1. Flüchtlingsintegration als Auslöser ungeplanter
Wandlungsprozesse
Gemeinhin wird unter dem Phänomen „organisationaler Wandel“ der Prozess verstanden, nach welchem sich eine Organisation von einem aktuell bestehenden Stadium zu einem neuen Stadium entwickelt. Veränderbar ist hierbei grundsätzlich alles, was die Organisation ausmacht (z.B. strategische Zielvorstellung, Hierarchien, Strukturen, Außendarstellung, Mitarbeiterzusammensetzung) (vgl. Feld 2011, S. 17ff.). Eine grundlegende Unterscheidung kann allerdings darin getroffen werden, ob sich eine organisationale Neuerung als geplanter organisatorischer Entwicklungsprozess, der auf eine absichtliche, intentional gesteuerte, kontrollierte und zielgerichtete Organisationsveränderung abzielt; oder aber als ungeplanter Wandel, bei dem sich strukturelle Neuerung der Organisation in Form von unbeabsichtigten, unbewussten oder zufälligen Anpassungen zeigt (vgl. ebd., S. 17ff.).
In der Erwachsenenbildungs-Forschung bildete das Thema organisationaler Wandel im Allgemeinen lange nur eine Randerscheinung. Die aktuell zu verzeichnenden zahlreichen Aktivitäten erwachsenenpädagogischer Organisationsforschung verweisen jedoch darauf, dass das Thema zunehmend als wichtiger Diskussions- und Reflexionsgegenstand der Disziplin angesehen wird (vgl. ebd., S. 9). Von größter Bedeutung ist es insbesondere im Gebiet der systemischen Beratung, welche v.a. darauf abzielt, organisationale Veränderungen hervorzurufen, d.h. initiativ Wandlungsprozesse zu gestalten. In anderen Bereichen wiederum ist das Thema bislang eher beiläufig präsent, so wie z.B. bei der Untersuchung ungeplanter Wandlungsprozesse, für die es in der Erwachsenenbildungs-Literatur bislang keine eigenen Theorien, wie z.B. in der Betriebswissenschaft gibt. Zudem existieren nur vereinzelt empirische Daten, die jeweils nur einen ausgewählten Bereich des Wandlungsprozesses an der Organisation fokussieren (z.B. Feld 2011 oder Küchler 2007).
In der Erwachsenenbildungs-Praxis stellt das Thema Wandlungsprozesse jedoch ganz im Gegenteil keine Neuerscheinung, sondern eine durch ihren Auftrag mitgegebene alltägliche Realität dar. So besteht die Notwendigkeit zur Wandlung bei Organisationen der Erwachsenenbildung schon allein dadurch, dass sie sich permanent an den sich verändernden Lerninteressen der Gesellschaft orientieren müssen, um ihre gesellschaftliche Legitimation aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus müssen sie wie andere Organisationsformen (z.B. Wirtschaftsunternehmen) zur Existenzsicherung verschiedenste Umweltveränderungen (z.B. Veränderungen finanzieller Bedingungen oder Gesetze) im Blick behalten, um gegebenenfalls möglichst gewinnbringend auf jene durch eigene organisationale Anpassungen zu reagieren. Organisationen der Erwachsenenbildung (Erwachsenenbildung folgend als EB bezeichnet) sehen sich dabei in eine Umwelt gestellt, die immer zahlreichere Anforderungen an sie richtet: angefangen mit den sich stetig ausdifferenzierenden Bedürfnissen der Weiterbildungsinteressierten, über sich weiter ausprägende Konkurrenzbedingungen bei gleichzeitig anwachsenden Kooperationsanforderungen, bis hin zur Entwicklung neuer Lernarrangements, dem Anschluss an die soziotechnologische Entwicklungen und die Teilnahme an Qualitäts-/ Qualifizierungsprozessen, die zunehmend als Voraussetzungen zum erfolgreichen Führen von Organisationen zählen. Obwohl in der Verstrickung dieser verschiedenen Anforderungen und Umweltfaktoren ein großes Maß an Unwägbarkeiten vorherrscht, sind Organisationen dennoch dazu aufgefordert, sich möglichst dynamisch und zügig auf sich verändernde Umgebungen einzustellen. Die Tatsache, dass in der Praxis viele Nicht-Vorhersehbarkeiten bestehen und dennoch rasche Anpassungen von den Organisationen gefordert werden, verweist darauf, dass die meisten Wandlungsprozesse der Organisationen unbewusst und spontan erfolgen und eben nicht (worin bisher der Forschungsschwerpunkt lag!) geplanter Natur sind.
Die Flüchtlingsintegration zeigt sich als großes Thema, welches die Organisationen der EB erst kürzlich, nicht nur vor neue Herausforderungen stellte, sondern von dem auch davon ausgegangen werden kann, dass es ungeplante Wandlungsprozesse provozierte. Bewegend war die Thematik jedoch nicht, weil die Zuwanderungssituation eine Neuerscheinung für Deutschland oder die Organisationen der EB darstellte; Denn ganz im Gegenteil zeigt ein Rückblick in die Geschichte, dass Deutschland einerseits eine lange Einwanderungstradition hat, sowie andererseits die Erwachsenenbildung dabei einen festen Bestandteil einer Lösungsstrategie zur Integration darstellt. Als historisch einmalige Situation gestalteten sich vielmehr die hohe Geschwindigkeit und das Ausmaß der Zuwanderung, die in den Jahren 2015/ 2016 ihre Spitze erreichten und Deutschland vergleichsweise unvorbereitet trafen: Während bspw. zwischen 2000 und 2014 die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zwischen 30.000 und 203.000 pro Jahr schwankte, wurden alleine im Jahr 2015 ca. 477.000 Anträge gestellt, was einen Anstieg um 60% zum Vorjahr bildete. 2016 wurde ein neuer Rekord mit ca. 756.00 Anträgen aufgestellt. Obwohl die Zahlen seitdem wieder stark zurückgegangen sind (2017: 223.000; 2018: 186.000; 2019: 166.000; vgl. BAMF 2020; für graphische Darstellung siehe Anhang K), hat der plötzliche Nachfrageanstieg nach integrationsfördernden Maßnahmen und damit auch nach Bildungsangeboten in den Jahren 2015/ 2016 zunächst einen allgemeinen Veränderungsdruck auf die Organisationen ausgeübt, der sich in der darauffolgenden Zeit immer weiter ausdifferenzierte. Allerdings existieren bislang keine Daten darüber, wie sich die Flüchtlingsthematik, von der auszugehen ist, dass sie zwischen 2014-2018 viele Umweltveränderungen hervorrief, auf die Organisationen der EB ausgewirkt hat.
Die vorliegende Studie greift die Situation auf, dass ein allgemeines Forschungsdesiderat in der EB hinsichtlich ungeplanter Wandlungsprozesse besteht, sowie, dass es bislang keine Daten über die Auswirkungen der Flüchtlingsintegration für die Organisationen gibt. Daher soll anhand konkreter Beispiele der Diakonie und vhs Schweinfurt die folgende Frage beantwortet werden: Inwiefern haben sich Organisationen der EB anlässlich von Flüchtlingsintegration im Zeitraum 2014-2018 verändert? Die gesamte Publikation verfolgt dabei das Ziel einer möglichst ganzheitlichen Darstellung, welche die organisationalen Wandlungsprozesse nicht nur feststellen, sondern möglichst auch in ihren Zusammenhängen verstehbar machen und mehr über die Funktionsweise von Organisation der EB hinsichtlich spontaner Umweltveränderungen in Erfahrung bringen möchte. Hierbei wird der Untersuchung aber nicht die Komplexität des Vorhabens aberkannt, die z.B. durch die vielfachen Vernetzungen der Organisationen mit Umwelten, aufgrund von Flüchtlingsintegration einhergeht.
Für die Studie wurde darum ein eigenes theoretisches Modell erarbeitet, welches Elemente der EB (und darin ein für die EB typisches Bild auf die Organisation und Wandlungsprozesse wahrt) mit Elementen der Systemtheorie (und darin der Komplexität des Themas gerecht wird) koppelt und sich in seiner methodischen Umsetzung und anschließenden Deutung/ Analyse als „systemtheoretische Sichtweise“ äußert. Dies erscheint gewinnbringend, da die Systemtheorie im Laufe der Geschichte bereits häufig erfolgreich Anwendung fand, wenn es um komplexe soziale Phänomene ging.
Die empirische Basis der Forschung bildet das Datenmaterial einer unveröffentlichten Studie von 2016, bei der die Diakonie und vhs Schweinfurt zu organisationalen Herausforderungen des Flüchtlingsthemas befragt wurden; sowie aktuelle Daten aus weiteren qualitativen Leitfadeninterviews (2018) mit der Diakonie und vhs Schweinfurt, sowie der Stabsstelle „gerne daheim in Schweinfurt“ als Ergänzung.
Für die Beantwortung der Forschungsfrage wird in einem ersten Schritt ein grundlegendes Verständnis für die das Forschungsdesign kennzeichnende Organisationsbedeutung geschaffen, indem der Organisationsbegriff in Verbindung mit den Kernbegriffen der Forschungsarbeit, (2) Erwachsenenbildung und Flüchtlingsintegration, (3) sowie der Systemtheorie analysiert und dabei zugleich spezifiziert wird. (4) In einem zweiten Schritt wird das darauf aufbauende, untersuchungsbegleitende Verständnis von organisationalen Wandlungsprozessen veranschaulicht. (5) Mit den vorher dargelegten Verständnissen von der Organisation und Wandlungsprozessen wird dann ein Forschungsmodell kreiert, das in seiner methodischen Umsetzung Grundlagen der EB, wie auch der Systemtheorie zusammenbringt. (6) Die daran anknüpfende Auswertung erfolgt in einem Dreischritt, indem sie sich organisationalen Wandlungsprozessen in jeweils drei verschiedenen Schwerpunktsetzungen annähert. (7) Abschließend werden die Ergebnisse der drei Untersuchungsfragen mit Blick auf die einleitend gestellte Forschungsfrage zusammengeführt und deren Bedeutung in einem Fazit interpretiert.
2. Erwachsenenbildung und Flüchtlingsintegration
Es bestehen vielfältige Möglichkeiten, sich mit dieser Zielsetzung dem Phänomen organisationaler Wandlungsprozesse der EB anlässlich von Flüchtlingsintegration theoriegeleitet zu nähern. Jede Theorie lässt bestimmte Facetten des organisationalen Wandels in den Vordergrund treten und drängt zugleich andere in den Hintergrund. Um jedoch den maßgebenden Zusammenhang zwischen dem Phänomen „Flüchtlingsintegration“ und „Organisationen der EB“ bestmöglich darzustellen, wird nachstehend anstelle einer Spezialisierung auf eine ausgewählte Theorie eine überblicksähnliche Einführung angestrebt. Zu diesem Zweck führt das Kapitel zunächst in die zwei wichtigen Kernbegriffe der Forschungsfrage EB und Flüchtlingsintegration ein, indem sie beide in Form (2.1) einer Begriffsbestimmung von „Organisation der EB“ in Bezug zueinander setzt, sowie (2.2) „Flüchtlingsintegration“ definiert. Darauf aufbauend werden die beiden Kernbegriffe erneut in Beziehung zueinander gesetzt und (2.3) erläutert, wie Flüchtlingsintegration durch Erwachsenenbildung konzeptionell und praktisch in den untersuchten Einrichtungen „gerne daheim in Schweinfurt“, „Diakonie Schweinfurt“ und „vhs Schweinfurt“ umgesetzt wird.
2.1 Organisationen der Erwachsenenbildung
Startet man die Begriffsbestimmung von „Organisationen der EB“ mit dem einzelnen Organisationsbegriff, zeigt sich, dass „Organisation“ im alltäglichen Sprachgebrauch mehrdeutig und überwiegend nur noch im Redekontext klar verstehbar verwendet wird. Auch im wissenschaftlichen Diskurs kann das Verständnis von „Organisation“, je nachdem welchen Fachbereich oder welches Erkenntnisinteresse man zugrunde legt, stark variieren. Bislang existiert keine allgemeingültige Definition speziell zu „Organisationen der EB“. Die Offenlegung des spezifischen Charaktermerkmals jener wird darum in der Übertragung einer allgemeinen Definition von „Organisationen“ auf den EB-Diskurs erfolgen. Die Arbeit folgt dabei grundsätzlich der Begriffsbestimmung des Organisations- und Wirtschaftspsychologen Lutz von Rosenstiel, der dem Begriff „Organisation“ eine recht umfassende Definition zugrunde legt.
Folgt man den Worten Rosenstiels erweist sich eine Organisation grundsätzlich als
- „ein gegenüber ihrer Umwelt offenes System,
- das zeitlich überdauernd existiert
- spezifische Ziele verfolgt
- sich aus Individuen bzw. Gruppen zusammensetzt, also auch ein soziales Gebilde ist, und
- eine bestimmte Struktur aufweist, die meist durch Arbeitsteilung und eine Hierarchie von Verantwortung gekennzeichnet ist.“ (Rosenstiel 62007, S. 6)
Diese in der Arbeit angewandte Definition ist aufgrund ihrer Bandbreite einerseits in der Lage, die komplette Vielfalt aller künstlich geschaffenen Gebilde zu beschreiben, in denen formal geregelte Kooperationen von Menschen stattfinden (z.B. Verbände, Vereine, Bildungseinrichtungen, Firmen, Behörden). Gleichzeitig offenbart sie aber auch im Aspekt der Zielsetzung das Kennzeichen von Organisationen der EB. Denn im Unterschied zu anderen Einrichtungen verfolgen Organisationen der EB die spezifische Zielsetzung durch pädagogische Tätigkeiten das organisierte Lernen Erwachsener zu ermöglichen. Als pädagogische Tätigkeiten zur Unterstützung von Bildung erwachsener Menschen zählen nach Merkens u.a. das Organisieren pädagogischer Verhältnisse, Beurteilen und Bewerten, Verwalten, Beraten und Helfen (vgl. Merkens 2006, S. 33-47). Durch die Ausübung einer oder mehrerer dieser Tätigkeiten verhelfen Organisationen erwachsenen Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise zu Bildung. Dabei übernehmen sie gesellschaftsrelevante Funktionen wie Qualifikation, soziale Integration und kulturelle Reproduktion (vgl. Feld 2011, S. 16).
Darüber hinaus können mit Ausnahme des Systemgedankens alle weiteren Aspekte von Rosenstiels Definition unmissverständlich und ohne weitere Änderungen auf „Organisationen der EB“ übertragen werden, weswegen auf eine genaue Übertragung aller Definitionspunkte verzichtet wird. Allerdings bedarf es einer weiteren Spezifizierung des in der Definition genannten Systembegriffs.
Da dieser aufgrund seiner Wichtigkeit später nochmals explizit erläutert wird, sollen an dieser Stelle nur zwei einführende Gedanken geäußert werden:
1. Organisationen der EB, wie z.B. die Diakonie und vhs Schweinfurt sind niemals vollkommen unabhängig, sondern vielfach in übergeordnete Systemstrukturen bzw. Organisationsformen eingebunden. So untersteht die vhs Schweinfurt beispielsweise dem bvv (bayerischen vhs-Verband e.V.) und dieser wiederum dem deutschen vhs-Verband e.V. Gleiches gilt auch für die Diakonie Schweinfurt, der zunächst der Landesverband der Diakonie in Bayern, darüber hinaus die Diakonie Deutschland übergeordnet sind. Darum gilt es einerseits festzuhalten, dass einzelne Organisationen, wie die vhs und Diakonie Schweinfurt selbst Bestandteile übergeordneter Systeme sind, oder anders gesagt Subsysteme darstellen.
2. Umgekehrt erlaubt Rosenstiels breites Organisationsverständnis jedoch auch, den Systemgedanken in entgegengesetzter Weise auszulegen, d.h. einzelne von der Organisation abhängige Bereiche ebenfalls als eigene „Organisationen“ zu begreifen. Mit der spezifischen Zielsetzung der Unterstützung der Flüchtlingsintegration könnte demnach bspw. der Teambereich „Flüchtlings- und Integrationsberatung“, der grundsätzlich neben anderen Tätigkeitsbereichen wie der ambulanten oder stationären Altenpflege, oder anderen Sozialdienstangeboten wie der Bahnhofsmission, nur einen Teil der gesamten Organisation Diakonie Schweinfurt darstellt, per definitionem als eigene Organisation gelten. Gleiches gilt auch für den Programmbereich „Sprach- und Integrationskurse“, der sich durch seine spezifische Zielsetzung von dem viel umfassenderen Angebot der vhs (z.B. Meditations- und Künstlerkurse) Schweinfurt abgrenzt. Somit wird gleichzeitig deutlich, dass einzelne Organisationen wie die vhs und Diakonie Schweinfurt ebenfalls kleinere Bestandteile, d.h. untergeordnete Subsysteme enthalten können, die gegebenenfalls wiederum selbst als Organisationen betitelt werden können.
Mit dem der Definition angegliederten Systemgedanken geht also ein großer Spielraum einher, in dem es je nach Ausgangspunkt ganz unterschiedliche Möglichkeiten gibt, etwas als Organisation zu bezeichnen. Um Missverständnisse auszuschließen, soll darum an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass mit dem Fokus auf das Themengebiet „Flüchtlingsintegration“ im weiteren Verlauf der Arbeit mit der Bezeichnung Diakonie stets ausschließlich auf die „Flüchtlings- und Integrationsberatung“ und in den Untersuchungen der vhs, ausschließlich auf den Programmbereich „Integration und Sprache“ Bezug genommen wird. Zur erleichterten Lesbarkeit werden darum die Begriffe „Diakonie“ und „vhs“ - sofern nicht anders angegeben - mit den eben genannten, eingegrenzten Organisationsbereichen durchweg gleichgesetzt verwendet. So soll vermieden werden, wiederholt darauf hinweisen zu müssen, dass bei der vorliegenden Betrachtung der Organisationen vhs und Diakonie ausschließlich diejenigen Bereiche erfasst werden, die sich mit dem Thema Flüchtlingsintegration befassen.
2.2 Flüchtlingsintegration
Da der Begriff „Flüchtlingsintegration“ ein weiteres Kernthema der Arbeit darstellt, soll seine Bedeutung nachstehend in Form einer Aufschlüsselung in die beiden Wortteile (2.2.1) „Flüchtling“ und (2.2.2) „Integration“ erfolgen.
2.2.1 Flüchtlingsbegriff
Geflüchteter, Zuwanderer, Kontingentflüchtling, Wirtschaftsflüchtling, Asylbewerber, Migrant, Asylant - die Palette an Möglichkeiten zur Bezeichnung zugewanderter Menschen ist groß und variiert je nach Zusammenhang. Der gebräuchlichste Begriff in diesem Kontext ist allerdings der des Flüchtlings, der in der Alltagssprache als Sammelbegriff für Menschen fungiert, die ihr Herkunftsland (meist) fluchtartig - aus verschiedensten Gründen - verlassen haben und das zunächst unabhängig vom Status ihrer rechtlichen Anerkennung im Ankunftsland. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die Deutschland 1954 unterzeichnete, grenzt den Begriff ganz grundsätzlich wie folgt ein:
„Auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention gelten Menschen als Flüchtlinge, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb [ihres Herkunftslands] befinden. Diese Kriterien gelten auch, wenn sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder aufgrund einer begründeten Furcht nicht in Anspruch nehmen wollen.“ (BAMF 2019, S. 23)
Eine noch präzisere Verwendung der Bezeichnung „Flüchtling“ wird allerdings im rechtlichen Kontext notwendig (vgl. Dekkers 2018, Z. 55-60). Hier existieren differenzierte Bezeichnungen je nach Status der geflüchteten Menschen. So werden z.B. Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden als Asylbewerber/ Asylantragstellende und Personen mit Aufenthaltsberechtigung als Schutzberechtigte/ Asylberechtigte/ Bleibeberechtigte bezeichnet. Mit den verschiedenen aufenthaltsrechtlichen Stadien sind verschiedene Bleibe-, Bildungs- und Integrationsperspektiven verbunden, was bei der praktischen Arbeit der Organisationen mit Flüchtlingen Berücksichtigung findet. Im Integrationskontext sind dabei besonders die Voraussetzungen interessant, die in der Regel erfüllt sein müssen, um eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts, sowie ausreichende Deutschkenntnisse (vgl. BAMF 2019, S. 3; 31ff.).
Obwohl es im Rahmen der Arbeit nicht möglich ist, auf die verschiedenen Flüchtlingsstati oder gar auf den Abla...