
- 160 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Was bedeutet die Pandemie für Christen?
Gott hat uns ein Leben in Fülle verheißen. Aber was ist mit der Corona-Pandemie? Wir wissen, dass Gott gut ist – aber wir wissen auch, dass vieles um und von ihm ein Geheimnis bleibt, das zu ertragen ist. Corona ist Anlass und Spiegel, grundsätzlich darüber nachzudenken, ob und wie der Glaube trägt. Wer Gott ist – und auf welche Weise er verlässlich ist. Namhafte Autorinnen und Autoren berichten ehrlich, wie sie mit solchen Glaubensfragen umgehen und wie ihre Beziehung zu Gott in Krisenzeiten belastbar und offen bleibt.
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Information

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Nicht im Homeoffice
Von Michael Herbst
Wie selbst Corona dazu beiträgt, den Glauben an Jesus besser zu verstehen
Dass jede Krise ihren eigenen Humor produziert, ist keine neue Erfahrung. In der Corona-Krise 2020 ist es nicht anders. Da gab es z.B. einen kleinen Clip, der die Kabine eines Flugzeugs zeigt, mit all den Fluggästen, und dann begrüßt der Pilot die Reisenden und sagt: »Heute arbeite ich von meinem Homeoffice aus.« Allgemeine Panik war die Reaktion. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Ansonsten scheint es ja wenig Anlass zum Lachen zu geben.
Was ist eigentlich passiert?
Manchmal reibe ich mir verwundert die Augen, wo wir im Frühjahr 2020 gelandet sind. Erinnert sich noch jemand an die Adventszeit 2019? An das »normale« Leben mit dem Gang zur Arbeit, dem Café an der Ecke, dem Treffen mit Freunden, der Teamsitzung in der Gemeinde, dem neuen Film im Kino, Stöbern beim Buchhändler und Gottesdiensten am Sonntag? An die Nachrichten abends: Syrienkrieg, Abgas-Skandal, den Kampf um den SPD-Vorsitz (und bald auch um den Vorsitz in der CDU), Brexit, »Fridays for Future«, Bundesliga-Spieltage? Irgendwann wurde berichtet, da sei doch in China (in einer Stadt namens, wie war das doch gleich, ach ja, Wuhan) ein neuartiges Virus aufgetaucht. Ach ja, mal wieder ein Virus! O.k., in China! Das ist weit, weit weg. Weihnachten kam, es wurden Geschenke ausgetauscht, in den Familien gemeinsam (!) gefeiert, dann gab es Silvesterböller (allenfalls aus Klima-Gründen infrage gestellt).
Im Rückblick ist dieses »normale« Leben schon sehr weit weg. Das Virus machte vor Grenzen nicht halt, nahm keine Rücksicht auf das Osterfest und verbreitete sich auch sonst in Windeseile. Während ich diesen Beitrag schreibe (am 18. April 2020), sind in Deutschland laut Robert-Koch-Institut (offiziell) etwa 137.500 Menschen infiziert, 4.110 Menschen sind nach einer Sars-CoV-2-Infektion an den Folgen von COVID-19 verstorben. Weltweit sind es 2.256.844 Infizierte und 154.350 Tote! Die Bilder aus Italien und Spanien, auch aus den USA sind allen vor Augen. Särge in Kühlwagen, beatmete Menschen, auf dem Bauch liegend, übermüdete Ärzte, Altenheime mit Besuchsverbot – und doch mit täglich mehr Todesopfern, verzweifelte Angehörige, die nicht Abschied nehmen können, Beisetzungen ohne Trauerfeier und ohne viele, die sonst diesen letzten Weg mitgegangen wären. Überanstrengte Menschen in ihren Wohnungen, die einen einsam, die anderen überfordert von diesem plötzlichen Überangebot an gemeinsamer Zeit auf engstem Raum.
Nach wenigen Monaten ist das persönliche Leben in einem Maße verändert, das zuvor unvorstellbar war, das gesellschaftliche Leben wurde stillgelegt und wird nur sehr langsam wieder in Gang kommen. Man muss das hier auch mal festhalten, damit wir es später nicht so schnell vergessen: Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen: geschlossen. Museen, Tierparks, Theater: geschlossen. Wovon werden Künstler leben? Sportveranstaltungen mit Zuschauern (und selbst ohne): kein Gedanke! Die meisten Geschäfte, alle Cafés, Restaurants und Hotels: geschlossen. Eine Katastrophe für den Tourismus bei uns an der Ostsee – denn davon leben die Menschen hier! Die Wirtschaft in Aufruhr: der kleine Restaurantbetreiber, der Solo-Selbstständige, der Handwerker im Messebau, aber auch Verantwortliche in den großen Unternehmen unseres Landes: in Sorge.
Das gemeindliche Leben muss sich neu organisieren, denn das »Normale« ist uns verwehrt: uns in einem Raum zu treffen, beten, hören, feiern, reden.
Alte Helden sind in der Versenkung verschwunden, neue machen uns weit mehr Eindruck als sie selbst es sich wohl hätten träumen lassen: Krankenschwestern auf Intensivstationen, Kassiererinnen in den Supermärkten, LKW-Fahrer, die die Märkte beliefern, Nachbarn, die für alte und kranke Mitmenschen sorgen, Virologen (»Team Drosten«), die kein Mensch vorher kannte, sogar Studenten, die den Platz in der (geschlossenen) Bibliothek mit einem Job beim nächsten Bauern eintauschen und nun Spargel stechen. Die Kanzlerin, die schon in der politischen Abenddämmerung zu verschwinden schien, erreicht ungeahnte Werte an Zustimmung und Vertrauen.
Unsere eigene Geschichte mit dem Virus
Also, eins kann ich gleich sagen: Freunde werden wir nicht mehr, dieses Virus und ich. Meine Frau Christiane und ich waren gerade beim Willow-Creek-Leitungskongress in Karlsruhe angekommen, freuten uns auf das Dinner mit den anderen Referenten und den Verantwortlichen von Willow. Tja, dachten wir, wir werden mit dem Kongress »so gerade noch vor dem Virus herkommen«. Und: »Es wird schon nichts passieren.« Es kam anders. Wir infizierten uns gleich beim Dinner, nach nur einem Kongresstag wurde uns Quarantäne verordnet, wir kamen so gerade noch raus aus Karlsruhe und zurück an die Ostsee – und waren dann erst einmal einen Monat lang isoliert. Der Kongress, auf den wir uns wie 10.000 andere gefreut hatten, wurde abgebrochen. Nach zwei Tagen kamen die Symptome, das ganze Programm. Das Virus verlaufe bei den meisten harmlos, hieß es. Aber das Virus hatte andere Ideen: Völlig platt waren wir (neben den angekündigten harmlosen Symptomen), zu nichts in der Lage, wie nach einem Marathon. Regungslos auf dem Sofa, vom Sofa ins Bett, vom Bett aufs Sofa, Blick auf die immer gleiche Bücherwand, aber keine Kraft zu nichts, nicht einmal für einen Krimi reichte es. Das Geburtstagsfest mit Kindern und Enkeln: abgesagt! Das kommende Sommersemester: fraglich! Die Gottesdienste bei GreifBar: ausgesetzt. Dazu das Gefühl: Wir sind eingesperrt. Und keine Bundesliga! Wenn die Ärztin vom Gesundheitsamt uns auf unserer Terrasse testete, kam sie in Sicherheitskleidung vermummt. Ach, wie schön wäre ein Gang durch den Wald! Einkaufen wäre so ein Event! Wenn doch mal jemand zum Kaffee käme! Zu allem Überfluss hatte sich die lokale Presse auf unseren »Fall« gestürzt, berichtete, ein Professor aus Weitenhagen und seine Frau hätten das Virus nach Mecklenburg-Vorpommern eingeschleppt (ja: »eingeschleppt«, wir sind jetzt also auch eine »Schlepperbande«!). Und: Ob man wohl die Nachbarn vor der drohenden Gefahr (wohl: durch uns) gewarnt habe?
Allmählich kamen die Kräfte wieder. Die Willow-Gemeinschaft traf sich weiter als hochaktive WhatsApp-Gruppe. Die Gemeinde stellte immer mal was vor die Tür, mal Blumen, mal Kuchen, mal Suppe. Nachbarn, Kollegen schrieben Mails. Die Kinder meldeten sich täglich. Wie gut, dass es Skype und Facetime gibt! Wir feierten auch Gottesdienst – jetzt online. Auch aus unserem Garten gesendet! Eine wichtige Erfahrung: Gemeinschaft geht auch so, und sie trägt! Nicht, dass wir das auf Dauer so brauchten, mit Abstandhalten als neuer Form der Nächstenliebe (Kommt Nächster nicht von »nahe«?). Irgendwie blieb es ambivalent: so dankbar für Gemeinschaft – so erschöpft, dass wochenlang niemand ins Haus darf!
Irgendwann schmeckte der Kaffee wieder. Die Symptome: jetzt lächerlich. Nach gut vier Wochen: »Der Test ist negativ!« Noch nie fand ich negativ so positiv! Wir gingen erst einmal ausführlich in den Wald (und seither täglich). Das Normale ist der Segen schlechthin. Mineralwasser einkaufen – ein Fest! Naja, ein paar andere Sachen landeten auch im Einkaufswagen. Chocolate is the answer! Laufen geht auch wieder. Irgendwann wieder mit anderen zusammensitzen, in Seminaren diskutieren, Gottesdienst feiern – das wär’s! »Eia, wärn wir da!«7 Ich schreibe einem Kollegen zum Geburtstag, versuche zu sagen, was in unseren Tagen ein Segen wäre: »Ich wünsche Ihnen ein normales Lebensjahr!«
Was »macht« das Virus mit uns?
Teil 1: Wir alle – oder: unsere Gesellschaft
Das Virus ist ungreifbar, es verbreitet sich schnell, fast unaufhaltsam, weltweit. Das Virus zerstört ein Gefühl garantierter Sicherheit, das uns gerade in westlichen Gesellschaften seit 75 Jahren immer mehr zu eigen wurde. Wir spüren: Wir sind verletzlich, wir sind endlich, wir sind sterblich. Es kann uns treffen, direkt. Es kann Menschen treffen, die wir lieben, gerade die Älteren und die Kranken. Es kann auch in seinen Folgen dramatisch werden für unsere Gesellschaft. Vielleicht reichen auch bei uns die Beatmungsplätze auf den Intensivstationen nicht aus. Wir werden ärmer sein, die öffentlichen Haushalte werden jahrelang vieles nicht mehr bezahlen können. Es kommen Gefühle auf, die sich nicht einfach wegschieben lassen: Sorge, Angst, Unsicherheit. Das Unfassbare verunsichert uns (auch uns Christen), ruft nach Vergewisserung, nach etwas, das Mut macht und Vertrauen »ins Leben« wiederaufbaut. Der Soziologe Heinz Bude (»Gesellschaft der Angst«) hat in einem Interview jüngst Folgendes gesagt: »Wir sehen Gefahren an Leib und Leben, aber diese sind gleichzeitig in ihrem Ausgangspunkt unfassbar. Und diese Art der Unfassbarkeit des Virus – wenn Sie so wollen: der heimtückische Charakter dieses Virus – macht es sehr, sehr schwierig, damit umzugehen.«8
Dies trägt dazu bei, dass tatsächlich auch religiöse Themen, Deutungen, Praktiken etwas mehr in den Blick geraten. Ich bin weit davon entfernt, die Krise als missionarische Chance zu deuten (und zu instrumentalisieren) oder in ihr einen Vorboten erneuerter Frömmigkeit zu sehen. Aber punktuell kann man sehen, dass sich Menschen an gläubige Akteure wenden oder auf Übungen des Glaubens zurückgreifen. Lehrt Not also beten? Immerhin berichtet die ZEIT von unterschiedlichsten Menschen, Gläubigen, Teilzeitgläubigen und Ungläubigen, die sich herantasten an das Geheimnis, wie z.B. Bret Stephens: »Wenn beten bedeutet, einen Gott anzurufen, an den ich nicht glaube, und ihn um Gefallen zu bitten, die ich kaum verdiene – wem hilft das? Aber wenn es heißt, einen Platz in meinem Geist zu finden, an dem ich mich davon überzeugen kann, dass alles gut wird – dann kann ich mir nichts Wertvolleres vorstellen in diesen ängstlichen Stunden.«9 Das ist weit weg von einem Erweckungserlebnis, aber doch eine kleine Öffnung, einen Spalt breit. Vielleicht ist es also gerade jetzt nicht falsch, Menschen anzubieten, mit ihnen oder für sie zu beten.
Manchmal stoßen wir aber auch an die Grenze des Menschlichen. Es gibt in diesen Krisen immer beides: Das Beste und das Schlimmste an uns Menschen tritt in Erscheinung. Wir sind es z.B. gewohnt, dass Menschen würdevoll bestattet werden. Mit dem Leib des Toten achtsam umgehen, den Trauernden einen Abschied ermöglichen, ein Grab haben, das Ort der Erinnerung sein kann – all das ist für uns unbestritten, gilt als human. Nun aber sehen wir Bilder aus New York, wo Menschen auf einer abgelegenen Insel in Massengräbern in drei Lagen abgelegt werden, ohne Feier, ohne das Geleit der Trauernden.10 Wie wird unsere Seele damit fertig? Ist das noch human? Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst (vgl. Psalm 8)?
Zu unserer inneren Hygiene gehört in dieser Zeit auch, dass wir nicht in ein »falsches Denken« verfallen. Der Stress kann ja für unsere Seele ganz erheblich werden. »Wir erleben viel Verunsicherung bei den Menschen und Ängste unterschiedlichster Art. Angst, selbst zu erkranken, oder Angst, dass es Angehörige erwischt. Gravierende Existenzsorgen kommen dazu. Der Einzelne sieht sich mit Problemen konfrontiert, die noch vor einem Monat keine Rolle spielten.«11 Manchmal gehen dann Gefühl und Verstand gleichzeitig auf Autopilot und können sich nur noch das Schlimmste ausrechnen. Angst ist auch hochansteckend. Es macht keinen Sinn, die Angst beiseiteschieben zu wollen; meist ist sie geschickter als wir. Es ist o.k.: Ich habe also Angst! Ist doch verständlich! Klar. Ich muss mich nicht gegen die Angst wehren. Aber dann hilft mir – vielleicht – in der Angst ein bisschen Hygiene des Denkens und die Übung der Dankbarkeit. Wir erinnern uns und danken, dass bei allem Schlimmen vieles gut funktioniert. Wir haben besonnene Politiker, wir haben vernünftige Mitmenschen, die überwiegend nach den neuen Regeln »spielen«, wir haben ein gutes, belastbares Gesundheitssystem. Wir haben hochqualifizierte Forscher. Wir müssen nicht fürchten, dass unsere Grundversorgung zusammenbricht. Menschen in Verwaltungen und Supermärkten, in der Logistik und in Gesundheitsämtern, in Arztpraxen und Intensivstationen leisten Gewaltiges. Das alles ist noch nicht wieder der Segen der Normalität, aber der Segen der bewahrenden und lebenserhaltenden Güte Gottes. Daran denken, dafür danken: Das hilft in der Krise und bremst die dunklen Gedanken ab, bevor sie in uns die Regie übernehmen.
Teil 2: Wir, die wir glauben – oder: unsere Gemeinden
Ich will hier drei Anläufe nehmen und eine Reihe von Fragen kurz nacheinander bearbeiten:
(1) Ist die Corona-Krise eine Strafe Gottes?
Ist das Virus eine Strafe für Gleichgültigkeit gegenüber Gott und einen Lebensstil, der Gottes Zorn hervorruft? Man findet solche Stimmen am katholischen und protestantischen Rand. So etwa beim katholischen Bischof von Chur, Marian Eleganti: Es gebe einen Zusammenhang zwischen unseren Taten und Gottes Antwort und darum sei jetzt Buße angesagt.12 Oder bei einem Pastor aus Florida, der in der New York Post zu Wort kam: Corona ist Gottes Racheengel, der sich erst Chinas Kommunisten und nun die Sünde in den USA vornimmt: sexuelle Freizügigkeit, Hass auf die Bibel und Gott, Gender-Wahnsinn usw.13
Nun kann man intuitiv schnell auf Abstand gehen und entrüstet schon den Gedanken als solchen abstrus finden, überhaupt an einen strafenden Gott zu denken. Ich finde es nicht ganz so einfach. Ich kann das, was in der Welt geschieht, nicht von Gott und seinem Wirken lösen, so als gebe es Ereignisse, mit denen er nichts zu tun habe. »Geschieht etwa ein Unglück in der Stadt, und der HERR hat es nicht getan«, fragt Amos (Amos 3,6; LUT). Also doch: Corona als Strafe? Nein, denn das könnte ich nur behaupten, wenn ich einen privilegierten Einblick in Gottes Absichten für mich in Anspruch nehmen könnte. Das kann ich aber nicht. Das Handeln Gottes in der Welt ist für uns nicht eindeutig zu entschlüsseln. Wir mögen es deuten, für dieses danken, unter jenem leiden, hinter manchem seine lenkende Hand vermuten, anderes als seine Züchtigung annehmen. Mag sein, aber es bleibt immer ein Deuten, Vermuten, Ahnen. Allein Gottes Handeln in Christus ist eindeutig, Gottes Handeln in der Welt ist es nicht. Mein Problem mit der »Predigt«, Corona sei eine Strafe Gottes, ist die fehlende Demut: zu meinen, wir könnten Gottes Tun im Einzelfall enträtseln, auch nicht irgendwann im Rückblick, sondern jetzt mittendrin. Sie »wissen« alle so viel, sie deuten so tapfer. Richtiger wäre es zu schweigen und Gott um Erbarmen und Hilfe anzurufen. Wenn mich Gottes Handeln in der Welt erschreckt und ich nicht verstehe, was das bedeutet, dann fliehe ich von dem, was ich nicht verstehe, zu dem einen Ort, an dem es keine Zweideutigkeit gibt, dem Ort, an dem Gott sein Herz zeigt, also dem Kreuz Jesu und seinem Sieg am Ostermorgen. Und da sage ich: Herr, erbarme dich. Und da sage ich: Ich verstehe es gerade nicht, aber ich weiß, du kannst es nicht anders als gut mit uns meinen. Und damit haben wir eine wesentliche Spur für Seelsorge in Situationen großen Leides: Ich muss es nicht klug deuten, das hilft auch nicht. Ich brauche einen Ort, an dem mein Leid aufgehoben ist in Gottes Mitleiden und Fürsorge.
(2) Ist die Corona-Krise eine tiefe Anfechtung des Glaubens?
Unbedingt. Unser Glaube bleibt nicht unbeeindruckt von dem, was um uns herum passiert. Auch Christen fürchten sich und machen sich Sorgen. Sie sind so trostbedürftig wie alle anderen. Martin Luther hielt die Anfechtung für ein dauerhaftes Merkmal und Erkennungszeichen eines jeden Christen.14 Neben dem Gebet und der Betrachtung der Schrift war die Anfechtung für ihn sogar das dritte grundlegende Kennzeichen christlicher Existenz. Die Anfechtung, so Luther, setzt uns zu, sie stellt alles infrage, was Gott versprochen hat, zuletzt auch seine Güte und Gerechtigkeit. Und doch: Sie lässt uns auf das Wort merken. So übersetzt Luther Jesaja 28,19. Und das Wort wird un...
Inhaltsverzeichnis
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- Haupttitel
- Impressum
- Inhalt
- Über den Herausgeber
- Vorwort zum Buch
- Persönliche Erfahrungen
- Im Gegenwind segeln
- Wo ist Gott in der Krise?
- Anmerkungen