Berufsorientierte Schreibkompetenz mithilfe von SRSD fördern
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Berufsorientierte Schreibkompetenz mithilfe von SRSD fördern

Evaluation eines schulischen Schreibprojekts

  1. 302 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Berufsorientierte Schreibkompetenz mithilfe von SRSD fördern

Evaluation eines schulischen Schreibprojekts

Über dieses Buch

Bei diesem Band handelt es sich um eine Interventionsstudie, an der sowohl NeuntklässlerInnen als auch Auszubildende der Hotellerie teilnahmen. Die Studie untersucht das Schreiben im berufsorientierten Kontext empirisch, zentral ist dabei vor allem die Frage, über welche Schreibperformanz SchülerInnen beim Schreiben von Bewerbungsanschreiben und unverlangten Angeboten im Laufe des Schreibprojekts mithilfe des "Self-Regulated Strategy Development"- Ansatzes verfügen. Zur Beantwortung wurden sowohl die Schreibprodukte als auch -prozesse primär erhoben und überwiegend quantitativ ausgewertet.

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1 Einleitung

„Text is all around you“ (Dürscheid, 2007:3).
Schreiben – wir schreiben, um unsere Gedanken zu Papier zu bringen und Gedanken durch das Schreiben weiterzuentwickeln.1 Schreiben ist schöpferisch und kreativ sowie emotional gesteuert. Schreiben verbindet Körper, Geist und Seele. Schreiben verbindet den Schreiber mit einem Leser – einem Adressaten oder Adressatenkreis. Die eigene Person beeinflusst den Schreibprozess, lenkt ihn durch die eigene Anstrengung und Motivation. Jeder Mensch schreibt anders und entwickelt einen eigenen Stil. Die ‚Handschrift‘ eines Textschöpfers ist auch auf getipptem Papier durch die Wortwahl und deren Verbindungen zu einzelnen Wortgruppen sowie Sätzen zu erkennen. Schreiben ist somit zunächst einmal immer individuell.
Der Umgang mit Sprache hat generell eine kommunikative und kognitive Funktion (Quasthoff & Heller, 2014:7). Wir schreiben daher auch zu kommunikativen Anlässen in einem sozial-kulturellen ‚Raum‘. Wer schreibt, richtet seinen Text an einen realen oder fiktionalen Empfänger. Schreiben gehört zu unserer Kultur. Schreiben als kulturelle Technik und Schlüsselkompetenz ist eine Fähigkeit, die in der Genese unserer Gesellschaft diverse Funktionen erfüllt. Sofern der Text für andere bestimmt ist, können anhand eines Textes Erkenntnisse vermittelt werden. Diese können auch zu einer Handlung auffordern und praxisstiftend sein. Somit entstehen Texte in sozialen Kontexten (Ehlich, 1994:20). Schreiben ist in unserem Alltag gegenwärtig, ob beim Bewerben, beim Reklamieren einer beschädigten Ware oder beim Ausfüllen von Versicherungsformularen. Schreiben ist Alltagskultur. Unser tägliches sprachliches und berufliches Handeln ist geprägt von Texten, auf mündlicher und auch schriftlicher Ebene. Das Schreiben von und der Umgang mit professionellen Textsorten wie dem Brief ist im späteren (Berufs-)Leben alltäglich, denn auch in diesem Fall ist die Intention, dass der berufliche Anlass eine „soziale Interaktion“ (Heinemann, 2008:114) zwischen Schreiber und Adressaten verlangt. Die damit verbundenen beruflichen Ziele und daraus resultierenden Handlungen sollten als „kommunikative Funktion“ (Heinemann, 2008:115) erfüllt werden. Sowohl der Begriff Alltagskultur als auch der Begriff Schreibkultur sind kritisch zu betrachten, da das Schreiben immer noch von der Macht einer sozial höheren Schicht geprägt ist, die nicht alle Schüler für den sozialen Aufstieg überwinden können (Koch & Pielow, 1984:66).
Der globale Arbeitsmarkt benötigt jedoch Fachkräfte, die über Schreibfähigkeit verfügen (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:23). Das Europäische Parlament hat daher acht Schlüsselqualifikationen für das lebenslange Lernen formuliert (European Union, 2006: o. S.). Vier dieser Kompetenzen sind für das berufliche Schreiben relevant und damit der Hintergrund dieser Arbeit: Die erste Kompetenz ist die „Kommunikation in der Muttersprache“, sowohl mündlich als auch schriftlich (ebd.), bei der zweiten handelt es sich um die „Digitale Kompetenz“, z.B. das Schreiben am PC. Die dritte ist, das „Lernen zu lernen“ (ebd.), was besonders die Selbstorganisation und eine Vielzahl von Methoden in sich birgt. Als vierte Kompetenz ist, die „Soziale und gesellschaftliche Kompetenz“ (ebd.) aufzuzählen, die für das spätere Berufsleben einen wichtigen Erfolgsfaktor bildet. Nicht nur die EU, sondern auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (kurz OECD) ordnet das Schreiben als relevant ein. Die Schreibkompetenz kann im Berufsleben als „Information-processing skill“ (OECD, 2013:143) neben den Schlüsselqualifikationen wie „Co-operating or collaborating with co-workers“ (ebd.) und „Self-organizing skills“ (ebd.) eingeordnet werden.
Berufliches Schreiben erfordert somit soziale, methodische und fachliche Kompetenzen, die in der Schule vermittelt werden sollten. So werden geschäftliche und halbprivate Briefe nicht nur von einer Person, sondern meist von einem Team erarbeitet. Das kann beim Layout beginnen, Tipps für das Formulieren dieser Briefe sein, das wiederholte Durchlesen, Überarbeitungstipps oder letztendlich auch die Unterschrift der Geschäftsleitung betreffen.
Es kann zunächst festgehalten werden, dass das Schreiben ein basales Werkzeug mit vielfältigen Funktionen ist, die mehr oder weniger ineinandergreifen (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:16). Schreiben hat somit eine gesellschaftliche, kulturelle Bedeutung und fördert die kognitive Entwicklung, psychische Entlastung sowie Kommunikation miteinander (Fritzsche, 2003:201f.).
Schreiben ist jedoch auch institutionsgeleitet und ermöglicht „[…] die Teilhabe an der ‚schulischen Bildungssprache‘ […]“ (Schründer-Lenzen, 2009:122). Schreibanfänger wagen zunächst den Schritt des Drauflosschreibens. Sie brechen Normen und Konventionen. Erst im Laufe der Schulzeit berücksichtigen sie Rechtschreib- und Grammatikregeln, setzen Punkte und Kommata, erlernen Textsorten und die damit verbundenen Vertextungsmuster. In dieser Phase kann es gelingen, aus Schreibanfängern motivierte Schreiber bis hin zu Schreibexperten zu bilden. Die Aufgabe der Institution Schule ist es, das Schreiben im Unterricht zu etablieren, gerade mit Blick auf Alltagstexte, die zu langfristigen Verträgen wie dem Kaufvertrag oder dem Arbeitsvertrag führen. Daher werden didaktische Konzepte für das Schreiben verlangt, die keinen Schüler zurücklassen, sondern deren Schreibkompetenzen erweitern. Für Schüler mit geringer literaler Bildung ist es zwingend notwendig, „[…] mangelnde Lerngelegenheiten im außerschulischen Umfeld durch institutionelle Förderung zu kompensieren“ (Stanat et al., 2010:202).
Mit zunehmender Schulzeit rückt daher die Schreib- und Textkompetenz in den Fokus fast aller Unterrichtsfächer. Schulerfolg ist mit einer „[…] adäquaten Beherrschung der deutschen Sprache verbunden. Sie ist das Kommunikationsmedium in und mit der Mehrheitsgesellschaft“ (Steinmüller, 2006:322). Somit nimmt die Schreibkompetenz eine wichtige Position für den Schulerfolg ein. Die meisten theoretischen Abschlussprüfungen sind schriftlich, ob die Ausbildungsprüfung der beruflichen Kammern, die Schulabschlussprüfung für den Hauptschul- bzw. Realschulabschluss oder auch das (Fach-)Abitur, selbiges gilt für Aufnahmeprüfungen an der Universität oder in Unternehmen:
„Wer nicht schulsprachlich schreiben kann, ist in allen Fächern – auch bei inhaltlich durchaus richtigen Antworten – in der Bewertung benachteiligt, auch weil der Anteil der schriftlichen Leistungen an der Gesamtbewertung enorm hoch ist“ (Neumann, 2010:14).
Im Deutschunterricht der Sekundarstufe I schreiben Schüler in erster Linie für den Lehrer. Schreibkonventionen und -normen nehmen mit zunehmender Klassenstufe eine bedeutende Rolle ein. Hinzu kommt der Zeitdruck. Die Anzahl der Deutschstunden ist im Gegensatz zur Grundschule geringer. Schreiben braucht jedoch Zeit: Zeit zum Planen, zum Besprechen, zum Überarbeiten, zum Vorstellen und zum Reflektieren. Der Kompetenzbereich Schreiben umfasst in der Sekundarstufe das Unterrichten von „Schreibhaltungen (narrativ, informativ, argumentativ)“ (Abraham & Frederking, 2017:58) sowie von „Text- und Schreibmustern (erzählen, berichten, beschreiben, erklären, erörtern etc.)“ (ebd.). Anhand von Textbeispielen werden Textmuster vermittelt. Beim Schreiben sollen zum einen die Subprozesse Planen und Überarbeiten und zum anderen Schreibstrategien verknüpft mit schulischen Textmustern vermittelt werden.
Längerfristige Schreibprojekte fördern die aufgezählten Kompetenzbereiche des Schreibens, die Schreibzielsetzung und individuelle Schreibentwicklung (Abraham & Frederking, 2017:70). Die Schreibkompetenz kann somit längerfristig und nachhaltig reifen:
Zur Studien-, Ausbildungs- und Berufsbefähigung trägt dieser Kompetenzbereich Wesentliches bei, indem er die Lernenden mit der Schriftlichkeit vertraut macht und ihnen Textsorten näherbringt, die einerseits zur Kommunikation in Alltag und Beruf (z.B. sachlicher Brief, Protokoll), andererseits zum eigenen Wissenserwerb (z.B. Zusammenfassung, Exzerpt) gebraucht werden (ebd.).
Die Kompetenzbereiche Mit Medien umgehen sowie Schreiben und Lesen sind eng miteinander verknüpft. Das Schreiben am PC fordert und fördert das wiederholte Lesen. Texte in digitalen Medien, wie z.B. SMS, E-Mails, Chats oder Texte in sozialen Netzwerken, sind Teil der Medienvielfalt im Deutschunterricht geworden und aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken (Abraham & Frederking, 2017:64).
Geschrieben wird in fast jedem Fach und die im Fach Deutsch erlernten Kompetenzen können und müssen in anderen Fächern als Transferkompetenz genutzt werden, z.B. in Form der kommunikativen oder der erkenntniserweiternden Funktion (heuristisch-epistemisch). Somit ist der Schreibkompetenzerwerb nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, auch wenn dieser dort zielgerichtet gefördert wird.
Die Deutschdidaktik als ‚Wiege des Deutschunterrichts‘ ist einem ständigen gesellschaftlichen Wandel ausgesetzt. Das Fach Deutsch war erstmalig 1812 ein Abiturfach (Abraham & Frederking, 2017:53). In den 1970er Jahren folgte die Teilung in Literatur- und Sprachdidaktik. Noch 1984 wurde die Schreibdidaktik als fehlend und „weißer Fleck“ (Koch & Pielow, 1984:1) bezeichnet. Mitunter wurde die Schreibdidaktik kritisiert:
Schreiben kann, wie viele Beispiele zeigen, eine solche produktive, humane, soziale, demokratische, mit einem Wort kulturrevolutionäre Kraft sein – wenn es nur wirklich produktives Schreiben ist und nicht theoretisch und praktisch sogleich wieder in Schemata gepreßt wird, die es herrschenden ökonomischen, politischen, wissenschaftlichen Mächten verfügbar machen (Koch & Pielow, 1984:2).
Das Internet mit seinen Möglichkeiten erweiterte die oben angeführte Zweiteilung um die Mediendidaktik. Fortan wird im Deutschunterricht von „sprachlicher, literarischer und medialer Bildung“ (Abraham & Frederking, 2017:54) gesprochen. Die Innovation der Neuen Medien integrierte nun auch Hörbücher, Filme, PC-Recherche sowie das „Schreiben und Lesen am PC“ in das Fach (KMK, 2004). Heute sind die vier Kompetenzbereiche „Sprechen und Zuhören“ (ebd.), „Schreiben“ (ebd.), „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ (ebd.) sowie „Lesen – mit Texten und Medien umgehen“ (ebd.) für den Mittleren Bildungsabschluss und damit für alle Schüler in Deutschland Gegenstand des Deutschunterrichts. Die Schreibdidaktik ist u.a. mit den Disziplinen Psychologie, Sprachdidaktik sowie Linguistik vernetzt und erfordert sowohl Forschungsnetzwerke als auch Schreibstudien von der Primarstufe bis zum Schreiben am Arbeitsplatz (ebd.). Der dazugehörige Forschungsbereich Writing at Work hat sich erst seit den 1980er Jahren etabliert, und zwar überwiegend im angloamerikanischen Sprachraum (Jakobs, 2005:13).
Die Forschungsrichtung Writing at Work gewinnt mit dem prognostizierten Übergang von der Informationsgesellschaft zur Wissens- und Service- sowie – weiter gefasst – zur Health-Care-Gesellschaft an Bedeutung. Jede der drei Entwicklungstendenzen verlangt von den Berufsausübenden erhebliche kommunikative Fähigkeiten (Jakobs, 2005:15).
Für die Deutschdidaktiker sowie für Wissenschaftler mit dem Untersuchungsfokus auf den Schreibprozess ist einerseits die Erhebung der Schreibkompetenz mit berufsnahen Textsorten am PC und andererseits die Evaluation des Schreibprojekts als Intervention bereichernd, da seitens der Deutschdidaktik authentische Deutschstunden mit ganzen Klassen sowie die Auswertung dieser mithilfe verschiedener Testinstrumente wie Schreibaufgaben, Fragebogen, Tonband- und Videoaufnahmen sowie Aufnahmen des Tastaturschreibens gefordert werden, denn die „[…] empirische Schreibdidaktik im deutschsprachigen Raum ist eine junge Interdisziplin, die sich dem Schreibenlernen und Schreibenlehren widmet“ (Steinhoff et al., 2017:9).
Jede Privatperson setzt sich in ihrem Leben mit Bewerbungsanschreiben im Rahmen einer Bewerbung auseinander. Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich die Tendenz, dass für einen Arbeitnehmer, im Vergleich zu der Zeit vor 100 Jahren, heute ein erhöhter beruflicher Wechsel ansteht. Der klassische Verlauf, nach der Schule in einem Betrieb eine Ausbildung zu machen, übernommen zu werden und bis zur Rente dort zu arbeiten, ist in der heutigen schnelllebigen Berufswelt längst Vergangenheit. Bewerbungen schreibt fast jeder Bürger des Landes, sie werden von Betrieben schon während des Schülerpraktikums verlangt. Sie sind im Rahmenlehrplan des Faches Deutsch verankert, und dennoch finden sie im deutschdidaktischen Forschungsfeld bisher kaum Beachtung. Das Bewerbungsanschreiben wird mit Eintritt in den beruflichen Werdegang verlangt. Es ist eine Briefform, die einerseits der DIN-Norm 5008 und damit einem hohen Grad an Normierung unterliegt und dennoch nach einem persönlichen Stil und einer genauen Adressatenorientierung verlangt (Grün, 2013) – eine Gratwanderung, die aus textlinguistischer Perspektive ein höchst interessanter Untersuchungsgegenstand ist. Deutschlehrer, Eltern, Berufsberater und Wirtschaftslehrer fragen nicht nur nach Erkenntnissen zu diesem Untersuchungsgegenstand, sondern ebenso nach der Vermittlung: Wie können Bewerbungsanschreiben unterrichtet werden? Dabei stellt sich eine spannende Herausforderung: die Frage der Didaktik und Methodik. Dafür sollte der Deutschlehrer an Schulen zunächst einmal der richtige Ansprechpartner zu solchen Fragen sein. In Deutsch- und Wirtschaftsbüchern finden wir zahlreiche Übungsmöglichkeiten dafür, welche Elemente in ein Bewerbungsanschreiben hineingehören, z.B. werden Musterbriefe abgebildet – doch das reicht nicht aus. Das Verfassen von Bewerbungsanschreiben erfordert eine Kompetenz, die im Laufe der Jahre selbstständig weiterentwickelt werden muss, da sich auch Bewerbungsformate ändern. Wurde früher noch der Beginn einer neuen Arbeit per Handschlag ausgemacht, ist es heutzutage rechtlich verpflichtend, dass Betriebe zumindest das Bewerbungsanschreiben für jeden Bewerber archivieren, falls arbeitsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.
Angebote werden auch heute noch überwiegend mündlich getätigt. Ob im Supermarkt oder in einer Bäckerei – das Angebot ist rechtlich gesehen die erste Willenserklärung. Als Verbraucher können wir die zweite Willenserklärung und damit einen Vertragsabschluss abgeben, indem wir an der Kasse einkaufen oder das Geschäft verlassen. Die zunehmende E-Mail-Flut versteckt jedoch Willenserklärungen. Verbraucher klicken aus Versehen auf eine Bestätigungstaste und geben oft eine zweite Willenserklärung ab, ohne dies zu ahnen. Gerade Jugendliche sind für diese Art von Verträgen leichte Opfer und haben nicht selten immense Handyrechnungen. Die Kenntnis, dass es sich um ein unverlangtes Angebot handelt, ist vielen Jugendlichen noch nicht bewusst, da erst auf der Berufsschule der rechtliche Hintergrund von Verträgen Unterrichtsgegenstand ist. An Schulen in der Sekundarstufe I wird dies bisher noch nicht behandelt (Nds. KM 2006a-e). Im späteren Alltag erhalten die Verbraucher nicht nur über das Internet als E-Mail, sondern auch per Post unverlangte Angebote. Hier ist es wichtig, eine curriculare Lücke zu schließen.
Gerade Briefe nach DIN-Norm, vor allem Bewerbungsanschreiben und unverlangte Angebote, werden aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen oft schriftlich verfasst. In der späteren beruflichen Praxis erstellen viele Arbeitnehmer, vor allem in kaufmännischen Berufen im Dienstleistungssektor, unverlangte Angebote, um mehr Kunden für eine Dienstleistung oder ein Produkt zu gewinnen und damit den Umsatz zu steigern. Jeder Unternehmer, egal in welcher Branche, muss sich dieser Schreibherausforderung stellen.
Als Deutschlehrer ist nicht nur die Theorie zu vermitteln, sondern das Schreiben von Briefsorten mit Schülern am PC ab dem achten oder spätestens neunten Schuljahr zu üben. Es wird nach einem Deutschlehrer verlangt, der nicht nur die briefrelevanten Inhalte vermittelt, sondern sich auch mit Textverarbeitungsprogrammen auskennt und nicht nur einen Schüler, sondern eine ganze Klasse unterrichten kann. Neben dem textlinguistischen und computerbasierten Know-how ist eine weitere Lehrqualität gefragt: Es gilt den Schreibprozess im Auge zu behalten. Dieser kann mithilfe des PCs und Beamers für die Schüler visuell unterstützt werden. Des Weiteren sollten den Schülern aufgrund der heterogenen Schülerschaft mehrere Lernzugänge zu diesem Thema zur Verfügung gestellt werden – quasi mit allen Sinnen (Akoun & Pailleau, 2014:40). Aus diesem Grunde ist ein Methodenprofi gefragt, der verschiedene Sozialformen mit Unterrichtsmethoden beherrscht – und dieses auch einsetzen will.
Diese ersten Erläuterungen zeigen, dass der Eintritt in die Ausbildung auch durch das Schreiben relevanter professioneller Textsorten stärker unterstützt werden muss. Dies sollte nicht nur durch die berufsbildenden, sondern auch durch die allgemeinbildenden Schulen vorbereitet werden (Jakobs, 2005, 2008). Aussagen von Auszubildenden in einer Studie zu sprachlich-kommunikativen Anforderungen Auszubildender (Efing, 2010) zeigen die Diskrepanz zwischen allgemeinbildenden Schulen und betrieb...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Für meinen wunderbaren Sohn ...
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Theorie & Fachwissenschaftliche Grundlagen zum Forschungsstand
  8. 3 Forschungsdesign & Methoden
  9. 4 Ergebnisse
  10. 5 Diskussion & Konsequenzen des Schreibprojekts
  11. Literaturverzeichnis
  12. Anhang
  13. Fußnoten