
- 455 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Ernst Jüngers Texte durchzieht ein dichtes Netz von Metaphern und Begriffen, die der Paläontologie und Vorgeschichtsforschung entlehnt sind. Die vorliegende Studie rekonstruiert erstmals systematisch die Anverwandlung paläobiologischer, geologischer und historiographischer Diskurse in werkchronologischer Ordnung. Sie eröffnet dabei neue, wissens- und wissenschaftsgeschichtlich konturierte Perspektiven auf Jüngers Mythisierung von Geschichte.
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Information
1 Jüngers Ur zwischen Empirie und Idealismus
1.1 Werk- und ideengeschichtliche Volten des Ur. Eine Einführung vom „élan vital“ zur „neuen Theologie“
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist Ernst Jüngers (1895-1998) Verhältnis zum vorgeschichtlichen und paläontologischen Denken seiner Zeit. Insofern sich die Vorgeschichtsforschung mit der sog. Urgeschichte und die Paläontologie mit der sog. Urwelt befassen, lassen sich beide Bereiche unter die Auspizien einer Vorsilbe stellen, die eine der schillerndsten Denkfiguren des 20. Jahrhunderts markiert: ‚Ur‘. „Abseits ganzheitlicher Geschlossenheit oder fixierbarer Gestalt sind Denkfiguren […] strukturierte Vorstellungszusammenhänge, konkrete Konstellierungen im Prozess des Denkens, die in ihren Realisierungsformen - Begriffen, Bildern, Metaphern, Narrationen - plastisch werden und Evidenz gewinnen.“1 In diesem Sinne changieren Komposita mit ‚Ur‘ auf der einen Seite zwischen der Bezeichnung eines zeitlich Frühen, chronologisch Ersten, die Begriffscharakter anstrebt, indem sie terminologisch fixiert, und, auf der anderen Seite, der Imagination eines Zeitlos-Grundlegenden, Wesentlichen, das sich begrifflich nicht einholen, sondern lediglich bildlich ansprechen lässt.2
Damit verbunden sind die unterschiedlichen argumentativen Rollen des ‚Ur‘: Lässt es sich in der deskriptiven Ordnung zeitlich-konsekutiver Abläufe eher dem hypothetischen Wissen oder - im Falle einer fehlenden oder nur rudimentären empirischen Bestätigung - dem Nicht-Wissen zuordnen, so kreist es in der kausalen Ordnung, die ein über seine konkret nachweisbaren Anfänge hinaus Prägekräftiges formuliert, um eine Idee. Im ersten Fall markiert das ‚Ur‘ die notwendige, aber keineswegs zentrale Annahme eines ‚Zuvor‘; im zweiten Fall bezeichnet es hingegen auch das ‚Danach‘ - und somit, über ein Erstes hinaus, zudem ein maßgeblich Determinierendes.
Will man die Bedeutung näher bestimmen, die vorgeschichtlichen und paläontologischen Themen im Werk Jüngers zukommt, so müssen zunächst - jenseits bloßer motivischer Belege - die ideengeschichtlichen Grundlinien konturiert werden, innerhalb derer diese Themen sich bisher ansprechen ließen (auch wenn sie bisher, wie wir gleich sehen werden, tatsächlich kaum angesprochen wurden). Eine gute Deutungsorientierung liefert hier der Jünger-Leser und Philosoph Hans Blumenberg (1920-1996). Bis in die frühen 1950er-Jahre kann Blumenberg ohne Zweifel als Parteigänger Jüngers gelten. In dieser Eigenschaft begleitet er wohlwollend sowohl dessen u. a. im Gespräch mit Martin Heidegger (1889-1976) konturierte Überwindungsversuche des Nihilismus, an denen sich Blumenberg gleichfalls beteiligt,3 als auch die in den Jahren nach 1945 kontrovers geführte Diskussion um Jüngers ‚Wandlung‘. Hinsichtlich der ‚Wandlung‘ ging es um die v. a. von Jünger-Anhängern wie Karl Otto Paetel (1906-1975) propagierte Entwicklung des Schriftstellers vom soldatischen Nationalisten zum kunstsinnigen Europäer und hellsichtigen ‚Seher‘.4 An diesen Diskussionsstrang knüpft Blumenberg mit seinem Vortrag Ernst Jünger als geistige Gestalt (1949) an,5 wobei er gegenüber einer Betonung der politischen Dimension dieser ‚Wandlung‘ stärker den erkenntnistheoretischen Veränderungen in der Argumentation Jüngers nachgehen möchte: „Die Spanne zwischen dem Abenteurer des élan vital, dem glühenden Krieger, […] und dem neuen Theologen muß als wirklich durchschritten aufgewiesen werden.“6 Stellt Blumenberg die frühen Kriegsschriften Jüngers - In Stahlgewittern (1920), Der Kampf als inneres Erlebnis (1922), Feuer und Blut (1925) und Das Wäldchen 125 (1925) - unter die Vorzeichen einer lebensphilosophischen Fundierung, so wird beginnend mit den Strahlungen (1949) ein theologischer Subtext als maßgeblich erachtet: „Wenn Leben und Sinn nicht zur Kongruenz zu bringen sind, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ist das Leben überhaupt sinnlos (Nihilismus) oder sein Sinn liegt über die Realität hinaus (Transzendenz, neue Theologie).“7 Das Überschreiten der lebensimmanenten Perspektive koppelt Blumenberg nicht, wie man vermuten könnte, an Jüngers in den Strahlungen dokumentierte Bibellektüre, sondern an dessen optische Hermeneutik, die im Sichtbaren das Unsichtbare ausmacht: „Jüngers Sehen sublimiert seine realistische Schärfe dahin, daß es überall an den Phänomenen das Archetypische, den schöpferischen Urgedanken wahrzunehmen sucht.“8 Der angehende Metaphorologe spricht in diesem Zusammenhang auch von der „platonisierende[n] Zuversicht“, die seiner, Jüngers, „Transzendenzerfahrung, der neuen Theologie“9, zugrunde liege. Entscheidend ist dabei, dass Transzendenz nicht auf dem Weg der herkömmlichen philosophischen „Spekulation“10 erlangt werden könne. Dem empirisch Konkreten kommt im Rahmen dieser Wendung gegen die erfahrungsskeptische Philosophie eine paradoxe Stellung zu: Erst die Rückbindung an die konkrete, beschreibbare und dann freilich auch tatsächlich beschriebene Erfahrung garantiere für die Überschreitung des zeitlich und räumlich Konkreten zum „Archetypische[n]“. „Vielleicht muß in einem Zeitalter, dessen Größe wie Gefährdung auf Erfahrungserkenntnis zurückgehen, der Metaphysiker im Gewande des Empirikers auftreten.“11 Der Metaphysiker im Gewand des Empirikers - eine Rolle, die Jünger spätestens seit dem Arbeiter (1932) beherrscht und von der er sich im Grunde zeitlebens - bis zum späten Gestaltwandel (1993) - nicht getrennt hat.12
Blumenbergs Deutungsschema, das Jüngers Metaphysik als erfahrungsimmanente, sinnliche Überschreitung des Konkreten zum Ursprünglich-Allgemeinen fasst, lässt sich - in einen größeren philosophiegeschichtlichen Kontext gestellt - als spätes Glied in die Reihe der mit Arthur Schopenhauer (1788-1860) beginnenden „Inversion der Metaphysik“13 einordnen, und dies in zweierlei Hinsicht. Dies betrifft zum einen die Lösung der Metaphysik von einer Verpflichtung der Transzendenz auf ein Jenseits; stattdessen muss jede Überschreitung sich auf die erfahrbare ‚Welt‘, die ‚Natur‘, konzentrieren. In dem Maße nun, wie in der planetarischen Einheit von anorganisch-organischem Reich diese ‚Welt‘ als Triebkraft, Schopenhauers ‚Wille‘, Gestalt gewinnt, wird zum anderen jener weite Radius markiert, der einer am ‚Faktischen‘ orientierten, durchaus positivistisch ausgerichteten Empirie und damit gleichzeitig der Immanenz der Erfahrung offensteht. Entweder lässt sich eine metaphysische Dimension in dieser Immanenz aufweisen - etwa in der Betrachtung von Steinen, Pflanzen, Tieren und Menschen -, oder eben überhaupt nicht, was dann, in den späten 1940er-Jahren, zweifelsohne auf die Diagnose ‚Nihilismus‘ hinauslaufen würde. Und je größer die Entfernung von Schopenhauer und der Schopenhauer-Renaissance um 1900 ist, desto nachdrücklicher muss man wohl feststellen, dass die immanente Perspektive in Schwierigkeiten gerät. Jünger liefert mit seiner „[f]undamentalen Optik“14 nun gleichsam das letzte Aufgebot einer Empirisierung des Metaphysischen; den letzten Versuch mithin, das „‚Erleben‘“ zum „Metaphysik-Ersatz“ zu stilisieren: „Der ‚Augenblick‘, in dem mit geschärften Sinnen die Wirklichkeit wahrgenommen wird,“ soll sich zur „‚Ekstase‘“ wandeln, „die das in einem diesseitigen Sinne Gültige dieser Wirklichkeit erfahren läßt.“ Oder anders gesagt: „Kraft des Erlebnisses können metaphysische Gehalte sich […] als ‚wahr‘, ja, durch die Wirklichkeit beglaubigt, ausweisen.“15 Dieser Intention verpflichtet, gelten Jüngers „Betrachtungen […] dem reichen und vielfältigen Stoff der Welt“.16 Auch wenn man zugesteht, dass eine solchermaßen ganz auf das Faktisch-Diesseitige konzentrierte Form der Weltaneignung das „theoretische Anschauungspathos der philosophischen Ästhetik“17 meidet, so entfaltet doch die damit prätendierte Schau des Archetypischen, Entzeitlichten, Ursprünglichen ein Pathos ganz anderer, eigener Art. Spötter könnten meinen, dass diesem Pathos eine nicht unwichtige argumentative Funktionsstelle zukommt: Es werde von der ‚fundamentalen Optik‘ als eine Art rhetorischer Deckmantel benötigt, um die von ihr innerhalb der Erscheinungsoberfläche des ‚Faktischen‘ aufgewiesene Tiefendimension nicht als unzeitgemäße und damit hohle Metaphysik erscheinen zu lassen.
Wie dem auch sei: Als werkgeschichtliches Integrationskonzept einer derartigen, von Jünger häufig wissenschaftsskeptisch konturierten Ursprungsbetrachtung hat man jedenfalls den Mythos identifiziert.18 Dass jenen Spuren in seinen Schriften und Briefen bisher kaum nachgegangen wurde, die dezidiert auf vorgeschichtliche und paläontologische Themen und damit zugleich immer auch auf die Frage nach geschichtlichen und biologischen Ursprüngen verweisen, überrascht etwas, ...
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- 1 Jüngers Ur zwischen Empirie und Idealismus
- 2 Urgeschichte der Natur. Regressive Anthropogenese, primitivistischer Vitalismus und ethnografischer Bericht in den frühen Kriegsschriften (1922-1925)
- 3 Tiefe Oberflächen. Vom orthogenetischen Vitalismus zur idealistischen Morphologie (1929-1932)
- 4 Kultur- und naturgeschichtsphilosophische Fiktionen. Auf den Marmorklippen (1939)
- 5 „Theorie der Vorgeschichte“ - aber welche? - Heliopolis (1949)
- 6 Kern der Urgeschichte. Besuch auf Godenholm (1952)
- 7 Im Zeichen des Antaios (1959-1971). Jünger im Gespräch mit der Erdgeschichte
- 8 Kultur- und stammesgeschichtliche Verwerfungen im posthistoire: Eumeswil (1977)
- 9 Posthistoire postmodern, oder: Der letzte Gestaltwandel: Prognosen (1993)
- 10 Fazit. Zur Politik der Paläontologie und Vorgeschichte
- 11 Abbildungsnachweis
- 12 Quellen- und Literaturverzeichnis
- Personenregister