Kant für Kinder / Katechismus der Magie / Der Philosoph Ernst Marcus
eBook - ePub

Kant für Kinder / Katechismus der Magie / Der Philosoph Ernst Marcus

  1. 360 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Kant für Kinder / Katechismus der Magie / Der Philosoph Ernst Marcus

Über dieses Buch

Drei schmale Bücher aus den nicht so goldenen Jahren 1924-30. Kant für Kinder wurde damals begrüßt, der Faksimile-Nachdruck von 2004 ließ den griffigen Titel zum Schlagwort werden. In einfachen Fragen und Antworten, ohne Fremdwörter, bietet das Buch eine gründliche Einführung in Kants Ethik, Religionsphilosophie und Erkenntnistheorie. Der Katechismus, 1978 faksimiliert, will, ebenfalls in Dialogform und vom Standpunkt Kants, auch diejenigen zur Vernunft bringen, die mit übersinnlichen Kräften und okkulten Praktiken umzugehen glauben. Der Mahnruf gibt die erste kenntnisreiche Darstellung von Leben und Werk des Kantianers Ernst Marcus (1856-1928), zugleich eine unvermindert aktuelle Diagnose der Orientierungsprobleme unserer modernen Existenz. Mit Einleitung, Kommentar, Dokumenten und Abbildungen.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Kant für Kinder / Katechismus der Magie / Der Philosoph Ernst Marcus von Salomo Friedlaender, Detlef Thiel im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Philosophie & Geschichte & Theorie der Philosophie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.
Für
Oskar skaller
„Der Gott in uns selbst ist der Ausleger, weil wir niemand verstehen als den, der durch unseren eigenen Verstand und unsere eigene Vernunft mit uns redet, die Göttlichkeit einer an uns ergangenen Lehre also durch nichts als durch Begriffe unserer Vernunft, soferne sie rein-moralisch und hiermit untrüglich sind, erkannt werden kann.“
(Immanuel Kant)
Vorwort
welches sich an Vorgebildetere wendet, während der folgende Katechismus zu seinem Verständnis nichts als die gute Kenntnis der deutschen Sprache voraussetzt.
Kant eröffnet, mit seiner ,Macht des Gemütes’, das Zeitalter der wissenschaftlichen Magie, deren ersten Theoretiker wir in Ernst Marcus sehen. Mit Ausnahme der Lehren dieser beiden Gewissenhaften des Geistes ist die sog. ,Magie’ Schwindel oder Physik. Bereits Schopenhauer fabelte von der Magie als der ,Experimental-Metaphysik’ des Baco. Er basierte sie richtig auf die Macht des Willens, mißverstand aber unter diesem Willen im Grunde genommen die blindlings natürliche Begierde, wie sie sich am brennendsten im Geschlechtstriebe zu verspüren gibt. Ein solcher Wille ist Schwindel. Denn sogar der bloße Naturwille, geschweige der rein vernünftige, ist nicht blind, sondern stets die intelligente Ursache einer Veränderung. Nach Schopenhauer erzeugt der blinde Wille den Intellekt, ohn
e den er gar kein Wille wäre. Nach ihm gehört Wille mit Blindheit zusammen, während nach Kant gerade erst der vernünftige Wille recht eigentlich Wille ist, von dem Magie ausgehen kann. Diesen echt magischen Willen hat Schopenhauer ganz und gar verfehlt. Er ist Naturalist und darüber hinaus Schwärmer, Romantiker, Lebensverneiner, Genie ohne genügende Selbstkritik. Seine bleibende Bedeutung bekommt Schopenhauer als Kantianer. Soweit sein Verständnis Kants reicht, hat er dessen Lehre wunderbar anschaulich erklärt. Aber freilich kommt ihm sein mangelhaft kontrolliertes Genie bei dieser Erklärung dermaßen in die Quere, daß er beträchtliche Fehler macht.
Basiert man die Magie, wie es anders nicht angeht, auf die Macht unseres Willens, so muß man unter diesem Willen keineswegs Schopenhauers blinden verstehen, sondern eine wesentlich mit intelligenter Voraussicht des Zweckes verbundene, an sich vernünftige Kraft, eine Tatkraft, vermittelst deren der Mensch sich zum Herrn der Natur machen lernt, welches er auch unbedingt soll und also kann. Hierauf gründet sich zwar keine antike und mittelalterliche, keine orientalische Hokuspokus-Magie, aber dafür Magie zum erstenmal als wahre Wissenschaft. Es ist die magische Macht – nicht, wie Schopenhauer wähnte, des blinden Lebenswillens, sondern – des vernünftigen, aller, auch der innerlich uns angeborenen, Natur denkend, künstlerisch und sittlich überlegenen Willens. Diese magische Macht ist gewiß übernatürlich, äußert sich aber nur natürlich und gesetzlich. Selbstverständlich lag es von jeher im Interesse des menschlichen Willens, sich der Natur magisch unmittelbar zu bemächtigen. Ebenso selbstverständlich stieß er dabei auf den Widerstand nicht nur der Natur, sondern Gottes, d. h. der Theologie. Ernüchtert sich die Magie nicht wissenschaftlich, wie Kant und Marcus, nach deren Lehren der folgende Text orientiert ist, es zeigen, so wird sie nichts als Unfug ausrichten und nur romantisch faulen Zauberern zur eitlen Dekoration dienen.
Wir verdanken Kant die Entdeckung der Natur als echter Erfahrung. Wir verdanken ihm darüber hinaus die Aufzeigung unseres vernünftigen Ich als eines göttlichen, unsterblichen, freien Wesens, von dem die Natur wahrer, schöner, besser gemacht werden soll und kann. Dieses Können des Vernunftwillens ist die eigentliche Magie, durch die das Leben mehr und mehr von Irrtümern befreit, verschönt, veredelt werden soll. Keine andere Macht als die des Vernunftwillens ist wahrhaft magisch. Mißversteht man Magie als Hexenkessel der Erfüllung sinnlich brodelnder Wünsche und Gelüste, so erntet man Blendwerk und Niedertracht. Sogenannte ,schwarze’ Magie ist nichts als die Macht dummer und häßlicher Bosheit, das fürchterlichste Hemmnis der echten Magie. Kants praktische Vernunft nur kann dieses Hemmnis immer mehr aus dem Wege räumen.
Das Ziel der Magie ist die Überwindung der Natur. Man hüte sich aber, unter dieser Überwindung die ,Verneinung’ oder Vernichtung, die asketische Abkasteiung der Natur zu verstehen! Im Gegenteil: die immer innigere Harmonie zwischen Natur und Vernunft ist gemeint, die immer sorgfältigere Pflege, Kultivierung, ja Versittlichung der sonst zwieträchtigen, rohen, blinden Natur (z. B. des Leibes) ist der Zweck aller magischen Versuche und Übungen. Weder pure Vernunft noch pure Natur sind wahre Ziele, sondern ihre immer richtiger, schöner, besser übereinstimmende Gegenseitigkeit. Vernünftige Aktivität und natürliche Passivität sind aufeinander anzuweisen. Kant und Marcus erklären mehr als sonnenhell, daß wir nicht nur Natur, natürlich geborenes, vergängliches Ich, sondern auch Vernunft, naturfreies, der Zeit überlegenes Ich sind. Unser Wille ist nicht nur Naturtrieb, sondern auch Herr der Natur, so daß wir nicht nur wollen müssen, sondern es auch vernünftig sollen, d. h. nicht nur unter dem Zwange der Natur, sondern auch unter dem Selbstzwange unserer eigenen Vernunft handeln, der die Natur bezwingen soll und also kann.
Folglich steht uns jetzt erst, da die übernatürliche Obmacht unserer Vernunft über die Natur triftig erwiesen ist, die Allmacht des Geistes, seine Magie, bei nüchterner Besinnung unmittelbar zur Verfügung. Vernunft als magische Macht, allen Mächten der Natur überlegen, kann desto gewaltiger auf den Plan treten, je richtiger, schöner, besser sie der Natur gemäß verfährt; je mehr sie darauf verzichtet, sich übernatürlich zu äußern. Will sie ihre Wunder nicht natürlich, sondern ,magisch’ im alten Sinn des die Naturordnung unterbrechenden Zaubers wirken, so muß sie das Ich in diesem Momente dem Tod überantworten, der genau dort eintritt, wo der Zusammenhang zwischen Natur und Vernunft aufgehoben wird. Eine solche Magie wäre so geheimnisvoll wie der Tod und also lebensunfähig oder – Schwindel.
Vernunft und Natur genügen zur Magie, und ihre beste Kraft entnimmt sie dem innersten Selbstvertrauen zur Möglichkeit von beider Harmonisierung. Die Gewalt der Naturkräfte kennt jeder. Auch in uns hausen sie nicht minder gewaltig, z. B. als Gefühle, Wünsche, Gelüste, Begierden, Leidenschaften, Triebe, in deren Dienst wir jedenfalls, um von ihnen nicht zerrissen zu werden, Vernunft stellen müssen. Aber das Wagnis, der gewaltigen Natur unsere ihr nur dienende Vernunft als magische Herrin gegenüberzustellen, ist vor Kant noch niemals nüchtern unternommen worden. Gottvertrauen oder Lebensverneinung war bis zu Kant hin die Haltung der Vernunft der Natur gegenüber. Seit Kant erst ist die Vernunft der Natur als ebenbürtig, ja sittlich überlegen, mit der genauesten Bestimmtheit entdeckt worden.
Gehört so zur Magie die exorbitante Stärkung des Selbstvertrauens, so sorgt Natur, wenn man ihre Gesetze so sehr beachtet wie die der Vernunft, schon von selber für unsere maßvolle Bescheidenheit. Um magisch wirken zu können, sollen wir nie vergessen, daß wir nicht nur die Herren, sondern auch die Diener der Natur sind. Jene Herrschaft und diese Dienstbarkeit muß jeder so lange miteinander vergleichen, bis er das ihm eigene Maß seiner Magie kennengelernt hat. Wir werden den Erfolg unserer Magie nicht mit einem einzigen Zauberschlage eintreten sehen. Mahlten bereits Gottes Mühlen so langsam wie sicher, so werden wir die eigene magische Tätigkeit sich ebenfalls der sanftesten Unwiderstehlichkeit gradweiser Wirkung bedienen lassen, um die Hindernisse allmählich zu überwinden. Und hier vergesse man nicht, daß der Grad die Berührung von Extremen ist, daß er sein Vorzeichen wechseln kann; man nehme ihn also nicht simpel einsinnig gerichtet, sondern polar. Dann deutet er von selbst auf die Indifferenz aller Gradation, auf ihren ambivalenten Nullgrad hin, von dem alle benannten Grade polar abstechen. Ähnlich liegt allen unterscheidbaren Stoffen der ununterscheidbare Urstoff, allen unterscheidbaren Willkürakten die ununterscheidbar unwillkürliche Absicht zugrunde. Das eigentlich Schöpferische, Magische ist unser Wille als eine intelligente Indifferenz, in der sämtliche Unterscheidungen verschmolzen sind, und aus der die Unterschiede wiederum auspolarisieren. Dieser magische Wille ist aber nicht blind, sondern gleichsam die Vorsehung selber, die allerwirksamste vorsätzliche Absicht, ohne welche die unterschiedlichen Vorsätze nur der Weg zur Hölle bleiben. So verfügt gerade das ,Nichts’ von allem, was wir unterschiedlich erkennen, über die allmächtige magische Schöpferkraft. Reinigen wir unser Ich von allen Unterschiedenheiten, durchdringen wir unser Selbstvertrauen mit dieser magischen Indifferenz, ergreifen wir diese allerinnerste Zuflucht der Welt, so strömt aus uns eine magische Wirksamkeit, welche sich mit Hilfe der unterscheidenden Vernunft betätigen wird.
Nur das vernünftige Ich ist und bleibt mit sich selber identisch, während das nur natürliche leicht und oft in Widerstreit mit sich selbst gerät. Aber nur die Einheit des Ich garantiert die Einheitlichkeit der magischen Wirkung. Je tiefer wir in uns selber eindringen, desto ununterscheidbarer intelligent geht es in uns zu. Intelligenz ist die Ursonne, deren schwacher Schatten die astronomische ist. Soll unsere Magie nicht hinken und kriechen, so müssen wir den unterschiedenen Willen bis in die innerste Tiefe zurückverfolgen, wo er ebenso absichtlich, zielstrebig, willkürlich verfährt, aber eben ununterscheidbar, daher mit dem Anschein des ,Unbewußten’, ,Unterbewußten’, Unwillkürlichen. In Wahrheit sind wir hier nur ,unter der Schwelle’ des differenzierten Bewußtseins, unter der Schwelle der langsamen Überlegung und gerade im Zentrum aller unserer Absichten, die erst von diesem Zentrum her konzentriert magisch wirken können. Dieser Urwille erst versichert sich des wichtigsten Instrumentes der Magie, des eigenen Leibes, gleichsam ätherisch, indem er unmittelbar auf den organischen Urstoff und nicht mehr auf die einzelnen Organe einwirkt, auf den unterschiedlich phänomenalen Leib. Er wirkt auf den diesem urphänomenal elementar zugrunde liegenden urstofflichen Leib ein, der seinem leisesten Winke gehorcht, und dem sich der sprödere Stoff des fleischlichen Leibes ,grollend, aber gehorsam’ fügt.
Ein Ziel, ein Zweck schwebt dem Willen vor. Allenthalben hat er ein Urmuster, ein Ideal im Auge, das er erreichen möchte. So schwebt dem mathematischen Willen der Punkt, die Gerade, der Kreis vor, reine Ideale, nach denen er sich richtet, ohne sie je eigentlich verwirklichen zu können. Ideale, seien sie solche der Wahrheit, der Schönheit, der Güte – sind überwirkliche Triebkräfte, unerreichbar scheinende Ziele, ja die Unmöglichkeit selber. Und doch: „Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt!“ rufen sie uns immerfort anfeuernd zu. Ideale, pflegt man zu sagen, seien Ziele, die ,im Unendlichen’ lägen, und denen man sich immer mehr ,annähere’. Das ist ein plumper räumlicher Ausdruck für etwas, das man bildlich überhaupt nicht ausdrücken kann, da es zwar Tatsache, aber keine sinnenfällige der Natur, sondern übersinnliche der Vernunft ist. Natur ist in der Zeit, Vernunft in ,Ewigkeit’. Im übrigen ist auch die natürliche gradweise Annäherung an ein Ziel, die das grobe Bild für das Streben nach Idealen abgibt, gar keine so simple Sache, da der Grad, wie betont sogar der Nullgrad, immer Indifferenz einer Polarität bedeutet, sein Vorzeichen wechseln, in sein eigenes Gegenteil umschlagen kann, wenn man dieses beim Fortschreiten nicht berücksichtigt. Gradation enthält eben nicht nur sanfte Übergänge, sondern auch immerfort Gegensätze, Extreme, Pole. Daher ist diese Jakobsleiter zwischen Himmel und Hölle nur solchen Wesen zweckdienlich, die des Witzes achten, daß sie nach der immer innigeren Kombination und Disjunktion, nach immer stimmenderem Gleichgewicht der Gegengewichte, nach immer mehr Ebenmaß, Mitte, Harmonie, nach der concordia discors streben sollten; sonst werden sie vom Fortschritt zum Ziele immer nur geneckt. Magisch in uns wirkt immer nur ein innigstes Intelligenzwesen, das allen Unterschieden und Gegensätzen obsiegt, weil es den Frieden ihres Krieges in sich hegt. Man mißverstehe aber unter diesem Frieden nicht etwa eine Indifferenz von Himmel und Hölle. Sondern ,Hölle’ ist die Zwietracht, die Disharmonie, der Krieg, der nur durch ,Himmel’, durch Vernunft, also durch Wahrheit, Schönheit, Güte so zum Frieden kommt, daß die Gegengewalten, die im Irrtum, in Häßlichkeit und Bosheit liegen, ihr lebendiges Gleichgewicht erlangen. Vernunft mit ihren logischen, ästhetischen, ethischen Gesetzen, Geboten und Verboten bringt die Natur erst zum Vorschein und zur Entscheidung. Mögen also gewisse ,Irrationalisten’ getrost ihr Natur-Ich vernunftlos zu kultivieren wähnen. Sie sind nicht Überwinder, sondern Ignoranten der Vernunft, gleichviel, ob ihre Götzen Stirner oder Nietzsche heißen. Vernunft erst macht das Leben zum Leben, erzeugt erst Natur als harmonischen Organismus bis in die wechselnden Stimmungen der Laune hinein. Das ,Irrationale’ dagegen ist ein Irrbegriff, so gut wie das Unbewußte. Die Irrationalisten wähnen, Vernunft, Intelligenz höre auf, wo deren Unterscheidungskraft aufhöre. Im Gegenteil: die unterscheidende, langsam überlegende Vernunft ist nur der schwache Ausläufer der licht verschmolzenen ununterscheidbaren Intelligenz, und gerade derjenige Wille ist magisch, der von dieser Ur-Vernunft ausstrahlt. Ignoranten verwechseln das konzentriert Rationale mit dem ,Irrationalen’ und Intelligenz mit abstrakter Logik. Was nicht strikt formallogisch ist, nennen sie leichtfertig ,irrational’ und werden so zu Obskuranten.
Vernunft erkennt nicht nur. Sie ist auch eine den Naturgewalten mindestens ebenbürtige praktische Willenskraft, ein tatkräftiges Ich. Wer heute die Augen ordentlich öffnet, der sieht in Wissenschaft, Kunst, Moral den bloßen Naturalismus, Empirismus, Sensualismus, geschweige Materialismus mehr und mehr seine Unzulänglichkeit einsehen und vor der Macht der die Natur als solche erst erschaffenden Vernunft zurückweichen; allerdings sehr langsam, aber auch sehr sicher. Mit diesem Siege der Vernunft soll aber beileibe keine Vernichtung, sondern im Gegenteil die Kultivierung der Natur gemeint sein, ihre magische Hinleitung zu Wahrheit, Schönheit, Güte, Frieden. Die Natur ist nicht Schein, sondern Erscheinung. Sie reizt sinnlich nicht nur zu Begierden, sondern Erkenntnis und Begierde, Licht und Feuer können in ihr zur Schönheit ausgewogen und harmonisch ineinander beruhigt werden. Sie ist nicht nur ,Hunger und Liebe’, Fraß und Zeugung. Sondern diese kommen im vernünftigen Menschen einem Ideal von Güte entgegen und führen die rohe Natur allmählich zur sittlichen Ordnung der Dinge.
Demgegenüber ist die Geringschätzung der Natur-Erfahrung, weil sie uns die übernatürlichen Wesenheiten nicht direkt bietet, so wenig am Platze wie die Verachtung der Vernunft, weil sie uns nur ,schlichte’ Natur zu erfahren gibt. Freilich ist Vernunft überaus anspruchsvoll geartet. Sie erstrebt ,la recherche de l’absolu’. Inzwischen stößt unser Geist mit seinem absoluten Anspruch tatsächlich auf ein nicht wegzudialektisierendes Hindernis, auf die Grenze der Sinneserfahrung, jenseits deren, finster wie der Tod, die Lösung aller Rätsel, die Erfüllung seines Anspruches liegt, so unerkennbar wie sittlich-religiös verbürgt, als zwar nicht mehr sinnenfällig natürliche, aber magisch-praktische Gewißheit, als ein ,Glaube’, der sich nicht, wie der bisherige, auf unkontrollierbare Offenbarung, sondern auf Vernunft gründet. So wollen wir denn magisch versuchen, diese übersinnliche Absolutität mit der sinnenfälligen Bedingtheit mehr und mehr in einen Einklang zu bringen. Hierzu trägt die Magie der s...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über den Autor
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Einleitung: Kants Kinder und seine Geheimlehre von Detlef Thiel
  4. Kant für Kinder: Fragelehrbuch zum sittlichen Unterricht (1924)
  5. Katechismus der Magie: Nach Immanuel Kants „Von der Macht des Gemütes“ und Ernst Marcus’ „Theorie der natürlichen Magie“ In Frage- und Antwortform gemeinfaßlich dargestellt (1925)
  6. Der Philosoph Ernst Marcus als Nachfolger Kants: Leben und Lehre (3. IX. 1856 – 30. X. 1928) Ein Mahnruf (1930)
  7. Ankündigungen und Rezensionen
  8. Anmerkungen und Nachweise
  9. Verzeichnis der Abbildungen
  10. Literaturverzeichnis und Abkürzungen
  11. Namenverzeichnis
  12. Sachverzeichnis
  13. Salomo Friedlaender/Mynona: Gesammelte Schriften
  14. Waitawhile Editionen
  15. Impressum