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Schiffbruch der Fregatte Medusa
Tatsachenbericht
- 141 Seiten
- German
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Schiffbruch der Fregatte Medusa
Tatsachenbericht
Über dieses Buch
Neuausgabe des Buches aus dem Jahr 1818.Am 2. Juli 1816 lief die Fregatte Médusa vor der afrikanischen Küste auf Grund. Von den 400 Passagieren und Besatzungsmitgliedern fanden nur wenige einen Platz in den vorhandenen Beibooten. Man baute notdürftig ein Floß, auf welchem etwa 150 Personen untergebracht wurden. Es sollte von den Beibooten nach Saint-Louis gezogen werden, doch man kappte das Seil. Es begann ein dramatischer Kampf gegen Hunger und Durst, den nur wenige der Schiffbrüchigen gewannen. - Zwei Überlebende berichten eindrucksvoll von den schrecklichen Ereignissen auf hoher See.
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Information
Bericht von dem Schiffbruch der Fregatte Medusa.
Am 17ten Juni 1816, des Morgens um 7 Uhr, verließ das nach dem Senegal beorderte Geschwader, unter Anführung des Fregattenkapitäns Herrn von Chaumareys, die Reede der Insel Aix. Die Fahrzeuge aus denen es bestand, waren, die Medusa *), eine Fregatte von 44 Kanonen, befehligt von dem Herrn von Chaumareys; die Korvette Echo **), angeführt von Herrn Cornet de Venaucourt, Fregattenkapitän; die Loire, eine Fleute und die Brigg Argus ***), unter den Schiffslieutenants Herrn Gicquel des Touches und von Parnajon.
- *) Die Medusa war als Fleute ausgerüstet und hatte nur 14 Kanonen an Bord. Ihre Ausrüstung, so wie die der Loire fand zu Rochefort statt.
- **) Zu Brest ausgerüstet; erhielt Befehl zu uns zu stoßen.
- ***) Sie kam von Lorient.
Der Wind kam aus Norden und wehte angenehm; wir hatten alle Segel aufgespannt; kaum aber waren wir auf der Höhe, so ließ der Wind etwas nach, und wir mussten lavieren, um den Turm von Chassiron zu umfahren, welcher an der Spitze der Insel Oléron liegt *).
- *) Der Turm von Chassiron befindet sich auf der Spitze der Insel Oléron, gegenüber einer Felsenbank, die man Antiochats nennt.
Nachdem wir den ganzen Tag laviert hatten, verlangte die Loire des Abends gegen 5 Uhr zu ankern, weil sie die Strömungen nicht überwältigen konnte, die sie von dem Fahrwasser abhielten; Herr von Chaumareys erlaubte es ihr und ließ zugleich das ganze Geschwader die Anker werfen. Wir waren jetzt eine halbe Stunde von der Insel Rhe mitten in der Enge von Antioche. Unser Schiff ankerte zuerst und die übrigen Fahrzeuge stellten sich in unserer Nähe auf. Die Loire, welche am langsamsten segelte, fand sich erst nach allen anderen auf dem Ankerplatz ein. Das Wetter war schön, der Wind blies aus Nordwest, etwas zu gebrochen, als dass wir Chassiron hätten umsegeln können, umso mehr, da sich ungünstige Strömung einstellte. Abends gegen 7 Uhr, mit eintretender Ebbe, lichteten wir die Anker und spannten die Segel auf; alle Fahrzeuge taten ein Gleiches, nachdem sie einige Augenblicke vorher das Zeichen zum Aufbruch erhalten hatten. Mit anbrechender Nacht befanden wir uns zwischen den Leuchttürmen von Chassiron und la Bakeine *), die wir in kurzer Zeit umsegelten; kaum waren wir auf der Höhe, so trat beinahe eine gänzliche Windstille ein, die Schiffe arbeiteten nicht mehr, der Himmel bedeckte sich, das Meer wurde unruhig, alles kündete einen Sturm an, der Wind drohte sich nach Westen zu wenden und folglich widrig zu werden; er war veränderlich und ruckend; gegen 10 Uhr bemerkte man, dass wir auf der eingeschlagenen Fahrt geradewegs einer Gefahr, les Roches Bonnes genannt, entgegensteuerten. **)
- *) Der Turm von La Bakeine ist ein Leuchtturm auf der anderen Seite der Enge von Antioche, an der Küste der Insel Rhe.
- **) Die Roches-Bonnes befinden sich auf der hohen See, ungefähr 8 bis 9 Lieues von der Insel Rhe. Ihre Lage ist auf den Seekarten nicht genau angegeben.
Wir machten verschiedene Wendungen, um derselben zu entkommen. Gegen Mitternacht bildete sich im Norden eine finstere Sturmwolke, die von dort her blies; nun konnten wir den Vorderteil nach der See wenden, die Wolken zerstreuten sich, und am folgenden Tage war sehr schönes Wetter mit schwachem Nordost; einige Tage lang legten wir nur einen kurzen Weg zurück.
Den 21ten oder 22ten umsegelten wir Cap-Finisterre. Außerhalb der Spitze, welche den Meerbusen von Gascogne begrenzt, trennten sich die Loire und der Argus; da sie schlechte Segler waren, konnten sie unmöglich der Fregatte folgen, die sie nicht anders in ihrer Nähe hätte behalten können, als vermittelst der Bramstange und der Beisegel.
Nur die Echo war noch zu sehen, aber in einer großen Entfernung und aus allen Kräften segelnd, um uns nicht zu verlieren; die Fregatte fuhr viel rascher als diese Korvette, so dass sie bei geringer Anspannung der Segel nicht allein mit ihr Fahrt hielt, sondern sie auch zum Erstaunen übersegelte; der Wind war indes etwas stärker geworden und wir legten neun Noeuds zurück *).
- *) Drei Noeuds machen eine Seemeile und diese misst 5.556 Meter.
Ein unglücklicher Zufall störte unsre Freude über diese günstigen Winde; ein Schiffsjunge von 15 Jahren fiel ins Meer; mehrere von unseren Leuten standen auf dem Hinterteil des Schiffes und der Schanzdecke, wo sie den Sprüngen der Meerschweine zusahen *).
- *) Sehr starke Fische, welche sich beständig auf der Oberfläche des Meeres zeigen und Purzelbäume schlagen. Sie bewegen sich so schnell, dass sie es mit einem Schiffe aushalten, welches neun und sogar zehn Noeuds in einer Stunde zurücklegt.
Auf den Freudenruf über das Gaukeln dieser Fische, folgte plötzlich ein ängstliches Geschrei des Mitleids; einige Augenblicke hielt sich der Unglückliche längs dem Bord, an einem Strick, den er im Hinabfallen ergriffen hatte, aber bei der Schnelle, mit welcher die Fregatte segelte, musste er ihn bald fahren lassen, man gab der Echo, die sehr weit entfernt war, ein Zeichen von diesen Missgeschick; noch mehr, man wollte einen Kanonenschuss tun, aber es war kein einziges Stück geladen. Hierauf warf man die Rettungstonne aus *).
- *) Die Rettungstonne ist eine Vorrichtung aus mehreren Stücken Kork, von ziemlich einem Meter im Durchmesser. In der Mitte befindet sich ein Mast, wo sich eine Flagge anbringen lässt. Man wirft diese Maschine ins Meer, sobald ein Mann hineingefallen ist, damit er sich daraufsetzen könne. Man zieht sie wieder zurück, vermittelst eines Taues, an welchem sie befestigt ist, und auf diese Art wird es möglich, den Schiffbrüchigen zu retten, ohne das Schiff in seinem Lauf aufzuhalten …
Wir zogen die Segel ein, und machten eine Wendung von der Seite. Dies erforderte viel Zeit. Auf den Ruf: »Ein Mann ins Meer!«, hätte man vielmehr die Höhe des Windes gewinnen sollen. Zwar hörten wir von der Batterie her laut rufen, dass er gerettet sei; ein Matrose hatte ihn wirklich beim Arm gefasst, aber er musste ihn loslassen, wollte er nicht selbst mit fortgerissen werden. Indes schickte man ein kleines Fahrzeug von sechs Rudern und mit drei Mann besetzt, in See. Alles war vergeblich; nachdem sie bis in einer ziemlichen Entfernung gesucht hatten, kamen sie wieder an Bord, ohne einmal die Rettungstonne gesehen zu haben. Ist es diesem unglücklichen Burschen gelungen sie zu erreichen, so muss er, nach den grausamsten Qualen, darauf umgekommen sein. Man richtete die Segel und fuhr weiter.
Die Korvette Echo war wieder zu uns gestoßen und wir segelten geraume Zeit mit ihr auf Stimmweite; aber bald verloren wir sie noch einmal. In der Nacht vom 26ten wurde laviert, weil wir befürchteten auf die acht Felsen zu treffen, von denen der nördlichste 34° 45' Breite und der südlichste 34° 30' liegt, so dass der Umfang dieser Gefahr ungefähr 5 Lieues von Norden nach Süden und 4 Lieues von Osten nach Westen beträgt; der südliche Felsen ist ungefähr 40 Lieues Nord 5° Ost von der Spitze Ost der Insel Madera entfernt.
Den 27. früh versprachen wir uns die Insel Madera zu sehen, aber wir schifften vergeblich bis Mittag, wo wir das Zeichen auf der Seekarte machten, um unsern Standpunkt zu bemerken. Der Sonne nach befanden wir uns Ost und West von Porto-Santo; wir fuhren seitwärts fort und des Abends mit Sonnenuntergang riefen die Wachen auf den Masten: »Land!« *)
- *) Wir wissen nicht, warum die Regierung den Fahrzeugen diese Straße anweist, da man sich doch geradeswegs nach den Kanarischen Inseln begeben kann. Zwar sind sie oft umnebelt, aber es gibt keine Gefahr in den Kanälen zwischen denselben, und sie nehmen einen so großen Raum ein, dass sie unmöglich dem Auge entgehen können. Überdies liegen sie auch in den Gewässern, wo die Winde regelmäßiger streichen, obgleich es geschieht, dass zuweilen einige Tage lang Westwind herrscht. Wir glauben, dass man auf der Fahrt nach Ostindien Madera und Porto-Santo unbeachtet lassen kann, umso mehr, da sich in ihrer Nähe Klippen befinden. Außer den Felsenbänken, deren wir schon gedacht, gibt es noch eine andere nordöstlich von Porto-Santo, auf welcher schon manches Schiff verunglückt ist. Nachts sind diese verborgenen Klippen sehr gefährlich, bei Tage erkennt man sie an der Brandung.
Dieser Irrtum in Angabe eines Landungsortes betrug wenigstens 30 Lieues nach Osten hin; wir schrieben ihn den Strömungen der Meerenge von Gibraltar zu, die uns gewaltig umgetrieben hatten. Gründet sich dieser Irrtum wirklich auf den Strömungen, so verdient er alle Aufmerksamkeit von den Seefahrern, welche diese Gewässer besuchen. Die ganze Nacht fuhren wir nur mit geringer Segelkraft; gegen Mitternacht wendeten wir uns nach einem anderen Windstrich, um dem Lande nicht zu nahe zu kommen. Am folgenden Tage ganz früh sahen wir sehr deutlich die Inseln Madera und Porto-Santo; links die, welche man gewöhnlich die wüsten Inseln nennt; Madera war zum wenigstens 12 Lieues entfernt, wir hatten den Wind im Rücken und legten 3 Seemeilen zurück. In wenigen Stunden befanden wir uns ganz nahe an der Insel. Geraume Zeit segelten wir hart längs der Küste und kamen bei den zwei vorzüglichsten Städten, Funchal und Do-Sob vorbei. Madera erhebt sich in Amphitheater; die Landhäuser zeugen von guten Geschmack und gewähren einen reizenden Anblick. Alle diese lieblichen Wohnungen sind mit prächtigen Gärten und Pomeranzen- und Zitronen-Wäldern umgeben, die, wenn der Wind landher kommt, eine halbe Stunde weit auf der See den angenehmsten Geruch verbreiten. Die Hügel prangen mit Weinstöcken, die mit Paradiesfeigenbäumen eingefasst sind: Kurz, alles vereinigt sich, Madera zu einer der schönsten Inseln von Afrika zu machen. Ihr Boden ist eine wachstumsfördernde Erde, vermischt mit einer Asche, die ihr eine bewunderungswürdige Kraft mitteilt. Überall zeigen sich Spuren einer durchs Feuer gegangenen Erde, welche die Farbe des Elements an sich trägt, dem sie ihre Beschaffenheit verdankt. Funchal, die Hauptstadt der Insel, liegt 19° 20' 30" Grad Länge und 32° 37' 40" Grad Breite. Sie ist nicht gut angelegt; die Straßen sind eng, und die Häuser größtenteils von schlechter Bauart. Der höchste Teil der Insel ist der Pico von Ruvio, der sich 200 Meter über der Meeresfläche erhebt. Die Volksmenge auf Madera beträgt 85 bis 90.000 Einwohner, wie uns ein glaubwürdiger Mann versicherte, der sich einige Zeit hier aufgehalten hat.
So fuhren wir längs der Küste von Madera, weil der Befehlshaber willens war, ein Boot hinzusenden, um Erfrischungen zu holen; allein, da plötzlich Windstille eintrat, mussten wir befürchten zu nahe ans Land zu kommen und die heftigen Strömungen nicht überwältigen zu können, die sich in der Nähe desselben bilden. Es erhob sich ein leiser Strichwind, der uns bald in offene See trieb, wo die Winde günstig und ziemlich stark waren. Man gab den Gedanken auf, das Boot ans Land zu schicken, und wir traten die Fahrt wieder an, indem wir noch an drei Seemeilen zurücklegten. Wir waren drei Stunden lang im Angesicht der Bucht von Funchal geblieben. Spät am Abend sah man Madera sehr deutlich; am folgenden Tage mit Sonnenaufgang entdeckte man die Inseln Salvages und des Abends den Pico von Teneriffa auf der Insel dieses Namens. Dieser hohe Berg, hinter welchem die Sonne soeben untergegangen war, gewährte uns ein wahrhaft majestätisches Schauspiel; sein erhabenes Haupt schien wie mit Feuer gekrönt. Seine Höhe über der Meeresfläche beträgt 3.711 Meter, er liegt 19° Länge und 28° 17' Breite. Mehrere Personen am Bord wollten ihn schon um 8 Uhr am Morgen gesehen haben, wo wir doch noch 30 Lieues davon waren; freilich hatten wir sehr heitern Himmel.
Der Anführer beschloss, ein Boot nach Sainte-Croix, einer der ansehnlichsten Städte auf der Insel, zu schicken. Es sollte Früchte holen sowie auch Seihgefäße in Mörserform, die hier aus vulkanischer Erde verfertigt werden. Die ganze Nacht über machten wir kleine abwechselnde Seitenbewegungen; Tages darauf fuhren wir längs der Inselküste auf zwei Flintenschussweite und kamen unter die Kanonen einer kleinen Schanze, Fort-Français genannt. Einer von unseren Reisegefährten sprang auf vor Freude bei dem Anblick dieses kleinen Festungswerkes, das einige Franzosen in der Geschwindigkeit erbauten, als die Engländer unter Anführung des Admirals Nelson sich dieser Ansiedlung bemächtigen wollten. »Hier«, sagte er, »hier scheiterte ein zahlreiches Geschwader, angeführt von einem der bravsten Offiziere der englischen Seemacht, an einer Handvoll Franzosen, die sich mit Ruhm bedeckten und Teneriffa retteten«; der Admiral Nelson sah sich genötigt die Flucht zu ergreifen, nachdem er in dem mörderischen und langen Gefecht einen Arm verloren hatte.
Nach Umseglung einer Spitze, die in das Meer hervorragt, kamen wir in die Bucht wo sich die Stadt Sainte-Croix befindet. Der Anblick von Teneriffa, ist majestätisch; die ganze Insel besteht aus sehr hohen Bergen, auf welchen sich furchtbare Felsen befinden, die von solchem Umfange sind, dass sie nordwärts sich senkrecht über das Meer zu erheben und jeden Augenblick mit ihrem Umsturz die Schiffe zu bedrohen scheinen, die an ihrem Fuße vorbeisegeln. Über denselben ragt der Pico, dessen Haupt sich in die Wolken verliert. Wir haben nicht bemerkt, dass er, wie einige Reisende berichten, unaufhörlich mit Schnee bedeckt sei und Laven ausspeie; vielmehr schien uns seine Spitze ganz frei von Eismassen und vulkanischen Ergüssen. Am Fuße des Berges und bis zu einer gewissen Höhe entdeckt man Vertiefungen, die mit Schwefel angefüllt sind, und nicht weit davon mehrere Begräbnishöhlen der Guanchen, Urbewohner dieser Insel.
Gegen Mittag stieß die Korvette Echo, die wir verloren hatten, wieder zu uns. Sie erhielt Befehl mit uns gleiche Bewegungen zu machen, was sie auch tat; sie schickte niemand ans Land. So vereinigt lavierten wir gemeinschaftlich in die Bucht von Sainte-Croix. Abends gegen 4 Uhr, nachdem das ausgeschickte Boot zurück war, steuerten wir nach dem Senegal. Man hatte in der Stadt ziemlich große irdene Krüge gekauft sowie auch feine Weine, Pomeranzen, Zitronen, Bananasfeigen und alle Arten von Gemüse.
Mehrere unglückliche Franzosen befanden sich schon längst auf dieser Insel in Kriegsgefangenschaft, und erhielten sich von dem, was die Spanier ihnen zukommen ließen. Sie waren jetzt, Kraft des Friedens, in Freiheit gesetzt, und warteten nur auf eine günstige Gelegenheit in ihr Vaterland zurückzukehren. Ihre Bitten fanden keinen Eingang bei dem Anführer des Boots; er weigerte sich unbarmherzig, sie ihrem Vaterlande und ihren Familien wiederzugeben. Auf diesem Boot befand sich ein anderer Offizier, Herr Lapérère, der stark darauf drang, diese Unglücklichen mitzunehmen, aber seine Bitten vermochten nichts über jenen.
Die Sittenverderbnis in Sainte-Croix ist grenzenlos. Sie geht so weit, dass viele Weiber als sie erfuhren, es seien Franzosen angekommen, sich an die Türen stellten, auf die Vorübergehenden lauerten, zitternd vor Wollust und Begierde sich ihnen näherten und sie baten, bei ihnen einzukehren, um der Göttin von Paphos zu opfern. Alles das geschieht mehrenteils in Gegenwart der Männer, die kein Recht haben, sich dagegen aufzulegen, weil die heilige Inquisition es so will und die zahlreichen Mönche auf der Insel große Sorge tragen, diesen Gebrauch aufrecht zu halten. Sie verstehen die Kunst, die Männer blind zu machen, und gebrauchen dazu Vorspiegelungen, die sie von der Religion hernehmen, mit der sie einen schändlichen Missbrauch treiben. Sie heilen sie von der Eifersucht, zu welcher sie sehr geneigt sind, indem sie ihnen versichern, ihre Leidenschaft, die sie lächerlich oder Ehemannstolle nennen, sei nichts anders als Anfechtungen des Satans, von denen nur sie, die Mönche, sie befreien können, indem sie ihren teuren Gefährtinnen religiöse Gesinnungen einstoßen. Solche Missbräuche sind beinahe unvermeidlich unter einem brennenden Himmel, wo die Leidenschaft der Liebe oft stärker ist als die Vernunft und zuweilen die Dämme durchbricht, die ihr die Religion entgegenstellen möchte. Den überspannten Leidenschaften also muss man diese Sittenverderbnis zuschreiben und nicht den Missbräuchen, die man so geneigt ist, unsrer göttlichen Religion zur Last zu legen.
Teneriffa kommt der Insel Madera nicht bei; ja es lässt sich in Ansehung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zwischen beiden durchaus keine Vergleichung anstellen, so sehr ist die Beschaffenheit des Bodens verschieden; allein in Betreff des Handels hat Teneriffa den Vorzug. Im Mittelpunkt der Kanarischen Inseln gelegen, ist sie im Stande sehr mannigfaltige Geschäfte zu treiben, dahingegen Madera nichts für sich hat als den Verkauf oder Umtausch seiner Weine, gegen europäische Fabrikwaren.
Der Boden von Teneriffa ist viel trockner; ein großer Teil ist zu sehr vom Feuer mitgenommen, als dass er zum Ackerbau tauglich wäre; nichts desto weniger wird jedes tragbare Fleckchen sehr gut benutzt; ein Beweis vielleicht, dass die hiesigen Spanier von Natur nicht so träge sind, als man geneigt ist zu glauben.
Wieder auf offener See, fanden wir günstigen Nord-Nord-Ostwind.
In der Nacht vom 29ten Juni brach durch Nachlässigkeit des Bäckermeisters auf dem Zwischendeck der Fregatte Feuer aus, allein man kam schnell zu Hilfe und es wurde gelöscht. Tages darauf und in der Nacht erneuerte sich der Unfall, aber diesmal musste man, um dem Feuer Einhalt zu tun, den Ofen einreißen, der am folgenden Tage wieder eingerichtet wurde.
Den 1ten Juli entdeckten wir den Cap-Bajados, 16° 47' Länge und 26° 12' 30" Breite; zugleich sahen wir die Küsten der Wüste Sahara und glaubten die Mündung des Flusses Saint-Jean zu bemerken, der noch wenig bekannt ist. Um 10 Uhr des Morgens hatten wir den Wendekreis erreicht. Hier ging die hergebrachte Feierlichkeit vor sich: Die Späße der Matrosen belustigten uns einige Augenblicke; wir waren weit entfernt, den schrecklichen Unfall zu ahnen, der in Kurzem dem dritten Teil der Personen, die sich auf der Fregatte befanden, das Leben kosten sollte. Dieser Gebrauch der Wendekre...
Inhaltsverzeichnis
- Titelseite
- Vorwort.
- Einleitung.
- Bericht von dem Schiffbruch der Fregatte Medusa.
- Impressum