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1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (Karte 1)
Karte 1: Die Gewässernamen antik-romanischer Herkunft
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1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz)
Von Albrecht Greule
(1) Abens, im Mündungsgebiet der Abens, die von rechts in die Donau fließt, lag die römische Straßenstation † Abusina, jetzt Kastell Eining, Stadt Neustadt a. d. Donau, Lkr. Kelheim, Niederbayern. Am Oberlauf der Abens liegt der Kirchort Abens, Gem. Au i. d. Hallertau, Lkr. Freising, Oberbayern. Den GewN enthält auch der ON Abensberg, Stadt, Lkr. Kelheim, benannt nach der im 12. Jh. errichteten Burg.
U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./8. Jh.) Abusina (Itinerarium Antonini), ca. 375 (cop. 12. JhE) Arusena (Tabula Peutingeriana; lies *Abusena), 425-430 (cop. 15./16. Jh.) Abusina (Notitia dignitatum).
GewN: 847-63 Apansa, ca. 1000 Abensa, 1285 Abens
ON Abens: 759 (cop. 824-48) in loco qui dicitur Abunsna, 790-94 (cop. 824-48) Traditio … comitis de Abusna, in eo villa Abunsa, 806 (cop. 824-48) in loco… Abunsna, 860-975 (cop.) in loco…Apansna
ON Abensberg: 1143 Abensberch
D: ǭmsd (aus Reichertshausen/Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm)
E: Wie die ältesten Belege in den Quellen des 8. und 9. Jhs. zeigen, wird der Name der römischen Straßenstation Abúsina in der gekürzten Form rom. Abúsna in die Urkunden übernommen. Der Name Abusina muss vor dem 8. Jh. vom Kastell Eining auf den ganzen Fluss Abens übertragen worden sein, so dass nach ihm im 8. Jh. eine Siedlung an seinem Oberlauf benannt werden konnte. Die Belege Abunsa neben der Übergangsschreibung Abunsna sind Zeugnisse für den außergewöhnlichen Vorgang, dass die Endung -usna zu -unsa mit „Nasalumsprung“ geändert wurde. Ins Bair.-Ahd. integriert erscheint der Name ebenfalls mit „Nasalumsprung“ und mit -b- > -p- als Apansa und Apansna. Den gleichen Vorgang mit Umformung der Endung -asna zu ahd. -ansa zeigt auch ahd. sëgansa ‚Sense‘ < *sëgasna und altsächs. segisna. Die Integrierung des Namens erfolgte bereits ins Bair.-Frühahd. wohl spätestens am Ende des 7. Jhs. als rom. ᵬ/v noch mit bair.-frühahd. ᵬ/b gleichgesetzt wurde und dann im 3. Viertel des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu bair.-ahd. p unterlag (vgl. oben Apansa).
Der ON rom. Abúsina dürfte mit dem Suffix -ina von dem GewN *Abusa abgeleitet sein, vgl. den GewN und ON Ebbs in Tirol < *Abisa. Da idg.*ab- ‚Wasser‘ in den keltischen Sprachen gut vertreten ist, vgl. air. ab ‚Fluss‘, schott.-gäl. abhach ‚mouth of the stream‘, dürfte *Abusa ein kelt. Name sein und sich auf die von den Römern als Therme genutzten Warmwasservorkommen in Bad Gögging an der Abens bezogen haben.
L: Greule (2010), S. 20 f.; Greule (2014), S. 22 f.; Greule (2015), S. 337.
(2) † Alkimoennís / Ἀλκιμοεννίς ist die in der „Geographie“ des Ptolemaios (2. Jh. n.Chr.) genannte, an der Donau gelegene „polis“, die auf Grund von etymologischen Rückschlüssen mit der latènezeitlichen Anlage auf dem Michelsberg bei Kelheim, Lkr. Kelheim, Niederbayern, wo der Fluss Altmühl links in die Donau mündet, identifiziert wird.
U: Der Fluss Altmühl wird mehrfach in den Annalen des 8./9. Jhs. erwähnt, die berichten, dass Karl der Große 793 einen Kanal ausheben ließ, um Donau und Rhein miteinander zu verbinden (fossa Carolina). In den kopial überlieferten Annalen des 8.-13. Jhs. und in anderen historiographischen Werken wird die Altmühl in diesem Zusammenhang u.a. wie folgt genannt: Alcmona, Alcmana, Alchmona, Altmona, Alhmonem; in Urkunden: 895 Alcmona, 918 Alimonia, 975-80 Alchmona, 1000 Altmuna, 1271 Altmul, 1293 Altml, 1329 Altmül (die umfangreiche Belegreihe bei von Reitzenstein, BONF 25, 1983, S. 2-11)
D: 'åldˌmīl
E: Rom./vorahd. Alcmona. Die Identifikation des Namens Alkimoennís mit Alcmona/Altmühl setzt voraus, dass die Schreibung 2. Jh. (cop. 11. Jh.) Ἀλκιμοεννίς bei Ptolemaios mit dem Namen des Mains, der beim römischen Geographen Pomponius Mela Moenis lautet, vermischt wurde. Ferner dürfte die überlieferte vorahd. Form Alcmona aus älterem *Alkimona, *Alkimonia gekürzt sein und der Name der Polis auf dem Michelsberg *Alkimónis im lat. lokativischen Ablativ Plural gelautet haben. Dieser auf den Fluss Altmühl übertragene Name der Polis *Alkimónis ist ursprünglich ein Bergname als Kompositum *Alki-monijo- ‚Abwehrberg’ mit dem Grundwort kelt. *monijo- ‚Berg‘ und dem Bestimmungswort vom Verbstamm idg. *alk- ‚abwehren‘. Die chronikalen und urkundlichen Belege des 10./11. Jhs. lassen die Schwierigkeiten erkennen, die man mit der Integrierung des Namens in den lat. Kontext mit der Lautgruppe -lkm- hatte: Auf die Erleichterung der Aussprache deutet der Beleg 1000 Altmuna (lies *Altmun(i)a) hin, indem -lkm- zu -ltm- vereinfacht wurde. Die im 13. Jh. einsetzende volkssprachliche Überlieferung setzt bair.-mhd. *Altmün(e) < bair.-ahd. *Alkmuni voraus. Unter dem Einfluss von mhd. mül(e) ‚Mühle‘ entstand im 13. Jh. die heutige Gestalt des GewN Altmül.
L: Bergmann (2011), S. 29-44; Greule (2010), S. 19; Greule (2014), S. 34; Greule (2015), S. 338; Reith (2017), S. 21*-23*.
Altmühl siehe Alkimoennís
(3) Alz, Fluss, Ausfluss des Chiemsees bei Seebruck, mündet bei Marktl, Lkr. Altötting, Oberbayern, rechts in den Inn.
U: 785-98 (cop. 1004) iuxta fluvium Alzus, 815 (cop. 13. Jh.) Alezussa, 832 Alzissa, ca. 1140 de Alzussa, 12. Jh. (cop. 1203-07) fluuui Alzusse, 1245 ex altera parte Altisone, 1246 fluvi … Altusana, 1254 ultra Altsam, 1303 dishalb der Alss, 1308 pi der Altz (die umfangreiche Belegreihe bei von Reitzenstein, BONF 17, 1980, S. 24-25)
D: ǭįds
E: Rom. *Altus(i)a ist wegen der geographischen Gegebenheiten wahrscheinlich mit s-Suffix abgeleitet von dem vorrömischen Reliktwort *palta ‚Schlamm, Sumpf‘, dem kelt. *alta entspricht. Integriert wurde der GewN als bair.-ahd. Alzussa (mit Suffixvariante ahd. Alzissa) mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung von -t- > -z- bis spätestens zur Mitte des 7. Jhs. Bair.-mhd. *Alzesse, *Alze(s)s wird zu Alz synkopiert. Belege wie Altisone, Altusana sind klosterlateinische Neubildungen.
L: Greule (2010), S. 22 f.; Greule (2014), S. 34; Greule (2015), S. 338.
(4) † Ambre, römische Straßenstation, die bei Würmmühle, Stadt Dachau, Lkr. Dachau, Oberbayern, wo die Würm in die Amper mündet, vermutet wird. Die Amper, die in Moosburg, Lkr. Freising, Oberbayern, von links in die Isar mündet, heißt im Oberlauf bis zur Einmündung in den Ammersee Ammer.
U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./8. Jh.) Ambre (Itinerarium Antonini)
775 (cop. 824) Ambre confluentis, 823 Ampre, 1107 Ambare, 1158 Ambersê, 1300 Ambre, 1305 iuxta Amperam, 14. Jh. Amper, 1424 Amer
D: 'åmpɒ, 'åmǝr
E: Rom. *Ambra > bair.-ahd. *Ampra mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung. Die Schreibung im Itinerarium Antonini gibt den Lokativ lat.*Ambrae ‚in Ambra‘ wieder. Der GewN ist vor dem in der 2. Hälfte des 8. Jhs. (ca.750-780) erfolgten Lautverschiebungsakt b > p ins Bair.-Ahd. übernommen worden. Die Namensform Ammer ist durch die – im Bairischen seltene, etwa ab 1300 – auftretende Assimilation -mb-/-mp- > -mm- entstanden. Der GewN Amb...