führt außerdem über die Wechsel- und Nebenwirkungen vieler allopathischer Medikamente zu unübersehbaren Befindlichkeits- und Organschäden. In diesem Zusammenhang schreibt das »Zentrum der Gesundheit«8, ein von dem Leiter der Ganzheitsmedizinischen Akademie Heidelberg beratenes Onlineforum, dass in einem im Oktober 2018 aktualisierten Kommentar in den letzten 27 Jahren in den USA 3 Millionen Tote durch verschreibungspflichtige wissenschaftlich geprüfte Medikamente registriert wurden. In der überarbeiteten Fassung vom 20. 11. 2019 heißt es: »Die Nebenwirkungen verschriebener Medikamente töten mehr als doppelt so viele Amerikaner wie HIV/Aids oder Selbstmorde. Es sterben weniger Menschen an Unfällen oder Diabetes als an den Nebenwirkungen von Medikamenten.« Es ist nicht davon auszugehen, dass bei der hierzulande noch vorherrschenden materialistisch-physiologischen Auffassung von Gesundheit und Krankheit relativ gesehen weniger Todesfälle zu verzeichnen sind. Statistische Zahlen für Deutschland belegen in den letzten Jahren diese Auswirkung.
2. Fallstudie
In dieser kasuistischen Fallanalyse wird eine 58-jährige Patientin beschrieben, die sich schon als vier- bis fünfjähriges Kind intensiv um ihre jüngeren Geschwister kümmern musste. Der Vater bevorzugte den vier Jahre jüngeren Bruder, die Mutter passte sich dem dominierenden Ehemann vollständig an. Als Zwölfjährige trug sie den ganzen Nachmittag Zeitungen aus, sodass ihr kaum Zeit blieb, sich ihren Hausaufgaben für die Schule zu widmen. Frau H. erfuhr keine Wertschätzung und Beachtung zu Hause, wurde stattdessen wegen des Misslingens mancher Bemühungen getadelt und gerügt. Hieraus resultierte ein umfassendes Gefühl eigenen Unwertes, das in einem Kind den zwingenden Versuch erzeugt, sich über besondere Leistung und Überanpassung doch noch liebenswert erscheinen zu lassen.
Die seit einem halben Jahr in meiner Praxis behandelte Patientin hatte gelernt, dass von ihr ein ständiger Einsatz gefordert wird und ihre persönlichen Bedürfnisse unwichtig und bedeutungslos sind. Schon als Kind bemühte sie sich, den elterlichen Erwartungen vollständig zu entsprechen und sich vielleicht dadurch doch noch Aufmerksamkeit zu »verdienen«. Da dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war, versuchte sie durch gesteigerten Einsatz die Eltern umzustimmen und fühlte sich allein dafür verantwortlich, dass sie in der Betreuung der Geschwister und der Verrichtung der Hausarbeit perfekt war. Diese über viele Jahre erworbene Haltung wurde unreflektiert und unbewusst auf spätere Lebensverhältnisse im Erwachsenenalter übertragen. Damit entstand eine Verhaltensstruktur, die sich nicht mehr flexibel der aktuellen Realität anpassen konnte. So war Frau H., die seit 11 Jahren als Krankenschwester auf der kardiologischen Abteilung eines großen Krankenhauses arbeitete, nicht mehr imstande, dort auf die zunehmende Arbeitsüberlastung zu reagieren. Diese war dadurch entstanden, dass nach einigen Jahren Stellen abgebaut und wegrationalisiert wurden und die verbleibenden Mitarbeiter – ein Phänomen, das allenthalben im Dienstleistungssektor beobachtbar ist – permanent überlastet wurden. Hinzu kam, dass sich die Patientin auf eine neue interne Stelle versetzen ließ, um zwei Kolleginnen zu helfen. Diese waren miteinander befreundet und behandelten Frau H. distanziert, intrigant, eben nicht kollegial. Es reaktivierte sich psychodynamisch gesehen der bekannte Konflikt mit dem Vater, der seinen Sohn bevorzugte und von der Tochter kaum Kenntnis nahm.
Die negativ besetzte Vaterimago wurde auf die Kolleginnen projiziert und verursachte enormen psychischen Druck, der sich nach einigen Jahren – höchstwahrscheinlich über eine psychosomatisch bedingte Veränderung des Stoffwechsels mit arteriosklerotischen Einlagerungen in den Herzgefäßen – zu einem beginnenden Herzinfarkt ausweitete, welcher von einem Nahtoderlebnis begleitet war. Der steigende Arbeitsdruck und die disharmonische Beziehung zu den Kolleginnen sowie die weite Anfahrt zur Arbeitsstelle kristallisierten sich zu unüberwindlichen Stressoren, die den veränderten Stoffwechsel und krankheitswertige Befindlichkeitsstörungen verursachten. Die aufgeführten Stressfaktoren sind mit größter Wahrscheinlichkeit für das Entstehen der Herzerkrankung verantwortlich, die 2012 eine lebensgefährliche Gefäßsklerose und ein Nahtoderlebnis bewirkte.
Wenn sich eine psychische Struktur durch persistierende Anpassungsversuche an die vorgegeben familiären Verhältnisse manifestiert, bilden sich kognitiv-emotionale Leitlinien, nach denen bei analogen Begebenheiten konstant gehandelt wird. Angewendet auf die skizzierte Biographie der Patientin und ihre daraus ableitbare Morbidität, bedeutet dies, dass Frau H. auf eine ständige Arbeitsüberforderung und Missbilligung durch die Kolleginnen infantil mit Schuld- und Versagensgefühlen reagiert, anstatt sich als reife Erwachsene mit den Missverhältnissen konstruktiv dialogisch auseinanderzusetzen.
Diese sogenannte neurotische Fehlentwicklung, das heißt das erworbene Unvermögen, auf reale Anforderungen adäquat zu reagieren, besteht nicht nur als psychische Prägung. Solche maladaptiven Grundeinstellungen verändern auch biophysikalisch und biochemisch die somatische Matrix und schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung körperlicher Krankheiten. So liegt es nahe, dass es bei der Patientin, die durch die mangelnde Anpassungsfähigkeit an die chronische berufliche und kollegiale Belastungssituation in ihrer Klinik einem dauerhaften Stress ausgesetzt war und Symptome einer Depression zeigte, zu einer vermehrten Ausschüttung von Kortisol kam, die für das Entstehen kardiovaskulärer Erkrankungen mitverantwortlich gemacht wird. Dieses Nebennierenrindenhormon bewirkt bei längerfristiger Überproduktion eine Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen und fördert die Entstehung von Herzinfarkten. Bei unserer Patientin war 2012 das vordere Herzkranzgefäß bereits zu 95 % verschlossen. Eine komplette Obstruktion konnte durch Implantierung eines Stents in das betroffene Gefäß verhindert und das Überleben der Patientin gesichert werden. Während der akuten lebensgefährlichen Situation kam es zu dem o. g. Nahtoderlebnis, das Frau H. noch nicht verarbeitet hatte.
Vor der sich dramatisch zuspitzenden akuten kardialen Bedrohung wurden im Januar 2012 bei einer Gastroskopie wegen der anhaltenden epigastrischen Schmerzen eine Refluxösophagitis und hämorrhagische Erosionen im Corpus ventriculi diagnostiziert. Es handelte sich also um entzündliche Gewebsveränderungen im Bereich des Magens und der angrenzenden Speiseröhre, die oft durch eine chronische Überproduktion von Ma...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Prolog
  3. Einleitung
  4. Das Versagen des deutschen Gesundheitssystems bei der Behandlung chronischer Erkrankungen
  5. Bedeutung der Gegenübertragung
  6. Methodologische Überlegungen
  7. Kasuistische Analysen
  8. Vorläufer ganzheitlicher Auffassung in der Medizingeschichte
  9. Stigmatisierung psychischer Erkrankungen
  10. Die Wurzeln der Selbstentfremdung aus psychoanalytischer Sicht
  11. Christentum und kirchlicher Einfluss
  12. Zusammenfassung und Überleitung zum Selbsthilfemanual
  13. Praktisches Selbsthilfemanual
  14. Aufforderung zum Ungehorsam (Arn Strohmeyer)
  15. Epilog
  16. Anmerkungen
  17. Literatur
  18. Danksagung
  19. Impressum