
- 272 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Viel hat die Winterschlacht am Donez nicht übrig gelassen vom Regiment des Oberst Metzelbrod. Immer kleiner wird der Haufen, immer größer die Zahl der Verwundeten. Um diese und die Reste des Regiments zu retten, entschließt sich Metzelbrod, den Stützpunkt aufzugeben, gegen den der Feind mit weit überlegenen Kräften immer wieder anrennt. Wider höheren Befehl wird der Rückzug angetreten. Damit beginnt dieser Bericht, den Leutnant Emser, Metzelbrods Adjutant, von dem Geschehen gibt, das nun unaufhaltsam und unabwendbar über einen Offizier hereinbricht, der - zwischen Befehl und Gewissen stehend - sich für das Gewissen entscheidet. Ein Buch über den Krieg und gegen den Krieg.
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Information
Thema
GeschichteDie Insel Pawlowskaja
Der Funkunteroffizier riss mich mit aufgeregtem »Herr Leutnant – Herr Leutnant!« aus tiefem Schlaf.
»Was ist denn?«, fragte ich, noch halb benommen. »Sind die Russen da?«
Der rosige Baierle, der immer wie frisch gebadet aussah, lachte. »Bewahre, Herr Leutnant! – Das erste Bataillon!«
Er hielt mir den Fernsprechhörer hin, und erst jetzt erfasste ich, was los war. Ich meldete mich mit Namen. Major Knappe fragte nach dem Kommandeur.
»Der Herr Oberst ist im Verbandplatz«, erwiderte ich.
»Was? – Verwundet?«, rief der Major. Seine Stimme klang undeutlich. Im Draht war ein zischendes Tosen.
»Nein«, sagte ich, »nein, Herr Major, nicht der Kommandeur. Oberleutnant Metzelbrod liegt im Verbandplatz. Der Kommandeur ist bei ihm. Feenwald ist beim Feind.« Feenwald war die Tarnbezeichnung für den nunmehr verlorenen Stützpunkt Goroditsche.
Major Knappe brummte etwas Unverständliches. Ich fragte zurück, aber er wiederholte das soeben Gesagte nicht. Es war wohl kein ausgesprochen feines Wort gewesen.
»Ich habe nichts Besseres zu berichten, Emser«, erklärte er, »Buckelweide, Salzfass und Wintersonne mussten aufgegeben werden. War nichts zu machen.
Sie kamen in Massen mit ›Urraa‹ durch den Schnee. Wir haben sie aufgefangen, aber wir mussten zurückgehen. Ich halte jetzt die Linie Balka–Drei Eichen. Augenblicklich ist es ruhig; aber ich rechne damit, dass der Gegner spätestens morgen Früh nachstößt. Sie wissen ja, er kann jetzt ungehindert über den Fluss nachführen, was er braucht. Übrigens: Waldeule hat sämtliche Geschütze gesprengt. Sie wurden buchstäblich überrannt. Mit einem Zug von mir nahmen sie die Feuerstellung wieder, aber die Geschütze konnten sie nicht herausholen. Keine Zugmittel – die Zugmaschinen eingefroren. Punktum.«
»Gesprengt?«, rief ich entsetzt aus. Es war das erste Mal, dass ich hörte, Kanoniere hätten ihre eigenen Geschütze vernichtet. Waldeule war eine Batterie schwerer Feldhaubitzen, die in der Nähe von Major Knappes Gefechtsstand in Stellung gewesen war. Demnach war der Russe schon bis dorthin vorgedrungen, und wenn man ihn auch fürs Erste abgewiesen hatte, war doch den Worten des Majors zu entnehmen, dass man mit seinem Wiederkommen rechnete.
Major Knappe war noch nicht zu Ende. Er gab die Verluste dieses Tages durch. Erschreckende Zahlen. Dann forderte er MG-, Gewehr- und Granatwerfermunition, Handgranaten, Verpflegung und Bekleidung an. Bei der Absetzbewegung der Kompanien war eine Menge Material liegen geblieben. Auch die Infanteriegeschütze hatten sich nahezu verschossen. Ich versprach, alles an den Kommandeur weiterzuleiten, wir würden unser Möglichstes tun.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, kam ein Wachtmeister, der während des Gesprächs den Gefechtsstand betreten hatte, heran und meldete sich, die Hacken zusammenknallend, als Wachtmeister Schelle vom Artillerieregiment 208, neunte Batterie, mit acht Versprengten.
»Geht mal hinüber ins Nebenhaus«, sagte ich, »und lasst euch in der Küche der Stabskompanie was zu essen geben!« Der Mann sah aus, als ob er nahe am Umfallen wäre. Er zögerte, und ich fragte, was es sonst noch gebe.
»Da muss ich wohl allein gehen, Herr Leutnant«, sagte er.
»Wieso allein?«, fragte ich. »Ich denke, Sie haben acht Mann bei sich?«
Er atmete tief.
»Die sind auf dem Verbandplatz, Herr Leutnant«, erwiderte er, »drei mit Erfrierungen – die anderen sind verwundet. Ich habe sie eine Nacht lang und den ganzen Tag über mit Flüchen durch den Schnee getrieben. War nicht anders zu machen, Herr Leutnant. Sie wären sonst liegen geblieben, wo sie waren, und erfroren.«
»Sie sind ein braver Mann, Wachtmeister Schelle«, lobte ich ihn.
Er lächelte dankbar, grüßte und hinkte hinaus. Vielleicht hatte er einen Fuß erfroren oder war ebenfalls verwundet.
»Arme Schweine!«, meinte Unteroffizier Baierle. »Wie konnte denn so was passieren, Herr Leutnant? Das ist ja ’ne glatte Katastrophe!«
»Katastrophe«, verwies ich ihn, »jetzt machen Sie mal nicht schlapp, Baierle! Wir haben allerhand hier drin in unserem Dorf!«
»Jawohl, Herr Leutnant«, gab der Unteroffizier zu, »aber wenig Kampftruppen. Die Bataillone haben mit sich selber zu tun.«
»Schluss jetzt, Baierle!«, fuhr ich ihn an, ziemlich ärgerlich, vermutlich, weil ich ihm innerlich Recht geben musste. Was jetzt fast ununterbrochen nach Pawlowskaja zusammenströmte, war im Falle eines Angriffs auf das Dorf mehr Ballast als wirksame Hilfe.
Die Tür ging wieder, aber diesmal kam kein neuer Versprengter herein, sondern der Kommandeur. Ich berichtete ihm von Major Knappes Anruf – den er in ähnlicher Form erwartet hatte – und fragte ihn dann, ob es etwas Neues gebe.
Der Oberst blickte starr an mir vorbei.
»Die Operation scheint gut verlaufen zu sein, wenn ich dem Doktor Glauben schenken darf. Verschiedene Splitter allerdings konnte er nicht entfernen. Das ist das Schlimme. Später, meinte der Doktor, im Lazarett. Mit der behandschuhten Rechten fuhr er sich über die Stirn, wie um einen schwarzen Gedanken wegzuwischen. »Grausam«, fuhr er fort, »Emser, der Krieg ist grausam. Liegen viele drüben. Alle Gänge sind voll. Mit zweien ging es zu Ende, als ich vor dem Operationsraum wartete. Einer rief nach seiner Frau. Ich hielt seine Hand, bis es vorüber war. Beide wären durchgekommen, meint der Doktor, wenn er sie rechtzeitig ins Lazarett hätte schaffen können. Er steht buchstäblich im Blut, Emser. Überall Blut – auf der Schürze, an Armen und Händen. Zu dritt sind sie ununterbrochen an der Arbeit, er, der Assistenzarzt und der Unterarzt. Auf drei Tischen liegen die Verwundeten. Von der Balka, von Goroditsche, von überall her. Manche humpeln zu Fuß zum Verbandplatz, manche kommen auf Schlitten, andere auf Tragen. Und wenn die Krankenträger ihre Last absetzen, müssen sie gleich mit ins Schulhaus, weil ihre Hände erfroren sind. Ununterbrochen kommen sie, Emser, fast ununterbrochen. Splitter, Schussbrüche, Durchschüsse und so viele Erfrierungen. Grausam, Emser. Und dort liegt auch mein Erich. Ohne Bewusstsein. Mein Letzter, Emser. Er hatte so große Pläne, Sie wissen ja. Ist er dafür Geologe geworden? Im Juli 39, Sie erinnern sich, bekam er den Kontrakt nach Kapstadt. Aber nein. Nach Nakel an der Netze ging es, nach Bromberg, über die Weichsel und dann an den Westwall. Und Kapstadt war ein Traum. Und zu Hause, meine Frau, die nichts ahnt, und Anneliese, Erichs Frau, die jetzt das Kind erwartet. So jung – so vertrauensvoll. ›Bring ihn mir wieder!‹, sagte sie, als er zu mir ins Regiment kam. ›Bring ihn mir wieder!‹ Und ich habe ihn nach Goroditsche geschickt. Und jetzt liegt er dort drüben im Schulhaus – und später … Gibt es denn ein Später? Und in Pawlowskaja sammelt es sich. Da ein Trupp – dort ein Trupp. Kleine Gruppen – sechs Mann, zehn Mann –, so kommen sie aus dem Schnee. Und waren einmal Züge, Kompanien, Batterien, Abteilungen, Bataillone. Alles fest gefügt, wie man meinte. Und jetzt: wie Spreu versprengt, zerschlagen, in Lumpen, erfroren, in Wunden. Und alles strebt auf Pawlowskaja zu. Es ist der Magnet. Als ob hier Zuflucht wäre! Es ist wie eine Schlinge, Emser, eine Schlinge, die sich enger und enger zieht« – wie in Atemnot zerrte er am Kragen der Feldbluse –, »und drüben im Schulhaus, Emser, das ist das Furchtbare! Da liegen sie auf Pritschen, auf den wenigen Betten, auf Tragen, wie man sie gebracht hat, auf blutdurchtränktem Stroh, und mir war, als ob ein jeder mir zuriefe: ›Oberst Metzelbrod, hilf!‹ Ja, Emser, und da stehe ich und muss zusehen, wie die Schlinge sich zusammenzieht. Pawlowskaja – ausgelöscht, vertilgt …« Plötzlich straffte sich sein gebeugter Rücken. »Ach was!«, stieß er hervor. »Geben Sie mir die Meldungen, Emser: Stärkemeldung, Verlustmeldung, Munitionsmeldung!«
Ich holte vom Tisch das Verlangte. Es war natürlich nicht vollzählig. Ich wies den Oberst darauf hin.
»Vollzählig«, sagte er, »das war vor zwei Tagen, Emser, oder vor drei – wie lange geht das denn eigentlich schon?« Er kam auf mich zu und packte mich bei den Schultern. »Emser, wissen Sie, woran ich denke?«
»Jawohl, Herr Oberst«, erwiderte ich, »aber das wäre unmöglich. Es wäre gegen den Befehl!«
Da er nichts darauf sagte, fügte ich hinzu: »Herr Oberst denken an – an Oberleutnant Metzelbrod.«
»Vielleicht haben Sie Recht, Emser«, versetzte er stockend und schob mir einen langen Funkspruch zu. »Haben Sie das gelesen?«
Ich bejahte. Es war das Letzte, was von der Division eingetroffen war. Eine ziemlich dramatisch gehaltene Verhaltensmaßregel für Eingeschlossene, die gewiss kein nüchtern denkender Generalstäbler, ja, wohl überhaupt kein Soldat ausgearbeitet hatte. Es klang viel eher nach den Traktaten, die der Propagandaminister im »Reich« drucken ließ. »Bis zur letzten Patrone – die Unterkünfte niederbrennen, damit der Feind keine Quartiere findet, wenn man selbst keine mehr braucht. Den Kameraden in entfernten Stützpunkten ein Beispiel geben.« So ungefähr.
»Das ist ja Mord«, sagte ich, aber was war damit gewonnen, dass dieses ketzerische Wort ausgesprochen war? Es war immerhin ein Befehl!
Der Oberst entgegnete nichts. Aber Unteroffizier Baierle und der Funker Hannemann starrten mich an, als fürchteten sie, ich hätte den Verstand vollends verloren.
»Starrt nur«, dachte ich, »wenn die Russen vor der Tür stehen, werdet ihr ’s schon merken, wie viel ihr denen dort oben wert seid.«
Ich riet dem Oberst, sich erst einmal zur Ruhe zu legen, ich würde ihn, wenn erforderlich, wecken.
»Ja, ich glaube, es ist das Beste, Emser«, meinte er. »Vergessen Sie ’s!«
Bevor er die Zeltbahn zur Seite schob, schärfte er mir ein, ihn sofort zu rufen, wenn Nachricht von Stabsarzt Mende käme.
Was wird werden, fragte ich mich, Gefangenschaft oder Untergang? Auf Entsatz von außen war offenbar nicht zu hoffen. Der geplante Gegenangriff war nach einer Verlautbarung, die während meiner Abwesenheit von der Division eingelaufen war, ein glatter Fehlschlag gewesen und hatte, wie es schien, das Ausmaß der Katastrophe – denn eine solche war der Durchbruch der Russen im Abschnitt Isjum – nur noch erhöht. In den Aufmarsch unserer Angriffstruppen musste der Russe mit starken Kräften gestoßen sein, sodass nicht einmal die Bereitstellungsräume erreicht werden konnten und alles in Flucht und Panik endete. Der Ring um Pawlowskaja war geschlossen. Auch im Osten hatten Spähtrupps feindliche Kräfte festgestellt. Und das rechte Nachbarregiment, unser Schwesterregiment, war ebenfalls abgeschnitten. Auch von dort her war keine Hilfe zu erwarten.
Wie mochte man drüben in Dolgenskoje den Befehl beurteilen, der uns gleichsam festnagelte, der jede Bewegung, jedes Ausweichen verbot? Wie sollte ein Truppenführer, solchermaßen gebunden, noch Entschlüsse fassen? Was blieb dem Divisionskommandeur, wenn höheren Ortes über seine Regimenter verfügt wurde? Der Befehl sei den Einheiten bekannt zu geben, hieß es. Als ob man die Standhaftigkeit unserer Soldaten, die über jedes Lob erhaben war, noch stärken könnte, indem man ihnen zu verstehen gab, sie sollten jede Hoffnung begraben.
Auch der Obergefreite Hannemann, der jetzt Unteroffizier Baierle, den ich zur Ruhe geschickt hatte, am Funkgerät vertrat, schien sich mit ähnlichen Gedanken zu quälen. Er wusste als Funker, wie es um uns stand. Ob wir uns darauf vorbereiten sollten, vom Feind kassiert zu werden, fragte er mich.
»Hannemann«, wies ich ihn zurecht, »wie kommen Sie denn darauf, Mann? Gefangenschaft! Sie kennen doch den Befehl. Bis zur letzten Patrone, heißt es da!«
»Wenn aber nun nichts mehr zu machen ist, Herr Leutnant?«, wandte der Funker ein.
»Lassen Sie den Quatsch, Hannemann«, sagte ich, »vorläufig gibt’s noch ’ne ganze Menge zu tun!«
Wie zur Bestätigung meiner Worte hallte draußen unversehens Gefechtslärm auf. Es hatte den Anschein, als ob es schon Pawlowskaja gälte. Ich bedeutete dem Obergefreiten, er solle den Kommandeur, den Funkunteroffizier und die Melder wecken. Im Nu war ich im Mantel, setzte Kopfschützer und Stahlhelm auf, nahm die Maschinenpistole und rannte hinaus.
Noch immer zuckte Feuerschein über den Schnee. Einzelne Gestalten hasteten, Karabiner in den Fäusten, in die Richtung, aus der jetzt deutlich das Schnarren mehrerer Maschinengewehre – darunter auch russischer – und das Knallen detonierender Handgranaten hallten. Es schien aus der Gegend der Mühle zu kommen, wo Major Moll mit seiner Abteilung eingezogen war. Rote Leuchtkugeln stiegen in die dunkle Winternacht, in der nur der Schnee, soweit er nicht von Bränden erhellt war, ein mattes Leuchten verbreitete. Geschützfeuer mischte sich jetzt in das Lärmen der Infanteriewaffen. Ich sah das Aufblitzen von Mündungsfeuer und entnahm daraus, Major Molls Abteilung greife in den Kampf ein.
Als ich bei der Mühle ankam, fand ich Major Moll mit seinen drei Batteriechefs.
»Abgeschmiert«, sagte er lachend, »ich schätze, die Burschen hatten ’s auf meine Kanonen abgesehen. Wir haben ihnen im direkten Beschuss heimgeleuchtet.«
»Wie sind die nur so nahe herangekommen?«, fragte ich. »Die müssen das erste Bataillon umgangen haben. Hat das denn niemand bemerkt?«
»In solcher Nacht, Herr Emser«, meinte Major Moll, »gehe ich mit einem ganzen Regiment, wenn es sein muss, nach Lissischansk, ohne dass der Russe etwas merkt.«
Diese Worte setzten sich in mir fest, während ich nach dem Dorf zurückkehrte. So gäbe es also doch einen Ausweg, sagte ich mir. Aber ich verwarf diesen Einfall, denn da war der Befehl, der dem Regiment, wenn es zum Schlimmsten käme, Pawlowskaja als Grabstätte zuwies. Dem Regiment und allem, was jetzt unter Oberst Metzelbrods Kommando stand.
»Alles klar, Herr Oberst«, sagte ich zum Kommandeur, der mich an der Tür des Gefechtsstandes empfing. »Der Besuch hat wohl den Geschützen von Herrn Major Moll gegolten.«
Wir arbeiteten nun, da es den Anschein hatte, als ob es für Pawlowskaja bald ernst werden würde, einen Plan zur Rundumverteidigung aus, und die Melder überbrachten die schriftlichen Befehle den Einheitsführern, von denen nun schon eine ganze Anzahl in oder bei Pawlowskaja saß. Streng genommen hatten viele von ihnen bereits gegen das Gebot, keinen Stützpunkt, keine Stellung aufzugeben, gehandelt. Aber an uns war es nicht, Anklage zu erheben. Wir wussten nur zu gut, wie alles gekommen war.
Später unternahmen Oberst Metzelbrod und ich, während Oberleutnant von Eisen den Komman...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Der Feuerschlag
- Die Stunde der Prüfung
- Nach Goroditsche
- Die Insel Pawlowskaja
- Ausbruch im Schneesturm
- Tscherkasskowka
- Der Panzerzug
- Der Blinde aus Goroditsche
- Die Teestube
- Munition für Tscherkasskowka
- Abschied
- Der Kampf um die Stützpunkte
- Das Gericht
- Falle am Donez
- Windstille
- Rückzug
- Die Toten
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