a) Wahl des Tages: Für den Tag der Ausführung kommt selbstverständlich nur der Tag vor einem Sonntag oder einem Feiertag in Betracht. Damit ist die Entdeckung des Mankos um mindestens 24 Stunden verzögert und der für die Flucht unbedingt nötige Vorsprung geschaffen. Da das Amt um sechs Uhr schließt, ist die Möglichkeit gegeben, noch den Nachtschnellzug in die Schweiz oder nach Frankreich zu erreichen, wobei noch außerdem der Vorteil der frühen Dunkelheit im November weiteren Vorteil bietet. November ist der schlechteste Reisemonat, man kann beinahe mit Sicherheit erwarten, während der Nacht innerhalb Österreichs im Coupé allein zu sein, so daß nach erfolgter Zeitungsverständigung kaum Zeugen vorhanden sind, die Personenbeschreibungen liefern können. Besonders vorteilhaft wäre ferner der 10. November, der Tag vor dem (postfreien) Nationalfeiertag, weil man dadurch im Ausland an einem Wochentag anlangen würde, was wiederum den Vorteil bietet, unauffälliger die ersten Anschaffungen und persönlichen Veränderungen vornehmen zu können. Es wäre also die Ablieferung der eingelaufenen Gelder möglichst auf unauffällige Weise zu verzögern, um möglichst viel für dieses Datum zusammenzubekommen.
b) Abreise: Die Abreise muß selbstverständlich getrennt erfolgen. Fahrkarten nehmen wir uns beide nur auf kurze Strecken, bis Linz, von Linz wieder weiter bis Innsbruck oder Grenze und von der Grenze weiter bis Zürich. Du mußt womöglich deine Karte nach Linz schon einige Tage vorher besorgen, oder besser ich besorge sie für dich, damit der Schalterbeamte, der dich zweifellos kennt, nichts über die wirkliche Richtung aussagen kann. Über die andern Maßnahmen zur Irreführung und Verwischung der Spuren Abteilung II. Ich steige in Wien ein, du in St. Pölten, und während der ganzen Nacht innerhalb Österreichs sprechen wir kein Wort miteinander. Das ist wichtig für die späteren Nachforschungen, daß niemand weiß oder vermutet, die Tat sei mit einem Helfer ausgeführt, weil sich dann alle Nachforschungen immer nur auf Name und Signalement deiner Person richten und nicht auf das Ehepaar, als das wir im Ausland auftreten. Auch vor Kondukteuren und Beamten ist bis tief ins Ausland hinein jeder Schein einer Zusammengehörigkeit zu vermeiden. Außer vor dem Grenzbeamten, wo wir uns durch gemeinsamen Paß legitimieren.
c) Dokumente: Das richtige wäre selbstverständlich, sich zu unsern echten Pässen noch falsche zu besorgen. Dazu bleibt keine Zeit. Dies kann später im Ausland versucht werden. Selbstverständlich darf aber an keiner Grenzstelle der Name Hoflehner aufscheinen, während ich mich als völlig unbescholten überall unter meinem richtigen Namen eintragen kann. Ich bringe also an meinem Paß folgende kleine Änderung an, daß ich auch deinen Namen und deine Fotografie einfüge. Den Kautschukstempel kann ich mir selbst anfertigen, ich habe seinerzeit die Holzschneiderei gelernt. Außerdem kann ich (ich habe nachgesehen) das F in meinem Namen Farmer mit einem kleinen Strich so verändern, daß man es für »Karrner« lesen kann, und unter diesem Namen kommt er ja selbst für den Fall, den ich aber für ausgeschlossen halte (siehe Abteilung II), in eine ganz andere Rubrik. Der Paß gilt dann für uns beide als Mann und Frau und genügt insolange, als wir uns dann in irgendeiner Hafenstadt wirklich falsche Pässe besorgen. In zwei oder drei Jahren, wenn unser Geld reicht, wird es ohne Schwierigkeiten gelingen.
d) Mitnehmen des Geldes: Wenn es irgendwie möglich ist, müssen in den letzten Tagen Vorkehrungen getroffen werden, möglichst große Noten, Tausender oder Zehntausender an sich zu ziehen, um sich nicht zu belasten. Die etwa fünfzig bis zweihundert Noten (je nachdem, ob es Tausender oder Hunderter sind) verteilst du während der Reise im Koffer, in der Tasche und nähst allenfalls einen Teil in den Hut ein, was für die einfache Zollrevision, wie sie an der Grenze jetzt geübt wird, selbstverständlich genügt. Einige Noten wechsle ich unterwegs auf den Bahnhöfen Zürich und Basel, damit wir bereits mit ausländischem Geld in Frankreich ankommen und nicht dorten an einer Stelle für die wichtigen ersten Anschaffungen zu auffällig viel österreichisches Geld wechseln müssen.
e) Erstes Fluchtziel: Ich schlage vor: Paris. Es hat den Vorteil, daß es leicht und in einem Zuge zu erreichen ist und wir sechzehn Stunden vor der Entdeckung und wohl vierundzwanzig Stunden vor jeder steckbrieflichen Verfolgung dort eingetroffen sind und Zeit gehabt haben, uns durch andere Adjustierung gegenüber dem Signalement (das nur dich betreffen wird) völlig zu verändern. Ich spreche fließend französisch, so daß wir die typischen Fremdenhotels vermeiden und uns unauffälliger in ein Vorstadthotel begeben können. Paris hat den Vorteil eines ungeheuren Reiseverkehrs, der die einzelne Überwachung beinahe unmöglich macht, auch wird das Meldewesen, nachdem was mir Freunde erzählten, lässig geübt, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Hauswirte, selbst die ganze Nation von Natur aus neugierig sind und Exaktheit fordern. Außerdem bringen vermutlich die Zeitungen in Deutschland über einen österreichischen Postdiebstahl ausführlichere Details als die französischen. Und bis die Zeitungen diese ersten Nachrichten bringen, sind wir von Paris wahrscheinlich schon wieder fort (darüber in Abteilung III).

