1. Teil
(Grundlagen)
1 Die Ideologie des Materialismus
2 Geistige Erkenntnisse
3 Das Wesen des Menschen
4 Geistige Welten und Wesen
5 Der göttliche Weltenplan
In dem vorliegenden Buch geht es um nichts Geringeres, als ein Licht auf die größten und wichtigsten Mysterien des Weltgeschehens zu werfen. Somit versteht es sich von selbst, dass man sich nur langsam an diese Thematik heranwagen kann.
Es müssen in diesem 1. Teil ein paar Bausteine zusammengetragen werden, die für das Verständnis dessen, was im 2. Teil dieses Buches, dem Hauptteil, geschildert werden soll, notwendig oder zumindest hilfreich sind.
Genauso wie man sich in der Mathematik erst mit den Grundrechenarten vertraut machen muss, bevor man sich etwa an die Differentialrechnung heranmachen kann, muss man auch hier erst ein paar Grundbegriffe kennenlernen, bevor man den JESUS VON NAZARETH oder gar den CHRISTUS und seine welthistorische Mission verstehen kann.
Insbesondere ein Leser, der noch nicht mit der Anthroposophie in Berührung gekommen ist, sollte sich mit dem im 1. Teil des Buches Dargestellten gründlich befassen. Diese Grundlagen sind auch sehr nützlich, wenn Sie später vielleicht einmal weiterführende anthroposophische Literatur lesen möchten.
1 Die Ideologie des Materialismus 1
Man kann, gerade in unserer Zeit, sogar von einem ganz
Christus-feindlichen oder gegen Christus gleichgültigen
Standpunkt ausgehen. Wenn man sich aber in das vertieft,
was unsere Zeit an geistigem Leben wirklich geben kann,
wenn man die Widersprüche und Torheiten des Materialismus
einsieht, dann wird man vielleicht gerade am echtesten
in unserer Zeit zu Christus geführt, wenn man nicht
von einem besonderen Bekenntnis von vornherein ausgeht.
Rudolf Steiner (GA 142, S. →)
Das mangelnde Verständnis für den Christus sowie für alles Geistige, das in der heutigen Zeit vorherrschend ist, geht einher mit der Tatsache, dass wir seit knapp zwei Jahrhunderten im Zeitalter des MATERIALISMUS leben, der sich allerdings schon deutlich früher angekündigt hat und vorbereitet wurde. Diesen Materialismus, der gerade in unseren Tagen seine abscheulichsten Blüten treibt, kann man in gewissem Sinne als die schlimmste Krankheit der gesamten Menschheitsgeschichte bezeichnen. Ein Großteil der Menschheit hat sich mit dieser Ideologie, dieser Weltanschauung infiziert. Solche Menschen, also Materialisten, glauben nur an das, was sie mit ihren Sinnen wahrnehmen, beobachten und studieren können. Sie glauben nur an die Materie. Alles, was geistiger Natur ist, halten sie für nicht existent, ja für unsinnig.
Ein ›waschechter‹ Materialist ist natürlich auch immer Atheist – es sei denn, er stellt sich Gott als eine physische Wesenheit, die irgendwo in den Weiten des Universums residiert, vor. Dass diese Gottesvorstellung nicht von allzu weit hergeholt ist, zeigt eine Ihnen vielleicht bekannte Anekdote.
Ein Astronaut prahlt: »Ich bin schon zigmal im Weltraum gewesen und habe nicht einen einzigen Engel, geschweige denn Gott gesehen.« Sein Freund, ein Gehirnchirurg, entgegnet: »Ich habe schon viele Tausend Gehirne operiert und noch nie einen Gedanken gesehen!«
Selbstverständlich kann man ein göttliches Wesen genauso wenig mit physischen Augen sehen wie man einen Gedanken, der ebenfalls etwas Geistiges repräsentiert, sehen kann.
Schon die Tatsache, dass kaum einer bestreiten dürfte, dass es Gedanken gibt, zeigt, wie unsinnig es ist, nur dasjenige für existent zu halten, was man mit seinen Augen sehen oder mit seinen Ohren hören kann.
Natürlich glaubt jeder vernünftige Mensch an die Naturgesetze, soweit sie bis heute erforscht sind. Aber auch diese Gesetze kann man nicht sinnlich wahrnehmen. Das, was man wahrnehmen kann, sind ihre Wirkungen, ihre Offenbarungen.
Kann man eigentlich Licht sehen? Viele werden jetzt sagen: »Ja, natürlich kann man Licht sehen!« Doch das ist ein gewaltiger Irrtum! Das Licht selbst kann man nicht sehen. Erst dadurch, dass das Licht auf Gegenstände oder Staubpartikel trifft, kann man eine Helligkeit wahrnehmen, eben die Wirkung des Lichtes.
Dass es mit dem Licht etwas Besonderes auf sich hat, kann man schon dadurch erahnen, dass Christus von sich sagt: »Ich bin das Licht der Welt!«2 Ohne Licht sieht man keine Materie! Ein vollkommen durchlichteter Raum ohne Materie bliebe stockfinster!
Wer würde da nicht an den Vers aus dem »Johannes-Evangelium« denken: »Und das Licht scheint in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.« 3
Der Mensch kann also das »wahre Licht« genau so wenig sehen wie er Gedanken und die Naturgesetze sinnlich wahrnehmen kann. Alles, was geistiger Natur ist, kann von einem Menschen, der nicht hellsichtig ist, nur durch die Offenbarungen in der Sinneswelt wahrgenommen werden.
1.1 Die Ursprünge des Materialismus
Wenn man nach den ersten Ursprüngen des Materialismus forscht, so kommt man zurück bis ins Mittelalter und wird auf die Kirche hingeführt. In dieser Zeit gab es noch keine Wissenschaften im heutigen Sinne. Alle Lehren, unabhängig davon, worauf sich diese bezogen, gingen von der damaligen Kirche aus.
In jeder Religion gehört es zu den fundamentalsten Glaubensgrundsätzen, dass der Mensch zumindest noch etwas Unsterbliches, etwas Ewiges in sich trägt. Wie man etwa bei Paulus nachlesen kann, galt es in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten als eine Selbstverständlichkeit, dass der Mensch ein dreigliedriges Wesen ist, das aus Körper, Seele und Geist besteht. Auf dem vierten Konzil zu Konstantinopel, das im Jahre 869 stattfand, wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese Dreigliederung immer mehr aufgeweicht wurde, indem der Geist verleugnet wurde. Durch diese ›Abschaffung‹ des Geistes wurde von der Kirche – vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein – eine höchst fatale Entscheidung getroffen, die den Boden bereitete, auf dem Jahrhunderte später der Materialismus gesät werden konnte. Nach kirchlicher Auffassung besteht der Mensch also lediglich aus Körper und Seele, der sie einige geistige Eigenschaften zugesteht und die sie deshalb manchmal auch als Geistseele bezeichnet.
Bereits 300 Jahre zuvor wurde auf dem zweiten Konzil zu Konstantinopel ein durchaus folgenschwerer Bannspruch verhängt. Um was ging es dabei?
Bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte hatten die Menschen noch gewisse hellseherische Fähigkeiten. Zumindest waren sie noch in der Lage, bestimmte geistige Dinge traumhaft wahrzunehmen. So wussten sie auch, dass ein Mensch schon da ist, schon existiert, bevor er auf der Erde geboren wird. Auch der berühmte Schriftsteller und Kirchenlehrer Origines (um 185 bis 254) vertrat die Präexistenz der menschlichen Seele. Er gewann sehr viele Anhänger, die auch noch Jahrhunderte nach seinem Tod an seinen Lehren festhielten. Vermutlich nahm die Schar seiner Anhänger solche Ausmaße an, dass die Kirche sich genötigt sah, die Lehren dieses großen Denkers auf dem zweiten Konzil zu Konstantinopel im Jahre 553 zu verurteilen. Hier wurden viele Lehren, von denen die meisten auf ihn zurückgingen, mit dem Kirchenbann belegt. Einer dieser Bannsprüche lautete: »Wenn einer die erdichtete Präexistenz der Seelen und ihre daraus folgende phantastische Wiederherstellung vertritt – so sei er im Bann.« 4
Der Materialismus kommt im Grunde von der Kirche des Mittelalters.
Der Glaube daran, dass eine menschliche Seele schon vor der Geburt in der geistigen Welt existiert, wurde verboten. Die Kirche lehrte, dass der Herrgott jede Seele im Zuge der menschlichen Zeugung neu erschaffe. Also konnten die Menschen, wenn sie die Laune zu einem Zeugungsakt hatten, der dann zu einer Befruchtung führte, den Herrgott zu ihrem Diener machen, indem er eine Seele erzeugen musste. Man braucht nur ein wenig darüber nachzudenken, um erkennen zu können, wie absurd diese Vorstellung, die auch heute noch von den Kirchen vertreten wird, ist! Auf solche Ungereimtheiten angesprochen geben Kirchenvertreter meistens Floskeln wie »Gottes Wege sind unerforschlich!« zur Antwort.
»Dagegen führt uns eine wirkliche, eine wahre Erkenntnis des Menschen dazu, daß wir sagen: Die Seele ist eben durchaus schon da, hat immer gelebt, und steigt eben einfach herunter zu dem, was ihr geboten wird durch den Menschenkeim und seine Befruchtung.« 5
Da die Kirchen die Präexistenz der menschlichen Seele verleugnen, bezeichnen sie konsequenterweise auch die Reinkarnation, also das Gesetz von den wiederholten Erdenleben, sowie das damit eng verbundene Schicksals- oder Karmagesetz als Irrlehren, wie man etwa dem Katechismus der katholischen Kirche entnehmen kann.
Ohne die Reinkarnationslehre, die man zu den elementarsten und zentralsten spirituellen Wahrheiten zählen muss, können viele Geschehnisse im Weltensein nicht verständlich werden. Auch die Erläuterungen zum Kernthema dieses Buches könnten ohne diese Lehren kaum verstanden werden. Es ist in unserer Zeit von allergrößter Bedeutung, dass wir die Lehren von den wiederholten Erdenleben und dem Karma anerkennen und zumindest ein Stück weit verstehen lernen.
1.2 Die Folgen des Materialismus
Auch unsere Wissenschaftler – so sehr man ihre Errungenschaften anerkennen und bewundern muss – sind immer materialistischer geworden. Für göttliche Schöpferwesen ist in ihren Lehren kein Platz. Es scheint ein wenig schizophren, dass viele Wissenschaftler Gottesdienste ihrer Religionsgemeinschaft besuchen, obwohl sie nur an die Materie glauben.
Das war nicht immer so. Bis vor etwa 100 Jahren waren die meisten Wissenschaftler noch durchaus spirituell gesinnt. So sagte etwa der berühmte deutsche Physiker, Begründer der Quantenphysik und Nobelpreisträger Max Planck (1858 bis 1947) in einem Vortrag: »Und so sage ich nach meinen Erforschungen des Atoms dieses: Es gibt keine Materie an sich. Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Alls zusammenhält. Da es im ganzen Weltall aber weder eine intelligente Kraft noch eine ewige Kraft gibt – es ist der Menschheit nicht gelungen, das heißersehnte Perpetuum mobile zu erfinden – so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewußten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche – denn die Materie bestünde ohne den Geist überhaupt nicht –, sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre! Da es aber Geist an sich ebenfalls nicht geben kann, sondern jeder Geist einem Wesen zugehört, müssen wir zwingend Geistwesen annehmen. Da aber auch Geistwesen nicht aus sich selber sein können, sondern geschaffen werden müssen, so scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu benennen, wie ihn alle Kulturvölker der Erde früherer Jahrtausende genannt haben: Gott! Damit kommt der Physiker, der sich mit der Materie zu befassen hat, vom Reiche des Stoffes in das Reich des Geistes.«6
Heute werden Sie nur noch sehr wenige Wissenschaftler finden, die Max Plancks Anschauung teilen. Und diese würden ihre Ansicht wohl kaum öffentlich vertreten, da sie ansonsten damit rechnen müssten, sich in Fachkreisen der Lächerlichkeit preiszugeben.
Man muss sich ohnehin die Frage stellen, wie viele Wissenschaftler es heute noch gibt, die ihre Forschungen wirklich ergebnisoffen und aus objektivem Erkenntnisstreben und Wahrheitsliebe sowie mit heiligem Ernst betreiben. Viele Forschungen werden von finanzstarken Unternehmen in Auftrag gegeben. Und diese erwarten natürlich Ergebnisse, die ihnen in den Kram passen.
Namentlich in der westlichen Welt nimmt die Zahl der Menschen, die etwas mit ihrer christlichen Religion verbinden können, stetig ab, wie man nicht zuletzt an der hohen Zahl...