Der Schwarzstorch (Ciconia nigra)
1932 schwärmte ein begeisteter Horst Siewers von einem heimlichen Waldbewohner: „(…) aber es ist kein weißer Storch, denn nur die Unterseite ist hell, das übrige Gefieder ist dunkel. Das Licht der Sonne jedoch vermag auf diesem düsteren Kleide die herrlichsten Farben hervorzuzaubern, wenn es die Federn schräg auffallend trifft. Da schillern besonders Kopf, Hals und Brust in einem unbeschreiblichen Glanz. Alle Farben des Regenbogens scheinen darüber hingegossen, vom funkelnden Gold und Smaragdgrün bis zum metallischen Stahlblau, in das sich zarter Purpur- und Violettschimmer mischt. Die langen Beine sehen aus, als wären sie aus Siegellack, so zinnoberrot leuchten sie, und ebenso der gestreckte Schnabel und die sonderbaren Ringe, welche die Augen einfassen.“
Vielen ist er vollkommen unbekannt, wer ihn aber kennenlernen durfte, kann sich
seiner Faszination kaum entziehen.
Ab und zu verlässt er seinen Wald und besucht auch Bockhorst.
Die Gesamtlänge des Schwarzstorches beträgt im Mittel knapp 100 Zentimeter. Ein erwachsener Vogel wiegt fast drei Kilogramm, ein Erstzieher etwa zweieinhalb. Bei einer Flügellänge von bis zu 57,5 Zentimetern kann die Gesamtspannweite knapp zwei Meter erreichen. Der Schnabel eines erwachsenen Vogels ist bei einer Schnabelhöhe von etwa drei Zentimetern bis zu 19,5 Zentimeter lang.
Der Schwarzstorch brütet in Europa durchweg auf Bäumen in alten, aber nicht zu dichten, reich strukturierten Wäldern, sehr gern in waldreichen Auengegenden nahe an Bächen, Flüssen und Strömen, sumpfigen Wiesen und Tümpeln und Teichen. Er brütet aber auch auf Felsen. Der ausgewählte Horstbaum mit möglichst waagerechten, gegabelten und starken Ästen muss einen freien An- und Abflug erlauben. Schwarzstörche reagieren sehr empfindlich auf Störungen und meiden daher weitgehend die Nähe von menschlichen Siedlungen.
Schwarzstörche weisen eine hohe Brutortstreue auf. Gleich nach ihrer Ankunft inspizieren sie das Nest. Die eintreffenden Einzelvögel verhalten sich dabei sehr heimlich – das Nest wird anfangs nur als Ruhe- oder Schlafplatz benutzt und mit kurzen Kontrollflügen überflogen. Sie halten an dem Nistplatz aber bis zum Eintreffen ihres Partners fest. Das Nest des Schwarzstorches weist eine imposante Größe auf. Es besteht in einer ersten Auflageschicht aus bis zu 3 cm starken Ästen. Danach folgen dünnere Äste und Zweige, am Nestrand wieder stärkere Äste. Die Nestmulde wird mit verschiedenen Moosen und Gräsern ausgepolstert und zusätzlich mit Rinde, Stroh, Schilf, Mist, feuchten Erdklumpen und Tierhaaren ausgelegt. Vollständig ist ein Nest nach drei Jahren. Über viele Jahre besetzte Schwarzstorchnester erreichen eine imposante Höhe von bis zu 1 m.
Die Eier werden im Abstand von 1 bis 3Tagen gelegt. Die Bebrütung erfolgt in der Regel mit der Ablage des 2. Eies und dauert je nach Anzahl der gelegten Eier 30 bis 38 Tage. Ein Gelege besteht im Normalfall aus 3 bis 5 Eiern. An der Bebrütung des Geleges beteiligt sich neben dem Weibchen mit einem geringeren Anteil auch das Männchen. Die gelegten Eier werden täglich gerollt, um eine gleichmäßige Bebrütung zu gewährleisten. Sobald das erste Ei gelegt worden ist, bleibt stets ein Altstorch beim Gelege. In den ersten 3 bis 4 Wochen bewacht ein Altstorch beständig die Dunenjungen. Im fortgeschrittenen Jungstorchalter trifft man tagsüber nur selten einen Altstorch am Nest an, da sie unablässig Nahrung beschaffen müssen.
Die Nahrung des Schwarzstorches setzt sich aus Tieren zusammen, die im oder am Wasser leben. Dabei spielen Fische, vor allem Forellen, Aale, Groppen und Rundmäuler, Bachneunauge und Flussneunauge, die größte Rolle. Daneben werden aber auch Frösche und Molche, junge Ringelnattern und Schwimmkäfer, Wasserkäfer, Köcherfliegen und Libellen erbeutet - der Anteil der Säugetiere ist eher gering.
Schwarzstörche nutzen Nahrungshabitate in einer Entfernung von über 20 km zum Nest. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Nahrungshabitate ein gleichbleibendes Nahrungsangebot, auch in der Jungenaufzuchtzeit, bieten können. Es liegt nahe, dass bei der Habitatwahl aquatische und semiaquatische Biotope im Vordergrund stehen. Fließgewässer und Bäche wie die durch Bockhorst fließende Papenau haben für den Schwarzstorch einen hohen Habitatwert, bevorzugt werden Bäche mit Ufergehölzen, die Deckungs- und Schutzfunktion übernehmen. In der Papenau ist der Bachneunaugenbestand fast unbeeinträchtigt. Beim Nahrungserwerb im und am Wasser zeigen sich einige wiederkehrende Techniken. Er spießt seine Beutetiere nicht auf, sondern ergreift sie mit dem Schnabel, wirft sie häufig noch einmal in die Luft, dreht sie nach dem Auffangen mit dem Kopf zum Schlund und verschlingt sie. Größere Beutestücke werden vor dem Schlucken im Schnabel weichgeknetet. Die Fische werden auch manchmal ans Ufer getragen, bevor sie verschlungen werden.
In trüben und undurchsichtigen Gewässern fischen die Schwarzstörche nicht auf Sicht, sondern sie ertasten ihre Beute. Sie schreiten langsam im flachen Gewässer umher und tauchen den Schnabel und Kopf abwechselnd links und rechts schwungvoll ins Wasser. So wird das Wasser so lange abgesucht, bis Beute ergriffen wird. Noch erfolgreicher ist diese Technik, wenn Schwarzstörche in einer Gruppe fischen. Dazu bilden mehrere Vögel eine Linie im Gewässer und bewegen sich in eine Richtung. Dadurch treiben sie die Fische vor sich her.
Nahrungssuche auf einer feuchten Wiese in Bockhorst – das
Schwarzstorchmännchen (rechts) ist besendert und stammt aus Frankreich.
In klaren Gewässern jagt der Schwarzstorch optisch, dabei schreitet er im Gewässer umher. Sobald er einen Fisch erblickt, lässt er den Schnabel vorschnellen und ergreift die Beute. Bei Sonnenschein wendet der Schwarzstorch die „Sonnenschirm-Methode“ an: Er breitet seine Flügel aus, reduziert so die Reflexionen des Lichts auf der Wasseroberfläche, verbessert dadurch die Sicht auf die Beute und erhöht seine Erfolgsaussichten.
Schwarzstorch im Jugendkleid
Viele Schwarzstörche verlassen ihr Brutgebiet zwischen Mitte August und Anfang September. An geeigneten Nahrungshabitaten wie Flußtalauen oder größeren Fischteichk...