Die Vision und der Weg
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Die Vision und der Weg

  1. 30 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Über dieses Buch

Was ist Europa? Ein Kontinent, den Kriege, Grenzkonflikte und kulturelle Unterschiede über Jahrhunderte hinweg zersplittert haben.Wir Europäerinnen und Europäer haben keine gemeinsame Sprache und keine gemeinsame Geschichte. Aber wir haben gemeinsame Wurzeln, Wünsche und Ziele. Diese Gemeinsamkeiten haben uns dazu gebracht, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etwas zu schaffen, was man als "rationale Utopie" bezeichnen könnte– die Europäische Union.Der spanische Schriftsteller Javier Cercas stellt Fragen über Europa. Über die Europäerinnen und Europäer, unsere Vergangenheit, die Konflikte, die Ideologien und die Menschen, die unser heutiges Europa geprägt haben. Und auch wenn es nicht auf alle Fragen eine endgültige Antwort gibt, so scheint doch eine Erkenntnis unumstößlich: Europa wird früher oder später auf natürliche Weise zusammenwachsen– trotz aller Spannungen.Dies ist der elfte Essay aus der Reihe Big Ideas der Europäischen Investitionsbank.Auf Einladung der EIB schreiben internationale Vordenkerinnen und Vordenker über die drängendsten Themen unserer Zeit. Ihre Essays zeigen uns: Wir müssen umdenken, wenn wir die Umwelt schützen, die Chancengleichheit fördern und das Leben der Menschen weltweit verbessern wollen.

Häufig gestellte Fragen

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GEORGE STEINER (1929), LITERATURKRITIKER, ESSAYIST, PHILOSOPH, SCHRIFTSTELLER UND DOZENT

DIE EINZIGE IDENTITÄT EUROPAS IST SEINE VIELFALT

Diese fünf Axiome definieren Steiner zufolge das Wesen Europas. Diese Idee ist gewiss brillant und provokativ, geht aber nicht weit genug. Zweifellos gehören diese Wesenszüge zu Europa; fest steht aber auch, dass sie nicht ausreichen, um seine Identität zu beschreiben. Ich bin mir sicher, dass Steiner das weiß. Und er weiß sicher auch, dass nicht die Antwort, die er auf die Frage nach der Identität Europas gibt, das Problem ist, sondern die Frage selbst. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schrieb Montaigne: Es gibt „so viele Unterschiede zwischen uns und uns selbst wie zwischen uns und den anderen.“ [3] Der große französische Schriftsteller hatte schon lange vor Freud verstanden, dass die individuelle Identität in gewissem Sinne eine Fiktion ist; dass sich in unserem Inneren ein drama em gente – ein „Drama in Leuten“ – abspielt, um die Worte von Fernando Pessoa zu benutzen, mit denen er die Heterogenität seines Werks beschrieb; oder dass wir ein Bündnis verschiedener Seelen in uns tragen, wie es eine Figur bei Antonio Tabucchi in Anlehnung an Pessoa erklärte. Wenn die individuellen Identitäten aber eine Illusion sind, gilt das dann nicht auch für die kollektiven Identitäten? Kollektive Identitäten – angefangen bei der spanischen – sind in Wirklichkeit nicht mehr als kollektive Erfindungen, hergeleitet oder gleich diktiert von staatlichen Mächten, die wie alle Mächte sehr wohl wissen, dass man, um Gegenwart und Zukunft zu beherrschen, zunächst die Vergangenheit beherrschen muss. Das heißt: Wir müssen ein Narrativ der Vergangenheit schaffen, das eine gemeinsame Gegenwart legitimiert und eine gemeinsame Zukunft vorbereitet. Im Grunde ist die einzig glaubhafte Identität Europas seine Vielfalt – eine widersprüchliche oder unmögliche Identität, ein Oxymoron. Und das einzige Narrativ, das sie legitimieren könnte, wäre die wahre Geschichte Europas als Gruppe alter Länder mit eigener Sprache, Kultur, Tradition und Geschichte, die nach jahrhundertelangen, erbarmungslosen Kämpfen eines Tages beschlossen, sich zusammenzutun und ein neues Land aufzubauen, das durch die gemeinsamen Werte Eintracht, Wohlstand und Freiheit geeint wird.
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MICHEL EYQUEM DE MONTAIGNE (1533–1592), AUTOR DER ESSAIS
So betrachtet käme als Leitspruch Europas eines der ersten Mottos der Vereinigten Staaten infrage, jener politischen Utopie, die die Aufklärung befruchtete und historisch bisher am erfolgreichsten war. Das Motto lautete: E pluribus unum – aus vielen Ländern, Sprachen, Kulturen, Traditionen und Vergangenheiten ein einziger Staat.
An diesem Punkt muss ich ein Geständnis machen. Europa ist für mich immer das geblieben, was es für mich als Jugendlicher war, der gerade das Ende einer nicht enden wollenden Diktatur erlebt hatte; das, was es jahrhundertelang für die besten Köpfe unter meinen spanischen Vorfahren war. Mit anderen Worten: Wie mein Freund Erri de Luca bin ich ein europäischer Extremist. Für mich ist das vereinte Europa die einzige vernünftige politische Utopie, die wir Europäer im Laufe der Geschichte zustande gebracht haben. Abschreckende politische Utopien – Paradiese in der Theorie, die zur Hölle in der Praxis wurden – haben wir im Überfluss erfunden; vernünftige politische Utopien, soweit ich weiß, nur diese eine: die eines geeinten Europas.
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GEORGE ORWELL, EIGENTLICH ERIC ARTHUR BLAIR (1903–1950), BRITISCHER SCHRIFTSTELLER UND JOURNALIST
Meiner Meinung nach gibt es unendlich viele Argumente für diese Idee. Sie sind so naheliegend, dass wir sie wohl meist übersehen, leben wir doch in einer Diktatur der Gegenwart, in der das Gestern bereits Vergangenheit ist und alles, was vor einer Woche geschah, praktisch graue Vorzeit. Ich will nur drei dieser Argumente erwähnen. Erstens: Europas Volkssport ist nicht, wie so viele glauben, der Fußball, sondern der Krieg. Im vergangenen Jahrtausend haben wir Europäer uns ohne Pause und in allen erdenklichen Formen gegenseitig umgebracht: im Hundertj...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Big ideas
  3. Die Vision und der Weg
  4. Europa: das Versprechen von Modernität, Wohlstand und Freiheit
  5. Ist der europäische Traum tot?
  6. Die einzige Identität Europas ist seine Vielfalt
  7. Vielfalt an Sprachen, Kulturen, Traditionen und Autonomien
  8. Drei Säulen: Eintracht, Wohlstand und Demokratie
  9. Heroismus der Vernunft
  10. Biografie
  11. Notes