Vorwort zur 1. Auflage
Als Friedrich Fröbel am 28. 6. 1840 in (heute Bad) Blankenburg den „Allgemeinen Deutschen Kindergarten“ stiftete, hielt man eine besondere Ausbildung des pädagogischen Personals – gar eine rechtliche – nicht für notwendig. Diesbezüglich hieß es beispielsweise in § 11 der von König Ludwig I. von Bayern genehmigten und korrigierten „Bestimmungen, nach welchen bei Errichtung und Beaufsichtigung der Kleinkinderbewahranstalten künftig zu verfahren ist“ vom 17. 10. 1839 lediglich:
„Es genügt vielmehr vollständig, wenn dergleichen Leute das gegründete Zeugnis eines frommen Sinnes, eines unbescholtenen Rufes und eines tadellosen Wandels für sich haben, wenn sie noch in den kräftigeren Lebensjahren stehen und heiteren Gemütes sind, wenn sie sich einfach, klar und bestimmt auszudrücken wissen, mit der Freundlichkeit den rechten Ernst verbinden und mit der Sanftmut und Geduld die nötige Willenskraft und Beharrlichkeit vereinigen, insbesondere aber, wenn sie Liebe zu Kindern haben und sich der unentbehrlichen Gabe der Anregung und der Mitteilung erfreuen, durch die sie allein mit Erfolg auf das Innere der Kleinen einzuwirken vermögen“ (Berger, I Einleitung).
Zweifellos sind die genannten Kompetenzen auch heute noch unverzichtbare und essenzielle Voraussetzung für jede qualitätvolle Bildungsarbeit im frühpädagogischen Bereich. Indes: Sehr weit würde man mit ihnen heute nicht mehr kommen.
Die Praxis der Frühpädagogik steht nach Expertenmeinungen derzeit vor der wohl größten Herausforderung, die ihr seit Fröbel zugemutet wurde. Auftrag und Aufgabe des pädagogischen Fachpersonals unterliegen aktuell einem umwälzenden Paradigmenwandel und müssen neu definiert werden. Nicht von ungefähr hat die Umsetzung der Bildungsund Orientierungspläne allerorts zu einer breiten Qualifizierungswelle geführt. Beredtes Zeugnis hiervon geben Begriffe wie „Akademisierung“, „Qualitätsentwicklung“, „Kindeswohl“, „Erziehungspartnerschaft“, „Sozialraumorientierung“, „Transitionsforschung“ etc. Die gestiegenen Anforderungen in der Bildungsplanung und -förderung, in der Kooperation in multiprofessionellen Zusammenhängen sowie durch die zunehmende Einbeziehung der familiären und sozialräumlichen Kontexte der Kinder in die Bildungsbegleitung sind nach Kutscher (S. 15) für Träger, Einrichtungen und Fachkräfte zwar nicht völlig neu, in ihrem Ausmaß jedoch mit deutlich erweiterten Anforderungen verbunden, die beträchtliche Entwicklungsbedarfe für Strukturen und Personal aufwerfen.
Zu diesen ausschlaggebenden Anforderungen an die Qualität professionellen Könnens gehört nicht zuletzt die Herausbildung und Optimierung institutioneller Handlungsqualität: Erzieherinnen müssen in Zukunft mehr denn je in der Lage sein, die organisatorischen und institutionellen Zusammenhänge ihres professionellen Handelns differenziert mitzubedenken und prozessorientiert umzusetzen. Dieser Herausforderung kann nur diejenige gerecht werden, die um die institutionellen, organisatorischen und rechtlichen Abläufe weiß und ihren eigenen – stets ganz individuellen und authentischen – Weg findet, mit Organisationen, Gremien und Institutionen und deren jeweiligen Eigengesetzlichkeiten selbstbestimmt umzugehen.
Vor allem aber kommt es nach Schäfer (S. 12) darauf an, bei aller Eigendynamik dieser institutionellen Strukturen die pädagogischen Zusammenhänge nicht zu vergessen. Dazu müssen Fachkräfte diese institutionellen Strukturen hinsichtlich ihrer pädagogischen Auswirkungen durchschauen,
d. h. ihr geheimes Curriculum und ihre soziale Dynamik erkennen können. Ergänzend weisen Tietze/Förster (S. 49) darauf hin, dass wir uns sowohl bei der Auswahl einer Dimension als Qualitätsdimension als auch bei der diesbezüglichen Standardsetzung stets von drei übergreifenden Gesichtspunkten leiten lassen; diese sind:
•rechtliche Bestimmungen,
•Forschungsbelege der Bedeutsamkeit dieser Dimension für die Förderung von Kindern,
•Empfehlungen von Experten.
Vereinfacht gesagt: Es ergibt nun einmal keinen Sinn, einer Kita beispielsweise ein wie auch immer geartetes Zertifikat zu erteilen, wenn grundlegende gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten werden.
Hier setzt die vorliegende Darstellung an. Sie will kein juristisches Nachschlagewerk für Träger sein, sondern praxisnah und anwenderorientiert die vielfältigen Rechtskenntnisse, ohne die Erzieherinnen heute in ihrer facettenreichen Arbeit vor Ort nicht mehr handeln können und sollten, so knapp wie möglich, jedoch stets so detailliert wie nötig vermitteln.
Es soll Ihnen als Praktikerinnen eine erste Handreichung zu rechtssicherem Handeln in den vielfältigen Rechts- und mitunter auch Spannungsverhältnissen Ihrer Einrichtung zu Eltern, Externen und Träger sein, die in Teil 1 dargestellt werden. Der besseren Übersicht für den juristischen Laien wegen wurde besonderer Wert darauf gelegt, das behandelte Problem in den rechtlichen Handlungsrahmen der bundesgesetzlichen Normvorgaben einzubetten und so ein Verständnis für den jeweils damit verbundenen gesetzlichen Auftrag zu schaffen, eben darzustellen, wo er gesetzessystematisch seinen Ursprung hat.
In Teil 2 wird ausführlich der Dauerbrenner Aufsichtspflicht in Grundlagen, Einzelfragen und praktischen Anwendungsfeldern beleuchtet.
Teil 3 schließlich erläutert die wichtigsten Haftungsgrundsätze.
Der besseren Lesbarkeit wegen werden durchgängig weibliche Bezeichnungen, z. B. „Erzieherin“, verwendet. Selbstverständlich sind aber auch immer die männlichen Vertreter des Berufsstandes gemeint.
München, im September 2011 |
Tanja von Langen |
Vorwort zur 2. Auflage
Der qualitative und quantitative Ausbau der Kindertagesbetreuung ist derzeit in vollem Gange. Gerade einmal drei Jahre nach Erscheinen von „Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertageseinrichtungen“ war eine komplett überarbeitete Neuauflage fällig. Dies mag illustrieren, mit welch Riesenschritten der Bundesgesetzgeber die Materie entwickelt. Die durch das Bundeskinderschutzgesetz eingeführten Änderungen im Rahmen des § 8a SGB VIII, der neu geschaffene § 8b SGB VIII und die umgestaltete Datenschutzregelung im Rahmen der Risikoabschätzung bei Kindeswohlgefährdung waren genauso einzuarbeiten wie die Neuregelung zum Sorgerecht für den nichtehelichen Vater oder der nunmehr bundesweit geltende Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr. Wie schon bei der ersten Auflage war die Praktikabilität im Erzieherinnenalltag die grundlegende Intention der Ausführungen. Mein besonderer Dank gilt dabei den Erzieherinnen, Leiterinnen, Kinderpflegerinnen, Zweit-, Ersatz- und Assistenzkräften für ihre hilfreichen Hinweise und Anregungen, die ich in zahlreichen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen erhalten habe.
München, im Oktober 2014 |
Tanja von Langen |
Vorwort zur 3. Auflage
Wie schon in den beiden zuvor erschienenen Auflagen lege ich auch bei dieser dritten Auflage besonderen Wert auf Praxisbezug und Verständlichkeit. Zahlreiche ausführliche Beispiele sollen das Verständnis für den trockenen Gesetzestext fördern und einen anwenderorientierten Zugang zur Materie erleichtern. Mein besonderer Dank gilt allen Leser*innen, die mich mit hilfreichen Hinweisen und Anregungen unterstützt haben.
München, im im März 2020 |
Tanja von Langen |
Abkürzungsverzeichnis
ABR | Aufenthaltsbestimmungsrecht |
Abs. | Absatz |
a. F. | alte Fassung |
AG | Amtsgericht |
Alt. | Alternative |
AO | Abgabenordnung |
Art. | Artikel |
ASD | Allgemeiner Sozialer Dienst |
AV | Ausführungsvero... |