Inhalt sind die allgemeinen Lehren des Strafrechts sowie die für den strafrechtlichen Deliktsaufbau wesentlichen Elemente des Tatbestandes, der Rechtswidrigkeit und der Schuld. Daneben werden die Sonderformen des Versuchs, der Fahrlässigkeitstat und des Unterlassungsdelikts ebenso knapp und verständlich dargestellt wie die strafrechtliche Irrtumslehre und die Grundfragen von Täterschaft und Teilnahme. Konkrete Klausurtipps, Formulierungshilfen, Merksätze, Definitionen und Aufbauschemata runden das Werk ab.
Häufig gestellte Fragen
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1Der Besondere Teil des StGB enthält in den §§ 80 bis 358 die bedeutendsten Straftatbestände (sog. Kernstrafrecht), wenngleich nicht zu verkennen ist, dass sich andere – z. T. ebenso wichtige – Straftatbestände aus Gründen des Sachzusammenhangs in Spezialgesetzen befinden (z. B. Betäubungsmittelgesetz, Abgabenordnung)1. Hinsichtlich der Gliederung des Besonderen Teils hat sich weitgehend eine Unterteilung der Tatbestände nach geschützten Rechtsgütern durchgesetzt2. Insoweit lassen sich zunächst (ganz grob) zwei große Gruppen bilden, wobei bei einzelnen Tatbeständen auch beide Schutzrichtungen Bedeutung erlangen können. Zum einen handelt es sich um Tatbestände zum Schutz von Individualrechtsgütern, die dem Einzelnen zustehen, und zum anderen um Tatbestände zum Schutz von Universalrechtsgütern (Rechtsgüter der Allgemeinheit). Hinsichtlich der Individualrechtsgüter unterscheidet man weiter nach Straftaten gegen die Person (z. B. Totschlag, Körperverletzungsdelikte, Freiheitsberaubung) und Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen (z. B. Diebstahl, Sachbeschädigung, Betrug, Erpressung).
2Dieses einbändige Werk folgt in seiner Darstellung der klassischen Unterteilung in Besonderer Teil I und Besonderer Teil II. Daher werden zunächst die Straftaten gegen die Person und die Straftaten gegen die Allgemeinheit behandelt. Im Anschluss daran werden die Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen dargestellt.3 Aus didaktischen Gründen finden sich einige wenige Ausnahmen von dieser rein an Rechtsgütern orientierten Zuordnung. Dies gilt trotz einer gewissen Nähe zu den Straßenverkehrsdelikten etwa für § 316a, da dieser im subjektiven Tatbestand auf §§ 249, 252, 255 Bezug nimmt und daher erst im Zusammenhang mit den Eigentums- und Vermögensdelikten verständlich wird. Entsprechende Erwägungen waren auch für die Zuordnung der §§ 239a, 239b (Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme) zu diesem Bereich maßgeblich. Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden §§ 258 und 258a gemeinsam mit den Anschlussdelikten der §§ 257, 259, 261 dargestellt. Umgekehrt wird trotz seiner individuellen Schutzrichtung als Vermögensgefährdungsdelikt § 142 nicht bei den Vermögensdelikten, sondern im Zusammenhang mit den übrigen Straßenverkehrsdelikten behandelt. Im Umgang mit sämtlichen der in diesem Werk behandelten Delikte ist die Heranziehung der klassischen Auslegungsmethoden unerlässlich, um den Gehalt der jeweiligen Norm zutreffend zu erfassen.4
Teil 2:Straftaten gegen das Leben
I.Totschlag, § 212
1.Geschütztes Rechtsgut
3Die §§ 211 ff. schützen das Rechtsgut Leben. Gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das Grundgesetz gewährleistet damit nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern zugleich auch einen Anspruch auf staatlichen Schutz gegen Eingriffe Dritter, die sich gegen das menschliche Leben anderer richten5. Dabei gilt der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes6. Das menschliche Leben ist ohne Rücksicht auf die Lebenserwartung, das Alter oder die familiäre bzw. soziale Situation der Person geschützt. Es ist folglich keinen Relativierungen zugänglich. Gegen staatliche Eingriffe wird das Recht eines Menschen auf Leben ferner von Art. 2 Abs. 1 EMRK gewährleistet7.
4
Hinweis
Der absolute Schutz des menschlichen Lebens ist bereits aus dem Allgemeinen Teil bekannt. So gilt etwa der Grundsatz, dass beim rechtfertigenden Notstand gem. § 34 das Rechtsgut Leben einer Abwägung nicht zugänglich ist und daher die Tötung eines Dritten zur Gefahrabwendung nicht gerechtfertigt sein kann.8 Daneben zeigt sich der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes auch bei der rechtfertigenden Einwilligung. Eine rechtfertigende Einwilligung in die Tötung ist nicht möglich, da das Leben kein disponibles Rechtsgut ist.9 Dies kann unmittelbar aus der Vorschrift des § 216 abgeleitet werden, wonach selbst bei einem ausdrücklichen und ernstlichen Tötungsverlangen des Opfers derjenige, der zur Tötung bestimmt worden ist, strafbar bleibt.
2.Systematik der Tötungsdelikte
5Für das systematische Verständnis der Tötungsdelikte stellt der in § 212 Abs. 1 geregelte vorsätzliche Totschlag den Ausgangspunkt dar:
Schaubild:
6a)Strafschärfungsvorschrift des § 211. § 211 (Mord) stellt nach h. M. einen Qualifikationstatbestand dar, während die Rechtsprechung bislang noch davon ausgeht, dass es sich bei § 211 um ein eigenständiges Delikt handelt10. Im Falle der Verwirklichung von Mordmerkmalen tritt an die Stelle der zeitigen Freiheitsstrafe bei § 212 (fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe) zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe.
7b)Privilegierungstatbestand des § 216. Dieser wirkt hingegen als Strafmilderungsgrund bei einer Tötung auf Verlangen. Gegenüber dem Grundtatbestand wird der Strafrahmen in diesen Fällen auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren abgesenkt. Was das Verhältnis der Vorschriften zueinander anbelangt, so ist zu beachten, dass im Falle der Verwirklichung der Privilegierung des § 216 die Anwendung des § 211 – auch bei Vorliegen von Mordmerkmalen – gesperrt ist11. Ein vorsätzlicher Totschlag kann demnach nur dann als Mord qualifiziert werden, wenn ein Fall des § 212 vorliegt, nicht aber ein Fall des § 216 anzunehmen ist.
8c) Strafzumessungsregeln, § 212 Abs. 2 und § 213. Neben diesen beiden tatbestandlichen Abwandlungen finden sich noch zwei Strafzumessungsregeln, die die Rechtsfolgenseite (nur) des § 212 modifizieren. Strafschärfend wirkt der in § 212 Abs. 2 normierte unbenannte besonders schwere Fall des Totschlags, bei dem zwingend auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Beim minder schweren Fall des Totschlags gem. § 213 wird hingegen der Strafrahmen auf ein Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe abgesenkt.
9d) Fahrlässige Tötung, § 222. Vom vorsätzlichen Totschlag mit seinen tatbestandlichen Abwandlungen und seinen Strafzumessungsregeln ist die fahrlässige Tötung zu unterscheiden. Schwierigkeiten bereitet hier vor allem die Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit12.
10e) Schwangerschaftsabbruch, § 218 und Aussetzung, § 221. Neben den Tötungsdelikten im engeren Sinne beinhaltet der 16. Abschnitt des Besonderen Teils mit den §§ 218, 221 noch zwei eigenständige Tatbestände. Diese Vorschriften schärfen oder mildern nicht die Strafe des § 212, sondern begründen eine selbständige Strafbarkeit für Fälle des Schwangerschaftsabbruchs bzw. der Aussetzung.
11
Prüfungsschema
1. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
aa) Anderer Mensch
bb) Töten
b) Subjektiver Tatbestand
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld
4. Strafzumessungsregeln
a) Strafmilderung: Minder schwerer Fall, § 213
b) Strafschärfung: Besonders schwerer Fall, § 212 Abs. 2
3.Tatbestand
12Den Tatbestand des § 212 verwirklicht, wer einen Menschen tötet. Die Formulierung „ohne Mörder zu sein“ gewinnt keine eigenständige Bedeutung. Sie weist lediglich darauf hin, dass bei Vorliegen von Mordmerkmalen nicht (nur) § 212, sondern (auch) § 211 zur Anwendung gelangt.
13a) Anderer Mensch. Tatobjekt der §§ 211 ff. ist nach ganz h. M. stets ein anderer Mensch, auch wenn dies der Wortlaut nicht explizit zum Ausdruck bringt13. Aus diesem Grund ist die (versuchte) Selbsttötung nicht strafbar14. Auch kann die Teilnahme an einer (vollendeten oder versuchten) Selbsttötung mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat i. S. d. §§ 26, 27 strafrechtlich nicht erfasst werden15.
14Erforderlich ist ferner, dass sich die Tat überhaupt gegen menschliches Leben richtet.
Schaubild:
15aa)Beginn des Lebens. Geschützt wird von § 212 nur das geborene menschliche Leben. Zuvor wird der strafrechtliche Schutz durch den Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 gewährt. Maßgeblich ist bei gewöhnlichem Geburtsverlauf das Einsetzen der Eröffnungswehen16. Bei operativer Entbindung soll dagegen auf die Vornahme des die Eröffnungsperiode ersetzenden ärztlichen Eingriffs abzustellen sein17. Auf den vollständigen Austritt des Kindes aus dem Mutterleib und damit die „Vollendung“ der Geburt kommt es – anders als bei § 1 BGB – nicht an18.
Gesetzestext
§ 1 BGB – Beginn der Rechtsfähigkeit: Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Nicht erfasst werden etwa Eingriffe im Wege der Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin, wie z. B. Experimente an Embryonen oder die künstliche Veränderung von Keimbahnzellen.
16bb) Ende des Lebens. Früher hat man auf den sog. klinischen Tod abgestellt (Stillstand von Atmung und Kreislauf). Dieses Kriterium ist jedoch im Laufe der Zeit auf Grund des medizinischen Fortschritts fraglich geworden. Denn Atmung und Kreislauf können künstlich in Gang gehalten werden19. Nach überwiegender Ansicht soll der Organtod des Gehirns, d. h. das Erlöschen aller Gehirnfunktionen entscheidend sein, weil dieser Vorgang stets irreversibel ist (vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 2 Transplantationsgesetz)20. Werden nach dem Organtod medizinische Geräte abgeschaltet, so verwirklicht der Arzt nicht mehr den Tatbestand des § 212.
Hinweis
Ausführungen in Klausurlösungen zum Tatobjekt sind nur veranlasst, wenn der Sachverh...
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt
Impressum
Vorwort
Literaturübersicht
Abkürzungsverzeichnis
Übersicht Piktogramme
Teil 1: Systematik des Besonderen Teils des StGB
Teil 2: Straftaten gegen das Leben
Teil 3: Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit
Teil 4: Straftaten gegen die persönliche Freiheit
Teil 5: Straftaten gegen die Ehre
Teil 6: Hausfriedensbruch
Teil 7: Urkundendelikte
Teil 8: Brandstiftungsdelikte
Teil 9: Verkehrsstraftaten
Teil 10: Vollrausch und Unterlassene Hilfeleistung
Teil 11: Straftaten gegen die Rechtspflege
Teil 12: Straftaten gegen die Staatsgewalt und die öffentliche Ordnung
Teil 13: Diebstahl und Unterschlagung
Teil 14: Raub
Teil 15: Raubähnliche Delikte
Teil 16: Sachbeschädigung
Teil 17: Betrug und betrugsähnliche Delikte
Teil 18: Erpressung, erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme