Schreie der Ertrinkenden
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Schreie der Ertrinkenden

Von der Ostfront bis zum Untergang der Gustloff

  1. 208 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Schreie der Ertrinkenden

Von der Ostfront bis zum Untergang der Gustloff

Über dieses Buch

Hans Fackler wird, wie viele andere Jungen seines Alters, mit gerade einmal 17 Jahren in die Wehrmacht eingezogen und zu den Pionieren an die Ostfront geschickt. Als solcher ist er für die Verminung der Frontlinie zuständig und gehört oft zu den letzten Soldaten, die sich zurückziehen können bevor die Russen kommen. Tag für Tag sieht er seine Kameraden neben sich fallen, verliert jedoch selbst nie den Lebensmut. Als er schließlich bei einem Granatenangriff schwer verwundet wird, beginnt ein langer und beschwerlicher Weg zurück in die Heimat.Zusammen mit tausenden von deutschen Flüchtlingen soll der Verletzte von der "Wilhelm Gustloff" in Sicherheit gebracht werden, doch das Schiff wird von russischen Torpedos getroffen und sinkt. Hans überlebt als einer der Wenigen den Untergang, der später als das verlustreichste Schiffsunglück der Menschheitsgeschichte betitelt wird. Zurück in der Heimat ist der junge Soldat jedoch auch nicht sicher. Als die Russen nach Kriegsende das Lazarett besetzen, in dem er liegt, muss er fliehen und sich zu Fuß und ohne Papiere in einem vom Feind besetzten Deutschland durchschlagen.

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Feuertaufe
Die Urlaubstage verflogen wie ein schöner Traum. Am 12. August musste ich mich in einem für die Wehrmacht reservierten Raum im Kaufhaus Hertie melden. Ein grauhaariger Major musterte meine Papiere. »Ihre Einheit befindet sich im Mittelabschnitt der Ostfront!«, erklärte er. Dass die nicht wieder nach Ingolstadt umgezogen sind, ist schon klar, dachte ich unwirsch. »Sie fahren jetzt unverzüglich! Hier ist Ihr Marschbefehl. Ab mit Ihnen!«
Die sogenannte Fronterfahrung hatte ich natürlich noch nicht, aber ich wunderte mich über mich selbst, weil ich mich freute, meine Kameraden bald wiederzusehen. Es mag manchem kaum verständlich erscheinen, aber zwischen uns hatte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt, das schwer zu beschreiben ist.
Fünf Tage und Nächte wurde ich von einer Frontleitstelle zur nächsten weiter dirigiert. Am Bahnhof einer kleineren Stadt, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, erklärte ein Hauptmann der Feldgendarmen, die wegen ihrer vor der Brust hängenden Metallschilde gern als »Kettenhunde« bezeichnet wurden: »Von hier fahren alle zwölf Stunden Züge zur Front. Sie fahren heute Nacht um 3 Uhr weiter!«
»Jawoll, Herr Hauptmann!«
Ein Blick auf eine Uhr im Wartesaal zeigte mir, dass dies schon in neun Stunden der Fall sein würde, und ich dachte, so müde, wie ich war, es wäre morgen Früh genug. Jetzt suchte ich erst einmal einen Platz zum Schlafen.
Gedacht, getan. Langsam schlenderte ich durch die Straße, die in den Ort hinein führte, blieb vor einer Bäckerei stehen und betrat den nach frisch gebackenem Brot riechenden Laden. Dabei begutachtete ich die Brote und frischen Semmeln (ach ja, hier heißen die ja Brötchen) im Regal zu meiner Rechten. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte mich eine junge, hübsche Verkäuferin hinter der Theke.«
»Zwei dieser so knusprig aussehenden Brötchen hätte ich zwar gern, habe aber keine Brotmarken.« Brot war so wie fast alle Lebensmittel rationiert, und man musste beim Einkauf Marken abgeben, die von den Verkäufern eingeklebt werden mussten. Kontrolle war doch alles.
»Für unsere Soldaten geht das auch mal ohne, und diese drei Stück werden nicht auffallen. Darf’s sonst noch was sein?«
»Eigentlich suche ich einen Schlafplatz für die kommende Nacht.«
Die Frau lachte und meinte leicht errötend: »Das Bett unseres Gesellen steht leer. Er ist an der Westfront, und ich muss ihn ersetzen. In seiner Kammer können Sie gern schlafen, wenn unser alter Meister nichts dagegen einzuwenden hat.«
Da der alte Meister nichts einzuwenden hatte, schlief ich in dieser Nacht nicht nur sehr fest, sondern auch angenehm, versäumte natürlich den Fronturlauberzug um 3.00 Uhr und saß gegen 15.00 Uhr wieder im Wartesaal des Bahnhofs. Als ich den Hauptmann vom Vortag in Begleitung zweier »Kettenhunde« sah, wollte ich mich hinter dem breiten Rücken meines Nachbarn unsichtbar machen, aber schon hatte er mich erspäht, trat zielstrebig auf mich zu und begann zu brüllen: »Sind Sie wahnsinnig geworden? Sie sollten schon seit heute Früh nicht mehr hier sein! Das wird Folgen für Sie haben!«
Stramm und schweigend vor dem erbosten »Kettenhund« stehend konnte ich sehen, wie der Herr Hauptmann auf einem Meldeblock zu schreiben begann. Ich fragte mich gerade, was das wohl werden würde, als er mir das beschriebene Blatt überreichte und dabei mit vor Zorn gerötetem Gesicht bemerkte: »Diese Meldung ist für Ihren Kompaniechef bestimmt. Der Zug fährt gleich ein. Sie können froh sein, dass Sie so glimpflich davonkommen! Ab mit Ihnen!«
Erst im fahrenden Zug konnte ich die Meldung lesen: »Hiermit bestrafe ich Sie mit drei Tagen verschärftem Arrest, weil Sie den vorgeschriebenen Zug um drei Uhr nicht benutzt und sich weiterhin zwölf Stunden hier aufgehalten haben. Gezeichnet: Hauptmann Krüger«
Es erübrigt sich wohl an dieser Stelle zu bemerken, dass diese Meldung ihren Adressaten nie erreichte.
Als ich am sechsten Tag der Anreise irgendwo auf freiem Feld vor einer Holzhütte den Ruf vernahm: »Endstation! Alle Mann raus!«, da war ich durchaus nicht mehr der Frischeste. Zunächst konnte ich auf der Ladefläche eines kleinen LKWs ungefähr 20 Kilometer weiter nach Osten fahren. Die letzten paar Kilometer saß ich neben dem Lenker eines kleinen Pferdewagens auf einem schmalen Holzbrett. Das kleine, struppige Beutepferd trabte munter dahin, und ich wurde gründlich durchgerüttelt. Der Kutscher war ein »Hiwi« (Hilfswilliger Ukrainer) in deutscher Uniform, aber ohne Hoheitsadler auf der linken Brustseite. Irgendein Bettnachbar in einem der Lazarette hatte mir erzählt, dass die Hiwis, diese armen Kerle, nichts mehr fürchten würden, als in russische Gefangenschaft zu gelangen.
Als unser Gefährt auf einem schmalen Feldweg vor einem kleinen Wäldchen anhielt, sprang ich mit steifen Gliedern zu Boden. Der ungefähr 30 Jahre alte, spindeldürre Kutscher beugte sich zu mir herab und erklärte mir: »Du müssen auf diese Anhöhe gehen. Immer gut auf Deckung achten. Russen sehr weit schießen. Hinter diese Wäldchen sein deine Kompanie in Graben. Später in Nacht bringen ich Essen zu euch.«
Er sprach’s, wendete sein kleines Wägelchen fast auf dem Teller und trabte davon.
Etwa 15 Minuten später erreichte ich durch einen gut getarnten Laufgraben die vorderste Linie und sah zunächst noch kein bekanntes Gesicht. Leichter Abendnebel lag über dem Land, als ich neugierig über den Grabenrand spähend die uns an dieser Stelle etwa fünfhundert Meter entfernt gegenüberliegenden Russen sehen wollte. Ein mir noch unbekannter Landser zog mich sofort zurück und bemerkte mit vorwurfsvoller Stimme: »So jung und schon so lebensmüde! Die dort drüben knallen dich doch ab. Die haben gute Schützen. Immer schön mit dem Kopf unten bleiben. Auch dein Helm ist nicht kugelfest.«
Kopfschüttelnd stapfte er geduckt weiter durch den Schützengraben.
Einige meiner alten Kameraden erkannten mich an der Stimme, krochen aus ihren mit Ästen und Laubwerk überdachten Löchern innerhalb des Grabens und umringten mich. Während ich ihre Hände schüttelte, blickte ich in ihre vertrauten, bärtigen Gesichter. Dabei überraschte es mich, dass unser schweigsamer Wildschütz aus der Jachenau als Erster die Sprache wiederfand: »Da schau her! Unser Überlebenskünstler aus dem Lazarett hat uns wieder gefunden.«
Mit der Wiedersehensfreude war es jedoch schnell vorbei, als ich erfuhr, dass Josef Sillinger aus Augsburg, König aus Pfaffenhofen an der Ilm, und vor allem meine beiden Knastgenossen in Kroatien, nämlich Fritz und Max, gefallen waren.
»Hans, unseren Alten, unseren Hauptmann, hat’s vor 14 Tagen auch erwischt. Der Chef unseres Resthaufens ist jetzt Leutnant Hartmann. Der ist ganz in Ordnung. Du kennst ihn ja noch aus Kroatien. Wenn du dich jetzt bei ihm meldest, wird er dich wahrscheinlich für heute Nacht mit einigen von uns zum Minenlegen einteilen. Die Russen wollen uns doch immer wieder von hier verjagen.«
So wie es mir prophezeit war, kam es dann auch. Zusammen mit fünf anderen kletterte ich bei Dunkelheit aus dem Graben. Unsere Soldbücher lagen im Kompaniegefechtsstand. Sollte einer von uns liegen bleiben oder in Gefangenschaft geraten, sollte der Feind nicht gleich seine Vergangenheit zu lesen bekommen.
Etwa 50 Meter vor den deutschen Gräben im sogenannten Niemandsland mussten wir zu unserem Schutz Minen legen, das heißt in der Erde vergraben. Mit unseren Kurzspaten gruben wir so lautlos wie möglich runde Löcher oder kleinere Gruben, so wie es die jeweilige Minenart erforderte.
»Mach bloß keinen Lärm!«, flüsterte mir der Jachenauer ins Ohr. »In unseren Erdlöchern dort hinten möchte ich mich schon wieder selbst in meine Decke wickeln können.«
»Er meint, dass die Russen sofort einen riesigen Feuerzauber veranstalten, sobald sie den geringsten Laut vernehmen«, flüsterte Hans Obermeier.
»Die Unsrigen werden über dieses Minenfeld kaum stürmen, sonst würden wir diesen Teppich hier nicht auslegen.«
»Schluss jetzt! Kein unnötiges Wort mehr. Die Russen könnten näher sein als wir glauben.« Unteroffizier Huber klang verärgert.
Von diesem Augenblick an kniete oder kauerte jeder von uns vor seiner Mine. Manchmal verbanden wir auch zwei Sprengköper mit einem Stolperdraht. Ein falscher Handgriff konnte tödlich sein.
Zunächst klopfte mir das Herz bis zum Hals, dann wurde ich ruhiger. Wir begannen links von unserem Ausgangspunkt und hatten schon einige Meter lückenlos vermint, als ich den ersten Schuss eines russischen Maschinengewehrs durch die neblig-trübe Dunkelheit schallen hörte. Schon lagen meine Kameraden dicht an die Erde geschmiegt. Nur ich zögerte und war der Letzte, der nun ebenfalls in voller Deckung lag. Wegen so einem bisschen Schießen gleich so einen Zirkus zu veranstalten, dachte ich. Prompt pfiff eine Geschossgarbe nur wenige Zentimeter über mich hinweg.
Wir lagen noch einige Minuten regungslos, ehe wir wieder zu arbeiten begannen. Zwei von uns versorgten uns immer wieder mit neuen Minen. Als wir nach mir sehr lang erscheinenden Stunden wieder in den Graben stiegen, ergriff Unteroffizier Huber meinen Arm und führte mich zum MG-Stand, der nur wenige Meter von unserer Einstiegsstelle entfernt war. Der Schütze kauerte hinter seinem schweren, auf einer festen Lafette montierten Maschinengewehr und jagte einen Gurt Patronen zu den Russen hinüber. »Der hat nur gewartet, bis wir wieder zurück sind. Zielen braucht er nicht, hat das Ding bei Tageslicht eingeschossen und festgeklemmt. Er kann eine ganze Strecke dort drüben mit seinem Segen bestreichen. Die drüben machen’s nicht anders. Nur eins noch, Hans. Du musst so schnell in Deckung gehen, wie wir es getan haben, so wie gelernt.«
Er nickte mir freundlich zu und meinte abschließend: »Und nun wickle dich in deine Decke und schlafe so lang, wie sie uns lassen. Du kannst dich dort zu Jürgen legen. Er winkt doch schon herüber. Er ist zwar Berliner, aber dafür kann er nichts. Der Kerl ist übrigens schwer in Ordnung.«
Etwa 14 Tage lang lagen wir am Rand unseres Wäldchens bei Kiew. Die Russen versuchten mehrmals vergeblich, unsere Front zu durchbrechen. Wir hier vorn hatten zw...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Worum geht es im Buch?
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. Kindheit und verkürzte Jugendjahre
  8. Grundausbildung und erste Erfahrungen
  9. Einmarsch in Ungarn
  10. Feuertaufe
  11. Die letzte Granate
  12. Westwärts
  13. Weiter nach Westen
  14. Mit der Bahn nach Süden
  15. Flucht oder russische Gefangenschaft
  16. Hans, was nun?
  17. Wieder zur Flucht gezwungen
  18. Umwege zu gesichertem Lebensunterhalt
  19. Weitere E-Books der Edition Förg
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