Planspielbasierter Ansatz zur systematischen Unterstützung von Change-Management-Prozessen
David Schierholz, Stefan Böhme
Der Artikel befasst sich mit der Idee, Planspiele als Methode in Change-Prozessen einzusetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung eines mehrstufigen Konzepts für planspielbasierte Change-Management-Workshops. Hierfür werden detaillierte Vorgehensweisen und Prozesse beschrieben sowie Unterstützungs-Programme und Hilfsdokumente erstellt. Erste Durchführungen lassen vermuten, dass sich dieser innovative Ansatz insbesondere für die Sensibilisierungs- und Auftaktphase eines Change-Prozesses eignet.
The article deals with the idea of using simulation games as a method in change processes. It focuses on the development of a multi-level concept for simulation game based change management workshops. For this purpose, detailed procedures and processes are described and support programs and help documents are created. First implementations suggest that this innovative approach is particularly suitable for the sensitization and kick-off phase of a change process.
1. Einleitung
In Zeiten der digitalen Transformation und der zunehmenden politischen, sozialen und ökologischen Unsicherheiten sowie eines dynamischer werdenden Wettbewerbs sind interne Organisation, Kultur, Technologien und Strategien von Unternehmen einem stetigen Wandel unterworfen (vgl. Doppler, Lauterburg 2014, S. 15ff.; Vahs und Weiand 2011, S. 7). In diesen Change-Situationen erleben die Organisationsmitglieder negative Emotionen wie Unsicherheiten, Ängste, Demotivation und Depression (vgl. Kriz 2007, S. 34). Der Erfolg des Wandels ist dementsprechend in hohem Maße von der Mitwirkung und der Akzeptanz aller Beteiligten und Betroffenen abhängig. Entsprechend werden im Change-Management vielfältige Instrumente und Methoden eingesetzt, um negativen Einflüssen entgegenzuwirken (vgl. Freihammer 2010, S. 29; Claßen 2013, S. 63). Gefördert werden kann die Akzeptanz der beteiligten Personen wiederum durch eine frühzeitige Information und die aktive Teilnahme am Veränderungsprozess (vgl. Schreyögg 2016, S. 208). Planspiele scheinen daher ein geeignetes Instrument für bestimmte Phasen in Veränderungsprozessen zu sein. Planspiele verändern und generieren bei den Teilnehmenden Wissen, Einstellungen, Werte und Handlungskompetenzen. Sie können zeitlich in der Zukunft liegende und in der Realität noch nicht erlebte Veränderungen simulieren. Dadurch lassen sich Wirkzusammenhänge erklären und ein Bewusstsein sowie ein Verständnis für anstehende Veränderungen und damit verbundene Hindernisse erzeugen.
Ergänzend zu den bestehenden Instrumenten und Methoden des Change-Managements wird im Folgenden daher die Idee für ein mehrstufiges Konzept für den Einsatz von Planspielen im Change-Prozess vorgestellt. Durch eine direkte systematische Unterstützung des Change-Prozesses sollen durch ein Planspiel die Erfolgsfaktoren des Wandels in Unternehmen gefördert und den Misserfolgsfaktoren entgegengewirkt werden.
Change-Management „ist die Planung, Implementierung, Kontrolle und Stabilisierung der Veränderungen in Strategien, Prozessen, Organisation und Kultur mit dem Ziel, die Effektivität und Effizienz des Veränderungsprozesses zu maximieren und die größtmögliche Akzeptanz der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter zu erreichen“ (Scheinpflug, Rank 2007, S. 6f.). Ausgehend von dieser grundlegenden Charakterisierung existieren eine Vielzahl an Change-Prozess-Konzepten, wobei die wichtigsten davon die Ansätze Lean Management, die Lernende Organisation, Reengineering, Strategisches Redesign und Organisationsentwicklung sind (vgl. Kraus et al. 2006, S. 21).
Beim Lean Management sind jedoch nur bedingt einzelne Veränderungsprojekte abgrenzbar und Veränderungen in der Regel zu kleinschrittig. Ein planspielbasierter Ansatz bietet sich hier nur für Trainings- oder Schulungs-Zwecke an. Die lernende Organisation wiederum ist in ihrer reinen Form eher ein fiktiver Superlativ als ein tatsächlich existierendes Konstrukt. Es gibt Unternehmen, die bereits einige Schritte in diese Richtung gegangen sind. Solange keine abgrenzbaren Veränderungsprojekte vorliegen, ist auch in diesem Fall der planspielbasierte Ansatz eher für Trainings- und Schulungszwecke geeignet. Das Reengineering führt zu einem grundlegenden Wandel, bei dem alles in Frage gestellt wird. Das direktive und Top-down initiierte Reengineering gibt jedoch keinen Raum für die Partizipation von Mitarbeitenden und ist deshalb nicht geeignet für einen planspielbasierten Ansatz. Das Strategische Redesign versucht die Mitarbeitenden zu integrieren und dadurch Wandlungsbereitschaft für die anstehenden Veränderungen bei starkem Veränderungsdruck zu ermöglichen. Ein Einsatz des planspielbasierten Ansatzes im Strategischen Redesign ist prinzipiell sehr gut denkbar, wenn genügend Zeit für die Partizipation eingeplant wird. Belege dafür, ob dieses Konzept gesamtheitlich oder in Teilen in der Praxis eingesetzt wird, sind jedoch nicht gefunden worden.
2. Einsatz von Planspielen im Change-Management
Im Folgenden wird daher die Organisationsentwicklung im Fokus stehen, da hier ein planspielbasierter Ansatz Anwendung finden kann. Der für den planspielbasierten Ansatz wichtigste Faktor „Raum für Partizipation“ ist gegeben. Entscheidend ist außerdem, dass abgrenzbare bzw. dedizierte Veränderungsprojekte identifizierbar sind. Der Begriff Organisationentwicklung (OE) umfasst die „Strategie des geplanten und systemischen Wandels“ (Schewe 2018), welcher auf die Kultur der Unternehmen oder der Organisation (Unternehmens-/Organisationskultur) und das Individuum und dessen Verhalten einwirkt. Sie hat im Fokus die Betroffenen, im Unternehmen die Arbeitnehmenden, sehr stark zu beteiligen. (vgl. ebd.) Im Zentrum dieser Strategie steht, die Organisation und die Organisationsmitglieder leistungsfähiger zu machen und gleichzeitig die Entfaltung der Mitglieder zu fördern. Die „Wechselwirkungen zwischen Individuen, Gruppen, Organisationen, Technologie, Umwelt, Zeit sowie die Kommunikationsmuster, Wertestrukturen, Machtkonstellationen etc.“ (ebd.) der Unternehmen werden ganzheitlich in die Strategie einbezogen (vgl. Alisch et al. 2004).
In der Organisationsentwicklung ergeben sich laut Kriz viele Ansatzpunkte für den Einsatz von Planspielen, bei denen der Wandel unterstützt werden kann. Vor anstehenden Veränderungen können beispielsweise Planspiele die „notwendige Orientierung geben, Widerstände und Ängste abbauen […] und Gestalter von Umstrukturierungen fachlich-methodisch vorbereiten, da im Planspiel neue funktionierende Strukturen sichtbar werden“ (Kriz 2007, S. 34). Den Unsicherheiten, die sich bei Veränderungen entwickeln, lässt sich durch Planspiele entgegenwirken: „Planspiele in der Organisationsentwicklung […] [bringen] somit vor allem die notwendige Stabilität, Kontrollierbarkeit, Sicherheit und in psychologischer Hinsicht das wertvolle Vertrauen in die Zukunft“ (ebd., S. 34).
Offene Planspiele können dazu beitragen, dass durch die Simulation von Organisationprozessen und Veränderungen in diesen Organisationen echte Probleme aus der Unternehmenswelt oder Organisationswelt bearbeitet und Probleme gelöst werden können, in dem ein Transfer von der simulierten Veränderung zur realen Veränderung in der Organisation erfolgt (vgl. Kriz 2006). In Planspielen können Alternativen ohne direkte negative Wirkungen erlebt und anschließend die Folgen der Entscheidungen durch eine Reflexion und Analyse besser eingeschätzt werden. Durch das vorherige simulierte Durchspielen der Veränderung, können die Erkenntnisse aus der fiktiven Veränderung zur Verbesserung der realen Veränderung führen bzw. Fehler bei der realen Veränderung minimieren (vgl. Kriz 2007, S. 34). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es Gruppen durch Planspiele ermöglicht wird spielerisch und handlungsorientiert Themenkomplexe zu erfahren und daran zu lernen. Das gefahrlose Probehandeln ermöglicht einen einfachen Zugang zu komplexen, ungewissen und unbekannten Themen zu erhalten. Es ist eine Heranführung an systemisches und ganzheitliches Denken. Gleichzeitig werden Situationen generiert, die das Konflikt-, Entscheidungs- und Kommunikationsverhalten der Teilnehmenden aufdecken. Eine Reflexion verstärkt die Wahrnehmung. Den Teilnehmenden kann mit einem Planspiel die Unausweichlichkeit von externen und internen Veränderungen sanft aufgezeigt werden. Beispielsweise können die Teilnehmenden den Auftrag erhalten, eine Strategie für das eigene Unternehmen zu entwickeln und müssen unter Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes über Veränderungen in der Gesellschaft, bei Megatrends und bei internen Veränderungstreibern eine neue Strategie entwickeln (vgl. ebd.).
Planspiele besitzen folglich viele positive Eigenschaften, welche die Phasen des Change-Managements unterstützen können. In diesem Beitrag wird angenommen, dass planspielbasierte Ansätze vor allem in den ersten sechs Phasen des Change-Managements nach Kotter (2011) sinnvoll und effektiv sind und das größte Potenzial in der Vorbereitung von Veränderungsprojekten haben. In weitergehenden Forschungsarbeiten kann der sinnvolle Einsatz für weitere Phasen geprüft werden.
Abb. 1: Zuordnung der Einsatzpunkte des planspielbasierten Ansatzes in Phasen des Change-Managements nach Kotter (2011)
In diesen Phasen existieren drei verschiedene Möglichkeiten Planspiele im Kontext des Change-Managements einzusetzen. Dazu gehört die Möglichkeit, geschlossene Planspiele mit dem Thema Change-Management als Trainings- und Qualifizierung...