Tiere auf Reisen
  1. German
  2. ePUB (handyfreundlich)
  3. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Über dieses Buch

Die zweite Ausgabe der interdisziplinären Fachzeitschrift Tierstudien widmet sich dem Thema "Tiere auf Reisen". Tiere sind, das macht sie neben anderem aus, nicht an einen Standort gebunden. Sie reisen auf eigene Initiative: Kröten wandern weite Strecken, Lachse ziehen flussaufwärts zu ihren Laichplätzen und Vogelschwärme suchen sich Winterquartiere auf anderen Kontinenten. Tiere begleiten aber auch Menschen auf deren Reisen bzw. werden von Menschen auf Wege gebracht, die sie selbst nie gegangen wären. In zehn Aufsätzen und einer Fotostrecke werden u.a. Zirkus- und Zootiere auf großer Fahrt begleitet, Bienenwanderungen in der globalisierten Welt in den Blick genommen, Hunde als Erzähler und Protagonisten im Roman untersucht oder der Hundespaziergang als historisches Phänomen betrachtet. Problematisiert werden Anthropomorphisierungstendenzen, die Einbettung von Tieren in hegemoniale Strukturen sowie territoriale und kategoriale Grenzübertretungen durch Tiere. Ein Beitrag beschäftigt sich mit elektronischer Tierkennzeichnung zur Rückverfolgbarkeit von Transportwegen, ein anderer liest Mickey Maus als kommerzialisierten Grenzgänger zwischen Mensch, Tier und Technizität. Dass Tierwanderungen nicht immer glücklich ausgehen, wird im Künstlerinlay und einem Aufsatz zum tierlichen Tod im Straßenverkehr deutlich.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Tiere auf Reisen von Steve Baker,Julia Bee,Ina Bolinski,Gerko Egert,Helmut Höge,Anne Franciska Pusch,Manuel Rahn,Aiyana Rosen,Bärbel Rothhaar,Julia Schlosser,Aline Steinbrecher,Jürgen Tautz,Sven Wirth, Jessica Ullrich im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Ciencias sociales & Antropología. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Die ‚Zirkustier‘-Mensch-Verhältnisse
Zwischen Anthropomorphisierung und Othering
Aiyana Rosen
Kulturelle und künstlerische Praxis war seit dem Beginn das Experimentierfeld, auf dem die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mensch und Tier durchgespielt wurden. Sie schuf symbolische Räume, in denen die Grenze mal befestigt und ausgebaut, dann aber durchbrochen oder ganz eingerissen wurde.1
Entgegen der Annahme einer langen Zirkuskultur ist die Geschichte des Zirkus, wie wir ihn heute kennen, nicht einmal 300 Jahre alt. Dressierte Tiere, Clownerie und Seiltanz wurden zwar bereits im Alten Rom und im Hellenismus der Menge vorgeführt,2 der Zirkus, für den die „Einheit der Vielfalt“3 verschiedenster Darbietungen in einer Manege charakteristisch ist, bildete sich jedoch erst im 18. Jahrhundert. Seine Geburtsstätte hatte er in Großbritannien, wo er sich aus den zu dieser Zeit in Mode kommenden Kunstreitergesellschaften entwickelte,4 die wiederum aus der militärischen Pferdedressur entstanden waren.5 In den deutschen Staaten kamen die ersten modernen Zirkusse zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf.6 Im modernen Zirkus steht die Präsentation von Menschen und Tieren mit jeweils außergewöhnlichen Fähigkeiten im Mittelpunkt. Diese Fähigkeiten haben sich die Menschen mittels (Selbst-)Disziplin angeeignet; die Tiere wurden mithilfe von Strategien der Dressur zu einer Aneignung dieser Fähigkeiten gezwungen.
Bis circa 1900 waren Zirkus und Menagerie in den deutschen Staaten bzw. im Deutschen Reich zwei voneinander getrennte Unternehmen. Die Menagerien stellten ihre ‚Tiersammlungen‘ oftmals nicht nur aus, sondern führten auch Wildtierdressuren durch, die sich zu dieser Zeit nur wenige Zirkusse finanziell leisten konnten.7 So begann die Dressur nicht-domestizierter Tiere erst im späten 19. Jahrhundert auch für den Zirkus im Deutschen Reich zu einem kennzeichnenden Merkmal zu werden. Zwar gibt es auch heute diverse Zirkusse, die sich auf die Vorführung menschlicher Fähigkeiten in Artistik, Jonglage oder Clownerie spezialisiert haben und auf die Vorführung dressierter Tiere verzichten, dennoch ist die Wildtierdressur heutzutage in Deutschland für die meisten Zirkusse charakteristisch. Aber was sagt die Nutzung von Tieren in Zirkussen über die hegemonialen Mensch-Tier-Verhältnisse8 aus? Welche Strukturen liegen den ‚Zirkustier‘-Mensch-Verhältnissen zu Grunde, und in welchen Prozessen finden diese ihren Ausdruck? Diesen Fragen werde ich auf den folgenden Seiten nachgehen.
Da in diesem Aufsatz nicht nur verschiedene Tierspezies und -individuen von Bedeutung sind, sondern auch die Begrifflichkeit ‚Tier‘ eine zentrale Rolle spielt, möchte ich kurz die Nutzung dieses Begriffs problematisieren. Unter anderem aufgrund seiner Verwobenheit mit einer starr gedachten Mensch-Tier-Grenze sowie aufgrund der in ihm vorgenommenen Subsumierung zahlreicher unterschiedlicher Spezies von Krabbe bis Krähe, von Schmetterling bis Schimpansin unter einen Begriff (bei gleichzeitiger Ausklammerung der Spezies Mensch) ist der Begriff ‚Tier‘ eine Wortschöpfung, die weder neutral noch lediglich beschreibend ist. Vielmehr liegen dem Begriff eine Reihe von Vorannahmen zu Grunde und er ist nicht frei von menschlichen Herrschaftsansprüchen zu denken. Darauf wollte auch der französische Philosoph Jacques Derrida aufmerksam machen, als er „im Singular den Plural an Tieren zu verstehen“9 gab:
Es gibt nicht das Tier (l’Animal) im allgemeinen Singular, das vom Menschen durch eine einzige unteilbare Grenze getrennt wäre. Wir müssen in Betracht ziehen, daß es ‚Lebende‘ gibt, deren Pluralität sich nicht in einer einzigen Figur der Tierheit (animalité) versammeln läßt, die der Menschheit (humanité) schlicht entgegengesetzt wäre.10
Zur Vermeidung umständlicher Formulierungen und in Anbetracht mangelnder Alternativen (eine Ausnahme bildet Derridas Wortschöpfung „animot“11) werde ich den Tier-Begriff in diesem Text nicht umgehen, ihn aber zum Teil durch den Begriff ‚nichtmenschliche Tiere‘ ersetzen oder ihn, wie z. B. bei der Kategorie ‚Zirkustier‘-Mensch-Verhältnisse, in Anführungszeichen setzen.
Für die Analyse dieser Verhältnisse möchte ich mich nun zunächst einigen Faktoren zuwenden, die für die ‚Zirkustier‘-Mensch-Verhältnisse bestimmend sind: dem Moment der Sensation, der Dressur und Zähmung sowie der Reisetätigkeit.
Sensationsmoment
Tiger, Löwen, Elefanten, Giraffen, Schlangen, Seelöwen und Pferde sind nur einige der Tierarten, die in Zirkussen vorzufinden sind. Die meisten Zirkusse in Deutschland legen den Fokus ihrer Tierdressuren auf ‚wilde‘, nicht-domestizierte Tiere, u. a. auf Raubtiere und sogenannte exotische Tiere, was sich mit dem Attraktionscharakter von Zirkusvorführungen erklären lässt. In Zirkussen sollen die Zuschauenden in eine ‚andere Welt‘ entführt werden. Das Sensationsmoment ist für Zirkusse somit von zentraler Bedeutung. Das Publikum ist schaulustig und will den Nervenkitzel ohne persönliche Gefahr. Es sehnt sich nach einer Erfüllung seiner Träume nach dem ‚Exotischen‘ und ‚Wilden‘ – und die Erfüllung dieser Sehnsüchte ist das, was der Zirkus ihm zu bieten verspricht. Bei Vorführungen von Wildtierdressuren geht es folglich um die Befriedigung von Sehnsüchten nach einer Begegnung mit dem ‚Anderen‘ und ‚Exotischen‘, mit dem ‚Fremden‘. Einige der Wildtiere in Zirkussen faszinieren durch die Gefahr, die diese Tiere potentiell für Menschen bedeuten und der sich die Dompteur_innen aussetzen. Die Erfüllung der Sehnsucht nach dem Erleben von Gefahr und ‚Wildheit‘ im Zirkus geschieht jedoch mithilfe von Dressur und Zähmung – Mitteln, die dem Wunschtraum diametral gegenübergestellt sind. Neben dem Stillen einer Sensationslust dienen die ‚Zirkustiere‘ somit als Projektionsfläche zur Befriedigung menschlicher Träume, die mit dem tatsächlichen Leben der präsentierten Tiere kaum in Zusammenhang stehen.
Dressur und Zähmung
Die Dressur ist eine wesentliche Grundlage der Tier-Mensch-Beziehungen im Zirkus. Sie wird eingesetzt, um das Moment der Sensation zu verstärken und dem Publikum eine Show darzubieten, die über eine reine Schaustellung der Tiere hinausgeht. Die Kunststücke, die die Tiere hierfür lernen müssen, sind nur über das Mittel der Dressur zu erreichen, die sich wiederum der Zähmung bedient, um eingehendere Mensch-Tier-Kommunikation überhaupt zu ermöglichen und die von den Tieren ausgehende Gefahr zu minimieren.
Doch was genau bedeutet Dressur im Konkreten? Bei manchen Tieren reicht Futter als Lockmittel aus, um sie z. B. zu waghalsigen Sprüngen zu motivieren. Soll aber einem Elefanten beigebracht werden, auf den Hinterbeinen oder dem Kopf zu stehen, oder wird mit Spezies gearbeitet, die nur selten Nahrung aufnehmen, wie etwa Löwen und Tiger, reicht Futter als Anreiz nicht aus, weshalb hier mit der sogenannten Putting-through-Methode gearbeitet wird.12 Bei Tigern bedeutet dies beispielsweise das Ausnutzen von Fluchtreaktion und ‚kritischer Reaktion‘ (Übergang des Tigers zu Notwehr/Angriff) des noch nicht gezähmten Tieres sowie der Herbeiführung eines Abbruchs des Angriffs, um auf diese Weise über den Aufenthaltsort des Tieres in der Manege zu bestimmen.13 Im späteren Stadium der Dressur werden dann die „sogenannten Hilfen (= die zwangsmäßigen Eingriffe)“14 mehr und mehr abgebaut, bis nur noch Symbole übrigbleiben. „Der Klaps wird schließlich zur winzigen Geste, die Peitschenbewegung zu einem auffordernden Blick. Mit anderen Worten:...

Inhaltsverzeichnis

  1. Tiere auf Reisen
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Editorial
  4. Hunde als Reisende und Reisebegleiter
  5. Aline Steinbrecher: Eine praxeologisch performative Untersuchung der Kulturtechnik des Spaziergangs (1750–1850)
  6. Anne Franciska Pusch: Unleashed – Hunde auf Abwegen
  7. Technisierte Tiere
  8. Julia Bee / Gerko Egert: Mickeys Reise durch Wasteland – Animal, Animation, Animismus
  9. Ina Bolinski: Zurück Reisen. Elektronische Tierkennzeichnung zur Rückverfolgbarkeit von Transportwegen
  10. Grenzgänger
  11. Bärbel Rothhaar / Jürgen Tautz: Bienenwanderung
  12. Sven Wirth: Die Grenzregime des Tier-Konstrukts. Wie Aga-Kröten und Grauhörnchen zu Aliens werden
  13. Die letzte Reise
  14. Manuel Rahn: Rindertransporte
  15. Julia Schlosser: Anhalten, sehen: Die Körper überfahrener Tiere in der Arbeit Steve Bakers
  16. Künstlerinlay – Steve Baker: Six untitled pieces from the series Norfolk Roadkill, Mainly (2011–2012)
  17. Zoo und Zirkus
  18. Helmut Höge: Elefantentransporte
  19. Aiyana Rosen: Die ‚Zirkustier‘-Mensch-Verhältnisse. Zwischen Anthropomorphisierung und Othering
  20. Rezensionen
  21. Abbildungsverzeichnis
  22. Call for Papers: Metamorphosen
  23. Weitere Titel im Neofelis Verlag