Handlungskompetenz und  Patientensicherheit
eBook - ePub

Handlungskompetenz und Patientensicherheit

Checklisten als Lernformat in der Ausbildung zum Notfallsanitäter/in

  1. 116 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Handlungskompetenz und Patientensicherheit

Checklisten als Lernformat in der Ausbildung zum Notfallsanitäter/in

Über dieses Buch

Die aktuellen berufspolitischen Diskussionen um eine rechtssichere Freigabe von invasiven Maßnahmen für Notfallsanitäter werden oft von der Angst begleitet, dass in einer dreijährigen Berufsausbildung nicht genügend Handlungssicherheit vermittelt werden könne. Es mangelt an Vertrauen in die Handlungskompetenzen der zukünftigen Fachkräfte am Notfallort. Im Band wird begründet dargestellt, dass es mit Hilfe von Checklisten möglich ist, den SchülerInnen in der Ausbildung Maßnahmen auf einem hohen Standard transparent zu vermitteln und diese abzuprüfen. Es wird dargelegt, welchen Beitrag Checklisten im präklinischen Setting zur Patientensicherheit und zur Notfallbearbeitung im Rettungsteam leisten können und wie sie im Rahmen der berufsschulischen Ausbildung ihre Wirkung zur Förderung beruflicher Handlungskompetenz entfalten können. Der Autor, Jörg Holländer, Berufspädagoge im Gesundheitswesen Fachrichtung Rettungswesen B.A., Notfallsanitäter, Heilerziehungspfleger, Fachwirt im Gesundheitswesen und Qualitätsbeauftragter ist stellvertretender Schulleiter der BRK Berufsfachschule für Notfallsanitäter*innen in Würzburg. Dort implementierte er die präklinische Notfallsimulation in die Ausbildung und baute das Simulationszentrum simPARC auf, das er heute leitet.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Handlungskompetenz und Patientensicherheit von Jörg Holländer im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Medizin & Medizinische Theorie, Praxis & Referenz. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

1 Einleitung

Eine Checkliste zu schreiben ist nichts Besonderes, viele Menschen schreiben sich täglich Merkhilfen. Wir schreiben Einkaufslisten für den Gang zum Supermarkt, damit wir auch tatsächlich das kaufen, was wir benötigen. Wir können im Internet auf diverse Checklisten für jede Lebenslage zugreifen, sei es zum Thema Urlaub, Hauskauf oder Beerdigung. Checklisten sind im privaten Alltag völlig normal, denn durch sie gelingt es, an alle wichtigen Punkte zu denken, nichts zu vergessen und nicht ständig über dasselbe Thema grübeln zu müssen.
Wie ist es aber mit Checklisten im beruflichen Umfeld des Notfallsanitäters/der Notfallsanitäterin bestellt? Wenn uns Merkhilfen beim Einkaufen von Lebensmitteln unterstützen, nichts zu vergessen, können sie dies doch auch in einem Notfalleinsatz? Ist es sinnvoll oder gar nötig, dieses Hilfsmittel in die berufliche Bildung und in die Berufswelt zu übertragen?
Die aktuellen berufspolitischen Diskussionen um eine rechtssichere Freigabe von invasiven Maßnahmen für Notfallsanitäter1 werden oft von der Angst begleitet, dass in einer dreijährigen Berufsausbildung nicht genügend Handlungssicherheit vermittelt werden könne.
Es mangelt an Vertrauen in die Handlungskompetenzen der zukünftigen Fachkräfte am Notfallort. Mehr noch, den Berufsfachschullehrern wird die Fähigkeit abgesprochen, Handlungskompetenzen zu vermitteln und die Schüler auf ihre Aufgaben im Berufsleben vorzubereiten. Können Checklisten hier helfen? Wie kann die Berufsfachschule sicherstellen, dass der Aspekt der Patientensicherheit in der Kompetenzentwicklung der Berufsfachschüler auf allen Ebenen sichergestellt wird? Wie kann der Erwerb von Handlungskompetenz in der Ausbildung zum Notfallsanitäter mit standardisierten Arbeitstechniken in Form von Checklisten didaktisch gestaltet und organisiert werden?
Hierzu wird in diesem Band das Bildungsziel des eigenständigen Handelns betrachtet und in Verbindung mit der Problematik der sog. Human Factors gebracht. Der Begriff der Checkliste wird definiert und in die konkrete Anwendung auch im Methodenpool einer Berufsfachschule (BFS) eingeordnet, die Implementierung im schulischen Kontext beleuchtet und die Einbeziehung durch die Praxisanleiter begründet. Abschließend werden Aufbau und Design von Checklisten unter Einbeziehung der Anwenderanforderungen besprochen.

1 Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache:
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Bereichen ist im Menschenbild des Autors fest verankert. Nach Möglichkeit werden geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet. Wo sich dies nicht umsetzen lässt, wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sind dabei Frauen eingeschlossen.

2 Checklisten und eigenverantwortliches Handeln: Zwischen Selbstständigkeit und Taylorismus

Checklisten sind technische Dokumente, die in elektronischer Form oder auf Papier vorgehalten werden. Sie sind im Voraus programmierte Handlungs- und Entscheidungsstrukturen in Form von Handlungsanweisungen. (Hofinger & Heimann , 2016, S. 111) Eine Checkliste ist somit ein vordefiniertes Werkzeug zur Strukturierung eines spezifischen Prozesses. Sie enthält Informationen und unterstützt Prozesse in Form von logisch aufeinander folgenden Schritten. (Hales, Terblanche, Fowle, & Sibbal, 2008, S. 22) Checklisten stellen ein Arbeitswerkzeug dar, das als Erinnerungshilfe eingesetzt wird oder auch, um Prozesse und Handlungen gleichbleibend zu strukturieren.
„Wie im Flugzeugcockpit können Checklisten im Krankenhaus eingesetzt werden, um wichtige Dinge in Erinnerung zu rufen, Prozesse zu strukturieren und Aufgabenverteilungen zu regeln.“ (Bauer, 2010, S. 10)
Eine Checkliste ist eine Liste von konsistent angeordneten Elementen, die Aufgaben oder Verhaltensweisen und Informationen erhalten. Der Nutzer erkennt so das Vorhandensein oder Fehlen der einzelnen aufgelisteten Elemente. In der Regel wird jedes Element abgehakt oder mündlich bestätigt.
„Generell bieten Checklisten eine Chance, medizinische Fehler, Vergessen wichtiger Details und andere Versäumnisse zu reduzieren. Dies gilt auch in prähospitalen Notfallsituationen, da auch hier stressbelastete Rahmenbedingungen Defizite von Erinnerungsvermögen, Vigilanz und kognitiven Funktionen triggern.“ (Neumayr, Schinnerl, & Baubin, 2016, S. 97)
Der Notfallsanitäter (NotSan) soll auf der einen Seite eine selbstständig agierende Fachkraft in der präklinischen Patientenversorgung sein. Er muss am Einsatzort unter hohem zeitlichen und emotionalen Druck arbeiten und hier eigenständig Entscheidungen treffen. Dabei muss er Erlerntes abrufen können und sich mit seinem Handeln zwingend an die Vorgaben der Leitlinien und Standard Operating Procedures (SOPs), die auf ihn Anwendung finden, halten. Allerdings hat er keine Therapiefreiheit, da diese ein wesentliches Element der ärztlichen Professionalität ist. Wie kann es gelingen, diese Gegensätze im beruflichen Alltag zu leben, in der Ausbildung zu vermitteln und zu trainieren? Können Checklisten hier einen Beitrag liefern?

2.1 Handlungskompetenz: Selbstständiges Arbeiten in der Schule und Beruf

Aufgrund der normativen Vorgaben (Notfallsanitätergesetz u. A.) ist es ein Ziel der Berufsfachschulen (BFS), durch die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter handlungskompetente Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu generieren. Die Handlungskompetenz als zentraler Mittelpunkt der Ausbildung wurde bereits bei der Ausbildung zum Rettungsassistenten (RettAss) eingefordert. (Enke & Kuhnke, 2013, S. 41) Auch in der curricularen Arbeit in den Gesundheits- und Pflegeberufen wird die Entwicklung von Handlungskompetenz sowie die Persönlichkeitsentwicklung als übergeordnetes Element verstanden. (Prescher, et al., 2019, S. 6) Ebenso betonte die Kultusministerkonferenz (KMK) 2007, dass die Pädagogik an der Handlungsorientierung auszurichten sei:
„Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbstständigem Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt.“ (Kultusminister Konferenz, 2007, S. 12)
Die KMK definierte den Kompetenzbegriff 2018 wie folgt:
„Zentrales Ziel von Berufsschule ist es, die Entwicklung umfassender Handlungskompetenz zu fördern. Handlungskompetenz wird verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.“ (Kultusminister Konferenz, 2018, S. 32)
Die KMK subsumiert Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz unter die Handlungskompetenz. Die Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und die Lernkompetenz werden als immanenter Bestandteil von Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz aufgeführt. Die berufliche Handlungskompetenz ist dabei der Leitgedanke bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. (Paechter, 2012, S. 119) In Absatz 2 Notfallsanitätergesetz (NotSanG) wird gefordert, dass die Ausbildung fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen vermittelt. Diese sollen die eigenverantwortliche Durchführung und teamorientierte Mitwirkung in der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patienten ermöglichen. Im NotSanG werden zum großen Teil Zielsetzungen dem Kompetenzbereich der Selbstständigkeit zugeordnet. (Hahnen & Karutz, 2018, S. 250) Die Ausbildungsziele im NotSanG zielen sehr ausgeprägt auf die Eigenständigkeit des NotSans ab.
Der Lehr-Lernprozess ist dazu situations- und prozessorientiert anzulegen. So führt Schelten (2004, S 178) an:
„Konstruktivisten gehen davon aus, dass Wissenserwerb in einem vom Lernenden aktiv-aufbauenden Prozess erfolgt. Lerngegenstände müssen dazu in einem konkreten Situationsbezug stehen. Entlang der Situation entwickelt der Lernende sein Wissen selbst und passt es in seine individuellen Wissensstruktur ein.“
Das selbstständige Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben ist im Kontext eines Notfalleinsatzes verschiedenen Paradigmen unterworfen. Ein Notfallsanitäter, der einen Notfalleinsatz abarbeitet, hat verschiedene Richtlinien und Handlungs-empfehlungen, die es zu beachten gilt. Einen Rettungsdiensteinsatz ad hoc auf der Anfahrt zum Notfallort unter Sondersignal zu planen ist in Gänze nicht möglich. Ein prozessoptimiertes Vorgehen muss daher vorher detailliert festgelegt werden, so dass es auf der Anfahrt bei Bedarf nur noch stichpunktartig vom Einsatzteam wiederholt werden muss.
Die Durchführung eins Notfalleinsatzes wird oft von multiplen Faktoren beeinflusst. (Neumayr, Schinnerl, & Baubin, 2016, S. 40) So besteht zum Beispiel keine Handlungsroutine bei schwerwiegenden und/oder seltenen Notfällen, die ad-hoc-Teams besitzen keine gemeinsamen Routinen, es kommen erschwerende Rahmenbedingungen hinzu wie Dunkelheit, Regen, Lärm und emotionale Belastungen. Komplexe Situationen mit vielen Verletzten und/oder dynamischen Verläufen des Krankheits- und Verletzungsbildes sowie das Arbeiten unter hohem Zeitdruck mit gleichzeitig begrenzten Ressourcen an Material und Personen sind weitere Einflussfaktoren. Zusätzlich sind nichttechnische Fähigkeiten, wie z.B. Aufgabenmanagement, Teamarbeit, Führung etc. notwendig.
Die Qualität der Handlungskompetenz ist nach dem Einsatz für Rettungsdienstmitarbeiter oft nur aufgrund von vorher festgelegten Handlungsabläufen feststellbar, da eine direkte Rückmeldung über das Outcome des Patienten in der Regel infolge verschiedener Umstände (z.B. Datenschutzbestimmungen) nicht möglich ist. Sind keine validen Hilfsmittel vorhanden, kann die Kompetenz des Fachpersonals nur durch Beobachtungen im Team selbst erfolgen, etwa im Rahmen einer strukturierten Einsatznachbesprechung, wie z.B. der After Action Review.

2.2 Checklisten: Selbstständigkeit trifft auf Vorbestimmtheit

Der Notfallsanitäterschüler (NFS) soll zu einer selbstständig agierenden und eigenständig denkenden Fachkraft im Rettungsdienst ausgebildet werden. Die Grundfähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen, ist mindestens genauso wichtig wie das Vermitteln von Fachwissen. (Falk & Kerres, 2003, S. 28) Eine Checkliste ist ein vorgedachter und optimierter Arbeitsprozess, der mehr oder weniger kleinteilig Arbeitsschritte vorgibt. Karutz (2018, S. 223) gibt zu bedenken:
„Das ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Abbildungsverzeichnis
  4. Tabellenverzeichnis
  5. Abkürzungsverzeichnis
  6. 1. Einleitung
  7. 2. Checklisten und eigenverantwortliches Handeln: Zwischen Selbstständigkeit und Taylorismus
  8. 3. Patientensicherheit im Notfall: Kompetenzanforderungen im Alltag und bei seltenen Ereignissen.
  9. 4. Checklisten in der Notfallmedizin: Lebensrettendes Werkzeug oder Zeitverschwendung?
  10. 5. Lernort Berufsfachschule: Methodenanalyse für den Unterricht
  11. 6. Implementierung von Checklisten in Lehre und Praxis
  12. 7. Diskussion
  13. 8. Literaturverzeichnis
  14. Über das Buch
  15. Impressum