WERDEN LEBENSFORMEN
IN FRAGE GESTELLT?
Ist die Lebensart vor dem Ausbruch der Corona-Krise in Frage gestellt?
Die Antwort darauf kann derzeit nur eine vorläufige, aber doch auch vorwegnehmende sein, abhängig davon, ob die Krise in Kürze hinter uns liegt oder ob sie weit länger als erwartet fortbesteht. Die Frage zielt auf die Lebensart von demokratisch regierten Wohlstandsgesellschaften, in denen Verführung und Verführbarkeit zur ungehemmten Luxurierung des Lebens immer neu den Sieg über vernünftige Bedenken dagegen den Sieg davontragen. Aberwitzige Innovationen zur Steigerung der Annehmlichkeiten des alltäglichen Lebens (smart home), aberwitzige Anstrengungen zur Erhaltung der Gesundheit und zur Verlängerung des Lebens, aberwitzige Zielsetzungen wie die des jeweils zweitgrößten Autobauers der Welt, erstmalig oder wieder der größte zu werden, werden verkündet, als ob sie Menschheitszielsetzungen gleichkämen, beherrschen die Gemüter im Einzelnen und im Gesamten. Die Vorhaben und Ausübungen sind durchweg selbstbezogen, ob im wirtschaftlichen oder im privaten Konsum. Man hat viel Stress und wenig Zeit, hat aber doch seinen Gewinn und seinen Genuss. Vor allem aber will man seinen Spaß haben, eine ganz eigene Form von Lebensfreude: quietschendes Vergnügen. Das ist in seiner Kürze keine Kapitalismuskritik und Wohlstandkritik, sondern nur ein Stück Bestandsaufnahme der gelebten Lebenswirklichkeit, um konkreter die Frage zu stellen, ob der Mensch durch die Art, wie er lebt, das meint in diesem Corona-Monat: wie er im Davor lebte, sich selbst in Frage stellt. Folgen wir der Jugend, die jüngst mit Umsicht und Einsicht die Gefahren des Klimawandels tatkräftig ernst zu nehmen begann, dann stellt der Mensch durch seine Lebensart in der Tat sich selbst in Frage und will es auch alsbald wieder tun. Oder könnte es doch wie durch ein Wunder sein, dass die Corona-Krise die Selbstbezogenheit der Lebensentwürfe und Lebenspraxis aufbricht, um die Teilung der Spaß- und Erlebniswelt, der Annehmlichkeiten und Genüsse um eine Welt auszuweiten zur Teilung der menschlichen Verantwortung für das Leben auf der Erde als seiner Wohnstätte?
Warum sollte ausgerechnet eine weltweite Bedrohung von Leben und wirtschaftlicher Existenz durch ein und dieselbe Krankheit Menschen dazu bringen, über die Selbstbezogenheit ihrer Interessen, wie sie in einem Land der Erde in seiner Verfassung verankert ist, im »Pursuit of happiness«, hinauszugehen, um in Zeiten und Räumen zu denken, die die eigenen Lebensperspektiven unendlich überbieten? Die Autoindustrie hat im Mai 2020 ihre Forderungen nach Abwrackprämien für intakte Autos, damit neue »Benziner« und E-Autos gekauft werden, verstärkt. Eine abenteuerliche Verrücktheit: Autos auf Autofriedhöfen, die noch von A nach B und von X nach Y fahren können, auf Autofriedhöfen zu beerdigen, damit neue Autos gekauft werden. Das treibt wirklich die Innovation um der Innovation willen und den Konsum um des Konsums willen auf die Spitze. Doch hat die Autoindustrie nicht recht, handelt sie nicht im Interesse aller, aller nämlich, die als Verführte längst mit den Verführern paktieren? Die Lebensart ändern durch eine bewusste Verarmung des Lebens, durch bewusste Zerstörung eines funktionierenden fruchtbaren Verbunds von Politik und Wirtschaft – das überfordert ganz offensichtlich alle Seiten, die an der vor Corona gelebten Lebensart mit ihren Eigeninteressen Anteil nahmen. Systemrelevante Gruppierungen wie am Fußball Verdienende und am Fußball Spaß Habende, am Auto Verdienende und am Autofahren Spaß Habende, die das reine Weiter-wie-vorher mit Macht verlangen, im Verein mit den großflächig agierenden Verschwörungstheoretikern, die eine Existenz der Corona-Krise in Abrede stellen, sind ein starkes Indiz dafür, dass der Mensch seine Lebensart vor Corona nicht in Frage gestellt sieht.
Das eine ist die Lebensart vor Corona, zu der alle diejenigen so schnell wie möglich zurückkehren wollen, die sich davon versprechen, wieder ihr normales Leben zu führen und ihren gewohnten Spaß zu haben. Ein anderes aber ist es, in der Zeit der Corona-Krise zu leben und ihre Bedrohungen zu bestehen. Die aber sind so stark, dass die Bedrohten keine Zeit darauf verschwenden, über eine mögliche und nötige Veränderung der Lebensart nachzudenken, die durch Corona angestoßen wäre, sondern die sich mit der Gefahr konfrontiert sehen, ihre Existenz zu verlieren. Allem voran steht die Kultur existenziell auf dem Spiel. Die Orte ihres Wirkens sind die der großen Menschenversammlungen, die Menschen einander nah, ja in nächste Nähe bringen. Hier wirken sich die als Schutzmaßnahmen für Bedrohte gemeinten Freiheitsbeschränkungen in einem übertragenen Sinne tödlich aus. Durch den Lockdown ist nicht die Freiheit als Grundrecht in Gefahr, sondern die Freiheit, die Kultur am Leben erhält. Ist man sich einig, dass nicht zwischen dem Leben der Jungen und Alten ein wertender und für die Bewältigung der Corona-Krise relevanter Unterschied gemacht werden darf, so gilt das nicht weniger für das Leben der durch den Tod Bedrohten und das Leben der durch Vernichtung ihrer Existenz Bedrohten. Ist für Regierende das Auto systemrelevant, nicht aber die Kultur, weil diese keine Lobby, zumindest keine wirksame, hat, dann ist dagegen einzuschreiten. Das gilt auch für alle anderen wie Cafébesitzer, die ohne entschiedene Lockerung des Lockdowns nicht etwa auf Zeit um ihre flotte Lebenszeit gebracht werden, sondern im genauen Sinne des Wortes vor dem Nichts stehen. Wird bereits jetzt damit gerechnet, dass die Corona-Pandemie im Jahre 2020 nicht ihr Ende findet, um für das Danach Platz zu machen, ja wächst die Skepsis, dass das Überstehen von Covid-19 auch gegen es immun macht, dann hält das gegenwärtig zu lebende Leben die Frage menschlichen Lebens gänzlich in ihrem Bann. Die von allen gewünschte Veränderung des Lebens ist der Wechsel von seiner Anormalität zu seiner Normalität. Damit aber geraten geistige und geistliche Traditionen ins Visier, die vom wahren und eigentlichen Leben wussten, das als das ganz andere erzählt wurde, anders als das normale, wie es der Mensch lebt, der als Mensch unter Menschen die Tage seines Lebens über den Tag und durch die Nacht kommt.
Werden geistige Lebensformen in Frage gestellt?
Die geistige Lebensform, wie sie Philosophen als die wahre und eigentliche vorsehen, hat es in der Lebenswirklichkeit, selbst in der philosophischen, nie gegeben und wird es auch nie geben. Das war schon vor dem Corona-Ausbruch klar, könnte aber durch die herrschende Krise neu bewertet werden. Die in der Tradition formulierten Aufrufe, ein geistiges Leben, eine geistige Existenz zu führen, sind bis heute nicht verhallt und finden auch heute noch in nicht geringer Zahl potente Befürworter. Es ist geraten, sich ein Bild von diesem geistigen Leben zu machen, zu dem Philosophen zu führen versprechen, um ernsthaft die Frage stellen zu können, ob diese philosophischen Entwürfe menschlicher Wahrheit und Eigentlichkeit, dem Geist des Menschen, wie er jetzt die Möglichkeiten menschlichen Gelingens zu erkennen und wahrzunehmen sucht, nicht nur im Wege stehen, sondern betörend auf ihn wirken und ihm den Verstand, den gesunden Menschenverstand, zu nehmen drohen.
Im 6. Jahrhundert v. Chr. beginnen in Europa und in China Philosophen damit, das, was in ihren Augen für den Menschen und sein Leben von maßgeblicher Bedeutung ist, philosophisch aufzuwerten. Dadurch verändern sie auf radikale Weise das Verständnis vom Menschen, von seinem Leben und seiner Lebenswelt. Sie scheiden in ihrem Werten all dies Bedeutsame in Wahres und Unwahres, Hochzuachtendes und Zuverachtendes, Wirkliches und Unwirkliches. Diese Philosophen lügen nicht. Nein, wie sie sich selbst verstehen, verwenden sie alle Kraft, was bei ihnen heißt: alle geistige Kraft, für die wahre Wahrheit, für die allein wahre, hochzuachtende und wirkliche. Sie merken nicht und wissen nicht, dass sie sich selbst belügen. Sie stecken, wie es der erhellend aufklärende Philosoph sagen muss, in einer Realitätsfalle. Sie denken, dass das, was sie erdenken, wirklich ist, und dann natürlich, weil nicht auf gewöhnliche Weise wirklich, einzig wahrhaft wirklich ist. Philosophie, die in ihren großen Traditionen Metaphysik ist, geht gezielt über die Natur hinaus ins Übernatürliche. Indem sie und wie sie das Übernatürliche gegenüber dem Natürlichen zur eigentlichen Wirklichkeit erklärt, baut sie sich selbst die Realitätsfalle, in der sie steckt, und dies, als wäre es ihr einzig möglicher und eben wirklicher Lebensbereich. Das Denken wird zum eigentlichen Leben, der Gedanke zum eigentlich Wirklichen.
Vergeistigen, wie Marcel Proust es in seiner Recherche an einer Bühnenaufführung von Racines Phädra als künstlerisches Schaffen vorführt, erzeugt kein bloßes Gedankending, das Kant eine Chimäre nennt. Da geht es um die Vergeistigung einer Empfindung, die reale Empfindung bleibt, aber durch ihre Vergeistigung die Gegenwart zu der eines Ereignisses der Kunst macht.9 Vergeistigt dagegen metaphysische Philosophie den Menschen zum wahren Menschen, dann hat dieser nichts Menschliches mehr. Man kann ihm nicht länger als einem Menschen begegnen, ihn wahrnehmen und empfinden. Rein erdacht, wie er ist, ist der Zugang zu ihm allein über die Sprache möglich, von der das Erdenken Gebrauch gemacht hat. Die totale Überhöhung der Wirklichkeit erfordert dabei verständlicherweise die totale Überhöhung des Sprachverstehens. Die dabei gegebenen Verstehensanweisungen sagen immer dasselbe: Verstehe das ja nicht auf gewöhnliche Weise, sondern ganz anders. In erster Linie gebraucht sie für diese Anweisungen Emphatika. Neben den genannten »wahrhaft/wahr« und »eigentlich« sind es vor allem »selbst«, »rein«, »echt«. Hinzukommen Komparative und Superlative, im Schriftbild Kursivdruck. Um von der zu berichtenden Unterscheidung von gewöhnlichem und ungewöhnlichem Sprachgebrauch ein klares Zeichen zu geben, ist sie am besten durch Groß- und Kleinschreibung kenntlich zu machen: Mensch und MENSCH, Leben und LEBEN, wahr und WAHR, Lust und LUST, Wissen und WISSEN. Der wahrhafte und eigentliche MENSCH bewegt sich kraft wahrhafter und eigentlicher DENKTÄTIGKEIT allein im rein GEISTIGEN und damit im Reich des Großzuschreibenden. Könnte nun auch die Covid-19-Pandemie etwas Großzuschreibendes sein, ein übernatürliches Ereignis, das etwas ganz anderes ist als die zur Zeit auf der Erde wütende? Nein, das ist schlichtweg unmöglich. Der MENSCH erkrankt nicht, das tut allein der vulgäre Mensch, der für Jedermann und Jedefrau steht. Der wahre MENSCH, wie ihn Zhuang Zi in seinem Grundbuch des Daoismus, das die Lehre des Lao Zi zusammenfasst, im 4. Jahrhundert v.Chr. entwirft, ist kein Mensch unter Menschen, kein geschlechtlicher Mensch, sondern ein radikal auf sich selblst bezogenes geistiges Wesen. Damit gibt es mehr als einen Grund dafür, dass sich dieses Wesen nicht anstecken und auch überhaupt nicht krank sein kann. Macht man mit der Metaphysik einen Sprung ins 20. Jahrhundert, dann sieht das immer noch nicht anders aus. Der wahre MENSCH ist für Martin Heidegger kein Lebewesen, sondern ein Seinswesen, »Sein« im Sinne des ekstatischen, rein augenblicklichen DASS. Diese Ekstatik ist ein rein geistiger Akt, wobei es einem nachvollzugswilligen Denken schwerfallen muss, die gemeinte Reinheit des Aktes zu erfassen: Es geschieht in diesem Ereignis nichts, ihr DASS ist ein Dass ohne Was. Der rein auf sich selbst bezogene Geist denkt nichts, erblickt nichts. Er ist als reines Selbstsein, mit derselben Reinheitsproblematik, ohne möglichen Kontakt mit anderen Selbsten. Heideggers »existenzialer Solipsismus« sieht das reine Selbstereignis als eines der Entindividualisierung vor: Jäh ist der MENSCH DA, ohne dass er irgendwo wäre und als ein Etwas da wäre.
Heideggers Metaphysik, wie er sie 1919 in einer Vorlesung als Urwissenschaft und damit als WISSENSCHAFT entwirft und ihr mit der Frage »Gibt es etwas?« einen Vorgeschmack auf seine »Seinsfrage« gibt, ist vorzüglich dazu geeignet, die große Tradition der metaphysischen »Anthropologie« des MENSCHEN, die von den ersten griechischen und chinesischen Philosophen bis ins 21. Jahrhundert reicht und die bei allen Unterschieden im Wesentlichen ein und dasselbe MENSCHEN-Bild zeigt, differenziert vorzuführen. Die durchgängige Methode metaphysischen Denkens ist die der Diskriminierung, der wertenden Absonderung. Damit ist auch schon der Grund dafür gelegt, dass sie, wie zu ihren Gunsten zu vermuten ist, unwissentlich methodisch an einer Falle für sich selbst baut: an der Realitätsfalle. Ihr Diskriminieren, ihr wertendes Absondern, ist für erhellende Aufklärung ihr maßgebliches Problem. Notwendig sind ja alle ihre Absonderungen gedachter Natur, was sie nicht unsicher, sondern im Gegenteil sicher macht, dass die Absonderung auch wirklich gelingt und das durch sie Hochgewertete nicht etwa auch wirklich, sondern vielmehr die wirkliche Wirklichkeit ist. Unterscheidet der Metaphysiker wahrhaft Seiendes und Nichtiges (Platon, Zhuang Zi), zu Achtendes und zu Verachtendes (Zhuang Zi, Kant), Eigentliches und Uneigentliches (Heidegger), dann zeigt er deutlich, was ihn durch Diskriminierung zu seinen geistigen Höhenflügen befähigt: das Herabsetzen und Herabwürdigen.
Die Absonderung der geistig-lebendigen Kräfte von den leibhaft-lebendigen Kräften oder die Diskriminierung des Leibes
Metaphysische Anthropologie hatte sich, den Unterschied von Mensch und MENSCH nicht klar vor Augen, gewöhnlich darauf verstanden, dass der Mensch ein Lebewesen ist, dies allerdings mit der einzigartigen Auszeichnung, dass es über den Logos verfügt: zôon logon echôn. Heidegger wendet sich vehement gegen diese Bestimmung des Menschen, weil sie unmöglich die des MENSCHEN ist. In dieser geläufigen Definition hält Metaphysik eine grundlegende Motivation ihres Diskriminierens bedeckt: das Herabsetzen. Heideggers MENSCH lebt nicht, sondern IST, das heißt ist ekstatisches DASS im Sinne reinster geistiger Selbsthaftigkeit. Nennt Platon den Leib den Kerker der Geistseele, um daraufhin zu bekennen, dass es am schönsten wäre, als Geist frei zu sein, um einzig noch, und dies in ganzer Reinheit, zu denken, dann gibt es für den Menschen die reine Geistigkeit allein um den Preis des leibhaften Todes. Doch es bleibt für ihn dabei, dass der Leib des Menschen für den Menschen etwas schlechthin Unwürdiges ist. Aber wie steht es dann mit den schönen jungen Männern, mit dem leibhaft schönen Charmides? Nein, der bringt den Denkenden nicht dazu, bei ihm leibhafte Lust zu entfalten. Er befeuert ihn so gut wie ausschließlich dazu, der geistigen Lust eine Chance zu geben. Mit schönen, geistig-sittlichen Reden erzeugt er Schönes in ihm, wohl wissend, dass die Schönheit eines Charmides im Letzten allein durch die Schönheit seiner Seele gewährleistet sein kann. Das aber heißt: Das geistige Leben ist wirkliches Leben, nicht aber das Leben, das einem Körper, der ein lebendiger Organismus ist, zugehört. Dem sekundiert Aristoteles in seinem jugendlichen Überschwang: »Also muss man entweder philosophieren oder dem Leben adieu sagen und von hier weggehen, denn alles übrige scheint nur ein großer Nonsens und leeres Geschwätz zu sein«.10 Das ist bedenklich: Einer, der sich zum Philosophieren berufen weiß, zu einem Fragen, das über das Natürliche hinweg ins Übernatürliche reicht und dort zu Einsichten gelangt, summiert das, was dem Menschen sonst zu tun bleibt, spontan unter den Pejorativ »Geschwätz« (lêros). Darin liegt die These: Nur philosophischer Logos, ob Frage, Urteil oder Erklärung, ist wahr. Philosophie ist für ihn die Wissenschaft der Wahrheit.11 Auch für Heidegger ist das Markenzeichen einer unphilosophischen Existenz Gerede, Geschwätz, Tratsch. Dies Zeichen muss ein Pejorativ sein, da metaphysische Philosophie in sich diskriminierend ist: absondernd und herabsetzend.
Die Diskriminierung der Lebenswelt
Der Grundsatz des Sensualismus lautet »Nichts ist im Geiste, was nicht vorher in den Sinnen war«. (John Locke) Für Metaphysiker bringt er die wahre UNWAHRHEIT zum Ausdruck, da ihre Grundüberzeug ist, dass die Absonderung der geistigen Existenz von der Existenz, die der Mensch unter Menschen im Alltag führt, vollends gelingt. So erklärt Kant den rein vernünftigen Menschen, an dem sich seine ganze Moralphilosophie orientiert, als den, der gänzlich, von der Sinnenwelt geschieden, in der Welt des Geistes zuhause ist. Dank seiner reinen Vernünftigkeit ist sein Wille absolut gut und absolut frei. Die Vernunft versteht er als das »eigentliche Selbst«. Da es ihm bei allen Versuchen nicht gelingt, den absolut Vernünftigen mit der Lebenswelt zu vermitteln, um in ihr seine Vernunftwerke zu errichten, hätte er eigentlich merken müssen, dass der rein Vernünftige ein rein Erdachtes ist, ohne jede Realität, die für den Menschen, der wir sind, zum Guten wirken könnte. Doch das hat Metaphysik nie wahrhaben wollen. Sie gründet auf der Herabwürdigung des leibhaften Lebens, des Alltags, des Lebens des Menschen unter Menschen. Sie lebt damit von der Herabwürdigung des Menschen, der wir sind, bei Heidegger: des Menschen lediglich als solchen. ...