Zwischen den Jahren
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Zwischen den Jahren

  1. 160 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Zwischen den Jahren

Über dieses Buch

In "Zwischen den Jahren" sind große Themen wie Liebesverrat, Verführung zum Seitensprung, Krieg in Afghanistan, Befehle zum Töten zentral, doch zu lesen sind sie in einem leichten, fließenden Ton. Das macht die Wucht des Textes aus. Er ist schnörkellos erzählt, scheinbar einfach, hat es aber in sich – Lebensweisheiten, die aber an keiner Stelle altklug daherkommen. Im Gegenteil: Sie wirken frisch. Ein Roman mit einer ungeheuren Tiefe. Der Leser ist dank der intensiven Ich-Perspektive der Erzählerin hautnah an den Gefühlen und dem Geschehen dran. Die literarischen Elemente werden in ihrer Wirkung von den klugen, radikalen Einsichten der Erzählerin über ihr Leben und ihr Eheleben, aber ebenso andere gesellschaftliche Entwicklungen wie das Internet oder die Medien ergänzt. Diese klugen Beobachtungen geben dem Roman die Dimension der Abrechnung einer ganzen Generation.

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XVIII

Ich machte mich früh auf zu Tanya. Noch bevor die Kinder wach wurden. Das war nicht schwer, denn in den Ferien schliefen sie oft bis zehn Uhr. Marten hatte mich gegen drei wieder verlassen. Das Bett hatte nach ihm gerochen. Ich zog es noch in der Nacht ab.
Ich kaufte Brötchen in der Bäckerei gegenüber und beobachtete bei einer Tasse heißem Kaffee an einem kippeligen Stehtisch die Fenster ihrer Wohnung. Sie waren nicht zugezogen. Das Auto meines Mannes parkte nicht in der Straße. Also ging ich rüber und klingelte. Klingelte erneut. Das angekündigte Tauwetter war da. Es tropfte von der Regenrinne, und über die Straßen schwammen Eisschollen. Ich wollte gehen. Sie war nicht da oder machte nicht auf. Vielleicht hatten sie sich diesmal im Hotel getroffen. Wahrscheinlich saßen sie gerade bei einem Dreißig-Euro-pro-Person-Buffet und aßen Ananas und Speck zum Frühstück.
„Hey, Hallo!“
Beim Umdrehen lief ich Tanya direkt in die Arme. Sie stank nach Rauch. Ihre Schminke war verwischt, ihre Mütze verrutscht, sie sah fertig aus.
„Was machst du hier?“
Ich hob die Brötchentüte.
„Aber wenn’s nicht passt …“
„Nein, nein, unbedingt! Cool!“
Sie schloss auf, und ich schlüpfte hinter ihr unter der tropfenden Rinne in den Flur. Das Treppenhaus glich einem alten Wiener Fin de Siècle-Eingang. Sigmund Freud hätte hier gewohnt, wäre er Norddeutscher gewesen. Die Ornamente auf den Kacheln verschlangen sich zu traumähnlichen Sequenzen, ein Geflecht aus Muttermündern und Phalli.
„Ich geh nur schnell duschen! Ist okay, oder?“
Natürlich war das okay. Ich hatte es ja selbst getan. Natürlich war es okay, dass sie sich das trockene Sperma meines Mannes vom Oberschenkel wusch, bevor sie mit seiner Frau frühstückte, natürlich kochte ich schon mal Kaffee und deckte den Tisch.
Es war ein kleiner Holztisch mit gedrechselten Beinen. Ich löffelte Pulver in den Kaffeebereiter und goss kochendes Wasser drauf. Es gab genau ein Marmeladenglas im Kühlschrank und ein kleines Stückchen Käse. Die Ingredienzien eines Singlehaushalts. Mein Mann schleppte einmal die Woche Kisten voll Milch, Obst und Aufstrich in die Küche. Tanya nahm immer mal einen Leckerbissen in der Handtasche mit.
Sie erschien mit einem Handtuchturban um den Kopf und im Bademantel. Sie schlug die Beine übereinander und gähnte.
„Wo kommst du her?“
„Sag ich nicht.“
Ich aß keines meiner mitgebrachten Brötchen.
Tanya angelte sich das Marmeladenglas und öffnete es, während ich noch jetzt, wo ich dies schreibe, nasse Handflächen bekomme, weil ich mich noch nie so am falschen Ort gefühlt habe. Sie schmierte sich dick Pflaumenmus auf das Brötchen.
„Willst du Silvester zu uns kommen? Vielleicht kommt noch ein alter Schulfreund. Die Kinder feiern bei Freunden. Das könnte nett werden.“
Ich weiß nicht, woher diese Worte kamen. Auf jeden Fall nicht aus einer rationalen Überlegung heraus. Es war eher eine Übersprunghandlung. Oder die Lust, sich weiter zu demütigen. Wie ein Stachel, den man nicht aus dem Muskel ziehen kann und der vor lauter Ungeduld abbricht, sodass der Schmerz dann so richtig tief geht. Das könnte nett werden, was für eine Phrase. Was für ein Schwachsinn.
Tanya hielt mit musverschmiertem Mund inne, offenbar genauso überrascht wie ich.
„Ja, das klingt doch gut. Ich bringe etwas mit.“
Den Kaffee trank ich ganz gegen meine Gewohnheit schwarz. Ich wollte, dass er mir nicht schmeckt.
„Isst du nichts?“
„Ich habe keinen Appetit.“
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Nachmittags ging ich mit meinen Jungs Feuerwerk kaufen. Sie waren aufgeregt und schleppten ihre Tüten mit Böllern und Raketen zum Bus. Die Begeisterung für das kriegsähnliche Geknalle stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Ich leierte meine Sprüche runter von „nicht in der Hand anzünden“ und „nicht auf Menschen werfen“, und sie sagten Augen rollend ja ja. Natürlich war das Böllern Geldverschwendung und Luxuswahnsinn, natürlich brach ich alle meine Prinzipien – allerdings nicht das erste Mal. Seitdem ich Kinder hatte, war Toleranz wichtiger als Prinzipien. Sie durften Fernsehen, Naschen, am Computer spielen, hatten Handys und Böller zu Silvester – nur hoffte ich, dass sie im Umgang mit Junkfood, visuellen Drogen oder eben Knallkörpern Maß zu halten lernten. Sie zu verbieten führte jedenfalls nicht zum Erlernen von Eigenverantwortung. Aber ich gebe zu, dass ich mir das anders vorgestellt hatte und auch, dass die Widerstandskräfte erlahmt waren. Und ich sah die Begeisterung und Vorfreude auf die Knallerei in ihren Augen, auf das erlaubte mit dem Feuer spielen und Krach machen.
Eigentlich sollen meine Kinder barfuß Fahrrad fahren auf Asphalt, der so heiß ist, dass er weich wird und anfängt zu schwitzen. Kindheit, das sind Haare, blond von der Sonne und an den Spitzen weiß, das ist morgens, mittags, abends im Meer baden und am Strand schlafen, das Gefühl von Creme, die in die Haut einzieht und von rauen Vaterhänden, die sie verteilen. Kindheit, das ist der Geruch von Erde, trockener Erde, von Heu und Gras, das ist unter Getreidesilos sitzen und aus Forsythienzweigen oder Rohrkolbenstängeln Pfeifen bauen, in die man das verrottende Gras stopft und durch die man seine Hitze inhaliert, Kindheit, das sind Stoppelfelder und Staub in den Augen.
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Ich musste meinem Mann sagen, dass ich Tanya eingeladen hatte und dass Marten auch kommen sollte. Als ich mein Handy raussuchte, sah ich, dass er mich viermal versucht hatte anzurufen. Ich hatte es im Supermarkt nicht gehört.
„Hi. Wo warst du gestern?“ Ich bekam den Frost nicht aus meiner Stimme.
„Hast du die Mailbox nicht abgehört?“
„Sorry. Ich war bei Tanya.“
Er überging den Hinweis.
„Es ist etwas passiert.“
Er wollte es mir am Telefon erzählen, es war nicht zu fassen. Auch wenn ich es eigentlich gar nicht hören wollte – das Gespräch hätte von Angesicht zu Angesicht stattfinden müssen.
„Die Sache mit Tom ist aufgeflogen. Ich glaube, es ist gelaufen.“ Er ging also zum Angriff über, wollte mir mit Vorwürfen den Wind aus den Segeln nehmen. Woher nur wusste er es?
„Julian Assange hat damit gedroht, alle Unterlagen, die er noch hat, zu veröffentlichen, falls ihm etwas zustoßen sollte. Auf Mord folgt Veröffentlichung. Das hat er ausgerechnet Al Jazeera gesagt. Und die Regierungen, die Geheimdienste und Banken und was weiß ich müssen in Panik verfallen sein. Die Bank of America hat eine Task Force eingerichtet, um festzustellen, ob kompromittierende Dateien geklaut worden sein könnten. Und das hat der MAD wohl auch getan. Und sie haben eine Spur zu Tom gefunden.“
Langsam, sehr langsam verstand ich, wovon er redete.
„Willst du mir nicht sagen, worum es eigentlich geht. Bei Tom? Was hat er gemacht? Was hat er zu erzählen?“
„Er weiß genug, um Deutschland in schweres Wasser zu bringen. Ich musste mit meinem Intendanten sprechen und dann sogar mit dem Vorsitzenden des Rundfunkrates. Wir sind ein öffentlicher Sender.“
„Wann kommst du?“
„Jetzt. Ich bin so hundemüde.“
„Ja, komm.“
Ich wartete auf ihn. Eine merkwürdige Stunde. Ich hätte Sport machen können, ich hätte arbeiten können, ich hätte mich im Internet erkundigen können, dass MAD als Abkürzung für „Amt für Militärischen Abschirmdienst“ steht und was dessen Aufgabe ist. Nichts davon tat ich. Ich machte weder die Betten, noch kochte ich, noch dachte ich nach. Ich wartete auf meinen Mann. Und zwar auf seine Person mit allem, was ich von ihr wusste und nicht wusste. In einer Mischung aus Erinnerung und Wesensschau konzentrierte ich mich auf die andere Hälfte meines geteilten Lebens. Als ich das Auto vorfahren hörte, war mir klar, dass es nichts zu entscheiden gab oder zu tun. Ich musste einfach nur zusehen, dass das Leben weiterging, und dann würde sich schon zeigen, wie es weiterging.
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Er strich mir über den Kopf und setzte sich an den Tisch.
„Ich habe Tom und Tanya zu Silvester eingeladen.“
„Schön“, sagte er zu ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Kapitel I
  5. Kapitel II
  6. Kapitel III
  7. Kapitel IV
  8. Kapitel V
  9. Kapitel VI
  10. Kapitel VII
  11. Kapitel VIII
  12. Kapitel IX
  13. Kapitel X
  14. Kapitel XI
  15. Kapitel XII
  16. Kapitel XIII
  17. Kapitel XIV
  18. Kapitel XV
  19. Kapitel XVI
  20. Kapitel XVII
  21. Kapitel XVIII
  22. Kapitel XIX
  23. Kapitel XX
  24. Kapitel XXI
  25. Kapitel XXII
  26. Kapitel XXIII
  27. Kapitel XXIV
  28. Kapitel XXV
  29. Kapitel XXVI
  30. Kapitel XXVII
  31. Kapitel XXVIII
  32. Vita
  33. Impressum