Wenn Regenbogen Schatten werfen
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Wenn Regenbogen Schatten werfen

Eine historisch-philosophisch-erotisch-spirituell-genderqueer-romantische Erzählung davon, das Leben voll zu umarmen...und nach dem Leben zu lernen, inwiefern man es nicht voll genug umarmt hat

  1. 684 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Wenn Regenbogen Schatten werfen

Eine historisch-philosophisch-erotisch-spirituell-genderqueer-romantische Erzählung davon, das Leben voll zu umarmen...und nach dem Leben zu lernen, inwiefern man es nicht voll genug umarmt hat

Über dieses Buch

Loui Catherwood ist ein charmanter und begehrter Philosoph des 18. Jahrhunderts - und ein Mysterium auf zwei Beinen: Denn Loui ist in Wahrheit eine Frau. Verkleidet als Mann bewegt sie sich galant durch eine Welt, die nicht für sie gemacht ist: zwischen persönlichen Abgründen, ihrer geheimen Leidenschaft für die Frau ihres geliebten Bruders und der ständigen Angst, enttarnt zu werden stellt sie sich und ihren Studenten die wichtigsten Fragen des Lebens. Doch Loui wird vor die größte Prüfung gestellt, als sie nach ihrem gewaltsamen Tod auf der anderen Seite des Schleiers ihre Lebensentscheidungen Revue passieren lässt: Hat sie all die kleinen und großen, bewussten und unbewussten Entscheidungen ihres Lebens aus Angst oder aus Liebe getroffen? Eine Erzählung über Identität, Mut und die Suche nach dem, was es wirklich bedeutet, man selbst zu sein. Eine Liebeserklärung an all jene, die sich außerhalb der Grenzen gesellschaftlicher Normen bewegen. Ein Roman, der mit seiner leuchtenden Regenbogenflagge für LGBTQ auch heute inspiriert (obwohl diese Bewegung im 18. JH noch nicht offiziell existierte).

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Information

Jahr
2021
ISBN drucken
9783752659788
eBook-ISBN:
9783753412245
Auflage
1

Plan A

Hannah...“ Meine Sicht war noch etwas verschleiert. Ich sah die Umrisse vage und wie durch Nebel oder als wäre eine Art Ölfilter vor meinen Augen. Ich war zurück in Cambridge. Auf dem Marktplatz. Vor der Kirche. In meinem Körper. Ich war wieder Loui. Alles um mich herum war dicht und solide und sehr, sehr irdisch. Ich holte tief Luft und versuchte, mich im Menschsein zu orientieren. Ich zitterte am ganzen Leib. Hier ging es um Alles. Dies hier wäre die letzte, die wichtigste, die entscheidende Stelle gewesen, das Stimmige, Mutige, Richtige zu wählen. Richtig im Sinne meines Seelenplans A. Ich ortete in mir, in welchem Abschnitt meines Lebens ich mich befand. Was waren meine jüngsten Erinnerungen…? Wo gehörte dieser Tag, diese Situation hin, in welcher Hannah mit aufgeregtem, nervösem Gesicht auf mich zukam? Ich hielt eine Rose in meiner Hand. Eine Rose, deren Stacheln in zuvor entfernt hatte. Dies war unsere erste Begegnung nach unserer gemeinsamen, schicksalhaften, leidenschaftlichen, im Streit geendeten Nacht in London. Nun stand sie mir vor. Es lag an mir. Es lag an und in mir, was ich nun wählte. Ich atmete tief durch; die Luft meines Lebens. Mut, Kraft und Liebe pulsierten in meinem Herzen und durchströmten meine Adern. Mein Blick war klar und gerichtet.
„Hannah!“ Ich lächelte sie an.
„Loui?!“ Ihr Blick war fragend. „Wo ist Helen… warum…?“
„Ich muss mit dir reden, Hannah. Längst. Ich hätte längst mit dir reden sollen. Es tut mir leid, wie viele Tage und Wochen, Monate und Jahre ich dich habe warten lassen. Wir müssen dringend reden. Jetzt!“ Ihre Augen weiteten sich zu riesigen, tiefen, smaragdgrünen Seen; hoffnungsvoll, ängstlich, wartend. Ich schluckte hart. „Was ich vorhabe, ist gefährlich, Hannah. Möchtest du es dennoch wagen, mich zu begleiten? In meiner Kutsche? Ich erkläre dir unterwegs, worum es mir geht.“
Sie zögerte keine Sekunde. Sie nickte; bebend und wild entschlossen, mir zu folgen; nicht wissend, wohin und wozu. Sie vertraute mir blind und leidenschaftlich. Ich brauchte einen weiteren panikerfüllten Augenblick, um innerlich zu realisieren, welche Verantwortung ich mit diesem Schritt auf mich nahm; um keinen Preis wollte ich ihr Vertrauen missbrauchen und wie konnte ich das jemals sicherstellen?
„In Ordnung“, sagte ich mit zitternder Stimme. „Dann komm!“ Ich schenkte ihr ein Lächeln und bot ihr meinen Arm. Eine Geste der Vertrautheit zwischen Verwandten; bislang wussten nur wir beide, was sie für uns wirklich bedeutete. Lebhaft und bildreich entsann ich mich jener Nacht in London, als sie an meinem Arm gegangen war wie meine Frau... Ja, das war es, was ich wollte. Das war es, wofür ich bereit war, alles aufs Spiel zu setzen: Mein -unter meinen Lebensumständen erstaunlich sicheres- Leben mit Helen und an der Universität. Und vor allem und immer wieder: Die Liebe meines Bruders, die mir bisher mehr bedeutet hatte, als mein Leben selbst. Doch in jenem Moment auf diesem Marktplatz in Cambridge wusste ich, ich würde es für die nächsten Jahrhunderte schmerzlich quälend bereuen, wenn ich nicht den Mut aufbrächte, etwas vollkommen Verrücktes zu tun. Manchmal ist das Verrückteste das Stimmigste und Wahrhaftigste, das unsere Seele wählen kann und sollte.
Wir erreichten meine Kutsche und ich machte keinen Hehl daraus, ihr hinauf zu helfen; vorne, auf den Kutschbock, so dass jeder sie sehen konnte. Sollte uns ein Bekannter erspähen, so könnte ich behaupten, Helen hätte keine Zeit gehabt und ich sei für meine Frau eingesprungen, um meiner Schwägerin –wie in den guten alten Zeiten meines Junggesellenlebens- behilflich zu sein. Es war weder verwerflich, noch unbekannt, dass ich meine Schwägerin sehr schätzte. Oft genug hatte man uns auf dem Marktplatz oder auf öffentlichen Festlichkeiten reden, lachen und diskutieren gesehen. Und selbst wenn sich mal der eine oder die andere gefragt haben sollte, wie weit oder tief meine Wertschätzung für meine Schwägerin wirklich reichte, so hätte wohl selbst die kühnste Vorstellungskraft nicht ausgereicht, sich das tatsächliche Ausmaß der vermeintlichen Sünde auszumalen, das wir in den Augen der Kirche und des Gesetztes auf uns geladen hatten: Geliebte des gleichen Geschlechts zu sein... und dabei Ehebrecherinnen, alle beide.
Als wir die Hauptstraße vor dem Markt verlassen hatten, bog ich in die Straße, die zu meinem Haus führte. Hannah blickte mich aufgeregt an. Ihre Augen trugen die Frage, ob ich vorhatte, unser Abenteuer fortzusetzen. Ich wagte es nicht, ihrem Blick zu begegnen. Ich litt an Todespanik. Ich fuhr nicht zu meinem Haus. Kurz entschlossen nahm ich die nächste Kreuzung links, die uns entlang der Cam zum Stadtrand führen würde. Hannahs Blick war umso fester auf mir verhaftet. „Loui...? Was hast du vor?“
Am Rande meines Bewusstseins war mir gewahr, dass mich dann und wann einer meiner Studenten grüßte, als wir am Universitätsbezirk vorbeirauschten. Ich grüßte nicht zurück. Ich war vollkommen fokussiert auf den Schritt des Unmöglichen, den ich vorhatte, zu beschreiten. „Vertraust du mir, Hannah?“, fragte ich irgendwann nahe des Stadtrands.
Sie holte tief Luft und ich spürte, dass sie sich für eine Millisekunde fragte, ob sie das wirklich und letztendlich tat. Dann atmete sie aus und antwortete: „Ja, natürlich, Loui. Mehr als jedem anderen.“
Ich warf ihr einen Seitenblick zu und schluckte. „Mehr...“ Die Frage wollte kaum über meine Lippen kommen, doch sie war bedeutsam: „Mehr als Cedric?“
Ihre Augen weiteten sich erneut. Doch sie lächelte und lachte dann leise. „Was für eine Frage, Loui. Cedric ist mein Mann. Ich habe ihn geheiratet, weil ich ihn liebe. Er ist -wie du besser weißt als jeder andere- ein feiner und guter Mann. Und -wie du ebenfalls besser als jeder andere weißt- ich bin in meiner Ehe mit ihm unerfüllt und unbeantwortet, in einer mir bedeutsamen Art und Weise betrogen, dadurch in wesentlicher Hinsicht schrecklich allein und deshalb fundamental unglücklich. Ich liebe ihn. Und ich vertraue ihm als Menschen. Aber als Ehefrau bin ich enttäuscht und betrogen von ihm als Mann. Um mein Glück, um die tiefste Form meiner Liebe, um meine Leidenschaft. Darum, ja, Loui, ich vertraue dir mehr als ihm. Und wiederum weißt du besser als jeder -und als jede-, warum das so ist.“
Sie wusste oder ahnte, was ich sie wirklich fragen wollte, bevor ich den letzten Mut gesammelt hatte, es zu tun. Sie wollte es mir so leicht wie möglich machen. Mir versichern, was ihre Antwort sein würde, bevor ich den Antrag an sie richten konnte... Ich kämpfte mit den Tränen und sagte leise: „Danke... Hannah... deine Worte sind mir eine Ehre. Sie bedeuten mir die Welt. Sie machen mir Angst. Angst, gerade weil sie so viel bedeuten.“
Mehr sagte ich in diesem Moment nicht und ich spürte, mein Schweigen und die Ungewissheit, was hier vor sich ging, machten sie verrückt. „Loui, warum stellst du mir diese Frage? Was ist geschehen? Was hat es zu bedeuten, dass du mich heute sehen willst, nachdem du dich seit London...“ Sie zögerte und explizierte dann: „... seit dieser atemberaubenden Nacht in London nicht mehr gemeldet hast? Ich habe noch sehr deutlich in meinen Ohren, dass du mich weggeschickt hast, weil du deinen über alles geliebten Bruder nicht derart betrügen kannst...“ Ich wandte ihr meinen Blick zu, als ich die aus Verletzung resultierende Bitterkeit hinter ihren Worten hörte, auch wenn sie versuchte, nüchtern zu klingen. Sie hielt inne.
„Ich erkläre es dir, sobald wir wahrlich für uns sind.“ Ich deutete mit meinem Kopf nach vorn, die Allee entlang, die uns aus der Stadt führen würde. Meine Pferde galoppierten schwitzend dahin und ich konnte es nicht abwarten, den nahenden Wald zu erreichen. Jenen Wald, in dem ich schon so manche Frau verführt hatte. Während ich immer nur die eine gewollt hatte...
Als wir ihn erreicht hatten, schlug mein Herz wie wild und ich zitterte am ganzen Körper. Ich hielt meine erschöpften, schnaubenden Pferde an und holte einige Male tief Luft, während ich die Stille des Waldes, das leise Rauschen des Windes und das Vogelgezwitscher in mich aufnahm, mich daran festhielt als Trost und Halt in jener Minute, in der ich wild entschlossen war, das Undenkbare zu tun. Ich hätte es schon viel früher tun sollen. Für mich. Für Hannah. Letztendlich auch für Cedric, der seinerseits in einer unerfüllten Lüge lebte, ob er das nun sehen konnte und wahrhaben wollte oder nicht.
Ich wandte mich zu ihr um und blickte in ihre seentiefen, vertrauten Augen, die mich so erwartungsvoll, ängstlich und voll banger Hoffnung fixierten. Da war stets dieser Ausdruck in ihren Augen, wenn sie mich ansah, als hätte sie nie etwas Faszinierendes, Ergreifenderes gesehen als mich. Ich konnte nicht umhin, sie anzulächeln. „Du bist so wunderschön, Hannah“, flüsterte ich, nahm ihre Hand und küsste sie zärtlich mit leicht geöffneten Lippen. Dabei ließ ich meine Zungenspitze warm und flüchtig ihren zarten Handrücken streifen und sah in ihren Augen, deren Blick ich hielt, dass all die aufregenden Bilder von ihr und mir durch diese Berührung allein in ihr erwachten. Dort und in jenem Augenblick wurde mir bewusst, was für ein seltenes Geschenk es war, wie tief sie meine Geschenke empfing; wie gänzlich sie alles, was ich ihr anbot, in sich aufnahm, mich in sie eindringen ließ; mich sie erfüllen ließ - in so vielerlei Hinsicht.
Ich hielt ihre Hand in meiner und begann die Rede meines Lebens, nachdem ich nun schon so viele Reden gehalten hatte; über Leben und Sinn, über Diesseits und Jenseits, über Vernunft und Logik und Symbolismus und Wahrheit. Dies hier was das Wahrste, was ich jemals von mir geben konnte: „Hannah, mir ist sehr bewusst, dass das, was ich im Begriff bin, zu tun, blanker, schlichter Irrsinn ist. Es ist Verrat und Wahnsinn, es ist verwerflich und im Sinne der Kirche tiefster Ausdruck von Sünde und Schande. Vor dem Gesetz ist es unter Androhung der Todesstrafe geächtet. Es ist Leichtsinn und vollkommen naiv und illusorisch. Vielleicht wirst du mich für grenzenlos eitel und größenwahnsinnig halten; vielleicht wirst du denken, ich habe den Sinn für Realität verloren. Vielleicht bilde ich mir ein, etwas zu sein, was ich niemals für dich sein kann und ...“ Ich hielt kurz inne und begann erneut: „Hannah, die Sache ist die: Wahnsinnig, wie dies hier sein mag, ich habe erkannt, dass ich es für die nächsten Jahrhunderte, vielleicht für die nächsten Äonen bereuen werde, wenn ich dich nicht frage. Wenn ich es nicht wage, egal wie verrückt es auch sein mag.“
Sie zitterte wie das Laub im Wind um uns herum. Sie wusste, was ich sie fragen wollte und sie hatte innerlich längst „Ja“ gesagt. Warum nur hatte ich das nicht schon längst erkannt und an mich herangelassen?
„Hannah, ich liebe dich. Ich habe dich begehrt und gewollt, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Und ich weiß, dir ging es ebenso mit mir.“ Sie biss sich auf ihre Unterlippe und nickte. „Damals dachtest du jedoch noch, ich sei ein Mann...“, ergänzte ich behutsam. Sie setzte an, etwas zu erwidern, doch ich fuhr fort. „In den nächsten Begegnungen, die wir hatten, verliebte ich mich in dich, Hannah. Und seit jener Zeit liebe ich dich unangefochten. Keine meiner Affären und Liebschaften hat daran jemals etwas geändert. Keine hatte je etwas mit dem zu tun, was ich für dich fühle. Schon lange fühle. All die Jahre. Was wir in den letzten Monaten geteilt haben, ist für mich persönlich ein einzigartiges ekstatisches Wunder. Dass du mich wolltest, obwohl du inzwischen weißt...“
Nun unterbrach sie mich. „Nicht obwohl, Louisa...“
Ich lächelte ihr zu und versuchte mein Bestes, ihr zu glauben. Angst wallte in mir auf und drohte, mich zu verschlingen. Die vertraute Angst davor, was geschehen würde und wie sie zu mir stehen würde, sollte sie jemals aus diesem Rausch erwachen, in den ich sie offenbar versetzt hatte. „Es bedeutet mir die Welt, dass du das so empfindest, Liebste. Wahrlich, das sind keine leeren, charmanten Worte: es bedeutet mir die Welt. Es ist das Wichtigste in meinem Leben. Ich gestehe, es fällt mir schwer, dir zu glauben oder auch nur nachzuempfinden, was diesbezüglich in dir vorgeht. Denn ich weiß, du begehrst eigentlich das männliche Geschlecht und hast, soweit ich weiß, nie eine Frau vor mir begehrt...“
„Es geht nicht um Männer oder Frauen, Loui. Es geht darum, wie ich mich fühle, wenn du mich ansiehst. Wenn du lächelst. Wenn du mich berührst. Wie tief du mich siehst und erfasst. Was du in mir auszulösen vermagst. An einer Stelle meines Erkenntnisweges, dass du eine Frau bist, hat es mein Verlangen nach dir nur noch gesteigert, weil mir bewusst wurde, wie anziehend ich es finde, wie du das Weibliche und das Männliche in dir vereinst und was für wundervolle, betörende Gefühle du in der Verkörperung dessen in mir hervorrufst. Ich würde nicht mehr wollen, dass du stattdessen ein Mann bist, denn dann wärst du ein anderer Mensch und würdest mir anders begegnen. Und so vollkommen, wie ich unsere Begegnung in dieser Konstellation empfinde, Loui, könnte es nur weniger sein, wärst du ein Mann.“
Tränen liefen über meine Wangen, während sie sprach. Ich glaubte ihr. Für diesen wundervollen Moment hatte mein Herz den Mut, ihr zu glauben. „Ich habe unbeschreibliche Angst davor, was geschehen könnte und was es mit mir machen würde, solltest du das jemals anders empfinden und feststellen, dass du dich in ein Traumbild verrannt hast. Ich habe geradezu Panik davor, dass du mich eines Morgens anschauen wirst und Ekel statt Lust empfinden könntest, wenn du an unsere Liebe denkst. Dennoch muss ich dich dies hier nun fragen, Geliebte...“ Ich holte tief Luft.
Sie lächelte. „Frag, Loui... frag endlich...!“
Und ich tat es: „Hannah, wissend, was ich bin und wissend, was ich nicht bin, würdest du mit mir leben wollen? Möchtest du mit mir leben als … als meine Frau? Als meine Geliebte? Meine Gefährtin? Würdest du Cedric verlassen und mit mir weggehen?“ Das Blut rauschte in meinen Ohren und ich ertrug die nächsten Sekunden des Schweigens kaum, ohne vor Angst vor ihrer Antwort ohnmächtig zu werden. Erst da verstand ich, wieviel Angst ich vor ihrer Zurückweisung gehabt hatte. Geradewegs so, als würde sie dadurch mein Wesen und meine wahre Natur auslöschen und für nicht real erklären können. Es ging nicht vorrangig um Cedric und den Horror darüber, ihn derart zu betrügen; ihm die Frau auszuspannen; ihn in Schande zu stürzen und öffentlich zu demütigen. Es ließ mein Herz bluten, dass dies geschehen würde, sollte Hannah Ja! zu meiner Frage sagen und dass es meine Schuld und Verantwortung sein würde, dass er tief unglücklich und enttäuscht sein würde, riss mir schier die Seele entzwei; doch es war immer und immer, zuallererst und hauptsächlich um meine Angst vor Hannahs Zurückweisung gegangen. Cedric nicht derart verletzen zu wollen, war eine willkommene Entschuldigung; eine Ausrede und ein Versteck davor gewesen, mich dieser Angst nicht stellen zu müssen. Wie tief ich Hannah in meinem Herzen tragen musste, dass sie in meinem Inneren solche Macht über mich hatte. Nun, in dieser Version der Realität, war ich bereit zu fühlen, was das in mir auslöste.
Ihr Gesicht war ernst und ihre grünbraunen Augen tief und hell. „Ja, Louisa, das würde ich. Das möchte ich. Du bist mein Glück und meine Erfüllung. Ich möchte mit dir leben als deine Frau. Ich möchte neben dir auf der Straße an deinem Arm gehen als mein Mann und mit dir unser Ehebett teilen als meine Geliebte. Und ja: Ich würde Cedric für dich verlassen. Ich weiß, allein die Frage muss dir dein Herz brechen, denn ich habe eine Ahnung davon, wie sehr und wie tief du ihn liebst. Weit tiefer als ich und ich finde es schrecklich, ihm antun zu müssen, was wir ihm antun werden, wenn wir tatsächlich wagen, was du mich gerade fragtest. Aber ich will dich mehr als alles andere in meinem Leben und es fühlt sich so wahr und richtig an, so tief und echt, dich zu lieben. Mir ist gleichgültig, was die Kirche dazu zu sagen hat; in meinem Herzen und vor meinem Gott wäre es das Richtige, weil es meiner eigenen Wahrhaftigkeit dient und dem, was ich fühle.“
Ich antwortete schnell: „Dann geh mit mir weg und heirate mich, Hannah.“
Sie starrte mich sekundenlang gebannt an. „Meinst du das im Ernst, Louisa? Ganz im Ernst?“
Ich nickte und hielt ihrem tiefen Blick stand, der mich zu verschlingen schien. Sie suchte noch einige Sekunden in meinen Augen nach einer Hintertür des Zweifels, dann warf sie sich in meine Arme und klammerte sich an mich. Schluchzend und bebend, hingebungsvoll wie ich sie kannte und liebte. I...

Inhaltsverzeichnis

  1. Widmung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Prolog
  4. Zwischen zwei Welten
  5. Teufelsweib
  6. Jüngling
  7. Brüder
  8. Geschenk
  9. Verdienstquelle
  10. Männergespräche
  11. Herzdame
  12. Liebhaber
  13. Held
  14. Heiratspläne
  15. Hexe
  16. Seelenwege
  17. Ehefrau
  18. Geliebte
  19. Hüllenlos
  20. Fern der Wirklichkeit
  21. Strohfeuer
  22. Frauensache
  23. Wahrheit
  24. Portal
  25. Amazone
  26. Blindheit
  27. Drohungen & Versprechen
  28. Familienfest
  29. Zeichen
  30. Kerker
  31. Himmel
  32. Plan A
  33. Anmerkung der Autorin (Disclaimer)
  34. Impressum