Behindert werden? Behindert sein?
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Behindert werden? Behindert sein?

Persönlichkeits-Portraits von Menschen mit verschiedenen psychosozialen Gesundheitsproblemen - historisch sowie aktuell Lebende

  1. 176 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Behindert werden? Behindert sein?

Persönlichkeits-Portraits von Menschen mit verschiedenen psychosozialen Gesundheitsproblemen - historisch sowie aktuell Lebende

Über dieses Buch

Wider die Angst verrückt zu werdenEin Grund, psychisch Behinderte auszugrenzen, ist die Angst, es könnte einen selber treffen. Je tiefer der Graben zwischen "normal" und "verrückt" desto sicherer fühlt man sich als "Normaler". Heike Oldenburg, selbst seit Jahrzenten Betroffene, hilft, diesen Graben der Angst weniger tief zu machen. Sie porträtiert 29 Menschen mit psychischen Behinderungen von der frühen Neuzeit (1479) bis jetzt. Sie lässt uns daran teilhaben, wie diese Menschen zwischen sozialer Umwelt und Krankheit ihren Weg suchten, welche Niederlagen, aber auch, welche Erfolge sie dabei erlebten/erleben. Als Beispiel sei Dorothea Buck genannt, der sich Frau Oldenburg in besonderer Weise verbunden fühlt. Die kürzlich verstorbene Bildhauerin und Dozentin wurde in ihrer Jugend im Nationalsozialismus zwangssterilisiert. Die von ihr mit entwickelten Psychoseseminare helfen über ihren Tod hinaus, in vielen Ländern die Gräben zwischen "Normalen" und psychisch Behinderten zu zuschütten. Darüber hinaus werden acht Rezensionen von Comics/Graphic Novels vorgestellt, in denen der mehr oder weniger positive Umgang mit eigenen psychosozialen Gesundheitsproblemen - auch Burnout - beschrieben werden. Die Menschenwürde war/ist beim Schreiben über alle Persönlichkeiten immer im Blick.

Häufig gestellte Fragen

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Frauen

Klarsichtige Frauen hat es schon immer gegeben. Mary Wollstonecraft stellte bereits im Jahre 1793 fest: „Die Tyrannei der Männer ist Ursache fast aller Geisteskrankheiten der Frauen.“1 In ihrem gesellschaftlichen Kontext konnte sie diese schmerzhafte Wahrheit bereits öffentlich kundtun.
„Brutalität bestimmt das Leben der Frauen rund um den Globus“. Fast immer ist psychisches Trauma eine direkte Reaktion auf allgegenwärtige männliche Brutalität. Es ist das Leiden der Machtlosen. Im schrecklichsten Zeitraum des letzten Jahrhunderts von 1914 – 1945, der Zeit der beiden Weltkriege, wurden Frauen Opfer von Ideologien (Nationalsozialismus, Stalinismus) und von monströsen Kriegsverbrechen. Auch die sogenannte Heimatfront bestimmte die Leben von Frauen zunehmend.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg galten Frauen insbesondere russischen Soldaten als berechtigte Kriegsbeute.
Traumatische Erlebnisse überschatten noch heute für viele Frauen die gesunde psychische Entwicklung. In den 1970er Jahren hat sich mit der Frauenbewegung herausgeschält, dass die häufigsten Opfer mit Trauma-Störungen nicht Kriegsveteranen, sondern Frauen zuhause im bürgerlichen Alltag sind. Die Ursachen waren und sind im Privatleben verborgen. Judith Herman beschreibt in ihrem Buch2 die im Jahre 1980 eingeführte Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) (ICD-10: F43.1). Bei dieser Trauma-Störung steht mindestens ein belastendes Ereignis von großer Bedrohung oder von katastrophenartigem Ausmaß am Anfang. Eine PTBS wird von vielfältigen psychischen und psychosomatischen Symptomen begleitet. Herman entwickelte therapeutische Richtlinien für die Behandlung. Auch nicht zensiertes Schreiben kann neben anderen inzwischen entwickelten Methoden beim Verarbeiten von traumatischen Störungen helfen. Für viele Frauen war und ist Schreiben die Rettung. Dass viele dieser Frauen unermüdlich an sich und ihrem Werk arbeite(te)n, mag mit der unbewussten Überzeugung zusammenhängen, eigentlich wertlos und/oder beschmutzt zu sein.
Im Folgenden werden Künstlerinnen mit verschiedenen Ausdrucksformen und Königinnen und Pionierinnen beschrieben, die in ihrem Lebensumfeld Neues denken oder tun konnten oder können. Die Lebensgeschichten wurden nach folgenden zwei Merkmalen ausgesucht: Nach der Art der Belastung (zum Beispiel Schizophrenie, Sucht, sexuellem Missbrauch, Depression) und Auseinandersetzung mit den Kränkungen durch die Umwelt (Stigmatisierung, Ausgrenzung und Unterdrückung). In einer Geschichte ist in meinen Augen die Frau Täterin – sie „meinte es nur gut“. Den Abschluss bildet eine Frau, die trotz massiver Belastungen bereits mehrere Preise für ihr schriftstellerisches Werk erhalten hat.

Johanna, die Wahnsinnige –
ein Leben voll düsterer Fremdbestimmung

Johanna, die „Stammmutter fast aller Fürstenhäuser Europas“, war eine ungeliebte Königin. Ihr Schicksal war es – trotz Krone – ihren nächsten Verwandten mit Leib und Seele ausgeliefert zu sein und Vernachlässigung, psychische Misshandlung und Isolation zu erleben.
Von 1479 bis 1504 lebte Johanna wie eine Prinzessin. Sie wurde wie ihre Geschwister in Musik und Sprachen unterrichtet und fiel früh durch ihre hohe Intelligenz auf. Sie war eine auffallend schöne junge Frau. Johanna wird als ernsthaft, eigenbrötlerisch, schroff und sarkastisch-witzig beschrieben. 1496 heiratete sie Philipp I. von Österreich aus dem Haus Habsburg, genannt der Schöne („Mit mühsam bezähmter Ungeduld“ (…) „rissen sie sich die Kleider von den Leibern.“). Sie gebar sechs Kinder.
Als Johanna durch den Tod ihrer Mutter Isabella I. von Kastilien im Jahre 1504 Königin wurde, begannen die sie umgebenden Männer gegen sie um die Macht zu kämpfen. Johanna wurde im Palast isoliert. Nach dem Tod ihres Gatten Philipp im September 1506 übernahm ihr Vater Ferdinand II. von Spanien die Vormundschaft für ihren Sohn Karl. Johannas sonst so kluge Mutter Isabella hatte dies mit einer Klausel ermöglicht: Johanna sei ihre Nachfolgerin, jedoch falls sie „abwesend oder nicht willens oder unfähig sein sollte, ihre Regierungsgeschäfte selbst auszuüben“, so solle der Vater anstelle von Karl die Geschäfte führen.
Wie hat Johanna sich gefühlt? Es gab in dieser Familie vorher wie nachher „Melancholie“. Immer wieder zeigte Johanna sich aber auch widerspenstig, unterschrieb gewisse Verträge nicht. Mutig und stark pflegte Johanna im Jahr 1506 Philipp auf dem Schiff als einzige ruhig und angstlos, als es in Sturm und Regen geriet. Willensstärke beweist auch der folgende Vorfall: Einmal, als Johanna in Brüssel ankam, schnitt sie der blonden Mätresse in wütendem Protest die Haare ab. Schon vorher hatte sie Philipps Seitensprünge nicht geduldet. Dieser für eine Frau für die Zeit untypische Eigen-Sinn wurde ihr als „Eifersuchtswahn“ ausgelegt. Selbstbewusste Ich-starke Frauen wurden leicht als bedrohlich empfunden und häufig weggesperrt. Es gibt Darstellungen von Zeitzeuginnen über Johanna und Zitate von ihr, die, will mensch ihren Geisteszustand beurteilen, sie durchaus normal und geordnet zeigen.
Leider war jedoch noch typischer für die Zeit, dass Johanna nie den Umgang mit Macht gelernt hatte. Das Gegen-sie-Arbeiten der Männer erkannte sie nicht. Im Jahr 1507 überschrieb sie ihrem Vater die Regierungsgeschäfte und merkte erst zu spät, dass er ihr ärgster Feind war. Er ließ sie in die innersten Gemächer des Palastes verlegen. Dieser Schock muss sie zum Wahnsinn gebracht haben. Ab Frühjahr 1508, als sie immer heftiger bekämpft wurde, begannen Johannas autoaggressive Verhaltensweisen.
Der Vater ließ Johanna ab Februar 1509 für ihre weiteren 46 Lebensjahre in der Festung von Tordesillas in Valladolid in Nordspanien gefangen setzen. Dort aß und schlief Johanna auf dem eisigen Steinfußboden, vernachlässigte sich immer stärker, wusch weder sich noch ihre Kleider. Sie trat zeitweise in Hungerstreik. Jedoch musste Johanna am Leben bleiben, da Fernando II. sonst die Macht verloren hätte. Johannas jüngste Tochter Catalina lebte bei ihr bis zu ihrer Verheiratung nach Portugal im Jahr 1525 mit 18 Jahren.
Nach Fernandos Tod im Jahr 1516 trat der 16-jährige Karl nahtlos in seine Fußstapfen. Auch er brauchte seine Mutter „irre“ und lebend zugleich, um an der Macht zu bleiben. Sie wurde schlechter als eine Sklavin behandelt:
Juana wurde [1521] in ein stockdunkles Gelaß gesperrt … In diesem fauligen Loch … blieb sie ganz sich selbst überlassen und versank rasch in tierischen Stumpfsinn. Ihr Essen, für gewöhnlich Brot und Käse, wurde ihr vor die Tür gesetzt … [Sie] holte es sich, sobald keiner zuschaute. Sie aß es in der Hocke auf dem Fußboden kauernd. … Von nun an erfährt man – glücklicherweise, möchte man sagen – nicht mehr allzu viel von ihrem Leben.
Johanna wurde mit 75 Jahren ungewöhnlich alt, wie viele langjährig eingesperrte Menschen – „die einen sterben halt am Leben, die anderen macht es wahnsinnig“. Aus Machtgier wurde Johanna „verleumdet, brutal missbraucht und dadurch schließlich wirklich wahnsinnig“ – spätestens in Tordesillas.
Spinnt die Frau? Als Mann wäre Johanna das nicht passiert.

Maria Theresia und ihre Familie –
eine behindernde Mutter in einer
behinderten Dynastie?

„Kriege sollen andere führen, du glückliches Österreich, heirate!“
Hausspruch Habsburgs
Kaiserin Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, geb. Mai 1717 und im Jahre 1780 mit 63 Jahren gestorben, war selbst nicht behindert. Unter dem Aspekt Behinderung sind zwei andere Punkte in ihrem Leben interessant: Erstens trug die Dynastie der Habsburger eine Veranlagung in sich, die das Auftreten von Epilepsie begünstigte. Bei dieser chronischen Krankheit kommt es auf einen irritierenden Reiz hin zu einer abnormen Überreaktion sehr vieler Nervenzellen auf einmal im Gehirn. Das bewirkt zeitweiligen Bewusstseinsverlust und bei manchen Formen einen schnellen Wechsel von heftigen Muskelkrämpfen und Verlust der Muskelspannung. Epilepsie hat mit Geistesschwäche oder Geisteskrankheit nichts zu tun. Dies beweisen vor allem die Menschen, die oft trotz ihrer epileptischen Anfälle Überdurchschnittliches geleistet haben. Weder Maria Theresias Geschwister noch ihre Kinder waren davon betroffen. Erst beim Enkel Karl, geb. 1771, später ein berühmter Kriegsherr, trat sie wieder auf.
Zweitens behinderte Maria Theresia auf jeden Fall die Entwicklung und zentralen Lebensentscheidungen ihrer Kinder: Sie erzog ihre Kinder sehr streng und „verschacherte“ sie im politischen Ränkespiel wie Schachfiguren. Die Hübschen wurden mit Kalkül verheiratet, verwachsene oder pockennarbige Kinder wurden in Klöster gedrängt. Das war damals zwar üblich, aber das macht es nicht besser. Nur ihre Lieblingstochter Maria Christine durfte eine Liebesheirat eingehen. Maria Theresia selbst, mit sechs Jahren bereits in Franz Stephan von Lothringen, geb. 1708, verliebt, war seit dem Jahr 1736 ehelich mit ihm verbunden. Mit dem zwischen Frankreich und Deutschland gelegenen Erbe kam ihre Heirat mit dem heiteren, gescheiten, hübschen Prinzen ihrem Vater Karl VI. gelegen. Noch im Jahr 1766 schrieb Maria Theresia in einem Brief: „… seit dreiundvierzig Jahren war mein Herz ihm allein ganz zugethan.“ Sie ernannte ihn zum Mitregenten. Er war auch der offizielle Kaiser, die Regierungsgeschäfte erledigte jedoch die „Kaiserin“ titulierte Ehefrau. Da angeheiratet, nannte sie sich hier Kaiserin, hingegen König von Ungarn, da auf Erbrecht basierend.
Aufgrund einer Regelung aus dem Jahr 1713 war es möglich, dass Maria Theresia im Jahr 1740 Thronfolgerin wurde. Zuerst traute niemand der erst 23-Jährigen das Regieren zu. Sie hatte „nur“ die traditionelle Erzherzoginnen-Ausbildung erhalten. Jedoch überraschte sie alle und regierte 40 Jahre lang erfolgreich die aus 58 Ländern bestehende Habsburgerinnenmonarchie. Hilfreich war sicher, dass Geschichte ihr Lieblingsfach gewesen war.
Maria Theresia war 16 mal „schwanger als Herrscher“ (elf Töchter und fünf Söhne). Für diese neue protokollarische Situation gab es für öffentliche Auftritte eine Neuerung: Um das Jahr 1720 wurde in der Wiener Hofwerkstatt ein Gala-Tragesessel aus Samt und Stickerei gebaut. Laut Landsteiner leite sich das repräsentative Sitzmöbel „Thron“ von „Skulpturen hockend gebärender, steinzeitlicher Göttinnen“ ab, mit „dem voluminösen Gesäß der Göttinnen als Sitzbrett“. Die Göttin werde als „aktives Prinzip des Schöpfens“ dargestellt. Der feststoffliche Thron stehe für das Herstellen einer Ordnung. Die Königin könne ohne viele Alltagsanstrengungen den Vorsitz übernehmen. Sie/er müsse in der „(Zurück-)Haltung des Sitzens der Lust nach Bewegung erfolgreich entgegenarbeiten“. „Herrscher_innen werden gesetzt“. Dieses hohe Maß an Askese und Aufmerksamkeit schneide „in den Körperhaushalt der Herrschenden ein“, sie würden durch lauter Vorschriften eingeengt und verspannt, mit dem Ziel, die eingeschränkte Lebensdynamik zur „Dynamisierung der Kräfte der Gemeinschaft sowie der Bindung zwischen Gemeinschaft und Kosmos“ einsetzen zu können. Sitzen als „störender Eingriff in den Körper“ ermögliche es, „spontane innere Ausdrücke (zum Beispiel Hunger, Durst, Sexualtrieb etc.) zu unterdrücken und hinauszuschieben“. Daher habe die Inthronisation Herrscherinnen eher „körperlich beeinträchtigt, verkrüppelt, bisweilen sogar“ getötet – es sind wohl das Wochenbett und das Schlachtfeld gemeint. Maria Theresia hat 16 Kinder geboren, jedoch wurden nur zehn davon erwachsen.
„Für Herrscher_Innen nimmt das Ausüben gepflegter Etikette und die Demonstration höfischen Anstands einen hohen Stellenwert in der Erziehung und im Alltag ein.“ Das Spanische Hofzeremoniell, üblich seit dem 15. Jahrhundert, war solch eine einengende Etikette: Jeder durfte sich nur mit dreimaliger tiefer Verbeugung und Kniefall zum König hin bewegen, beim Rückzug dasselbe in rückwärts. Mit dem Zeremoniell wollten die Habsburgerinnen ihre Besonderheit in Europa hervorheben. Der Adel nutzte es ebenfalls, um sich von niedrigeren Ständen abzugrenzen, aber auch um seine Nähe zum Herrscherhaus zu betonen. Erst unter Maria Theresias Sohn Joseph wurde das Zeremoniell abgeschafft. Es gilt bis heute: „nur keine Gefühle zeigen“, bereits als Kind „verantwortlich sein, für andere und sich selbst “, alles „nur in gemäßigtem Stil“ von sich geben. Mensch ist „abgehoben“, sieht sich zumindest so, und „bleibt nur innerhalb der eigenen Sippe“, so die Genesungsbegleiterin (EX-IN3) Monika Thein von Plottnitz.
Krönungskutsche von Maria Theresia in Wien – Detail
Die Herrschaft der Habsburgerinnenmonarchie galt als gottgegeben. Zu ihrem Fortbestand war eine Braut mindestens von Fürstenstand und unberührt wichtig. Vielversprechend waren gute Gesundheit und ein breites Becken. Aufgrund der katholischen Religion und der besonderen Verbindung mit den Heiligen und der Gottesmutter erhielten die Töchter seit circa dem Jahr 1650 häufig den Namen Maria. Die Taufe war der erste zu überstehende repräsentative Akt. 40 Tage nach der Geburt fand der „Hervorgang“ statt, in Anlehnung an Mariens biblischen Tempelgang, als diese Jesus auf dem Altar Gott dargebracht haben soll. Maria Theresia beging diesen Akt besonders prächtig, als sie im Jahr 1741 endlich den erhofften Thronfolger Joseph geboren hatte.
Die Erziehung der Kinder zu zukünftigen Herrschenden oder Ehepartnerinnen war stark reguliert. Diese wurden von der Mutter getrennt, kamen in eine „Kindskammer“ und bekamen eine Aja (Töchter) als „zuchtmaister...

Inhaltsverzeichnis

  1. Widmung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Gedicht für Heike
  4. Einführung/Vorworte
  5. Frauen
  6. Männer
  7. Comics/Graphic Novels – Behinderte – ist das witzig?
  8. Fußnoten
  9. Quellen
  10. Bildrechte/Fotografinnen
  11. Dankeschön
  12. Heike Oldenburg
  13. Impressum