Selbstgeschriebene Geschichten
Da Sie sich dieses Büchlein angeschafft haben, gehe ich davon aus, dass Sie gerne lesen und sich selbst am Schreiben einer Geschichte versuchen wollen. Die erste Idee werden Sie vermutlich schon im Kopf haben. Sie wissen nur noch nicht genau, wie Sie diese umsetzen können, sodass sie anschließend auch gern gelesen wird. Nur ein wenig Grundwissen ist notwendig, damit Sie Erfolg bei Ihrem Projekt haben.
Zunächst einmal sollten Sie sich den Handlungsablauf kurz skizzieren. Um Ihre Idee bestmöglich in lesbaren Text zu verwandeln, zeige ich Ihnen hier mehrere Ansatzpunkte. Es kann sein, dass Sie mit einigen Arbeitsweisen nicht zurechtkommen. Das liegt nicht an der Methode selbst. Dann passen Sie und die Methode eben nicht zusammen, was völlig in Ordnung ist. Ist es nicht die eine Methode, ist es vielleicht eine andere. Schließlich sind wir alle Menschen, die ihre ganz speziellen Denkweisen haben.
Geschichten schreiben ist eine Kunstgattung. Es gibt keine unverrückbar festgelegten Regeln über das Was und Wie, auch wenn es in diesem Büchlein manchmal durch die Kategorien danach aussieht. Alles, was »funktioniert« ist auch erlaubt. Ohne Freiheit von Inhalt und Mitteln würde jegliche Kunst verkümmern, würde nie etwas wirklich Neues entstehen können. Denken Sie ruhig »quer« und berücksichtigen Sie immer: Nur Sie allein können Ihre Geschichte so schreiben, sonst niemand auf der Welt! Ihre Geschichte ist also einmalig und einzigartig! Es gibt nur einen Menschen auf der Welt, der Ihre Geschichte so schreiben kann wie Sie! – Sie allein!
Wo kommen die Ideen her?
Auch wenn Sie bereits ein Thema im Visier haben, wird wahrscheinlich der Tag kommen, an dem Sie nach einer neuen Idee suchen. Die einfachste und nächstliegende Quelle sind Meldungen der Presse. Kennen Sie noch die Geschichte mit dem Tretboot in Form eines Schwans, die vor einigen Jahren durch die Presse ging? »Schwan verliebt sich in Tretboot«, war damals die Schlagzeile.
Es lohnt sich meist auch, die eigenen Erlebnisse und Erinnerungen zu durchforsten. Wer noch Fotoalben im Schrank liegen hat, kann sich diese einmal vornehmen. Längst vergessene Ereignisse werden da plötzlich wieder wach. Ein ebensogutes Medium sind die Bildordner auf dem Computer oder Ihrem Smartphone, beziehungsweise die früher einmal gebrannten Foto-CDs.
Manchmal benötigen Sie nur ein wenig Abwechslung. Je nach dem, wo Sie wohnen, wechseln Sie doch einmal die Umgebung. Wer auf dem Land wohnt, sollte sich mit offenen Sinnen für ein paar Stunden oder Tage in die Hektik einer Großstadt begeben und umgekehrt. Viele neue Eindrücke sind der Lohn bei einem Ortswechsel. Vergessen Sie aber nicht, immer ein Notizbuch und Stift bei sich zu tragen, um die neuen Eindrücke zu notieren. Ein Foto mit dem Handy, um die konkrete Situation festzuhalten, kann wertvoll sein. Oder setzen Sie sich in einem Einkaufszentrum wie den Ostseepark oder das Sieben-Seen-Center auf eine Bank und beobachten Sie die Leute. Aber bitte starren Sie sie nicht an!
Dagegen kann auch helfen, dort einmal die Augen zu schließen und einfach nur zuzuhören. Wie sprechen die Passanten? Über was reden sie? Welche Geräusche sind an diesem Ort typisch? Wie riecht es? Alles das sollten Sie in sich aufnehmen und notieren.
Abwechslung kann auch sein, einmal im Wald oder am Strand aufmerksam spazieren zu gehen. Oder besuchen Sie doch mal wieder ein Museum. Was für Menschen besuchen es? Kinder? Erwachsene? Ausländer? Hören und riechen Sie auch hier. Erfassen Sie die Lichtstimmung in den Räumen. Ist ein Exponat bei den Besuchern besonders beliebt? Lassen Sie bei solchen Gelegenheiten Ihren Gedanken freien Lauf und folgen Sie der Fantasie. Notieren Sie Ihre Gedanken dazu. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Gedanken sind nämlich sehr flüchtig, wie hier schon mehrfach erwähnt wurde. Das können die Erkenntnisse selbst sein oder auch bestimmte Formulierungen. Oft kommen sie zu Zeiten und an Orten, bei denen Sie mit anderen Dingen beschäftigt sind. Sie kreuzen meist nicht ein zweites Mal auf. Auch wenn Sie der Überzeugung sind, dass Sie dieses oder jenes gar nicht vergessen können.
Ein guter Ansatzpunkt ist, wenn Sie schon eine vage Idee haben, wie Ihr Lieblingsschriftsteller die Geschichte schreiben würde. Wo würde er die Geschichte spielen lassen und in welcher Zeit? Hat er schon so etwas Ähnliches geschrieben? Wie sähen die Figuren aus, die er erschaffen würde? Was wäre, wenn er selbst eine Hauptfigur, ein Protagonist dieser Geschichte wäre?
Sie könnten über Ihren Lieblingsschriftsteller recherchieren. Welche Themen hat er bearbeitet? Was hat er gelernt, was war/ist sein Beruf? Welche Hobbys hatte er? Oder lesen Sie ein Buch von ihm. Machen Sie sich Gedanken darüber, wie sich die Geschichte verändern würde, wenn die Hauptfigur einen anderen Beruf gehabt, oder sich in einer Angelegenheit anders entschieden hätte.
In meiner Schulzeit faszinierte mich das Buch Asteroidenjäger von Carlos Rasch. Weil mir das Ende nicht gefiel, schrieb ich es weiter. Dass der damalige Text nicht mehr auffindbar ist, ist wohl eher mein Glück.
Ein Trick, um ein Thema für eine neue Geschichte zu finden ist es, ein beliebiges Buch aufzuschlagen und einen Satz oder eine Szene zu nehmen und nach eigenem Ermessen weiterzuschreiben. Natürlich dürfen Sie in so einem Falle das Buch nicht so gut oder besser gar nicht kennen.
Haben Sie ein Lieblingsbuch oder eine Lieblingsgeschichte? Überlegen Sie, was passieren würde, wenn in ihr ein Geheimnis früher oder später herauskommen würde. Wie würde oder müsste sich die Geschichte verändern, wenn sie in einer anderen Zeit spielte? Was hätte passieren können, wenn die Hauptfigur 20 Jahre jünger oder älter wäre? Was wäre, wenn sich der Gegenspieler (Antagonist) in die Hauptfigur verliebte oder ein anderes Geschlecht hätte?
Stellen Sie sich beispielsweise vor, dass in dem Märchen Hänsel und Gretel die Hexe ein computergesteuertes Hexenhaus mit Smarthome-Funktion gehabt hätte, mit allem, was dazugehört. Was könnte passieren, wenn es den beiden pfiffigen Kindern gelingen würde, den Hexenrechner umzuprogrammieren? Könnten Sie eine zusätzliche Moral herüberbringen?
Alte Geschichten
Die Geschichten aus der älteren Vergangenheit der Welt wurden schon abertausendfach erzählt. Entweder sie funktionieren gerade deshalb oder die Handlung ist tief im Volksglauben eingebunden. Denken sie an Märchen wie Hans im Glück oder Rotkäppchen an Zwergnase und Die kleine Meerjungfrau. Auch antike römische oder griechische Geschichten sind über Jahrtausende nicht vergessen worden. Denken Sie an die Zeussagen oder an die über Prometheus oder auch Odin. Die Bibel kennt viele Begebenheiten und andere religiöse Bücher auch.
Sie können sich eine der vielen Geschichten vornehmen und das Gerüst dieser Geschichten rausfiltern und mit neuen Inhalten und Figuren wieder auffüllen. Das hört sich komplizierter an, als es in Wirklichkeit ist. Allein mit den Grimmschen Märchen hätten Sie ca. 200 eigene Storys!
Sicher kennen Sie das Märchen von Hans im Glück, um es für den Anfang nicht zu schwer zumachen. Das Gerüst dieses Märchens ist etwa Folgendes:
- Einfältiger Hans erhält für seine Arbeit einen Goldklumpen als Lohn
- Goldklumpen ist ihm zu schwer
- Tausch gegen ein Pferd
- Tausch gegen eine Kuh
- Tausch gegen ein Schwein
- Tausch gegen eine Gans
- Tausch gegen einen Mühlenstein
- heißer Sommertag
- Durst
- Brunnen, Hans will trinken
- Pech: Mühlenstein fällt durch seine Unachtsamkeit in den Brunnen
- Hans ist frei, hat aber auch von seinem Lohn nichts mehr
Nun wenden Sie das gefundene Gerüst auf eine neue Geschichte mit anderen Namen an:
Kevins Abfindung
- Kevin wird von Firma entlassen
- Abfindung, wegen langer Betriebszugehörigkeit
- Bank will Nutzen aus seinem Geldsegen ziehen
- Zinsen werden immer geringer
- Tausch: Kevin löst Konto auf
- Tausch: Kevin legt Geld riskant an
- Tausch: keine Rendite, Kevin lässt sich auszahlen
- Tausch: Kevin fällt auf Haustürgeschäft rein
- ???
- Als Wohnung nur noch alter Bauwagen
- Pech: Blitz schlägt in Bauwagen ein
- alles verbrennt und er hat nichts mehr von seiner Abfindung
So ähnlich lässt sich das mit allen alten Geschichten anstellen. Das Beispiel zeigt auch, dass Sie sich nicht blind ergeben an die Ursprungsgeschichte halten müssen. Sie können durchaus eigene Vorstellungen einarbeiten, aber der sogenannte rote Faden ist schon vorhanden, an dem Sie sich mit Ihren Ideen entlanghangeln können.
Psychologische Syndrome
Haben Sie sich auch schon einmal an den Kopf gefasst, als sie durch Bekannte hörten oder es selbst erlebt haben, weswegen manche Menschen in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurden? Da verteidigte ein Gekidnappter seinen Geiselnehmer, ein anderer fühlt sich nur vollständig, wenn ihm ein Bein amputiert wird und wieder andere glauben, dass alle Menschen um ihn herum nur Kopien der wirklichen Menschen seien, die man irgendwohin hat verschwinden lassen. Stockholm-Syndrom, Apotemnophilie und Capgras-Syndrom sind dafür die Namen. Manche haben das Münchhausen-Syndrom, und erfinden Beschwerden. Sie schrecken dabei auch nicht vor riskanten Operationen zurück. Patienten mit Couvades-Symdrom reagieren ebenfalls mit typischen körperlichen Veränderungen, wenn die Partnerin schwanger ist.
Mit ein bisschen Recherche können Sie aus den Informationen über solche Syndrome niedliche, mitreißende aber auch mystische Geschichten entstehen lassen. Überlegen Sie sich, wie es dazu gekommen sein könnte.
Vielleicht gibt es ja einen Planeten, wo eines dieser Syndrome die Normalität darstellt. Wie empfinden solche Bewohner den meist klaren Kopf von unsereinen?
Die Handlung planen
Wie gelangen Sie nun von Ihrer Idee zur neuen Geschichte? Wie überall passiert das in vielen kleinen Schritten. Zuallererst ist es notwendig, Gedanken zu sammeln, sich auch eine Liste anzulegen, wer, was, wann, wie und warum in Ihrer Geschichte passieren soll. Je nach persönlichem Arbeitsstil brauchen Sie da aber nicht zu übertreiben und allzu weit vorher zu planen. Vieles wird sich während des Schreibens sowieso noch verändern, weil sich Ihnen durch das Aufschreiben plötzlich andere Sichtweisen auftun, Gedanken bei der Arbeit kommen, die sich erst aufgrund Ihrer konkreten Vorstellung entwickeln mussten.
Die Ideensammlung (Brainstorming)
Im einfachsten Falle schreiben Sie sich Ihre Geschichte in groben Schritten von oben nach unten als Ideensammlung (Brainstorming) auf. Jeder Schritt in eine neue Zeile. Tragen Sie alle Eingebungen ein. Bewerten Sie Ihre Einfälle nicht! Bald werden Sie merken, dass Sie sich Ihre Handlung plastisch vorstellen. Es passiert unweigerlich, dass Sie zwischen den aufgeschriebenen Punkten weitere einfügen möchten. Sie können sich dazu auch eine Tabelle anlegen mit vielleicht drei oder vier Spalten. Die Ergänzungen notieren Sie dann in die Spalten. So sortieren Sie schon Wesentliches vor.
Es ist aber ebenso in Ordnung, wenn Sie diese ersten Schritte, so wie ich, nur in Ihren Gedanken ausführen. Bei mir entsteht so ein grober Handlungsablauf allein im Gedächtnis. Eine ruhige Umgebung, in der mich nichts ablenkt, sind die besten Voraussetzungen für mich. Mehrmals gehe ich den Ablauf der Handlung dann im Kopf durch und prüfe die einzelnen Schritte, ob sie logisch aufeinanderfolgen. Bin ich zufrieden, werden sie notiert. Das heißt nicht, dass der Handlungsablauf fertig ist.
Sie haben nun unter Umständen eine lange Liste mit Einfällen erstellt, die Sie sortieren sollten. Nehmen Sie sich dazu farbige Stifte, um das zusammengehörige zu kennzeichnen. Was gehört an den Anfang der Geschichte, was ans Ende und was muss in welcher Reihenfolge dazwischen passieren. Alles, was schon einsortiert ist, streichen Sie weg.
Sie haben fleißig gearbeitet und sich eine kleine Pause verdient. Holen Sie sich beispielsweise Ihr Lieblingsgetränk und lassen Sie ihrer Betrachtungsweise einige Zeit freien Raum, vielle...