
- 198 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Im Juni 2017 hat mein Vater sich erschossen. Menschen, die selbst Suizidangehörige sind, haben die Reise durch Fassungslosigkeit, Wut, Schuldgefühl und Trauer erlebt, oder stecken womöglich gerade mittendrin.Ich habe dieses Buch über eine Reise durch mein Ich geschrieben, auf die ich mich unfreiwillig und unvorbereitet begeben habe. Meine Geschichte ist ein Angebot für all diejenigen, die zu verstehen versuchen, was so ein Suizid bedeutet. Sie ist vielleicht das einzig Positive, das man aus so einer Erfahrung ziehen kann, die so destruktiv und schmerzvoll ist. Ich wünsche mir, mit diesem Buch Inspiration, Helfer und stiller Wegbegleiter sein zu können.
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Information
eBook-ISBN:
9783752666335Auflage
1Moral, Schuld und andere Mythen
Das erste Mal bewusst lerne ich den Tod im Alter von 4 kennen. Das scheint für viele abstrakt, viele Menschen glauben es sei keine echte Erinnerung sondern ich glaube mich durch Bilder und Gespräche zu erinnern. Doch das stimmt nicht.
Eines Tages klopft mein Onkel Franko an unsere Tür, er und Tante Heidi wohnen im selben Haus. Es ist ein Drei- Generationen Haushalt, den wir mit meinen Großeltern teilen. „Ilko ist tot.“
Mein Onkel zittert, er sieht aus, als ob er in den letzten zehn Minuten um zwanzig Jahre gealtert ist. Ilko, sein Sohn, mein Cousin, war 19 und fuhr einen Trabant. Es war ein regnerischer Tag, die Straße glatt und Ilkos Trabant zu schnell für eine Kurve. Er stirbt noch an der Unfallstelle.
Bei Ilkos Beerdigung wird er nocheinmal aufgebahrt, er trägt seinen schwarzen Anzug, den er kurz vorher bei seinem Abitur erst trug. Seine Hände sind zusammengefaltet, die Augen geschlossen. Seine linke Gesichtshälfte sieht komisch aus, plastisch, als wäre es nicht wirklich er selbst. Ich stehe neben meiner Mama, sie hält meine Schultern fest und weint. Ich sage mit meiner kindlichen Stimme laut „das ist doch nicht der Ilko!“
Als ich alt genug bin, um diese Erfahrung Revue passieren zu lassen und zu verstehen, was da genau passiert ist, bin ich meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich zu Ilkos Beerdigung mitgenommen haben. Es gibt kein „alt genug“, um dem Tod zu begegnen, wenn man ihn als natürlichen Bestandteil des Lebens betrachten will. Lange habe ich mich gefragt, warum meine Tante und mein Onkel sich wohl dazu entscheiden, ihren am Kopf verletzten Sohn nocheinmal herrichten zu lassen, obwohl das Gesicht nachkonstruiert werden musste. Heute weiß ich, wie wichtig Abschied nehmen ist, auch wenn das Bild des Toten nicht dem des Lebenden entspricht.
Begreifen ist ein essentieller Bestandteil der Trauerarbeit und was meine Augen nicht sehen, ist schwer zu fassen. Heute bereue ich zu tiefst, Vati nicht nochmal zum Abschied aufgebahrt zu haben.
Wenig später gehe ich nocheinmal zum Bestatter zurück. Ich erzähle von meiner Reue und bitte die Dame darum, es bei Beratungsgesprächen mit Suizidtrauernden nocheinmal zu betonen, dass die Möglichkeit des Abschieds individuell gestaltet werden kann. Ich bitte sie darum, die Wichtigkeit dieses Abschieds hervorzuheben.
"Was dein Vater dir da angetan hat ist grausam", "Suizid ist feige", "Das hast du nicht verdient, armes Mädchen", sind Sätze, die ich immer wieder höre, seit mein Vater tot ist. Sie kommen von Menschen mit der Absicht, mich in Schutz zu nehmen und mein verletztes Seelenheil von außen zu stimulieren. Meist reagiere ich innerlich recht explosiv auf diese Aussagen. Für mich ist Suizid weder feige noch einfach. Man muss unheimlich mutig und resolut sein, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Vorallem muss das heißen, dass man nicht an etwas Besseres glaubt, keine andere Lösung in Frage kommt und Auswegslosigkeit den Weg zur Hoffnung blockiert hat. Das heißt nicht im Umkehrschluss, dass man sich heroisch verhält, weil man es fertig bringt, sich zu töten.
Mein Vater hat gewusst, ich würde kommen und ihn finden. Er nahm die Waffe mit der stärksten Schusskraft. Das zeigt mir nur, wie sicher es sich war, dass er tot sein wollte. Ich hätte noch so motivierend und lebensfroh auf ihn einreden können, dieser Wunsch saß tief in seinen Knochen. Ich habe ihm die Bestätigung gegeben, dass es mir gut geht, dass er und meine Mutter einen selbstständigen Menschen aus mir gemacht haben und ich problemlos in dieser Welt bestehen werde.
Viele Suizidtrauernde überkommt nach den klassischen Phasen von Schock und Leugnung dann der Zorn. Zumindest in der Theorie nach Elisabeth Kübler Ross. Ich habe den Zorn für mich umgewandelt und übe ihn auf die Welt aus. Auf den Kripobeamten der den Brief meines Vaters als einfaches Beweismittel abtut und ihn mir nie zukommen lässt. Auf die Leute, die Mitleid mir gegenüber empfinden, und ich doch eigentlich kein Mitleid brauche, sondern mein Vater es gebraucht hätte. Auf die Bestatter, die die blutigen Sachen meines Vaters einfach auf dem Boden liegen lassen, zusammen geknüllt und respektlos. Auf den Sachbearbeiter des Ordnungsamts, der die Waffen meines Vaters abholt und zu mir sagt, die Doppelbockflinte mit der er sich erschossen hat, sei grobschlächtig. Auf Freunde, die verzweifelt versuchen, mir in meiner Trauer zu helfen und glauben, es gäbe da ein Problem, das es mit ein paar Handgriffen zu lösen gilt. Auf den Satz "Alles wird gut."
Auf Franz, weil er mich verlässt. Auf Nina, weil sie so gut zu Franz passt.
Aber nie auf meinen Vater. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich wütend auf ihn sein könnte, weil er mir diesen grauenvollen Anblick geboten hat. Wäre es denn netter gewesen, sich zu erhängen? Eine Überdosis Tabletten zu schlucken? Dieser Gedanke ist eine Backpfeife für jeden Hinterbliebenen, dessen Angehörige einen weichen Suizid einem harten vorgezogen haben. Schmerz kann man nicht aufwiegen. Man kann nicht "schlimm" und "noch schlimmer" vergleichen. Das Herz kennt keine Maßeinheit für schreckliche Schicksalsschläge, alles tut gleich weh. Er hat mir nichts getan, auf diese Überzeugung bestehe ich in der Therapie bei Herrn Winter. "Er hat Ihnen sehr wohl etwas getan. Er hat ihr Seelenheil verletzt."
Mir fällt es sehr schwer, diese Sicht anzunehmen. Ich sehe das so: mein Vater hat keinen anderen Ausweg mehr gewusst und sich nicht stark genug gefühlt, etwas an seinem Leben zu ändern. Er liebte den Alkohol, er liebte Frauen und mit 63 lässt der Körper ihn nach und nach im Stich. Er will seine Würde zurück. Also geht er.
Er wusste, ich bin ein starker Mensch, ich halte das aus. Er wusste, ich würde alles für ihn regeln. Und irgendwann würde Gras darüber wachsen. Irgendwann würde ich nicht mehr an seinen Tod denken, sondern an sein Leben und was er mir beigebracht hat.
Sein Tod wird immer ein schwarzes Loch in meinem Herzen hinterlassen. So wie er sich seiner Ansicht nach vielleicht seine Würde zurückgeholt hat, indem er gemäß Arthur Schopenhauer, den er vergötterte, "beizeiten abgetreten" ist, hat er sich in meiner Welt die Würde genommen. Ich wage zu behaupten, ihn blutig und entstellt auf dem Fußboden liegen zu sehen, schmerzt mich mehr, als die Tatsache, dass er gestorben ist. Tod gehört in unser Leben und ist die logische Folge. Doch wie wir sterben tut Einiges zur Sache, vielleicht nicht für uns selbst, aber für die, die mit unserem Tod leben müssen.
Ich habe verstanden, dass ich als Kind und erwachsener Mensch nicht für das Glück oder die Traurigkeit meiner Eltern verantwortlich bin. Eine ethische Verpflichtung zu spüren ist etwas grundlegend Anderes. Sie bedeutet für mich höchstens, dass ich Hilfe anbiete und sie nicht mit ihren Problemen allein lasse, aber nur innerhalb des Rahmens meiner Möglichkeiten. Fallen ein oder beide Elternteile in die Rolle des „Opfers“, dem geholfen werden muss, nennt man das familiäre Delegation. Hat das Kind, natürlich auch im Erwachsenenalter, dann das Gefühl, seine Eltern auffangen zu müssen und ist bestrebt, ihr Halt zu sein, sind die Rollenverhältnisse abermals vertauscht. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass nicht auch mal Eltern in Krisen Schwäche zeigen dürfen. Aber Hilfe anzunehmen und die Erkenntnisse aus der Krise auf ihr jeweiliges Leben zu transferieren, ist dann ihre Aufgabe und nicht die des Kindes.
Hätte ich etwas tun sollen? Eine unfreiwillige Einweisung auf eine geschlossene Station? Ein Ultimatum („Wenn du nicht aufhörst mit dem Alkohol, dann....“)?
Wie kann ich mich also schuldig fühlen, im Bezug auf den Suizid meines Vaters? Die Schuldfrage ist ein oft ungelöster innerer Konflikt vieler Suizidangehöriger, der schwer von außen zu beurteilen ist. „Sie haben keine Schuld“ wird mir am 30.Juni 2017 von nahezu allen Menschen um mich herum versichert. Woher wollen sie das denn wissen? Aber ja, sie haben recht. Die Verantwortung trägt der Suizident allein und kein Anderer.
Als erwachsener Mensch bin ich für mein eigenes Glück verantwortlich. Es liegt nicht in meiner Pflicht, meine Eltern glücklich zu machen, oder auch sie aus ihrer Traurigkeit herauszuholen. Diese ethische Verpflichtung, die wir trotzdem spüren, ist dabei völlig normal. Natürlich lassen wir unsere Eltern nicht im Stich, wenn sie ein Tal im Leben durchqueren (zumindest insofern wir eine gesunde Beziehung zu ihnen pflegen). Hilfe anbieten hat jedoch nichts mit Verantwortung oder gar Schuld zu tun, denn letzten Endes muss der „Leidende“ die Hilfe auch annehmen, oder gar erst verstehen, dass sich etwas ändern muss. Dazu kommt, dass derjenige die Vorteile für sich entdecken muss, die daraus langfristig entstehen. Zum Schluss muss die innere Überzeugung entstehen, das alles auch aus eigener Kraft schaffen zu können.
Dieser Entschluss ist bei gesundem Empfinden von Sinnhaftigkeit eigentlich ganz normal. Das Problem ist nur, wenn keine Sinnhaftigkeit mehr empfunden wird, man sich nicht mehr als Teil eines Großen und Ganzen sieht. Durch selbst gewählte Isolation hat mein Vater sich in schleichenden Schritten selbst aus dem großen „Wir“ unserer Gesellschaft ausgeklinkt.
Diese Sinnhaftigkeit ist wie eine Art Gehirndünger. Er hat sich selbst das Gefühl, bedeutsam zu sein, genommen.
Natürlich haben alle Sanitäter, alle Kripobeamten und Martin Recht, als sie mir immer wieder ungefragt versichern „Sie haben keine Schuld“. Die Verantwortung trägt allein der Suizident, der seine Angehörigen und auch alle indirekt Betroffenen vor einen Scherbenhaufen stellt, den kein noch so professioneller Mensch ohne Weiteres einfach wegsteckt.
Vergebung hat nichts mit Gutheißen zu tun. Statt wütend auf meinen Vater zu sein, konzentriere ich mich auf den Liebesbeweis, den er mir mit seinem Abschiedsbrief zeigt. Ich bin die Person, der er noch etwas zu sagen hat. Auch wenn er mich in seinem Brief nicht um Vergebung bittet, weiß ich doch, dass er es tut. Ich vegebe ihm.
Wenn Sterben einen Namen hat
Es gibt unheimlich viele Bezeichnungen für das, was man in wissenschaftlicher Sprache „Suizid“ nennt. Medien benutzen oft „Selbstmord“ oder „Freitod“ , wenn es um das Thema geht, freiwillig und durch eigene Hand aus dem Leben zu gehen. Einige Angehörige reagieren ablehnend auf jene zusammengesetzte Substantive, die auf die Bezeichnung „Mord“ enden. Mord ist nach §211 Strafgesetzbuch ein vorsätzlicher Tötungsdelikt, der mit dem Strafmaß der lebenslangen Freiheitsstrafe bedroht ist. Welch Ironie, denke ich mir, lebenslang der eigenen Freiheit entzogen zu werden, wenn man sich selbst ermordet. Manchmal höre ich „Unsere Lieben sind keine Mörder“, wenn es mal wieder um das Thema der korrekten Begrifflichkeit geht. Das denke ich darüber: Mein Vater hat lange darüber nachgedacht, hat es geplant, nicht viel älter zu werden. Er hat sich mit einem Kopfschuss getötet, also auf in meinen Augen grausame Weise ermordet. Er hat eine Straftat gegen sein eigenes Leben begangen. Ich kann also nichts gegen den Begriff „Selbstmord“ sagen, wenn er doch so sehr zutrifft. Ich gebe zu, diesem Wort selbst nicht gern in Medien zum Thema Suizid zu begegnen. Für andere vielleicht Haarspalterei, scheint es mir doch von Bedeutung zu sein, wie ich jede Todesart nenne, die mir meinen geliebten Menschen genommen hat. Mein Zuhause ist zu einem Tatort geworden. Ein Tatort ist der Platz, an dem ein Verbrechen begangen wurde. Irgendwie hat mein Vater also mein Zuhause ermordet. Hier ist sie dann manchmal, die Wut, bei der es mir doch so schwer fällt, sie für meinen Vater zu empfinden.
Trigger
Als ich nach der Trennung erstmal in meine eigene Wohnung ziehe, benutze ich den Fahrstuhl, um Kisten nach oben in den vierten Stock zu transportieren. Das Haus ist alt und steht unter Denkmalschutz, es hat wieder Stuck an der Decke und riesige, flaschengrün gestrichenene Holztüren. Im Fahrstuhl kommen mir manchmal Tränen, weil ich glaube, mein Vater steht neben mir und fährt mit. Es riecht nach Buchenteer. Wenn Vati aus dem Wald zurückkam, roch er genau so. Er benutzte Buchenteer um angenagte Bäume zu pflegen, sodass sie nicht an der Verletzung an ihrer Rinde geschwächt werden. Die Blechdose mit der schwarzen, zähen Flüssigkeit steht in unserer Garage und verströmt ihren herben Duft durch meine Kindheit hinweg.
Warum es in diesem Fahrstuhl nach Buchenteer riecht, weiß ich nicht. Verrückt, wie wir Gerüche sofort mit Erinnerungen verknüpfen können.
Als ich wieder zur Arbeit gehe, bin ich noch ein wenig im Vacuum und es fällt mir schwer, die lebensfrohe Kollegin zu geben, die ich normalerweise bin. Ich spreche nicht viel, höre mehr zu und muss manchmal den Raum verlassen, weil es viele banale Dinge gibt, die das Trauma triggern. Zwei Kollegen unterhalten sich über Musik, es geht um Nirvana, eine von beiden fragt „Glaubt ihr wirklich, dass er sich mit einer Flinte erschossen hat?“
Ich versuche noch die heiß aufsteigenden Tränen runterzuwürgen, weil es doch rein gar nichts mit mir zu tun hat, doch mein Kopf tut, was er in diesem Moment für richtig hält. Ich gehe in ein anderes Büro, Ines zählt gerade die Kassen für den Verkaufstag ein. Sie weiß schon genau, was los ist und öffnet den schweren Eisentresor. Sie holt zwei lose Schlüssel raus und legt sie mir auf die Tränensäcke. „Ist gut gegen die Schwellung!“ sagt sie und schaut mich gütig und schmerzvoll zugleich an. Dann setzt sie sich wieder an den Tisch, sortiert die Geldscheine und erzählt mir den Witz, den ihre kleine Tochter ihr heute morgen am Frühstückstisch erzählt hat. Sie ist an diesen Tagen wie ein Schirm, der sich um mich legt, wenn ich gerade nur schwarz sehe.
Ich sitze in der Straßenbahn und schaue aus dem Fenster, es ist ein regnerischer Tag und die Bahn ist voller Me...
Inhaltsverzeichnis
- Widmung
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Ein ganz normaler Tag
- Letzte Worte
- Ein Donnerstagabend
- Bunt gestreifter Wollpullover
- Vati
- Würde
- Gefühl von Zuhause
- Grün
- Leere
- Delirium
- Ihnen fehlt nichts
- Wegbegleiter
- Aushalten
- Urvertrauen
- Kopf aus, Füße an
- Laufen
- Angekommen
- Tanzen gehen
- Schicksale
- Moral, Schuld und andere Mythen
- Wenn Sterben einen Namen hat
- Trigger
- Trauerarbeit
- Memento
- Trösten und getröstet werden
- Viele Wege führen zur Heilung
- Flucht nach vorn
- Denise
- Grobes Leinen
- Glück
- 4. Oktober
- Nachwort
- Dank
- Impressum