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Über dieses Buch
Phänomen Traum: Kunstwerk – und damit Gesellschaftsbild?
Träume sind die Quelle der Kunst. Damit aber nicht genug. Sie sind ebenso Quelle der Utopie und bilden auf diese Weise, so zeigt Christof Wackernagel in »Politik des Traums«, die Grundlage für eine bessere Gesellschaft.
Anhand der Protokolle seiner eigenen Träume macht Wackernagel eine Assoziationskette auf. Er deutet Träume nicht mehr nur als Spiegel eines je individuellen Zustands, sondern als Ausdruck des kollektiven Unbewussten. So vermag er den Zustand der Gesellschaft aus Träumen abzuleiten: Träume entpuppen sich in Wackernagels ebenso schonungsloser wie hintergründiger Traumanalyse als Soziogramme, als Albträume, die die Verfassung der Gesellschaft widerspiegeln, sowie als gesellschaftliche Wunschträume, die auf das träumende Individuum abgestimmte Maßstäbe für ein anderes Leben anbieten.
»Der Traum deutet nicht die Verhältnisse, er stellt sie dar. Diese Darstellung kann helfen, die Verhältnisse zu erkennen.«
Christof Wackernagel
Häufig gestellte Fragen
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Information
Politik des Traums
Träume sind Kunstwerke:
– in Hafendocks unterwegs mit einer Frau, die einen Großbriefumschlag mit leuchtendem Rand in der Hand hat, der gleichzeitig das längste und schmalste viereckige Haus der Welt ist; wir sind im ersten Stock einer Wohnung darin, und flüssiges, bläuliches Licht erleuchtet die Ränder des Briefumschlags in Form dieses Hauses wie eine Leuchtspur –
– Träume sind fantastische Schöpfungen aus allen Sparten der Kunst.
Träume sind keine Ergebnisse von Denkprozessen, sondern Verwandlungen komprimierter physischer und psychischer Befindlichkeiten in neue Zustandsformen.
Sie erscheinen als maßlose Ausgeburten befreiter Wünsche und Ängste.
Sie verbreiten sich als ziellose Entfaltungen losgelassener Glücks- und Unglücksgefühle.
Sie überwältigen als grenzenlose Ausbrüche entfesselter Lust und entborgenen Schmerzes –
Träume sind Gesamtkunstwerke:
– aus engen Sackgassen befreit, und nachdem jedes Weiterkommen zu einer lebensgefährlichen Unternehmung wurde, gehe ich zusammen mit zwei Frauen und einem Mann einen schneebedeckten Berg hoch, fröhlich und in unaussprechlicher Übereinstimmung, der Weg ist schnurgerade, und auf der einen Seite ist alles dunkel, in der Ferne schwarz, aber nicht bedrohlich, auf der anderen Seite glänzt, unendliche Zuversicht ausstrahlend, die Sonne, der Schnee knirscht unter unseren Füßen, der kalte Wind streift angenehm unsere Gesichter, und eine Flötenmusik schwingt in der Luft, in einer Schönheit und Vollkommenheit, wie ich sie noch nie gehört habe, jubilierend, triumphal –
– Menschen können Träume riechen, spüren, schmecken, hören und sehen.
Träume sind Theaterstücke, Opern, Choreografien, Fabeln, Science-Fiction, Hörspiele, Installationen, Geisterbahnen, Filme. Jede Nacht erschafft jeder Mensch mehrfach verschiedene komplizierte zwischenmenschliche Zustände, gestaltet nie gesehene Landschaften, erfindet Texte, die er sich selbst und andere Menschen sprechen lässt, komponiert ungehörte Musik, Gerüche, Geschmäcker, kreiert Emotionen, die gewaltiger sind, als die größten Künstler sie je bei anderen hervorrufen könnten, und erzeugt bewegte Bilder, wie sie selbst mit den modernsten Mitteln elektronischer Animation nie nachgebildet werden könnten, und selbst dort spürte man nicht Wind im Gesicht und hörte nicht Schnee unter den Sohlen knirschen –
mit jedem Traum wird ein Universum erschaffen:
– und neben mir bricht das Haus mit einem tiefen Erdriss weg, überhaupt ist der ganz unterirdische, mehrstöckige Beton, auf dem ich gehe, brüchig und morsch und bricht unter Getöse zusammen; ich aber bin immer dicht neben den entstehenden Erdspalten, die aufbrechen und neben denen immer größere Teile wegbrechen und auch davonfliegen, in die die Menschen hineinfallen und mit weggerissen werden, bis rechts von mir alles abgebrochen ist, und ganze Teile der Erde wegbrechen und ins All treiben, die Erde bebt und fließt, zerfließt in steinernen Hängen, die wie Lawinen oder flüssig-kalte Lava Gesteinsmassengeröll verschieben, grauschattierend sich verändernde Flüsse ergeben, zwischen denen ich auf dem Rest der Erde höher steige auf den Berg, und ich weiß jetzt, dass das das Ende der Erde ist, die einfach auseinanderbricht, zerfällt, und ich frage mich, wie ich noch atmen kann; ich müsste doch längst erfroren sein und erstickt, da sehe ich im Gebirgerest, der noch nicht zerflüssigt ist, die weiße Spitze einer Rakete, malerisch, zwischen Hügeln auf der Bergkuppe, und ich denke: ›Vielleicht kann ich damit noch weg ins All, wenn ich noch reinkomme‹, und renne über die dunkelgrünen Bergwiesen darauf zu, aber beim zweiten Hinsehen ist es ein indisch-nepalesisches Mayadenkmal, ein steinerner Bau, groß (hoch, schlank, verziert, mit Kanten, Treppen, Zeichen), eine drohende Erinnerung an die Menschheit, seit Jahrtausenden verlassen, ich sehe Vögel aufsteigen, die Berggipfellandschaft ist wunderschön, also wird es so schlimm nicht sein, wenn die Vögel noch leben; der Wind beißt so scharf in mein Gesicht, dass ich mit Schrecken bestätigt finde, dass alles real ist, ich hier alleine bin in dieser wilden Schönheit –
– ganze Welten werden neu zusammengesetzt. Materiell wie zeitlich, geistig wie körperlich. Planeten, Epochen, Gefühle, Ideen.
Jeder Traum beweist, dass der Mensch ein Schöpfer ist, der über nicht zu überbietende Produktivität verfügt, Welten zu schaffen vermag, die noch reichhaltiger sind als die bestehende.
Dass diese Kapazitäten sich vorwiegend im Schlaf entfalten, mindert nicht ihre Qualität. Im Gegenteil, zu sagen: ›Träume sind Schäume‹, ist eine alberne Verunglimpfung, die in die Irre führt: ihre Entfaltung blockiert. Jeder Traum ist eine Erinnerung an diese Kapazitäten, die zu nutzen bis heute nur ein Bruchteil der Menschen das Privileg hat. Jeder Traum erinnert den Menschen daran, dass er auch im Wachen ein Schöpfer sein könnte.
Diese Potenzen sind eine Ahnung davon, was, noch nicht entfaltet, im Menschen steckt. Diese jedem Menschen bislang ungenutzt innewohnende schöpferische Kraft eines Genies macht Utopie möglich. Analog zur These, dass die Menschen vielleicht nur einen kleinen Teil ihrer Gehirnkapazitäten nutzen, ebenfalls noch nicht genutztes Brachland.
Dieses noch nicht Entfaltete ist der Schlüssel zur Utopie. Es ist ein Indiz, dass in jedem Menschen Fähigkeiten stecken, die diejenigen der im Wachen intelligentesten und kreativsten Menschen übertreffen. Dass viele Menschen sich nicht an ihre Träume erinnern können, gar glauben, sie träumten nie, ist Folge der Unterschätzung der utopischen Sprengkraft des Traums. Dass viele Menschen ihre Träume für banal halten, ist Folge der Reduzierung ihrer Bedeutung auf die Funktion als Steinbruch der Selbsterkenntnis, der sie zweifelsohne auch sind, was aber eher ein positiver Nebeneffekt der in ihnen liegenden Chance zur Verwirklichung einer menschenwürdigen Welt ist.
Dass alle Menschen dieses schöpferische Können haben, erfüllt die demokratische Grundbedingung von Utopie. Das macht die politische Bedeutung des Traums aus.
Um in Zuständen leben zu können, wie sie ihnen der Traum vorführt, müssten die Menschen freiheitlich miteinander umgehen. Freiheit ist kein Schlaraffenland, in dem einem die gebratenen Tauben ins Maul fliegen, sondern Freiheit ist immer Freiheit des Anderen. Nicht jeder will diese Freiheit und mancher glaubt, sie nicht zu wollen, weil er keine Vorstellungen davon hat, zumal diese Utopie von Freiheit der gegenwärtigen Gesellschaftsform zuwiderläuft. Das von den herrschenden Verhältnissen vorgegebene beziehungsweise ihnen innewohnende Sicherheitsbedürfnis versperrt den Weg zur Erweiterung der menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten, die, wenn sie sich trotzdem Bahn brechen, als Verrücktheit erscheinen, von der nur der Künstler verschont bleibt, weil er das Glück hat, sie in eine Form bringen zu können; gleichwohl er von vielen dennoch als Verrückter gesehen wird. Die Unberechenbarkeit der Freiheit macht vielen Menschen Angst – der Traum zeigt, dass diese Angst unnötig ist.
Was Freiheit heißt und wie sie zu verwirklichen wäre, zeigt der Traum nicht, aber er lässt das Modell davon als Reales erfahren. Ein Modell, in dem es Leid und Elend gibt, aber auch dessen Aufhebung.
Deshalb ist das Märchen die dem Traum am nächsten kommende Kunstform: es gibt Grausamkeit, Unterdrückung und Menschenverachtung, aber man kann mit Tieren sprechen, der Schwächste entpuppt sich als der Stärkste, man kann fliegen und alles wird gut, zumindest entrinnt man der Gefahr.
Das Vorbild der Lüge ist der Traum. Die Realität oder, anders gesagt, die Wahrheit einer Parallelwelt, erfährt jeder Mensch im Traum, also ist die Lüge auch real oder, anders gesagt, wahr. Die meisten Menschen, vor allem Kinder, glauben an ihre Lüge, der Realitätscharakter des Traums bestätigt sie darin.
Die Zauberei wurde vom Traum erfunden: in ihm findet sie real statt.
Auch die Vorstellung einer anderen Welt hat der Mensch vom Traum. Dort erlebt er sie jede Nacht als reale. So bewusst wie sinnlich als akute Realität erfahren, mehr oder weniger erinnerbar, erscheint der Traum als wahre Wirklichkeit. Darin liegt seine politische Sprengkraft: Das vom Kunstwerk Traum vorgestellte Soziogramm, in seinen furchtbaren wie seinen glücklichen Aspekten ernst genommen, öffnet die Tür zur schonungslosen Betrachtung der wachen Wirklichkeit und der realen Möglichkeit ihrer Veränderung zu einer glücklicheren.
Unbewusst drängt diese Erfahrung nach Verwirklichung, bewusst bahnt sie den Weg zu dieser. Als Chance begriffen, also nicht als ›ist doch nur ein Traum‹, sondern als grenzenloses Potenzial gesehen, kann sie zum Ziel führen. Kein im Vorhinein definiertes, gar von einem Einzelnen oder einer Gruppe vorgegebenes Ziel, sondern einem nur durch Abstimmung der individuellen Erfahrungen miteinander verwirklichtes Ziel: Das könnte die Antwort auf die Frage nach der Funktion des Traums sein –
im Traum sind alle Menschen gleich:
– Massenpanik, alle fliehen unter eine Brücke; die Stadtverwaltung hat riesige steinerne fahrbare Treppen danebengestellt, deren Stufen glatt und abgerundet sind, fast gefährlich und kaum benutzbar, und die Menschen wollen sie gar nicht benutzen, drängen sich auf engstem Raum unter der Brücke zusammen, es ist das Ende der Welt, aber es gibt die Möglichkeit, die ganze Menschheit auf einen anderen Planeten zu evakuieren, wobei ich davon ausgehe, dass das gar nicht alle wollen, ich sogar jetzt schon Sehnsucht nach der alten, dann verlorenen Welt bekomme und darauf bestehe, in einem provisorischen Schulraum neben der Brücke erstmal Listen aufzustellen, wer evakuiert werden will und wer nicht, ich wische die Tafel ab und beginne, Leute einzeln zu fragen –
– gleich wert, gleich wichtig, gleich entscheidend. Das ist die utopische Tendenz des Traums. Gleich beachtet, gleich verschieden, gleich nah. Sie haben alle freie Entscheidung. Und es ist in jeder Situation, auch der äußersten, zum Beispiel dem Weltuntergang, möglich, sich so zu organisieren, dass jeder seinen freien Willen realisieren kann.
Traum kann als Vorbild genommen werden, Steigbügelhalter für eine soziale Haltung, die, in den Wachzustand übertragen, dazu führen würde, dass die sozialen Verhältnisse sich verbessern. Das Abbild gesellschaftlich unerträglicher Zustände kann zum Antrieb werden, sich ihrer zu entledigen.
»Wobei ich davon ausgehe, dass das gar nicht alle wollen«: soziale Zuversicht erscheint als evident, keiner ist allein, Träume sind Sozialsensoren. Denn was dem einen das Paradies, ist dem anderen die Hölle. Wieder organisiert der Traum, dass die beiden Gegensätze sich nicht gegenseitig behindern.
»Ich beginne, die Leute einzeln zu fragen«: Träume sind gerecht, jeder kann frei entscheiden. Einmal mehr eine Erinnerung das Diktum: ›Freiheit ist immer nur Freiheit des Anderen‹.
Die Tatsache, dass alle Menschen träumen, ist der Beweis dafür, dass es keine unterbemittelten Menschen gibt, denn jeder Mensch hat die mentalen Kapazitäten, Welten zu schaffen. Dass die Mehrheit der Menschen diese Kapazitäten nicht produktiv umsetzen kann, liegt an den herrschenden Machtverhältnissen. Diese haben kein Interesse an der Entfaltung dieser Potenziale, da sie selbst dadurch überflüssig würden. Deshalb liegt ein Verhältnis zu Träumen, welches diese als Unsinn oder allenfalls Material zur individuellen Selbsterkenntnis sieht, in ihrem Interesse.
Sich an seine Träume zu erinnern, ist ein Weg, diese unterdrückten schöpferischen Potenziale zu entfalten und damit die Kraft der Träume gegen die herrschenden Machtverhältnisse zu verwenden, wodurch Träume zur Energie- und Inspirationsquelle der Umwälzung werden können –
jede und jeder hätte das Folgende träumen können:
– draußen aber blinkt der Vollmond, als wäre er eine Lampe mit Wackelkontakt, wobei aber jedesmal die Welt taghell ist, wenn er blinkt, und währenddessen fahren alle in Booten ab, legen ab und verschwinden auf dem Meer, dafür aber kommen Scheichs auf viereckigen, blauen Flößen, die von ganzen Bootsflotten umringt sind, entgegen, und einer von den Scheichs ist verrückt, er ist bereit, alle mitzunehmen, aber droht, dass, »wer einen Ton des Alterns von sich gibt«, umgebracht wird, aber »wer denkt, wie die Köchin, ...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Vorbemerkung
- Politik des Traums
- Nachwort
- Literaturverzeichnis
- Über den Autor
- Weitere Bücher
- Endnoten