Weitere Jagdstreitigkeiten
Hasenjagd jenseits der Grenze im 16. Jahrhundert
Zu Herzog Erichs I. Zeiten hatten Beamte beider Seiten zwar die Jagdgrenzen der Vogtei Langenhagen - soweit diese an lüneburgisches Gebiet angrenzte – einvernehmlich festgelegt, sie hatten aber zugleich das Überjagen in gewissem Maße zugelassen. So war es kein Wunder, dass Jäger diese Freiheit ausnutzten, was selbstverständlich erneuten Streit verursachte. Wir erfahren davon durch den wortreichen Beschwerdebrief des Bissendorfer Vogts Dietrich Behr an Herzog Wilhelm d. Jüngeren zu Braunschweig und Lüneburg (Celle) aus dem Jahr 1571vi:
Durchleuchtiger Hochgeborener gnädiger Fürst und Here, nach erbietung meines undertenigen schuldigen, willigen und gehorsamen Dienste kan EFG15 ich underthenlich nicht verhalten, daß ich vorschienenen Jahren bin zu Maspe gekomen, daß Heinrich Lewen, Droste zum Langenhagen, hat einen Hasen gefangen bei Hauß Hans Kirchoffe genant im Bissendorfer Velde, denselben habe ich genomen und nach Zelle geschicket. Dieweile mich der Großvogt seliger Christoff von Grunbruich16 hatte uff sehens in EFG holtzung und wiltbanen bevolen. Wan ich dan deß Grossen Vogts seligerem befehlich nachgelebt, der undertenigen zuversicht ich soliches in EFG beste Zuerhaltung EFG gerechtigkeit gethan. Nun hat sich gemelter Droste Lewa mit Dron worten jegen mich vernehmen lassen, wan ehr mich uff freis grundt und bodden bekeme, daß er mich dann nach dem Kalenberge woln füren lassen. Uff solche Droworte habe ich gemelten Drosten beschicken lassen bei dreien Männern auß der Vogtei Bissendorf, als mit namen Dietrich Pfingstvos, Eileke Döpken, und Cunke Hanebutt. Dieselbige Ihne dan meinet halben uffs freuntlichste haben angesprochen, waß ich mich zu Ihme versehen solte. Do hat ehr denselben die antwort geben, daß sie widder wech gingenn, und liessen sich solcher worte mehr verschicken, Ehr were seine zeit woll namen & Wan nun gnediger Fürst und Her ich solichs auß befehlich des seligen Grossen Vogts gethan, das ich fleissich uffsehens gehabt, und ihme den hasen welchen ehr uff EFG grundt und bodden gefangen, dahin ehr mit nichte berechtigt zu jagen ist, genomen und nach Zelle gesant, und ehr mich nu wie gemelt droweth nach dem Calenberge zu fürenn, wan ehr mich uff seins hern gebiete bekome, Thu EFG ich hiemit gantz underrichtlich bitten, dieselbige ein gnediglich einstehen in diesser sachen thun lassen, und mich gnediglichen in solicher rechtmessigen handlung schützen und handthaben. Deß thu ich mich zu EFG underthenichlichen vertrosten, und bin eß zuvordienen gehrosam schuldich und willich. Dat Dienstach nach hilary Anno 1571 (Dienstag nach Hilarius 157117)
EFG
undertheniger williger
Diener
Dietrich Behr zu Bissendorf
Diese Sache ist nach dem Recht der damaligen Zeit nicht ganz problemlos. Wer das heute bekannte Leben und Handeln des Heinrich Lewa aus Langenhagen in Betracht zieht, kann davon ausgehen, dass Lewa den erbeuteten Hasen keinesfalls freiwillig hergab. Behr musste also gewaltsam und mit Übermacht den strittigen Hasen an sich gebracht haben. Vermutlich war er selbst mit einer Jagdgesellschaft unterwegs. Nach den heutigen Grenzen gehört Maspe zweifelsfrei zu Langenhagen. Das war im Prinzip auch damals schon so. Allerdings kam man nördlich von Maspe bald auf das 1539 beiden Seiten zugesprochene Grenzgebiet. Das im Brief genannte Haus ist heute nicht mehr zu verorten. Sehr wahrscheinlich hatte Heinrich Lewa den Hasen auf Bissendorfer Gebiet gefangen. Dietrich Behr nahm ihm diesen allerdings zu Maspe in der Vogtei Langenhagen ab. Beide überschritten damit ihre Befugnisse.
Stellt man sich den Ablauf dieser Hasenjagd vor, beginnt sie damit, dass Heinrich Lewas Jagdgehilfen Stellnetze zum Hasenfang auf einer längeren Strecke quer zu bekannten Hasen-pässen aufstellten. Die Hasen wurden dann entweder durch die Jagdgehilfen und/oder durch Hunde aufgescheucht und in die Netze getrieben. Das war keine heimlich betriebene Wilderei, sondern lautes Jagen mit Hussa und Hallo. Solcher Betrieb konnte im nahen Bissendorf nicht unbemerkt bleiben. Wie man aus anderen Fällen schließen kann, wird Dietrich Behr nun einige Bauern zur Verstärkung angefordert haben, um dem Treiben ein Ende zu machen. Lewa zog dagegen mitsamt dem Hasen zurück. Nahe Maspe wurde er jedoch von Behr eingeholt und musste den Braten wieder abgeben. Diesen Hasen schickte der Bissendorfer Vogt getreulich an die Hofküche zu Celle, denn das Wild gehörte dem Landesherrn Herzog Wilhelm.
Damit hätte die Angelegenheit ihr Bewenden haben können. Nun drohte Heinrich Lewa allerdings, er würde Dietrich Behr bei passender Gelegenheit auf freiem Felde festnehmen und auf die Festung Calenberg führen lassen. Wenn der Bissendorfer also mal nach Hannover gehen wollte, stand er Gefahr in der Vogtei Langenhagen in Haft zu kommen. Wie man vom unter Herzog Erich II. in Calenberg inhaftierten Reformator Corvinius weiß, war der Aufenthalt dort nicht gerade gesund. Behr musste sich gewiss vorsehen. Da sein gütlicher Einigungsversuch mit Lewa scheiterte, sah er sich nun genötigt, den Schutz seines Landesherrn anzurufen. Die Hasenjagd wurde somit zu einer kleinen Staatsaffäre. Im zugehörigen Schriftverkehr der Verwaltung in Celle ist dazu nur noch der Entwurf eines amtlichen Schreibens an den Vogt zu Langenhagen enthalten. Die Hofbeamten forderten ihn darin auf, sich aller Drohungen gegen seinen Kollegen aus Bissendorf zu enthalten. Lewa unternahm wahrscheinlich nichts weiter, denn er war selbst auf gefährlichem Terrain unterwegs. Er hatte seine amtlichen Befugnisse nämlich bei weitem zu Gunsten der eigenen Kasse überschritten. Außerdem war er in weitere Streitigkeiten wie etwa der Bauernfehde in Langenhagen verwickelt. Beides kam in einem Prozess unter Herzog Julius im Jahr 1584 zur Verhandlung. Lewa wurde seines Amtes enthoben und Barthold Volger18 kam als Vogt an seine Stelle.
Petrarcameister Ausschnitt): Hasenjagd
Auch im 17. Jahrhundert: Jagd über die Grenze
Auch Jäger benachbarter Vogteien jagten über Grenzen hinweg. Ein derartiger Fall aus dem Jahr 1613 ist aktenkundig. Georg von Preitzke, Droste zu Schloß Ricklingen, hatte am 28. Juli 1613 in der Vogtei Langenhagen - um Schulenburg herum - etliche Hasen fangen lassen. Untertanen aus Langenhagen hatten deshalb einen Jäger des Drosten festgenommen und auf die Vogtei gebracht. Amtsvogt Henricus Clawe schrieb wegen Klärung seiner Jagdgerechtigkeit an den Drosten. Dieser schickte darauf am 18. September 1613 folgenden Auszug aus der Grenzbeschreibung seines Bezirks mit der Bemerkung, dass ihn Gott davor behüten solle, dass er eine Jagd unternehmen wolle, wenn er dazu nicht befugt wäre.
Auszugk auß deß Prh. Brh. Hauses zue Schloß Rigklingen Grentze- oder Schnedebuch, die Strigkjagt19 belangende, extrahirt am 18. 7 bris 1613.
Die Strigkjagt oder das Hetzen verstregket sich, wie hernacher beschrieben folget:
Die Strangkride undt Mekelenheide entlangk uf undt nider biß für Hannover uff die Goseride - daselbst magk der Inhaber deß Hauses Rigklingen oder deßelben Jeger undt Diener so lange verharren, daß er in Hannover gehet oder sendet und kauffet vor einen Körtling Brodt undt für einen Körtling Bier; daßelbige magk ehr uf der Goseride auffeßen undt verzehren - alßdan von dannen nach dem Langenhagen biß in die Zeilkuhlen hetzen. Greifft er daselbst einen Hasen, so gehöret ehr nach Rigklingen, leufft er aber uff den Vogthoff auf den Langenhagen, so gehöret ehr dem Voigte daselbst von dahr an den Lütkenwaldt nider biß uff den Lauenwald undt widerumb hinüber for dem Heinholtze und Höringhausen undt da nicht ehr die Pfände zuesetzen, biß ehr wieder an die Grentze oder Hoheit kömbt, wie oben vermeldet ist.
Georg v. Preitzke.
Die hier angegebenen Grenzen überschnitten ein erhebliches Gebiet im Westen der damaligen Vogtei Langenhagen (s. Abb) Den erlaubten Gang der Jäger von der Goseriede („Gänsewiese“), damals noch vor der Stadt Hannover gelegen, zum Kauf von Bier und Brot für je einen Körtling (Kleine Münze = 6 - 8 Pfennige oder 1/48 Taler nach dem Feinsilbergehalt), kann man getrost als menschen- wie hasenfreundlich bezeichnen. Für die genannten Beträge gab es schon einiges an Bier und
Brot (etwa 1,25 Kilo). Die Jäger dürften daher an der Goseriede – wieder außerhalb der Stadt –gepflegt gerastet haben. Man kann nur hoffen, dass sie sich nicht auf Langenhagener Territorium erwischen ließen, denn für Preitzkes Auffassung gab es außer seiner Buchführung keine Rechtsgrundlage. Georg von Preitzke wollte die zum Langenhagener Vogthof nahe der Kirche laufenden Hasen großzügig dem Amtsbruder überlassen. Diese Regelung dürfte einem erfahrenen Jäger nicht gefallen, denn so verhalten sich Hasen nicht. Ich denke, Heinrich Clawe wird die Ricklinger „vom Acker gejagt haben“. In einem anderen Dokument wird den „Wrampen zue Ricklingen“ kein Jagdrecht in der Vogtei eingeräumt.
Es zeigte sich immer wieder, wie schwer die jeweiligen Jagdgrenzen in der Vogtei Langenhagen zu bestimmen waren. Noch schwieriger war zu klären, wer denn dort überhaupt jagen durfte. Davon künden verschiedene Dokumente, wie der nachfolgend benannte Bericht, der im Erbregister20 aus dem Jahr 1634 enthalten ist. Im 17. Jahrhundert war das Jagdrecht des Landesfürsten auf seinem Territorium unbestritten. Er konnte auch anderen – meist adeligen Herren - Jagdrechte gewähren. Adelige Gutsherren beanspruchten ebenfalls Jagdrecht auf ihrem eigenen Gebiet. Allerdings wurden die gegebenen Grenzen dabei wenig respektiert. Das war einerseits der üblichen Hetzjagd mit Hunden geschuldet, denn die haben nun mal nicht die Jagdgrenzen wohl aber das zu erbeutende Wild vor Augen oder vor der Nase. Auch die den Hunden folgenden, z. T. berittenen Jäger waren eher an der Beute als an Achtung vor Grenzen interessiert. Beim Stellen von Netzen konnte man diese im Prinzip berücksichtigen, besonders wenn Grenzpfähle oder andere Markierungen sichtbar waren.
Von Zeit zu Zeit versuchten fürstliche Beamte e...