1. Inhalt und Form des Regierungshandelns
Mit diesem Buch möchte ich weder die Gemeindeordnung kommentieren noch den obersten Repräsentanten der deutschen Städte und Gemeinden Empfehlungen über die Inhalte geben, mit welchen sie ihren symbolischen und gesellschaftlichen Pflichten und ihren Repräsentationsverpflichtungen, ihren Führungs- und Gestaltungsaufgaben nachkommen sollen. Vielmehr möchte ich Bürgermeister und andere Repräsentanten vor allem von deutschen Städten und Gemeinden dabei unterstützen, ihre jeweilige Gebietskörperschaft zu allen Anlässen in Würde und mit Stil zu vertreten.
Dabei möchte ich keineswegs einem herzlosen Formalismus in den Regierungs- und Festakten bei Ansprachen, in Sitzungen, bei Empfängen und Diners das Wort reden. Im Gegenteil: Ohne wahrhaftige Herzlichkeit, ohne geistiges Gewicht beim Inhalt des jeweiligen Regierungs- oder Repräsentationshandelns kann die Bedeutung von Stil-, Etikette- und Protokollfragen nur aufgesetzt und hohl wirken.
Es stehen in erster Linie immer das politische Handeln, die Überbringung der politischen Botschaft oder die Dokumentation des politischen Willens und der entsprechenden Visionen als Hauptelemente eines Auftritts der Bürgermeister oder seiner Stellvertreter oder anderer kommunaler Repräsentanten im Vordergrund. Die Form, wie der jeweilige Kommunalpolitiker seine Botschaften und seine Symbolhandlungen den jeweiligen Zielgruppen, den Einwohnern oder Gästen seiner Stadt, überbringt, kann immer nur den eigentlichen Inhalt umrahmen.
Wie der zum Gemälde passende Bilderrahmen soll auch die Form, in welcher die Handlungen, die von den Gemeinderepräsentanten in Ausübung ihrer Mandate vorgenommen werden, diese in der Wirkungsweise ihrer Vorhaben bestärken und unterstützen. Die Form ersetzt den Inhalt nie. Aber die gute und zum Inhalt passende Form dient auch dazu, die jeweiligen Absichten und Handlungen der Öffentlichkeit gegenüber richtig sichtbar zu machen. Viele Formen besitzen Symbolcharakter, und verstärken und verdeutlichen durch ihre sichtbaren Bilder den eigentlichen Inhalt.
2. Vorbild Bürgermeister
Vielfach üben sich Politiker im Populismus. Sie versuchen, sich ihren Gemeindemitgliedern, die ja schließlich ihre Wähler sind, im häufig fälschlichen Glauben, dieses hülfe ihnen bei der Wiederwahl, anzupassen. Sie negieren bisweilen sogar Benimmregeln, die sie kennen (diejenigen, die sie nicht kennen – und das sind häufig viele –, ohnehin). Sie vernachlässigen Stil und Etikette mit Absicht, weil sie vielleicht glauben, gutes und ordentliches, vorbildliches Verhalten werde den emotionalen Abstand zwischen ihnen und ihren Bürgern, dem Volk, vergrößern. Sie merken häufig nicht, dass sie sich mit solchem Tun nur allzu leicht nicht nur dem Gespött derjenigen Beobachter aussetzen, die aufgrund ihrer Erziehung gute Manieren besitzen. Vielmehr verkennen solche Politiker, die „auf Populismus machen”, dass gerade auch einfache Leute ein sehr gutes Gespür für eine vorbildliche, ja im besten Sinne vornehme Haltung haben, die sie von ihren Politikern erwarten.
Gute Politiker, gute Gemeinderepräsentanten sind Vorbilder. Sie benehmen sich nicht nur dann gezwungenermaßen gut, wenn sie hohen Besuch erwarten, sondern sie begegnen jedem Bürger mit Rücksichtnahme und Respekt, weil gerade der selbstverständliche Respekt vor, die nicht aufgesetzte Achtung gegenüber jedem Menschen denjenigen adelt und auszeichnet, der sie beachtet.
Der Bürgermeister, der selber respektiert werden möchte, zeigt seinerseits Respekt gegenüber allen und jedem, aber Respekt ist das Gegenteil von Anbiederung und Kumpelhaftigkeit. Respekt bedeutet Stil und Etikette und Höflichkeit gegenüber jedem Menschen, das Protokoll ist der sichtbare Ausdruck dieses Respekts.
3. Guter Benimm
Auch wenn die Dame von Welt und der Gentleman sowie auch die kultivierte Bürgermeisterin und der Bürgermeister die gute Form nicht immer anwenden und zeigen, sie sollten sie jedoch beherrschen. Denn nur, wer die Sitten kennt (und beherrscht) darf sich gelegentlich darüber hinwegsetzen.
3.1 Begrüßung und Vorstellung
Mit der Begrüßung und gegebenenfalls einer Vorstellung beginnt jede Begegnung. Wer grüßt zuerst und wie?
Wer einen Raum betritt oder wer auch unter freiem Himmel zu einer Gruppe von Menschen neu hinzutritt, ist grußpflichtig. Egal wie alt und wichtig er ist. Er oder natürlich auch sie – das gilt in diesem Buch immer für beide Geschlechter, wenn ich nicht ausdrücklich zwischen Mann und Frau unterscheide – grüßen die bereits Anwesenden mit einem dezenten Kopfnicken und dem verbalen Gruß, z. B. „Guten Morgen!”.
Nun kommt es darauf an, auf wie viele Menschen er trifft und wie persönlich der Bürgermeister seine Begrüßung gestalten möchte. Möchte er ein bisschen Herzlichkeit in sein Begrüßungszeremoniell einbringen und besteht die Runde aus nicht mehr als etwa zwölf Personen, dann macht es sich gut, wenn er jedem die Hand gibt. Wenn er alle Anwesenden kennt, braucht er dazu keine Hilfe. Er grüßt der Reihe nach, nicht etwa erst die Damen oder erst den Ranghöchsten. Das ist albern in Runden, die aus mehr als vier Personen bestehen.
Stößt er hingegen nur auf zwei, drei oder vier Menschen, begrüßt er diese nach ihrem gesellschaftlichen und beruflichen Rang. Ranghöher ist immer der Vorgesetzte, der Ältere, die Dame, der Gast. Natürlich sind auch höhere Amtspersonen und Politiker, die keine Vorgesetzte sind, wie zum Beispiel ein Landesminister, ein Staatsekretär oder ein Bundestagsabgeordneter, höherrangig. Nur die Berliner Staatssekretäre, die die jeweiligen Senatoren unterstützen, sind natürlich nicht höherrangig als der Regierende Bürgermeister, aber dieser ist ja eigentlich auch kein Bürgermeister, sondern ein Ministerpräsident – er heißt nur „Regierender Bürgermeister”. Ähnlich verhält es sich in Hamburg, wo der Ministerpräsident „Erster Bürgermeister” und in Bremen, wo er „Bürgermeister” heißt.
Der neu in die Runde eintretende Bürgermeister grüßt zunächst nur die jeweiligen Personen mit Handschlag, die er bereits persönlich kennt. Kennt er jemanden nicht, so wird ein Teilnehmer der Gruppe, der sowohl den Bürgermeister, als auch den diesem Unbekannten kennt, miteinander vorstellen. Wenn der Dritte das nicht von alleine tut (was er aber sollte), kann ihn der Bürgermeister getrost darum bitten. Etwa mit den Worten: „Herr Meier, sie haben offensichtlich einen Gast/einen Freund/eine Freundin mitgebracht, können sie mich diesem (dieser) bitte mal vorstellen?” Er wird – und das ist äußerst wichtig – nicht sagen: „Können sie mir diesen/diese mal vorstellen?” Denn der kultivierte Mensch nimmt sich selber stets zurück. Da aber dem Höherrangigen immer der Niedrigerrangige vorgestellt wird, macht sich der um Vorstellung Bittende höflich selber zum Niedrigerrangigen und erhöht damit den Unbekannten. Das ist vornehm.
Natürlich kann der Bürgermeister, wenn die Situation diese Bitte nicht zulässt, sich auch selber vorstellen. Aber die elegantere Vorstellung wird immer durch einen Dritten vorgenommen, der beide kennt. Ich rate jedem Bürgermeister auch, solche Verhaltensfragen, insbesondere vor offiziellen Besuchen, mit seiner Delegation zu besprechen und festzulegen, wer wen aufgrund schon vorhandener Bekanntschaft vorstellt.
3.2 Der Bürgermeister als Regisseur
Letztlich ist jeder Bürgermeister nicht nur Visionär, Vordenker und Durchsetzer der politischen Ziele der jeweiligen Gemeinde, also nicht nur der politische Manager, sondern er ist auch Regisseur jeder Veranstaltung seiner Gemeinde, an welcher er teilnimmt. Sofern es einen Protokollchef gibt, ist keineswegs dieser, sondern immer sein Chef, der Bürgermeister, zumindest der „heimliche” Regisseur. Der Protokollchef ist dann sein Regieassistent.
Als guter Regisseur wird der Bürgermeister alle Mitwirkenden, die mit ihm täglich zusammenarbeiten, auf bevorstehende Ereignisse einstimmen, die Rollen, wer übernimmt die Verantwortung wofür, wer kennt wen und stellt wen vor, wer betreut wen und wer redet wann, sinnvoll verteilen. Der kluge Bürgermeister wird jede Veranstaltung vorher durchplanen und mit denjenigen, die auf Seiten des Rates oder der Verwaltung dabei mitwirken, besprechen und allen auf seiner Seite Beteiligten ihre „Rollen” nahe legen.
Er ist mit seinem Team bei Veranstaltungen, bei denen er oder auch der Rat seiner Gemeinde Gastgeber sind, mindestens eine Viertelstunde vor Beginn da, um mit seinem Team die Gäste zu begrüßen. Es ist gegenüber den geladenen Gästen höflich und wird von diesen als richtig und ehrenvoll empfunden, wenn er selber möglichst viele Gäste begrüßt und diesen ggf. seine Stellvertreter, Beigeordneten und Ratsmitglieder und städtischen Mitarbeiter vorstellt. Umgekehrt tun diese genannten Mitglieder seines Teams gut daran, ihrerseits auf diejenigen jeweiligen Gäste zuzugehen, die sie persönlich kennen, sie zu begrüßen und ihnen ihre Kollegen aus Rat und Verwaltung und, wenn möglich, den Bürgermeister vorzustellen. Denn der erste Teil einer jeden Veranstaltung dient immer der Vorstellung und Begrüßung.
Diese Vorstellungs- und Begrüßungsaktion hat in zweierlei Hinsicht Bedeutung: Zum Einen fördert das Einander-Kennen die Kommunikation der Beteiligten an einem Gemeindeevent. Es geht jedem Menschen so, dass er mit Zeitgenossen, mit denen er vorher bekannt gemacht worden ist, leichter ins Gespräch kommt. Dies wird zum Anderen noch dadurch gefördert, dass der vorstellende Dritte den beiden Personen, die er miteinander bekannt macht, Zusatzinformationen liefert, die den beiden den Einstieg in eine Unterhaltung erleichtern.
Wenn z. B. der Bürgermeister oder ein Mitglied des Rates oder der Verwaltung einen Besucher namens Meier nicht nur mit den Worten vorstellt, „das ist Herr Meier”, sondern einen Zusatz anbringt, welcher womöglich noch einen Bezug zur Gemeinde herstellt, etwa, „das ist der Statiker, Herr Meier, der an der Planung des neuen Hallenbades mitgewirkt hat”, dann ist das eine ebenso höfliche wie für den anderen nützliche und hilfreiche Information. Denn an diese Information lässt sich viel einfacher eine Konversation anknüpfen, als an die wenig aufschlussreiche Vorstellung „das ist Herr Meier!”. Sie gibt dem anderen ein Stichwort für einen guten Small-talk. Sie macht es dem Anderen leicht, ins Gespräch zu kommen. Sie entkrampft eine Begegnung unter Fremden sofort.
3.3 Vorausschauende Konversationsplanung
Der kluge Bürgermeister nutzt jede Veranstaltung, auf der er erscheint, gleichviel, ob er selber der Gastgeber ist oder die Veranstaltung lediglich als Gast mit seiner Anwesenheit ziert, um seine Visionen als Botschaften denjenigen zu übermitteln, die er für die Verwirklichung seiner Pläne gewinnen möchte. Der kluge Bürgermeister informiert sich, wer an der bevorstehenden Veranstaltung teilnimmt.
3.3.1 Eigene Veranstaltung
Wenn die Gemeinde eine eigene Veranstaltung plant, beruft der Bürgermeister rechtzeitig vorher eine Besprechung ein, zu welcher er seine Beigeordneten und die wichtigsten Ratsmitglieder einlädt.
Wenn es um eine große, die ganze Gemeinde bewegende Veranstaltung geht, wird er die Planung derselben zum Tagesordnungspunkt einer Ratssitzung machen und die Verantwortung für einzelne Planungsfelder mit Zustimmung der Mehrheit des Rates auf seine Beigeordneten bzw. deren Ämter verteilen. Er wird außerdem Mitglieder von Ausschüssen des Rates, die für die eine oder andere Pl...