Die Bio-Revolution
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Die Bio-Revolution

Die erfolgreichsten Bio-Pioniere Europas

  1. 224 Seiten
  2. German
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Die Bio-Revolution

Die erfolgreichsten Bio-Pioniere Europas

Über dieses Buch

Der Name Schweisfurth steht seit den 80er-Jahren für ökologische Pionierarbeit in Deutschland. Der Vater leitete einmal den größten fleischverarbeitenden Konzern Europas, das Unbehagen über die damit verbundene Massentierhaltung führte jedoch zum Umstieg auf ökologische Landwirtschaft. Zu einem Zeitpunkt, als es für einen solchen Schritt noch wenige Vorbilder gab und "Bio" ein Synonym für verschrobene Weltverbesserer ohne Geschäftssinn war. Spätestens mit der Gründung der Bio-Supermarktkette "basic" zeigte Georg Schweisfurth, dass "Bio- Genuss für alle" möglich ist.In seinem neuen Buch zieht er Bilanz: Erleben wir, angesichts von Klimawandel und Lebensmittelskandalen, endlich eine echte "Bio-Revolution"? Wo steht "Bio" heute? Wo findet man funktionierende Modelle, und welche Lösungsansätze für eine Landwirtschaft der Zukunft bieten sie? Georg Schweisfurth ist zu mehr als 20 Vorzeige-Bio-Betrieben in Europa gereist und hat mit den leidenschaftlichen Pionieren und Pionierinnen über autochthone Tierarten und Weinsorten, traditionelle Anbaumethoden und modernes Marketing, über Erfolge und Rückschläge diskutiert. Vom traditionellen Rohschinkenproduzenten in Andalusien bis zur ältesten deutschen Bio-Brauerei - die ungewöhnlichenErfolgsgeschichten dieser Menschen geben uns einen unverstellten Einblick in das wahre Gesicht der Bio-Branche und zeigen, wie jeder einzelne von uns für eine gesündereUmwelt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft kämpfen kann.

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Information

Warum Bio besser ist

Es gibt die einen, die beklagen, dass die Landwirtschaft samt Artenvielfalt den Bach hinuntergeht und die wichtige Arbeit der Lebensmittelerzeugung trotz Subventionen nicht gerecht entlohnt wird. Und es gibt die anderen, die die Ärmel hochkrempeln und zupacken: umsichtig, nachhaltig, freudig, erfolgreich – und „Bio“.1 Um diese Menschen und ihre Lösungen für die Großbaustelle Lebens-Mittel geht es in diesem Buch.
Die Bio-Revolution! Ich verstehe diesen Titel als Appell an alle, die für die Lebensmittel-Welt, wie wir sie uns gemacht haben, Verantwortung tragen. Das sind zunächst einmal die Lebensmittelkonzerne, seien es die industrielle Landwirtschaft, die Importeure, die weiterverarbeitende Industrie oder der Handel. Dazu gehören natürlich auch die Kundinnen und Kunden, die diese Systeme durch ihre Nachfrage zumindest mit ermöglichen. Außerdem die Politik, die den gesetzlichen Rahmen schafft und selbst den unsinnigen Teil der Globalisierung anheizt. Und auch die Wissenschaft, die die Welt unzulässig in ihre Einzelteile zerlegt und deshalb oft falsche Schlüsse zieht, trägt Verantwortung.
Mein Buch zeigt Gegenentwürfe zur industriellen Lebensmittelwelt von heute auf. Es gibt schon viele gute Beispiele von Menschen, die einen anderen Weg eingeschlagen haben und dabei sehr erfolgreich sind. Die mit dem Feuer im Kopf, wie es der Journalist Claus-Peter Lieckfeld nennt. Sturschädel, die etwas erreicht haben. Gegen Green-washing, also das Werben mit unzureichend durchgesetzter Nachhaltigkeit, und gegen Werbelügen.
Adam Smith hat vor 237 Jahren sein Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ veröffentlicht, in dem die „unsichtbare Hand des Marktes“ und ihre Unversehrtheit beschworen wird, was zum „höchsten Wohle aller“ führe. Dieser Leitgedanke der Politik und Wissenschaft über Jahrhunderte soll uns glauben lassen, dass die Märkte es schon richten würden. Das hat aber nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Das Laissez-faire des Wirtschaftsliberalismus hat uns – beschleunigt in den letzten 20 Jahren – ungleich verteiltes Einkommen, Armut, Hunger und eine zerstörte Umwelt gebracht. Aus ausgebeuteten Rohstoffen, kaputten Böden, Landraub und billiger Arbeit haben wenige ein riesiges Vermögen aufgebaut. Das unermesslich viele Geld, das die Notenbanken seit der Aufgabe des Prinzips der Bindung der Geldmenge an Gold und Warenmengen „gedruckt“ haben, ist in den Taschen der Reichen gelandet und in noch nicht zurückgezahlte, risikoreiche Kredite gesteckt worden, die die Ungleichverteilung zementieren. Von Sozialverantwortung des Eigentums und „sozialer Marktwirtschaft“, also dem Blick auf das Ganze und die Berücksichtigung des anderen, kann da keine Rede sein.

Der gute Bio-Mensch

Der Bio-Gedanke hat dagegen von Anfang an auch die soziale Dimension berücksichtigt, also vor allem gute Arbeit, Handwerk, ein gutes Auskommen, das nachhaltig ist. Arbeit statt übertriebener Mechanisierung. Die Natur zu schützen hat auch eine soziale Dimension. Faire Löhne und der Schutz kleiner Bauern, die naturgemäß produzieren, sind selbstverständlich. Dabei ist das Streben nach Gewinnen nicht vordergründig, aber auch nicht anzüglich, denn Gewinne schützen das Unternehmen. Der Unterschied bei der Betrachtung ist nur, dass die Vision von einer für alle lebenswerten Zukunft bei allem Handeln der Ur-Bios im Vordergrund stand – und nicht der persönliche Profit. Der kam dann von allein, weil viele Menschen gut fanden und finden, was die Bios machen.
Seit mehr als 25 Jahren stecke ich all meine Lebenskraft in Bio. Ich wollte immer alles anders machen als meine Vorväter, die nach dem Krieg eines der größten fleischverarbeitenden Unternehmen Europas aufgebaut haben. Während und nach meiner Zeit als Geschäftsführer unseres konsequent ökologisch-regionalen Familienunternehmens „Herrmannsdorfer“2 bei München, das heute sehr erfolgreich von meinem Bruder Karl geführt wird, habe ich in Japan, Syrien und Frankreich drei Menschen3 getroffen, die mir wie Väter waren und mir das Handwerkszeug für mein Leben geschenkt haben. Später habe ich mit Freunden die erste moderne Biosupermarktkette „basic – Bio-Genuss für alle“4 gegründet, von der es 28 Märkte in Deutschland und zwei in Österreich gibt.
Wir sogenannten Bios werden von einigen immer noch als die „Gutmenschen“ beschimpft, sehr wahrscheinlich, um ihre eigene rückwärtsgewandte Haltung zu verteidigen. Das hat mich ganz früher sehr verletzt, heute kann ich darüber nur schmunzeln. Der Wertewandel ist unaufhaltsam und wird auch diese Leute erfassen. Von den Bios erwartet man auch, dass sie immer hundertprozentig gut sind. Sie dürfen keine Fehler machen, zum Beispiel nicht zu McDonald’s gehen, nicht fliegen und nicht rauchen, und keine Leute aus Bulgarien anstellen, auch wenn sie die gleichen Löhne oder Gehälter bekommen. Sobald ein Bio-Apfel aus Neuseeland mit dem Schiff hertransportiert wird, heißt es gleich: Bio ist ja auch nicht besser. Den Maßstab, den einige an Bio angelegen, legt man natürlich nicht an sich selbst an. Und die Bios dürfen kein Geld verdienen. Früher haben sie tatsächlich kein Geld verdient. Vielleicht, weil sie immer an ihren Prinzipien festgehalten haben. Bio wurde mit einer antikapitalistischen Haltung gleichgesetzt. Das ist auch richtig, wenn man den ausbeuterischen Teil des Kapitalismus meint.
Ich selbst mache auch Fehler, lebe nicht immer „biologisch“, fahre viel zu oft mit dem Auto und fliege auch schon mal um die Welt. Vielleicht mache ich einiges besser, manches sicher auch nicht, ich trinke gerne Wein und rauche die eine oder andere (ökologische!) Zigarette. Ich bin ja schließlich auch ein Kind unserer Welt und unserer Zeit.

Eine sanfte Revolution

Ein Freund fragte mich: Kannst du nicht mal aufschreiben, wer die Bio-Pioniere sind und was sie tun und auszeichnet? Damit die Menschen sehen, wie sie leben und was sie antreibt? Damit die Vorurteile überdacht werden können? Und damit man sieht, dass Bio schön ist und glücklich macht? Das fand ich so gut, dass ich mir vorgenommen habe, die besten und interessantesten Bio-Leute in Europa ausfindig zu machen.
Es ist eine Reise geworden zu Menschen, die sich in den Wind gestellt haben. Sie sind Stellvertreter und Stellvertreterinnen für viele hundert weitere Bio-Bauern, -Verarbeiter und -Händler in ganz Europa, die verstanden haben, dass es so nicht weitergeht. Die ein tiefes Verständnis für die Natur und die Natur der Tiere pflegen und trotz vieler Widerstände aufrechterhalten. Auch will ich zeigen, dass man als Bauer oder Käserin oder Brauer oder Metzger sehr glücklich sein kann, wenn man sich aus dem konventionellen System verabschiedet und den Bio-Weg eingeschlagen hat. Nicht aus Geldmacherei, sondern mit einem tiefen Anliegen und einer tiefen Überzeugung. Sie werden sehen, dass alle gut verdienen und leben können, und das nachhaltig, weil sie, wie ich immer sage, „den Kunden haben“. Das ist für mich die erste Voraussetzung für Unabhängigkeit und Stabilität.

Meine Reise zu den Bio-Stars

21 Betriebe in zehn europäischen Ländern habe ich besucht. Zwei Monate war ich mit Kamera und Notizbuch unterwegs. Es war sicher eine der interessantesten Zeiten meines Lebens. Die Vorbereitungsphase, bei der mir Veneta Gantcheva-Jenn aus München hervorragend geholfen hat, war mit vielen Recherchen, Telefonaten, Briefeschreiben und konzeptionellem Planen ausgefüllt. Auch war es mir wichtig, möglichst viele Betriebsformen und Länder zu besuchen. Um einen Überblick zu haben, wie man die vielen Früchte Europas auch anders anbauen, verarbeiten und vermarkten kann, und um ganz unterschiedliche Menschen und ihre Überzeugungen in Wort und Bild „einzufangen“. Die Bedingungen in Andalusien in der Dehesa mit den Ibérico-Schweinen bei Ernestine Lüdecke und Hans-Gerd Neglein sind völlig andere als auf der Kalchkendlalm beim Brotbacken mit Roswitha Huber. In Dänemark habe ich ganz kleine, aber sehr wichtige Projekte wie den Schulgarten von Mogens Biune besucht. In Polen war ich bei Sebastiaan Huisman auf der Juchowo Farm. Das ist ein großer Demeter-Betrieb5 mit 360 Milchkühen und 2500 Hektar bewirtschaftetem Land, etwas völlig anderes als der kleine Ziegenbetrieb von Brigitte, Denis und Vincent Sauveplane in Südfrankreich. Bei Paul Walter, dem letzten Krabbenfischer von Sylt, habe ich öfters an die Riedenburger Brauerei von Michael Krieger im Altmühltal gedacht und mich gefragt, was diese beiden überzeugenden Protagonisten gemeinsam haben, und ich habe festgestellt, dass sie beide für die gleiche Sache kämpfen, nämlich für den Erhalt der Diversität in der Natur und für das ehrliche Handwerk ohne Chemie auf der Basis eines ehrbaren Kaufmannes. Bei jedem Projekt lehnt sich jemand gegen die Industrie, das System auf und zeigt dabei, dass man auch glücklich sein kann, wenn man andere nicht verdrängt, sondern seine ideale Größe sucht und findet, und nicht versucht, in den Himmel zu wachsen. Alle Betriebe, auf denen anders gearbeitet wird, sind wichtig, um Europa eine bessere Zukunft zu verleihen, egal ob ich sie besucht habe oder nicht. Und das Schöne und fast Unerwartete war, dass es allen ökonomisch sehr gut geht. Dass sie Stolz und Freude an ihrem Tun haben, nicht vergleichbar mit den manchmal sehr verzagten Äußerungen konventioneller Bauern.
Ich war auch auf Highgrove bei Prinz Charles in Südengland, der dort seit 30 Jahren Bio-Landbau betreibt. Er ist zwar nicht in meinem Buch vertreten, aber es ist mir wichtig zu erwähnen, dass er ein bedeutender Vorreiter für Großbritannien und die ganze Welt ist, denn er scheut sich nie, die Missstände in der Welt mutig anzusprechen. Ein nachdenklicher und sympathischer Mann mit einem ungeheuer tiefen Wissen, der sein Leben der Gesundung der Erde widmet.
Meistens bin ich auf den Höfen und Betrieben über eine, manchmal zwei Nächte geblieben, weil ich mich auf die Menschen richtig einlassen wollte, um alles genau zu erfahren. Oft kamen dann die persönlichen und fundamentalen Aussagen auch erst am zweiten Tag, nachdem man den ersten Nachmittag zum Verstehen des Faktischen und (immer!) den ersten gemeinsamen Abend zum gegenseitigen Kennenlernen genutzt hat. Immer waren es interessante und freundschaftliche Begegnungen, die Bios halten eben zusammen. Es war manchmal nicht ganz einfach, abwechselnd zu schreiben und zu fotografieren. Aber ich wollte nicht mit einem Fotografen aufschlagen, um die Begegnungen ganz persönlich zu halten.
Auf Mallorca war ich zweimal, beim Scouting dort hat mir Tom Gebhardt geholfen, der in Bunyola einen kleinen Naturkostladen betreibt. Er hat auch liebenswerterweise übersetzt. In Frankreich war mein Scout Bert van den Abele, ein alter Freund und Weinhändler, der in Südfrankreich lebt und ein feines Gespür für Qualität besitzt. In Skandinavien hat meine dänische Freundin Kille Enna, mit der ich 2011 ein Kochbuch geschrieben habe und die ich auch hier in meinem Buch porträtiere, mit mir über die guten Projekte diskutiert. Kille hat mich nach Knuthenlund in Dänemark und Ängavallen in Schweden begleitet.
Auf der Reise ist mir nicht nur klar geworden, dass alle meine „Bio-Stars“, wie ich sie immer nenne, ähnliche Erfahrungen im Leben gemacht haben, ähnlich die Probleme in der Welt analysieren, daraus ähnliche Lösungen für sich ableiten und ähnlich denken, sondern auch, dass sich Qualität immer auszahlt, wenn man sich gut organisiert und den Endkunden hat. Denn wenn man in der Lage ist, die Preise für seine Erzeugnisse selbst zu bestimmen und sie gegenüber den Menschen direkt zu vertreten, anstatt in den Sog der globalen Märkte zu geraten, ist eine wichtige Voraussetzung für Zufriedenheit und persönliches Glück erfüllt.
Dieses Buch soll ein positives Buch sein, das an Beispielen toller Leute Mut und Lust auf echte Qualität von Lebensmitteln und überhaupt Lebensqualität macht, auf Nähe, auf unsere eigene Region, auf Gemeinschaft vielleicht, auf alle Fälle aber auf Authentizität und Achtsamkeit.
Damit meine Bio-Stars als echte Alternative Raum bekommen, muss ich im Vorspann dieses Buches auch über die grausamen Seiten unseres industriellen Agrosystems sprechen. Wo wir uns selbst hinmanövriert haben. Hoffentlich haben Sie dafür Verständnis. Da sind einige Dinge zu beleuchten, die mir wichtig sind. Ein Zustandsbericht, der sicher nicht vollständig ist, aber meine Erfahrungen aus 25 Jahren beruflichen Lebens im Bio-Landbau und in der Bio-Verarbeitung widerspiegelt, insbesondere während meiner Tätigkeit in den Herrmannsdorfer Landwerkstätten sowie dem Einzelhandel mit Bio-Produkten in den basic-Bio-Supermärkten.

Small is Beautiful

Aus dem vorfindlichen und überkommenen System auszusteigen ist mutig und klug zugleich, und wenn alle das täten, wäre es sogar mehr als eine Revolution. Es wäre sehr wahrscheinlich unsere Rettung.
Allem voran steht: Wir müssen wegkommen vom Mehr-SchnellerGrößer, das ist schädlich für alle, und eigentlich wissen das auch alle. Aber wie sollen wir davon wegkommen? Instabile Monokulturen, wohin das Auge blickt! Profit über alles! Große Systeme sind anfällig. Das haben Ernst Friedrich Schumacher und Leopold Kohr schon vor Jahrzehnten an Beispielen gezeigt, und das hat in einfacher Sprache einer meiner Protagonisten in diesem Buch, Paul Walter, der letzte Krabbenfischer von Sylt, so formuliert: „Die Menschen müssen endlich erkennen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen können.“
Das agro-industrielle System, das wir uns in den letzten 50 Jahren geschaffen haben, hat uns bald an den Rand des Ruins gebracht. Es ist weder gut für Boden, Pflanzen und unsere Umwelt, noch für die Tiere, und am Ende auch nicht für uns Menschen. Es beutet aus, es macht uns krank, und am Ende verdienen nur die multinationalen Konzerne und deren Shareholder. Darüber gibt es schon viele Bücher, aber es lohnt, sich die Realität immer wieder vor Augen zu führen.
Wer sich heute die Mühe macht, in die globale Agrarhandelswelt hineinzuschauen, erlebt ein extrem kurzfristiges Denken und Handeln. Agrarprodukte von den Weltmärkten sind sogenannte Commodities, also Waren ohne Qualitätsunterscheidungen und ohne regionale Herkunftsauslobungen. Die großen Verarbeitungsunternehmen kaufen diese Rohstoffe täglich am Spotmarkt, zumeist in Rotterdam, und keiner hat eine Ahnung, wo diese Rohstoffe dieses Mal herkommen. Es macht umgekehrt extrem viel Mühe, die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen, was ja eine Voraussetzung für die Garantie besserer Arbeitsbedingungen für die Bauern und Plantagenarbeiter, die Gewährung besserer Löhne und den Einsatz von weniger Pestiziden wäre. Ein paar wenige in der Industrie, wie zum Beispiel die Firma Mars, weltgrößter Süßwarenhersteller, machen sich heute die Mühe, Rückverfolgbarkeit herzustellen. Aber es kostet sie Jahre, ein System dafür aufzubauen, denn die globalen Marktsysteme sehen das nicht vor. Vielen Industrieunternehmen ist das aber einfach zu lästig.

Retro-Innovation

Diesen Begriff habe ich von meinem verstorbenen Freund Lionel Poilâne gelernt, und ich möchte ihn hier einführen, weil ich mit ihm verdeutlichen will, dass es meinen Protagonisten und mir nicht um einen verklärenden, romantisierenden Traditionalismus geht, sondern um eine echte Zukunftsperspektive für die Menschen in dieser Welt, also um etwas Vorwärtsgerichtetes. Lionels Geschichte muss deshalb hier erzählt werden.
Seit 150 Jahren gibt es eine kleine Bäckerei in der Rue du Cherche-Midi in Paris, wo schon die Vorfahren von Lionel eine kleine Bäckerei betrieben haben. Ein exquisites Brot aus Sauerteig, im Keller gebacken, im Laden im Erdgeschoß verkauft. Lionel wollte wachsen, er wusste aber genau, dass er mit der Errichtung einer Großbäckerei die Qualität seines Brotes verspielen würde. Das Geschick des Handwerkers, mit dem Sauerteig umzugehen, zu riechen, zu fühlen und zu schmecken, und der kleine Holzofen sind für die Qualität des Brotes maßgeblich. Messgeräte, also Zeitmessung, Temperaturmessung, Wassermengenzähler, wurden seit jeher nicht verwendet. Lionel wollte unter allen Umständen dieses handwerkliche Geschick und die Liebe seiner Mitarbeiter im Brot wiederfinden, also entschloss er sich, das Werkstatt-Prinzip von der Pariser Innenstadt auf die grüne Wiese zu bringen. Er baute 25 ähnliche Backstuben, in einem Kreis angeordnet, sodass in der Mitte der Nachschub an Brennholz und frisch gemahlenem Mehl gelagert werden konnte. In jeder Werkstatt arbeiten zwei Männer, es gibt bis heute keine Technik, keine Großbacköfen, keine Backmittel und keine Chemie. Genau diesen Vorgang hat Lionel Retro-Innovation genannt: Retro steht für die Tatsache, dass man genau bis zu dem Punkt in der Brotbackwelt zurückgeht, an dem Qualität noch möglich war, also keine Zurückgewandtheit, sondern clevere Analyse der Ist-Situation. Die Innovation ist hier, dass man das handwerkliche Prinzip multipliziert – völlig gegen die „normale“ Logik der Industrie. Übrigens: Lionels Tochter Apollonia führt das Geschäft in Lionels Sinn weiter. Das Pain Poilâne wird in die ganze Welt verschickt, da es durch die lange Sauerteigführung extrem haltbar ist. Poilâne ist Vorbild für eine ganze Generation von Bäckern geworden.

Ingenieursdenken bestimmt die Welt

Die Gegenwart ist von einem enormen Perfektions- und Effizie...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Warum Bio besser ist
  5. Die Eigenbrötlerin
  6. Erhalten statt wachsen
  7. Korkeichen für den Wein, Steineichen für das Schwein
  8. Die mallorquinischen Weinrebellen
  9. Der Verfechter der Vielfalt
  10. Öl und Wein, die zwei edelsten Säfte
  11. Die Basis für besten Ziegenkäse
  12. Olivenöl ohne Kompromisse
  13. Ziegen aus Überzeugung
  14. Die glückliche Camargue
  15. Größe ist anfällig
  16. Wahl-Italiener mit kulinarischer Mission
  17. Dieser Tierhaltung gehört die Zukunft
  18. Energische Übermutter
  19. Die Magierin der Gewürze
  20. Vielfalt auf dem Hof statt Monokultur im Kopf
  21. Mogens’ essbarer Schulgarten
  22. Wein mit tausendjähriger Vergangenheit
  23. Der letzte Krabbenfischer von Sylt
  24. Vorbildlicher Riese
  25. Grenzüberschreitende Bio-Dynamik
  26. Impressum