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Die Nydeggkirche in Bern und ihr Quartier
Über dieses Buch
Die Nydeggkirche und ihr Quartier liegen an der wohl malerischsten Stelle des Weltkulturerbes Bern. Die pittoreske Altstadtpartie in der Aareschlaufe mit der monumentalen klassizistischen Hochbrücke und der mittelalterlichen Untertorbrücke ist ursächlich mit der Geschichte der Stadt verbunden: hier befand sich seit der Gründungszeit im 12. Jahrhundert der einzige Flussübergang und hier erhob sich auch die zähringische Stadtburg, die Nydegg. Ihre Stelle nimmt seit dem 14. Jahrhundert die heutige Kirche ein. Der Innenraum des spätgotischen Baus wurde anfangs der Fünfzigerjahre auf exemplarische Weise umgestaltet und gilt nun als charakteristisches Beispiel einer Regotisierung im 20. Jahrhundert. Kurz darauf, zwischen 1956 und 1961, erfolgte der Totalneubau des umgebenden Quartiers: Was sich heute als idyllisch-mittelalterlich präsentiert, ist eine Neuschöpfung. Zum Einsatz kam ein Stil, der traditionelle, altstadtspezifische Elemente mit zeitgenössischen Formen verknüpft. Diese historisierende Neuinterpretation, die allerdings auch Widerspruch weckte, half entscheidend mit, die Einheitlichkeit des einzigartigen Stadtbildes zu wahren.
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Information
Quartier und Kirche heute
Ein Spaziergang durch das Quartier
Eine historisch «korrekte» Erkundung beginnt am besten beim geschichtsträchtigen Zugang, bei der Untertorbrücke. Von hier lässt sich die städtebaulich grossartige Wirkung von einst trotz der alles überragenden Nydeggbrücke noch erahnen: die burgartig über dem Fluss hochragende Kirche als Stadtkrone, umringt von einem malerisch gestaffelten Häuserkranz. Zur Linken steigt die aareseitige Häuserzeile der Mattenenge direkt aus dem Wasser auf, eine variantenreich gegliederte Reihe aus drei- bis vierstöckigen Einheiten mit unterschiedlichen Firsthöhen. Allen gemeinsam ist ein Natursteinsockel; die Fassaden sind verputzt, die Fenster zu Zweier- oder Dreiereinheiten zusammengefasst, die Satteldächer durch Quergiebel und Lukarnen belebt. Der erste Bau der Reihe, das Berchtoldhaus, bis 2009 genutzt durch die Kirchgemeinde Nydegg, übernimmt wie vorher die Rolle eines Brückenkopfs und ist mit seiner gassenseitigen Laube entsprechend prominenter ausgebildet, übergrosse Fenster markieren den ehemaligen Gemeindesaal.
Auffällig im vierten Haus ist ein scheunentorgrosser Durchbruch knapp über dem Flussniveau: Mitten in den Abbrucharbeiten waren 1960 im «Ramseyerloch» (s. S. 25) die Überreste des mittelalterlichen Ländtetores zum Vorschein gekommen. Als Beweis für den Paradigmenwechsel im Umgang mit einem historischen Bestand sollte das Relikt erhalten bleiben, woraufhin Weiss ad hoc ein archäologisches Foyer zu entwerfen hatte, offen und von der Strasse her zugänglich. Im traditionalistischen Gesamtkonzept wirkt die markant zeitgenössische Formensprache einigermassen irritierend. Sie entsprach auch keineswegs den Absichten des Architekten, sondern einem Diktat der Bauherrschaft. Der resignierte Kommentar: «Wer zahlt, befiehlt.» (Archiv Weiss)

Die Flussseite des Quartiers in den Fünfzigerjahren. Neben dem turmartigen Haus (links) das Höfchen des «Ramseyerlochs».

Die heutige Ansicht.
Das Ländtetor – Schauplatz eines düsteren Kapitels
Das siècle d’or des bernischen Ancien Régime war nicht für alle golden. Im zunehmend aufgeklärten 18. Jahrhundert reagierten die Obrigkeit und die reformierte Staatskirche noch immer mit grosser Härte auf Abweichler vom wahren Glauben: Die Täufer, also ausgerechnet diejenigen, welche den Geboten der Bibel am konsequentesten zu folgen suchten, wurden wie in den Anfängen der Reformation unerbittlich verfolgt, zwar nicht mehr öffentlich hingerichtet, aber doch als Ketzer und Staatsfeinde gejagt, eingesperrt oder auf die Galeeren geschickt. Weil alle diese Massnahmen die Bewegung nicht zu ersticken vermochten, versuchte der Staat, sich der «Landplage» definitiv zu entledigen:
Am 18. März 1710 starten – nach der Überlieferung beim Ländtetor – die Schiffe für eine erste Deportation von 56 Taufgesinnten mit dem Ziel Nordamerika, doch scheitert die Zwangsaktion noch in Europa – die Gefangenen werden beim Überqueren der niederländischen Grenze durch die dortigen Behörden befreit.
So kommt es 1711 zu einer zweiten Ausschaffung. Diesmal ist der erzwungene Exodus von rund 350 Personen jeglichen Alters Richtung Niederlande wenigstens mit einer befristeten Amnestie verbunden – freier Abzug unter Mitnahme der Güter bei Verlust des Heimatrechts. Zustande kommt dieser minimale Gnadenerweis nur auf massiven Druck der niederländischen Regierung, die der täuferischen oder mennonitischen Bewegung freundlich gesinnt ist.
Zwar werden die Deportationen nicht weitergeführt, aber damit sind die Verfolgungen noch lange nicht zu Ende. Erst 1820 werden die Täufer faktisch als religiöse Korporation anerkannt und endlich geduldet. 2017 entschuldigt sich der Staat Bern offiziell für das jahrhundertelange Unrecht.

Zeuge der Befestigung des Nydeggquartiers: Das Ländtetor, ein Hafentor vom Ende des 13. Jhs., 1873 vermauert, 1961 restauriert. Ansicht der Stadtseite.

Die Flussseite mit anschliessenden Stadtmauerfragmenten. Die flache Betondecke macht das archäologische Foyer auf «brutale Weise» (Hans Weiss) in der Aarefront sichtbar.

Die Aarefront während des Abbruchs um 1960. In der Mitte der schräg stehende Block des Ländtetores. Die hügelseitige Mattenenge bereits erneuert.
Auf dem Läuferplatz
Hat der Besucher die Untertorbrücke überquert, befindet er sich auf dem Läuferplatz, einst erfüllt von Getriebe und Geschrei, nun ein beschaulicher Ort, wo unter Lindenbäumen der oft versetzte Brunnen mit der namensstiftenden Figur eines Berner Stadtläufers plätschert. Linkerhand öffnet sich hinter der Laube des Berchtoldhauses die Mattenenge, überwölbt vom westlichen Seitenbogen der Nydeggbrücke, geradeaus windet sich der Stalden in steiler Krümmung hinauf zur Altstadt. In der Mitte ersetzt das Gebäude Mattenenge 2 das «Burgerhus», das legendäre allererste Rathaus Berns (s. S. 12). Als Reliquie sind in seiner neuen Fassade die originalen Quader eingelassen, die ein Kanonenschuss im «Stecklikrieg», dem einzigen dramatischen Höhepunkt in der Geschichte des Nydeggquartiers, 1802 lädiert hatte.

Die bekrönende Figur des Läuferbrunnens, um 1545 vom Freiburger Hans Gieng: ein Berner Stadtbote («Läufer») mit geschultertem Spiess, begleitet vom obligaten Bärlein.
Auf dem Läuferplatz lässt sich der Leitgedanke der Ersatzbebauung augenfällig nachvollziehen: Keine Nachahmung, sondern Nachempfindung des Gewesenen durch zeitgenössische Mittel, verknüpft mit Reminiszenzen an die lokale Bautradition. Aufschlussreich ist der Vergleich mit zwei prominenten, fast zeitgleichen Wiederaufbauprojekten in Deutschland: Nürnberg und Freudenstadt im Schwarzwald. In beiden Fällen versuchte man wie in Bern durch Beibehalten der alten Strassen- oder Platzstruktur und die Schaffung einer traditionsorientierten Dachlandschaft etwas von der einstigen Atmosphäre zu vermitteln, die Fassadengestaltung jedoch war vorbehaltlos modern. Weiss dagegen hatte sich im Unterschied zu den praktisch totalzerstörten deutschen Städten, wo Rücksicht auf eine historische Umgebung nicht mehr zwingend war, in einen übermächtigen Kontext, die unverwechselbare Berner Altstadt einzufügen.

Das Einschussloch, übertragen vom Vorgängerbau. Der «Stecklikrieg» war ein kurzlebiger Aufstand gegen die von Frankreich gestützte Helvetische Republik; der Name bezieht sich auf die teilweise nur mit Knüppeln («Stecken») bewaffneten bäuerlichen Teilnehmer.
Fast zwangsläufig musste sein Konzept konservativer ausfallen: Bernspezifische Elemente wie stark vorspringende Satteldächer oder ein Stück Laube dominieren, sind aber gleichwohl mit offenkundig Modernem kombiniert. So zeigen Eingangspartien, Haustüren, Brüstungsgitter die unsentimentale Knappheit der Fünfzigerjahre, feuchtigkeitsexponierte Partien bestehen aus Kunststein. Prinzipiell bleibt die vormalige Kleinmassstäblichkeit gewahrt, jedes Haus ist individuell behandelt. Diese konsequente Meidung jeglicher Monotonie hilft entscheidend mit, eine deutliche Ahnung der früheren Stimmung zu evozieren. Das Resultat: Der Erinnerungswert und das «malerische Bild» bleiben erhalten, die neuen Quartierpartien fügen sich der historischen Umgebung nahezu widerspruchlos ein – der durchschnittlich aufmerksame Betrachter nimmt die Neuschöpfung als selbstverständlichen Teil der Altstadt wahr.

Das ehemalige «Burgerhus» am Läuferplatz, dahinter die hoch ragenden Hinterhäuser. An der Hausecke das Einschussloch aus dem «Stecklikrieg» (rot).

Die Neuinterpretation durch Hans Weiss ist keine Rekonstruktion. Dachformen, Stichbogen und Stützpfeiler sind traditionelle Elemente; die Ladenfront und die systematisierten Fensteröffnungen entsprechen den Fünfzigerjahren.
Der Nydeggstalden
Die Unterschiede zwischen Neu und Alt sind allerdings deutlich zu sehen, wenn man sich den Stalden bewusst ansieht. Die Sonnseite zeigt mit wenigen Ausnahmen noch die alte Bausubstanz, die dank der freistehenden und somit attraktiveren Lage immer etwas qualitätvoller war. Ihre unaufwendigen Fassaden, häufig in Sichtquaderwerk gestaltet, lassen sich unterschiedlichen Zeitepochen – Spätgotik, Ba...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Impressum
- Inhalt
- Einführung
- Ein Quartier aus den Zeiten der Stadtgründung
- Kirche und Quartier im Mittelalter
- Die evangelisch-reformierte Pfarrkirche
- Kirche und Quartier im Schatten eines Meisterwerks
- Kirche und Quartier als Sanierungsfall
- Quartier und Kirche heute
- Würdigung
- Anhang
- Pläne
- Über das Buch