Rund um den Südpol
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Rund um den Südpol

Die Expedition der "Pourquoi Pas" von 1908-1910

  1. 388 Seiten
  2. German
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Rund um den Südpol

Die Expedition der "Pourquoi Pas" von 1908-1910

Über dieses Buch

Mit seinem Schiff "Français" hatte Jean-Bapist Charcot 1904/1905 eine Antarktis-Expedition unternommen, deren wissenschaftliche Ausbeute be­trächtlich war. Unmittelbar nach seiner Rückkehr begann er mit den Planungen für eine zweite Reise. Mit seinem neuen Schiff "Pourquoi Pas?" hielt sich Charcot von 1908 bis 1910 erneut in der Antarktis auf. Eine im Januar 1910 entdeckte Insel wurde nach dem Vater des Entdeckers Charcot-­Insel genannt. Die Ergebnisse dieser Expedition bestätigten Charcots Rang als bedeutender Polarforscher. Die Royal Geographical Society verlieh ihm 1911 die Patrons Medal für seine wissenschaftlichen Arbeiten während beider Antarktisexpeditionen.

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Information

II. TEIL

RUND UM DEN SÜDPOL

DIE EXPEDITION DER »POURQUOI PAS?«
VON 1908-1910
von
Jean Charcot

Vorgeschichte und Start

Die wissenschaftliche Ausbeute, die die »Français« aus den Jahren 1903-1905 heimgebracht hatte, wurde in Fachkreisen daheim als so bedeutend erachtet, daß ich mich dadurch angeregt fühlte, alsbald nach meiner Rückkehr die Vorbereitungen für eine zweite französische Expedition nach der Antarktis zu treffen.
Zu meiner Freude sagten mir die Akademie der Wissenschaften, das Amt für Längengrade, das Naturgeschichtliche Museum und sowohl das Ozeanographische Institut wie die Maritime Liga Frankreichs nach Prüfung meines Planes sämtlich ihre interessierte Förderung zu. Eine besondere Anteilnahme an dem neuen Projekt bewies die Akademie der Wissenschaften; sie ließ ein eigenes Studienprogramm ausarbeiten, das sogar der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es ist mir eine Genugtuung festzustellen, daß seine wertvolle Zielsetzung in der Folge nicht allein zum entscheidenden Rückgrat der Forschungsarbeiten wurde, sondern auch weitgehend verwirklicht werden konnte.
Wie die geschichtliche Erfahrung derartiger Unternehmungen lehrt, war auch diesmal die Beschaffung der nötigen Geldmittel der undankbarste und schwierigste Teil des Vorhabens. Immerhin hatte ich nach den vorausgesehenen Rückschlägen das Glück, zwei Männer für meine Aufgabe zu gewinnen, die ungesäumt ihre Zeit opfern und stets mit dem ganzen Einsatz ihrer Persönlichkeit zur Stelle sind, wenn es gilt, einen Beitrag zum Ruhme des Vaterlandes zu leisten. Ich nenne sie mit tiefempfundenem Danke: Paul Doumer und Maurice Berteaux. Ihren unermüdlichen und nachdrücklichen Vorstellungen konnte sich nicht einmal das Parlament verschließen; es bewilligte überraschend einen staatlichen Hilfsfonds von 600.000 Francs, eine willkommene Summe, die sich überdies später noch um 100.000 Francs erhöhte.
Subventionen des Museums und der Geographischen Gesellschaft sowie einige großherzige Zuwendungen verständnisvoller Gönner setzten zu alledem das Gesamtbudget der Expedition auf 780.000 Francs herauf. Zugegeben, der Betrag erscheint nicht sonderlich hoch, insbesondere im Vergleich zu den Millionen, über die verschiedentlich ausländische Forschergruppen haben verfügen dürfen. Wenn ich trotzdem die Basis als ausreichend ansah, so wurde ich hierzu vornehmlich bestimmt durch die Uneigennützigkeit meiner bewährten Mitarbeiter, ergänzende Spenden zahlreicher Industrieller und die Überlassung eines reichhaltigen Instrumentariums, dessen Teile mir, geschenkweise oder als Leihgaben, vom Fürsten zu Monaco, dem Marineministerium, von wissenschaftlichen Gesellschaften und selbst schlichten Privatleuten zugingen. Ihre gewichtige Unterstützung lieh mir schließlich einmal mehr die Presse, wie ich überhaupt von allen Seiten einhellig Hilfe und Ermutigung erfuhr.
Unser braver alter Gautier, in Saint-Malo beheimatet, der bereits die »Français« gebaut hatte, wurde nach Verdienst beauftragt, auch das neue Expeditionsschiff, die »Pourquoi Pas«, auf Kiel zu legen; in seiner Arbeit verknüpfte er geschickt Boyns Erfahrungen mit einer willigen Durchführung meiner eigenen Anweisungen. Nach eifrigem Schaffen lief am 18. Mai 1908 ein stolzer Dreimastensegler vom Stapel, der vom Ausland als das Muster eines Antarktisseglers bezeichnet wurde. Seine Länge betrug 40 m, seine Breite 9,20 m, sein Tiefgang bis zur Lademarke 4,30 m. Der 550 PS starke Hilfsmotor war unter der Leitung des Chefingenieurs der Marine, Laubeuf, von so namhaften Spezialisten wie Labrosse und Fouché aus Nantes konstruiert und persönlich eingebaut worden.
Viel kam natürlich auch auf die Inneneinrichtung des Schiffes an. Im Hinblick auf den außergewöhnlichen Zweck der Fahrt mußte die Ausstattung ebenso bequem wie möglichst praktisch sein. Ein besonderer Wert war daher nicht nur auf geeignete Laboratoriumsräume gelegt, die zur Auswertung der erhofften Entdeckungen dienen sollten, daneben wollten ähnlich bedachtsam zuverlässiges Rüstzeug für stille Studien an Bord und Ausflüge landeinwärts, ein sicher funktionierendes Schiffsbesteck sowie ausgewählte Kleidung und Lebensmittelvorräte in Betracht gezogen sein. Neun Monate waren so seit dem Auftrag an den biederen Gautier vergangen, als die »Pourquoi Pas« endlich zur Ausfahrt bereit stand.
Der Stab war leicht zusammenzustellen. Mehrere meiner Gefährten, die von der ersten Expedition her erprobt waren, schieden zwar aus, so gern sie auch erneut mein Schicksal geteilt hätten. Zu meinem lebhaften Bedauern mußte ich etwa auf den Leutnant zur See A. Matha verzichten, den das berechtigte Vertrauen seiner Vorgesetzten in den Marinedienst zurückberufen hatte, während Ingenieur P. Pléneau von einem ehrenvollen Ruf der Industrievereinigung erreicht worden war, die ihn an die Spitze eines schwierigen Betriebsunternehmens in Sibirien und der Mongolei stellte. Da für gelang es mir, in E. Gourdon einen verläßlichen Freund und geschätzten Fahrtkameraden wiederzuverpflichten.
Außer ihm, der die Sparte Geologie und Gletscherkunde übernahm, gehörten dem engeren Kreise weiterhin Leutnant Bongrain als »Zweiter«, zugleich verantwortlich für astronomische, hydrographische und seismographische Beobachtungen sowie Gravitationsmessungen, die Seeoffiziere I. Rouch (Meteorologie, atmosphärische Elektrizität und physikalische Ozeanographie) und R. E. Godfroy (Studium der Gezeiten, Küstentopographie und Luftchemie), Dr. med. Liouville als Arzt und Zoologe sowie L. Gain für insbesondere botanische Feststellungen und A. Senouque für Magnetismus, Actinometrie und wissenschaftliche Fotografie an. Als Leiter der Expedition zeichnete in J. B. Charcot der Verfasser dieser Aufzeichnungen; ich hatte mir das bakteriologische Fachgebiet vorbehalten und war außerdem der Kommandant der »Pourquoi Pas«, wobei sich die Marineoffiziere neben ihren wissenschaftlichen Aufgaben mit mir in die Navigation und den Dienst an Bord teilten.
Es freut mich, bereits hier hervorheben zu können, daß auch diese Expedition wie zuvor die der »Français« ausschließlich deshalb wieder so erfolgreich war, weil Triebfeder und Ansporn die Arbeitsfreudigkeit und die hohen Kenntnisse meiner Gefährten bildeten.
Daneben war es fast die ganze ehemalige Mannschaft der »Français«, die sich von neuem einschiffte. Ich konnte mich damit auf einen Kern ergebener und erfahrener Männer verlassen, denen ich voll vertrauen durfte. Willens und fähig, sich einzuordnen, erwiesen sich auch die Hinzugekommenen als ein Gewinn. Schwerlich fand sich also je eine geschlossenere Besatzung, kaum eine, die tatkräftiger, einsatzbereiter, tapferer, ausdauernder und geistesgegenwärtiger gewesen wäre.
Sie verdient, genannt zu werden:
Meister Cholet*
Obermaat Jabet*
Maat Besnard*
die Matrosen J. Guéguen,* Hervé, Thomas,
Dufrèche, Lerebourg, Aveline und Denais
die Schiffsjungen Nozal und Boland
die Ingenieure Rosselin und Poste*
die Heizer F. Guéguen,* Monzimet und Lhostis
Schiffszimmermann Libois*
Maschinist Frachat
Modaine in der Kombüse
sowie die Proviantmeister Paumelle und van Acken
Es lag in der Absicht der Expedition, die Forschungsarbeiten der »Français« in der südlichen Antarktis fortzusetzen und unsere früheren wissenschaftlichen Beobachtungen weitgehend auszubauen. Mit keinem Gedanken dachten wir jedoch daran, auf der vorgezeichneten Route den Pol zu erreichen oder uns ihm auch nur zu nähern, zumal wir wußten, daß ihn gleichzeitig der uns inzwischen zu einem Freunde gewordene Sir Ernest Shackleton anzulaufen suchte, der erfolgreich an die von seinem ehemaligen Chef, Kapitän R. Scott, ruhmvoll abgeschlossenen Kreuzungen anknüpfte.
Am 15. August 1908 stachen wir in Le Havre unter einer Fülle von Kundgebungen in See. In Cherbourg nahmen wir unsere Kohlenladung über und mußten dann, bei der Ausfahrt dort von einem starken Sturm überrascht, in dem anmutigen, gastlichen kleinen Hafen Saint-Pierre à Guernsey Schutz suchen. Nach kurzem Aufenthalt in Madeira und auf den Inseln von Cap-Vert liefen wir am 12. Oktober Rio de Janeiro an, wo wir mit derart offenen Armen empfangen und aufgenommen wurden, daß wir aus Besorgnis, unbescheiden erscheinen zu können, auch nicht den leisesten Wunsch mehr auszusprechen wagten. Nicht minder gut erging es uns in Buenos Aires, wo wir am 20. eintrafen; die Argentinier, die uns bereits beim ersten Mal vorbildliche Beweise ihrer Gastfreundschaft gegeben hatten, wollten offensichtlich zeigen, daß sie noch Besseres vermochten. Auf den Vorschlag eines Dr. Pinero hin räumte uns die Regierung nämlich nicht weniger als einen unbegrenzten Kredit ein.
Der 1. Dezember war es, als wir danach in Punta Arenas in der Meerenge von Magellan vor Anker gingen; diesmal die Chilenen, wetteiferten alle Stellen förmlich in dem Bestreben, hinter den beiden anderen großen lateinischen Republiken Südamerikas nicht zurückzustehen.
Hier galt es im übrigen, Abschied zu nehmen! Meine Frau, die mich bislang tapfer begleitet hatte, trat von Punta Arenas aus ihre Heimkehr an, um während meiner Abwesenheit unser Haus zu hüten.
Dr. J. B. Charcot

Die mit einem * bezeichneten Namen waren bereits auf der »Français« vertreten.

WAS DAS BORDBUCH ERZÄHLT

ERSTER TEIL

Sommer 1908 – 1909
16. Dezember 1908. – Bei windstillem schönem Wetter setzen wir um 9 Uhr abends vor Punta Arenas Segel. Eine halbe Stunde zuvor war an Bord seiner Jacht »Laurita« der zuständige französische Konsul, Blanchard, eingetroffen; der Liebenswürdige brachte außer Gouverneur Chaigneau einen der norwegischen Direktoren der Sociedad Ballenera Magellanes, einen gewissen Henkes, ferner den italienischen Kaufmann Grossi sowie vier Landsleute von uns, Poivre, Beaulier, Detaille und Rooca, mit. Wir tranken ein Glas Champagner, drückten allen diesen freundlichen Menschen, in denen wir neue Freunde zurückließen, dankbar die Hand, und los ging es! Die »Laurita« grüßte uns mit drei Pfeifensignalen, indes von ihrem Deck kräftige Hurras und begeisterte Rufe herüberklangen. Die Besatzung auf dem Brükkenschiff der chilenischen Regierung stimmte ein, und ganz am Ende der Reede rief uns die einsame Wache eines großen Dampfers ein glückwünschendes »Gute Reise« zu.
17. Dezember. Die Nacht ist windstill und klar. Aber bei Tagesanbruch liegen die Berggipfel in Wolken gehüllt. Es weht leichter Südwind. Gleichwohl machen wir gute Fahrt. Nach Verlassen der Meerenge von Magellan passieren wir den Magdalenensund und hierauf den Cockburn-Kanal. Gegen 1 Uhr mittags kreuzen wir zwischen den Furienklippen. Die See wird grob. Starker Westwind kommt auf. Merklich sinkt das Barometer. Nicht allein in dieser Enge, sondern auch weiterhin sieht es fast so aus, als würden wir den angestrebten Zeitgewinn wieder einbüßen, vor allem falls wir gezwungen werden sollten, Anker zu werfen und einen schützenden Hafen aufzusuchen. Andererseits ist das Schiff überlastet. Einem überraschenden Sturm können wir uns unmöglich aussetzen. Zudem führt die »Pourquoi Pas« als Decklast Briketts, die teilweise die Ablaufrinnen verstopfen. Richtiger also, wir drehen bei! Entschlossen verlassen wir den Murray-Kanal und nehmen Kurs auf Brecknock. Wir besitzen zum Glück eine gute Karte. 8 Uhr abends ist es, als wir in der malerischen und gut geschützten kleinen Bucht von Port Edwards an der Einfahrt des Whale-Boat-Sundes festmachen.
18. Dezember. Um 7 Uhr, den Morgen darauf, geht es weiter! Trotz Nebel und Regen erreichen wir rasch den Beagle-Kanal. Den ganzen Vormittag hindurch bleibt das Wetter diesig. Es gießt in Strömen. Erst am Nachmittag klart es hin und wieder auf, so daß wir das großartige Bild der Natur bewundern können, das sich uns bietet. Zwischendurch begegnet uns ein kleiner chilenischer Dampfer aus Punta Arenas, mit dem wir Grüße tauschen. Um 9 Uhr abends ankern wir in der Bucht von Lapataia. Die Böen sind sehr heftig, aber unser Anker hält.
19. Dezember. Seit 3 Uhr in der Morgenfrühe sind wir erneut unterwegs. Der Gedanke, Ushuaia anzulaufen, hat zweifellos etwas Verführerisches.
Schon können wir seine Häuser unterscheiden. Sicherlich stände uns ein herzlicher Empfang der Freunde aus dem Jahre 1904 bevor. Aber jeder Aufenthalt bedeutet unwiederbringlich verlorene Zeit. Auch müssen wir die günstige Jahreszeit nützen! Zwar gibt es noch starke Windstöße, doch nicht lange danach flaut es ab. Unter einem völlig klaren Himmel ist die Sicht ausgezeichnet. Unaufhaltsam zieht uns eine Strömung in den Murray-Kanal. Bald taucht an der Kimme die Bucht von Orange auf, das Wirkungsfeld der Mission La Romanche. Damals, 1904, auf der »Français«, landeten wir hier. Um 12 Uhr haben wir das falsche Kap Horn umfahren. Die Dünung ist sehr stark. Sie steigert sich noch, als wir um 2 Uhr am echten Kap Horn anlangen, das bei diesem herrlichen sommerlichen Wetter in strahlendes Licht getaucht ist. Es geht kein Lufthauch. Das überlastete Schiff mit seinen schwappenden Segeln ist deshalb schwer auf Kurs zu halten. Am Abend passieren wir achteraus einen großen, nach Westen fahrenden Dreimaster, mit dem wir Signale tauschen. Zu unserer Freude ist es ein Landsmann, die »Michelet« von Nantes, die uns »Gute Reise« signalisiert. Gegen 10 Uhr sichten wir am Horizont einen anderen Dreimaster auf dem Wege nach Osten.
20. Dezember. Ab Mitternacht brist sehr starker Wind aus Nordost, gefolgt von Schneesturm. Der Willkommensgruß der Antarktis! Die Dünung geht sehr hoch und trifft uns seitlich. Wir setzen das kleine Focksegel sowie die beiden Stagsegel. Dieses Segeln ist nicht ohne Gefahr für die Maschine. 8 Uhr morgens stehen wir auf 25 Grad. Alles geht gut, nur sind sehr viele an Bord seekrank und opfern den Fischen. Das Schiff nimmt Wasser über, das ins Logis und die Kabinen strömt.
Am nächsten Morgen legt sich der Wind. Es wird klar und kalt bei 0 Grad, der Abend windstill bei sehr grober See. Wir geien durchweg auf und steuern die Insel Smith an, um dort zu landen. Früher durch die amerikanischen Seehundjäger unter dem Namen Mount Pisgah Island bekannt, heißt sie heute mit größerer Berechtigung nach dem kühnen Mann, der 1819 die südlichen Shetland-Inseln entdeckte.
22. Dezember. Um 7 Uhr morgens machen wir im Dunst der Frühe ein Kap aus, das nur zur Insel Smith gehören kann. Als es völlig aufklart, taucht tatsächlich das ganz von Schnee bedeckte, mächtige Eiland in 30 Meilen Entfernung auf. Wir wählen die Fahrstraße von Boyd, wo wir unserem ersten Eisberg, einem Einzelgänger, begegnen. Um der Besatzung und vor allem denjenigen Kameraden, denen ein solcher Anblick neu ist, das Phänomen recht zu gönnen, fallen wir ein wenig von der Route ab und segeln langsam an ihm entlang. Die See ist ruhiger geworden, das Wetter bemerkenswert klar. Deshalb erblicken wir auch den größten Teil des Archipels. Rasch werden noch in der Meerenge von Boyd zwei Lotungen vorgenommen, von denen die eine 2800 m, die andere 690 m ergibt.
Dann haben wir das Kap der Insel Déception erreicht. Im Augenblick, da sich die enge Einfahrt ihres mittleren Hafens vor uns öffnet, sichten wir zwei kleine Walfischfänger. Der eine schleppt soeben einen Wal ein. Der andere hält auf uns zu. Es ist die »Raun« mit wehender norwegischer Flagge. Bald sind wir auf gleicher Höhe. Die Mannschaft bringt ein Hurra auf uns aus. Liebenswürdig erbietet sich ihr Kapitän, in ausgezeichnetem Englisch, vorauszufahren, um uns als Lotse zu dienen. In der Meinung, daß das Schiff vom Fang zurückkehrt, nehmen wir das freundliche Anerbieten an. Später hörten wir, daß diese braven Leute im Begriff waren auszufahren und nur uns zu Ehren stoppten, um uns trotz des dadurch verursachten Zeitverlustes zu lotsen.
Obgleich vorausgesehen, war in dieser Region das Zusammentreffen mit Schiffen, die gelassen ihrer Arbeit nachgingen, unzweifelhaft von starkem Eindruck, ja, fast beunruhigend für jene von uns, die wir bereits 1904 in der Antarktis waren, als wir uns dort die einzigen menschlichen Wesen wußten. Das Außergewöhnliche dieses Erlebnisses sollte sich noch verstärken. Im Hafen von Déception sahen wir uns nämlich mit einem Mal inmitten einer richtigen Flotte. Fast kamen wir uns wie in einem norwegischen Industriezentrum vor. Unser Lotse ließ uns ganz nahe der steilen, senkrecht abfallenden Wand der hohen schwarzen Klippe im Osten der Fahrtrinne einreihen. Nach scharfer Schwenkung bot sich uns so unmittelbar der Anlegeplatz der Walfischfänger, wunderbar geschützt in einer ziemlich großen Bucht, die das große Kraterbecken dieser idyllischen und merkwürdigen Insel einkerbt.
Umgeben von mehreren kleinen Walfischfängerdampfern, ankerten gerade zwei Dreimaster und zwei große Dampfer. Die gesamte Flotille gehörte drei verschiedenen Gesellschaften. Überall schwammen Walfischkadaver. Solche, die soeben zerlegt wurden oder deren Zerteilung bevorstand, hingen an den einzelnen Schiffen. Unerträglich, der Geruch!
Der Kapitän der »Raun« bittet mich, seinen kleinen Dampfer zu besuchen. An Bord ist es trotz des schmutzigen Geschäfts erstaunlich sauber. Stolz führt mich mein Gastgeber in die winzige, gut gehaltene, bequem und beinahe elegant eingerichtete Kajüte, in deren Ofen ein anheimelndes Kohlenfeuer brennt. Anschließend begeben wir uns auf den größten der Dampfer, den »Gobernador Bories«, auf dem sich der Geschäftsführer der »Sociedad Ballenera Magellanes«, Andresen, befindet. Mit großer Mühe bahnen wir uns einen Weg durch die Walfischkadaver. Ich werde in das geräumige, ebenfalls äußerst saubere und fast luxuriös ausgestattete Logis geleitet. Ein Papagei, der sich in der Antarktis doppelt heimatlos fühlen muß, plaudert ernsthaft, und auch hier bewillkommt uns ein gemütlich warmer Ofen. Ich betrachte ihn, wie schon den glühenden Gesellen auf der »Raun«, ein wenig neidisch, leiden wir doch bei uns auf der »Pourquoi Pas« empfindlich unter der Feuchtigkeit, da wir aus Kohlenersparnis nicht heizen.
Andresen hat sich schon zur Ruhe begeben. Immerhin macht der Kapitän der »Raun« keine Anstände, ihn unverzüglich wecken zu lassen, und ich...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Ein Wort an den Leser!
  3. I. Teil: Der Ritter des ewigen Eises von Marc Dubu
  4. II. Teil: Rund um den Südpol - Die Expedition der »Pourqouis Pas« von 1908-1910 von Jean Charcot
  5. Jean-Baptiste Charcot
  6. Weitere Informationen
  7. Impressum