PHILOSOPHINNEN
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PHILOSOPHINNEN

Von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte

Rebecca Buxton, Lisa Whiting, Roberta Schneider, Daniel Beskos, Nefeli Kavouras, Rebecca Buxton, Lisa Whiting

  1. 208 Seiten
  2. German
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PHILOSOPHINNEN

Von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte

Rebecca Buxton, Lisa Whiting, Roberta Schneider, Daniel Beskos, Nefeli Kavouras, Rebecca Buxton, Lisa Whiting

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Über dieses Buch

Frauen hat es in der Philosophie immer gegeben. Doch nur selten wurden sie wirklich wahrgenommen oder ihre Lehren verbreitet und überliefert. Dabei können ihre Ideen wichtige Impulse zu alten und neuen Debatten liefern und eine andere Perspektive auf die Welt ermöglichen. Es ist also höchste Zeit, dass Frauen endlich den Platz in der Philosophie und den Wissenschaften bekommen, der ihnen zusteht.Die Herausgeberinnen Rebecca Buxton & Lisa Whiting haben in PHILOSOPHINNEN zwanzig Portraits einflussreicher Denkerinnen zusammengetragen, von der Antike bis in die Gegenwart, über alle Kulturkreise und Religionen hinweg, verfasst von zwanzig jungen, gegenwärtigen Philosophinnen. Ein Buch für Philosophie-Einsteiger und Fortgeschrittene, eine Horizonterweiterung in kritischem Denken – und eine zeitgemäße Ideengeschichte.Mit Texten über: Hypatia, Diotima, Ban Zhao, Mary Wollstonecraft, Lalla, Mary Astell, Harriet Taylor Mill, Mary Anne Evans (George Eliot), Edith Stein, Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Iris Murdoch, Mary Midgley, Elizabeth Anscombe, Mary Warnock, Sophie Bosede Oluwole, Angela Davis, Iris Marion Young, Anita L. Allen und Azizah Y. al-Hibri

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Information

MARY MIDGLEY

1919 – 2018
Von: ELLIE ROBSON
Übersetzung: Roberta Schneider
Mary Midgley war eine mitreißende Ethikerin, deren unerschöpfliche Vorstellungskraft und unermüdliches Hinterfragen der Denkmuster der Philosophie des 20. Jahrhunderts sich über ihr gesamtes langes Leben erstreckten. Doch trotz ihres erfrischend zugänglichen Schreibstils und ihrer Beschäftigung mit praktischen Problemen ist Midgleys philosophische Vision weitestgehend unbeachtet geblieben. Bestimmte Aspekte ihres Schaffens sind allgemein bekannt – wie zum Beispiel ihre Beschäftigung mit Tierethik und ihre Kritik an Richard Dawkins – doch die Bandbreite ihrer Philosophie reicht weit über diese Themen hinaus.
Anders als viele andere analytische Ethiker, die sich oft auf abstrakte Gedankenexperimente konzentrieren oder spezielle philosophische Lehrmeinungen vertreten, war Midgley mehr darauf bedacht, unseren Blick auf die Dinge zu erweitern und zu schärfen. Ihre Bücher sind randvoll mit ergiebigen Ideen über die menschliche Moral; Gegenstände sind insbesondere der Mensch, sein Wesen und seine Verortung in der Welt. Sobald man Midgleys Bücher liest, wird man einen roten Faden bemerken, der sich durch ihr gesamtes Werk zieht – in diesem Sinne kann man Midgleys Philosophie sowohl als holistisch als auch als systematisch beschreiben. Sie beteiligte sich an Debatten der modernen Wissenschaft zur Evolutionslehre, zur Umweltethik und zum Feminismus und legte mit ihrer Philosophie ein konstantes und praxisorientiertes Interesse an aktuellen Themen an den Tag. Midgley präsentiert eine positive und lösungsorientiere Herangehensweise an die alltäglichen Sorgen, mit denen wir in der modernen Welt konfrontiert sind.
Midgley war sich nicht immer ganz sicher, was ihre philosophische Ausrichtung betrifft. Ihre akademische Laufbahn ist ein wenig ungewöhnlich. Während die meisten ihrer Zeitgenoss*innen einen steten Strom von Büchern und Aufsätzen veröffentlichten, konzentrierte sich Midgley auf ihr Dasein als Lehrende, Wissenschaftlerin und Mutter und fing erst gegen Ende ihres Berufslebens an, philosophische Texte zu schreiben. Dieser unkonventionelle Werdegang mag den Eingang von Midgleys Philosophie in den einschlägigen Kanon verzögert haben, doch Midgley, das versichert sie in ihrem stets vernünftigen Ton, sei »heilfroh«, dass sie mit dem Veröffentlichen gewartet habe, bis sie über fünfzig gewesen sei: »Davor wusste ich nicht, was ich dachte.«
Midgleys Memoiren, The Owl of Minerva (2005), zeichnen das Bild einer unbeschwerten Jugend. Mary wurde 1919 in London als Tochter von politisch interessierten Eltern, Lesley und Tom Scrutton, geboren. Ihr Vater wurde später Kaplan am King’s College in Cambridge. 1924 zogen die Scruttons nach Greenford in Middlesex, wo Mary in einem typisch mittelständischen Milieu aufwuchs. Sie beschreibt eine naturnahe Kindheit und erinnert sich an zeitvergessene Abenteuer im Freien mit ihrem Bruder Hugh. Ab dem Alter von zwölf Jahren besuchte sie Downe House, ein Mädcheninternat in der Nähe von Newbury. Sie erinnert sich, wie sie mit sechzehn in Poesie, Latein und Schauspiel schwelgend Platon las und ihn großartig fand.
1938 begann Midgley ihr Studium der klassischen Altertumswissenschaften und der antiken Philosophie (Mods and Greats) am Somerville College in Oxford. Als eine der sehr wenigen Philosophie studierenden Frauen beschreibt sie, wie sie in einer Zeit nach Oxford kam, als das Fach von schlauen jungen Männern dominiert wurde. Philosophie war für diese Männer ein Wettbewerb, bei dem man unter störrischer Zurschaustellung seiner Intelligenz in Wortgefechten die Oberhand behielt – das Ziel war nicht, das Verständnis voranzubringen, sondern zu verhindern, dass man schwach wirkte. A. J. Ayers Language, Truth and Logic (dt. Sprache, Wahrheit und Logik) war nur zwei Jahre zuvor erschienen und sehr einflussreich. Darin spricht er sich dafür aus, eine deutliche Trennlinie zwischen Fakten und Werten zu ziehen. Doch damit verblieben die ethischen Fragestellungen in einem abgeschlossenen Wirkungskreis ohne Bezug zu tatsächlichen Inhalten. Außerdem wurde durch seine Herangehensweise die Arbeit des Ethikers auf wenig mehr als die bloße linguistische Analyse reduziert.
Midgley war unzufrieden mit dieser »Ethik«, die Oxford ihr bot, und zu ihrem Glück war sie damit nicht allein. In Oxford freundete sie sich mit drei ähnlich denkenden Philosophinnen – Elizabeth Anscombe, Philippa Foot und Iris Murdoch – an, die allesamt ebenfalls Ruhm in ihrem Fach erlangen sollten. Als 1939 der Krieg begann, wurden viele junge Männer einberufen, was das Quartett in eine in der Geschichte einmalige Position versetzte, indem es sie von den üblichen demografischen Normen eines männlich dominierten Studienganges befreite. Midgley und ihre Freundinnen nutzten ihre Studienzeit während des Krieges, in der sie von älteren Dozenten und Kriegsdienstverweigerern unterrichtet wurden, um eine Ethik zu entwickeln, die sich von den von Ayer inspirierten Denkmustern unterschied, welche Oxford im Sturm erobert hatten. Anstatt sich in verbissenen linguistischen Analysen zu ergehen, konzentrierten sich diese Frauen darauf, die Ethik in den Bereich menschlicher Erfahrungen zurückzuholen. Das von Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman geleitetet Projekt (In Parenthesis) der Durham University ist derzeit noch immer mit der Erfassung des Gesamtwerks der vier Frauen befasst.
1950 heiratete Mary ihren Kommilitonen Geoffrey Midgley, ebenfalls Philosoph, und zog mit ihm nach Newcastle, wo beide ihr gesamtes Berufsleben verbrachten. Nachdem sie ihre drei Söhne großgezogen hatte, begann Midgley zu schreiben. Trotz ihres späten Einstiegs war sie nicht mehr zu stoppen, nachdem sie mit dem Veröffentlichen begonnen hatte: Von ihrem 59. bis zu ihrem 99. Lebensjahr schrieb sie über zweihundert Bücher, Aufsätze sowie Artikel und lieferte regelmäßig Beiträge für den New Scientist und den Guardian. Ihre energische Stimme und ihre lebensnahen Ideen waren wiederholt im Radio zu hören, und sie trat viele Jahre lang bei Sendungen wie The Moral Maze und Woman’s Hour von Radio 4 auf. Sie griff namhafte Denker wie Richard Dawkins und Daniel Dennett offen an und wurde eine renommierte Ethikerin sowie allgemein bekannte Intellektuelle. Ihr letztes Buch What is Philosophy for? veröffentlichte Midgley 2018 kurz vor ihrem Tod im Alter von 99 Jahren.
Midgleys Denken ist holistisch, was die Einordnung in eine bestimmte philosophische »Schublade« erschwert. Anders als der linguistischen Weltsicht nach, die im Oxford ihrer frühen Jahre vorherrschte, besteht laut Midgley keine signifikante Distanz zwischen der Philosophie und dem menschlichen Leben; von dem einen zum anderen überzugehen sei, als würde man in den verschiedenen Zimmern eines Hauses umhergehen – mühelos und vertraut. »Philosophie«, schreibt sie in The Owl of Minerva, »ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit« – sie ist ein naturgegebener Teil des Menschseins, etwa wie das Erwachsenwerden oder das Sichverlieben. Wenn wir philosophieren, sollten wir nicht als »weltentrückte Intellektuelle« agieren und uns so an einem unergiebigen Unterfangen beteiligen, sondern als Teil eines gemeinschaftlichen, lebendigen Prozesses zur Fortentwicklung der Menschheit. Philosophie ist ganz einfach und von Natur aus menschlich. Midgleys Auffassung von der Philosophie als menschliche Bestrebung weist die Unterscheidung zwischen Fakten und Werten, die bei Midgleys männlichen Zeitgenossen so bedeutsam ist, zurück.
Midgleys Vorstellung einer sich an praktischen Problemen orientierenden Philosophie wird am deutlichsten in ihrer Metaphilosophie, also in ihren Ansichten über die Herangehensweise und die Rolle des Ethikers. In ihrem Buch Utopias, Dolphins and Computers: Problems of Philosophical Plumbing (1996) bringt Midgley den von ihr häufig vorgebrachten Vergleich zwischen Philosophie und dem Wasserleitungssystem an. Beides sind grundlegende Strukturen, die unverzichtbar sind, weil sie Menschen mit lebenswichtigen Mitteln versorgen, die aber unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle agieren und erst dann offengelegt werden, wenn sie zusammenbrechen und alles durcheinandergeht. Wenn das passiert und wir mit unseren Konzepten nicht weiterkommen, ist es die Aufgabe des Philosophen, wie ein Klempner »den Fußboden aufzureißen«, unsere fehlerhaften Konzepte unter die Lupe zu nehmen und sich daranzumachen, das Problem zu beheben.
Diese starke Metapher unterstreicht Midgleys Behauptung, dass Philosophie eine zentrale Stellung im Leben einnehme, dass sie wirklich wichtig sei. Selbst wenn wir – wie im Falle des Wasserleitungssystems – das Problem über einen langen Zeitraum hinweg ignorieren können, werden, um es mit Midgleys Worten zu sagen, die Mythen, die unserem täglichen Leben zugrunde liegen, früher oder später stagnieren und reparaturbedürftig werden.
Ein durchgängiges Thema von Midgleys Philosophie ist das der Welt-Bilder (world-pictures) oder Mythen – Vorstellungen, welche die Narrative von den Normen und Gepflogenheiten zum Ausdruck bringen, an denen sich die Menschheit orientiert. In The Myths We Live By (2003) bringt Midgley viele dieser Mythen ins Wanken – zum Beispiel den Mythos des Gesellschaftsvertrages, der noch immer weit verbreitet ist. Dabei handelt es sich um eine von der Philosophie der Aufklärung popularisierte Vorstellung, dass »die Moral im Grunde genommen nur ein Vertrag ist«, dem autonome Individuen innerhalb einer Gesellschaft aus freien Stücken beitreten können. In ihrer Autobiografie merkt Midgley an, dass die Praxis, die Mythen ins Wanken zu bringen, zeigt, in welchem Ausmaß die Philosophie einer Therapie gleicht; eine unverzichtbare Maßnahme, »wenn die Dinge düster und verworren werden, und nicht, wenn sie klar und unkompliziert sind«. Doch während sie anerkennt, dass solche Betrachtungsweisen gebraucht werden, findet sie, dass auch Probleme daraus erwachsen können, wenn wir versucht sind, zu glauben, dass ein Narrativ die Welt in ihrer ganzen Komplexität erfassen kann; es engt unseren Blick ein und macht ihn einseitig. Midgley behauptet nicht, dass der Mythos vom Gesellschaftsvertrag falsch wäre, sondern gibt vielmehr zu bedenken, dass es ein »für die Aufklärungszeit typischer Fall von Vereinfachung« sei.
Midgleys Methode, der facettenreichen Komplexität »dieser zutiefst rätselhaften Welt« gerecht zu werden, steht im Gegensatz zu einer zunehmenden Tendenz in der Philosophie, ethische Aspekte zu vereinfachen oder zu verflachen. Sprich, der Tendenz, sich auf eine einzelne Vorstellung oder Entität zu fixieren – die Gene, den Wettbewerb, den Markt –, um eine einheitliche Erklärung für die moralischen Gegebenheiten zu liefern. Midgley ist diese Tendenz suspekt; sie kritisiert in Science as Salvation (1992) und The Solitary Self (2010) Vorstellungen wie den »sozialen Atomismus« und das »egoistische Gen«. In ähnlicher Weise warnt sie vor den Gefahren eines »übertriebenen Individualismus«, der durch eine wirklichkeitsfremde Annahme eines radikal konkurrenzbetonten Wesens des Menschen in modernen Versionen des viktorianischen Sozialdarwinismus befeuert wird. In Evolution as a Religion (1985) führt sie an, dass moderne Wissenschaftler wie Richard Dawkins Darwins Evolutionstheorie verzerrt wiedergeben, um den schädlichen Mythos zu erzeugen, dass die Menschen radikal vereinzelte Individuen seien und keine Heimat in der natürlichen Welt hätten, die Schauplatz unablässigen Konkurrierens sei. Midgley sieht dies als schädlichen Mythos an, da er uns dazu ermutigt, uns selbst als »entkörperlichter Geist« und nicht als »irdisches Geschöpf« zu sehen – ein Selbstverständnis, das mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass unser Leben schiefläuft. Wieder kommt Midgley auf ihre Ansicht zurück, dass unsere Philosophie kein einsames Unterfangen ist, sondern dass sie genau wie unser Wasserversorgungssystem ein gemeinschaftlich genutztes Gut ist und dass gemeinschaftliche Bemühungen erforderlich sind, um »das Wasser am Laufen zu halten« und die Vorstellungen, an denen wir uns orientieren, gemeinsam aufzustellen.
Was ist also Midgleys Vision von Ethik? Ihrem Band Beast and Man (1978) zufolge ist Philosophie die Erforschung des komplexen Wesens des Menschen und seiner Stellung innerhalb der natürlichen Welt. Sie ist die Erforschung der echten Bindungen wie Freundschaft, Verwandtschaft und gesellschaftlichen Abhängigkeiten – und davon, wie wir als soziale Wesen mit der Abhängigkeit voneinander umgehen. Ihre Philosophie kann demzufolge dem Lager des ethischen Naturalismus zugeordnet werden, also der Vorstellung, dass die Moral von den Umständen des menschlichen Lebens abhängig ist, Umständen, die durch das gründliche Studium des Tieres »Mensch« eruiert werden müssen. Unsere reiche Kultur ist daher in die natürliche Umwelt eingebettet und wird von ihr ermöglicht, anstatt sich von ihr zu unterscheiden. Doch Midgleys Naturalismus ist nicht reduktiv. Ähnlich wie Philippa Foot in Natural Goodness (2001) legt Midgley nahe, dass die Tatsache, dass wir moralische und vernunftbegabte Wesen sind, das reichhaltige und komplexe Produkt unserer menschlichen »Lebensform« sei.
Die von Midgley immer wieder betonten Abhängigkeiten und Beziehungen sowie der Holismus sind hochrelevant für die zeitgenössischen philosophischen Diskurse in Feminismus, Umweltethik und Tierethik. In Beast and Man beschreibt Midgley einen weiteren problematischen Mythos, und zwar den Irrglauben, dass ein großer Unterschied zwischen Menschen und Tieren bestünde – zwischen dem gesetzlosen mechanistischen Tier und dem rationalen, intelligenten Menschen. Midgleys Meinung nach können wir nur wenig über unser wahres Wesen erfahren, wenn wir eine so drastische Trennlinie ziehen – vor allem dann, wenn wir uns in diesem engstirnigen Dualismus verfangen. Stattdessen müssen wir uns als Teil der Tierwelt verorten: »Wir sind nicht einfach nur wie Tiere, wir sind Tiere.« Midgleys Naturalismus ermutigt uns, das Tier »Mensch« als ebenso instinktgesteuert anzusehen wie alle anderen Tiere. Hier finden wir wieder den roten Faden, der sich durch Midgleys Werk zieht, ihre Kritik an der Vorstellung des Menschen als etwas Abgesondertes, unterstützt vom Mythos des vereinzelten Individuums.
Philosoph*innen zu ermutigen, den Mythos von Tier und Mensch neu zu interpretieren, bietet fruchtbare Perspektiven, was unsere Behandlung nicht-menschlicher Tiere und unser Verhältnis zu unserer natürlichen Umwelt im Allgemeinen betrifft. Uns in die natürliche Umwelt eingebunden zu sehen ändert den Blick auf die Diskussion über menschliche Praktiken – wie zum Beispiel die Fleischindustrie –, welche den Planeten zerstören, auf dem wir leben.
Was ist also das Vermächtnis Midgleys? Ihre zahlreichen Schriften werden von ihrem eigenen Mythos gestützt. Dem Bild eines philosophischen menschlichen Wesens, das gleichzeitig ein Tier ist. Ein Wesen, das in Übereinstimmung mit »Welt-Bildern« lebt, aber sich gegen den Drang zur Reduktion und zur Vereinfachung in einer sich ständig verändernden Welt wehrt. Sich diesen Mythos zu eigen zu machen bedeutet für Midgley unter anderem, den seichten Mythos vom isolierten Menschen zu übermalen und an seiner Stelle ein reichhaltige...

Inhaltsverzeichnis

  1. Table of Contents
  2. Einleitung
  3. DIOTIMA
  4. BAN ZHAO
  5. HYPATIA
  6. LALLA
  7. MARY ASTELL
  8. MARY WOLLSTONECRAFT
  9. HARRIET TAYLOR MILL
  10. GEORGE ELIOT (MARY ANNE EVANS)
  11. EDITH STEIN
  12. HANNAH ARENDT
  13. SIMONE DE BEAUVOIR
  14. IRIS MURDOCH
  15. MARY MIDGLEY
  16. ELIZABETH ANSCOMBE
  17. MARY WARNOCK
  18. SOPHIE BOSEDE OLUWOLE
  19. AZIZAH Y. AL-HIBRI
  20. ANGELA DAVIS
  21. IRIS MARION YOUNG
  22. ANITA L. ALLEN
  23. Danksagung
  24. Weitere Philosophinnen
  25. Impressum