Lebensbilder der Epoche zwischen 1611 und 1718
Gustav II. Adolf
Kristina
Karl X. Gustav
Karl XI.
Karl XII.
Gustav II. Adolf von Schweden1

Gustav Adolf, zeitgenössischer Kupferstich nach einem Gemälde des Niederländers van Dyck
| * | 9. Dezember 1594 im Stockholmer Königsschloss |
| † | 6. November 1632 auf dem Schlachtfeld bei Lützen |
| Grabstätte | Riddarholms-Kirche in Stockholm |
Eltern Herzog Karl von Södermanland, später König Karl IX. (15. März 1607), und Christine, Prinzessin von Holstein-Gottorp
Eheschließung am 25. November 1620 in Stockholm mit Marie Eleonore, Prinzessin von Brandenburg-Preußen (* 11. November 1599 in Königsberg, † 28. März 1655 in Stockholm, Grabstätte in der Riddarholms-Kirche in Stockholm), Eltern: Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg, und Anna, Prinzessin von Preußen
| 4. Oktober 1595 | Demonstrative Schaustellung Gustav Adolfs auf dem Reichstag in Söderköping durch Karl von Södermanland |
| 26. Dezember 1611 | Mündigkeitserklärung durch die Stände |
| 1. Januar 1612 | »Königsversprechen« Gustavs II. Adolf |
| 27. Februar 1617 | Siegfrieden zu Stolbovo |
| 26. August 1617 | Verkündung eines Annexionsprogramms vor dem Reichstag zu Örebro durch Gustav II. Adolf |
| 12. Oktober 1617 | Krönung Gustavs II. Adolf im Dom zu Uppsala |
| 15. September 1621 | Eroberung Rigas |
| 18. Februar 1622 | Verkündung neuer Annexionsziele vor den Ständen |
| 7. Januar 1626 | Sieg über das polnische Heer bei Wallhof in Kurland |
| 26. Juni 1630 | Landung bei Peenemünde |
| 7. September 1631 | Sieg bei Breitenfeld |
| 5. April 1632 | Sieg bei Rain am Lech und Tod Tillys |
| 21.–25. August 1632 | Vergeblicher Sturm auf Wallensteins Nürnberger Lager |
Der schwedische König ist einer der bedeutendsten Kriegerkönige der europäischen Geschichte. Napoleon sah das allerdings 1817 auf St. Helena anders. Das sei »also dieser große Gustav!« Er habe in »achtzehn Monaten … eine Schlacht gewonnen, eine andere verloren«, sei »in der dritten totgeschossen« worden, »gewiss ein billig erworbener Ruhm!« Der große Korse und sein Diskussionspartner General Gourgaud waren sich damals einig, Gustav Adolf verdanke »seinen Ruf dem, was er erst tun wollte!«, alle »protestantischen Schriftsteller« hätten »ihn als Held gepriesen.« So stehe »Gustav als Wundermann da«, doch wären »Tilly und Wallenstein … bessere Generäle als Gustav Adolf« gewesen. Man kenne von diesem »kein einziges kunstgerechtes Manöver«. Tilly hätte ihn »aus Bayern hinausmanövriert«, der Schwede sich »Magdeburg vor seinen Augen wegnehmen« lassen (Napoleon, Gedanken, S. 289). Zweifellos eine sehr kritische Sicht des Erobererkaisers. Anders seinerzeit die Auffassung Clausewitz’. Er nannte den Vasa ein militärisches Genie und einen der Vorläufer Bonapartes. Ähnlich werteten Generationen schwedischer und deutscher Historiker. Eine kürzlich in Schweden und Deutschland veröffentliche Untersuchung über die Historiographie zu diesem Herrscher weiß zu berichten, die einstige Glorifizierung verursache heute in Schweden »Verlegenheit«. Man frage sich, ob man die Gräuel der Schwedenfeldzüge während des Dreißigjährigen Krieges nicht besser vergessen sollte. Der Autor, ein Lunder Historiker, verneint selbst kategorisch jeden Grund, stolz auf diesen König zu sein.
Auch in Deutschland zweifeln die meisten Kenner dieser Periode nicht, dass den schwedischen König Expansionsgelüste in den Krieg trieben. Dennoch räumen nahezu alle hiesigen Historiker echte konfessionelle Erwägungen und Motive für den Feldzug nach Deutschland ein. Nur wenige bedeuten, er habe seine Entscheidungen »ohne religiöse Rücksichten aus rein machtpolitischen Erwägungen heraus getroffen« (Buchholz, 314).
Schon 1983 hatte eine skandinavische Religionshistorikerin treffend bemerkt, man dürfe Gustav II. Adolf nicht als gläubiges Individuum verstehen. Seine Frömmigkeit sei nicht »Ausdruck für eine persönliche Auffassung«. Es war die Pflicht des schwedischen Königs, als »Verteidiger des evangelischen Glaubens« aufzutreten. In Schweden war es die auf einer Kirchenversammlung 1593 in Uppsala angenommene Überzeugung, »dass religiöse Einheit eine Voraussetzung für politische Einheit und damit für Ruhe und Frieden im Lande« sei. So habe Gustav II. Adolf beständig betont, sein Cousin Sigismund »hätte eben wegen seiner katholischen Religionszugehörigkeit zu keiner Zeit Rechte auf Schwedens Thron gehabt«. Nur ein lutherisch gläubiger Herrscher konnte eine wesentliche Aufgabe des schwedischen Grundgesetzes erfüllen, als »Beschützer der Kirche« Schwedens auftreten und »das reine unverfälschte Augsburger Bekenntnis« verteidigen. Gustav II. Adolf erlebte, dass sich die katholischen Staaten hinter Sigismunds legitime Thronansprüche in Schweden stellten. Er »war deshalb bestrebt, dass sowohl sein Kampf gegen Sigismund und später sein Eingreifen in Deutschland« als »Kampf gegen die Gegenreformation« verstanden wurden (Montgomery, 60–72).
Hier wird das »Zweckbündnis« zwischen Religion und Machtpolitik eindeutiger akzentuiert, als es viele deutscher Historiker und Biographen Gustavs II. Adolf bisher einräumten. Immerhin ist belegt, dass der schwedische König überzeugt war, man könne »mit dem Religionsargument allen Widerstand gegen Ausschreibungen und harten Kriegsdienst brechen« (ebd., 73).
Die laut geäußerten Überzeugungen der Mehrheit des schwedischen Volkes, den Protestantismus verteidigen zu müssen, gaben dem Vasa Recht. Der König konnte zufrieden sein. Sein Agitationseifer erwuchs ganz sicher auch aus innerer Überzeugung, dem Krieg mit dem Kaiser nicht ausweichen zu können. Schwedens Großmachtträume bedingten einen militärischen Triumph auf deutschem Boden. Doch konnte Gustav II. Adolf erst im September 1629 mit Polen den Waffenstillstand von Altmark vereinbaren, die unerlässliche Voraussetzung für eine Landung in Deutschland, die Erfüllung aller geheimen königlichen Träume…
Eigentlich deutete nur wenig bei Gustav Adolfs Geburt darauf, dass er einmal die Krone der »Svear und Goten« tragen sollte. Johan III. (1537–1592), König seit 1569, hinterließ zwei Söhne, Sigismund und Johan. Gustav Adolf, der Erbprinz von Södermanland, der Neffe, konnte bestenfalls mehr oder weniger souveräner Territorialfürst werden. Doch spricht einiges dafür, dass der damalige Reichsverweser, Herzog Karl von Södermanland, schon frühzeitig in seinem Sohn den künftigen König von Schweden sah. Da nimmt es sich fast wie ein organisiertes Omen aus, ein Zeichen für alle Schweden, dass Karls Gemahlin, Christine von Holstein-Gottorp, den Knaben am 9. Dezember 1594 im alten Stockholmer Schloss, der königlichen Residenz, gebar. Der Reichsverweser hatte der hochschwangeren Herzogin befohlen, die Niederkunft nicht im festen Herzogsschloss zu Nyköping zu erwarten. Und am 4. Oktober 1595 ließ er Mutter und Baby demonstrativ nach Söderköping reisen, wünschte, den Sohn den versammelten Reichsständen zu präsentieren. Alles deutet darauf hin, dass dieses Schauspiel seine wohl geplante Funktion erfüllte.
Noch bevor sich Karl von Södermanland am 15. März 1607 zum König krönen ließ, hatte sein Sohn, der kleine Gustav Adolf, bereits an den Reichsratssitzungen teilzunehmen. Der Vater sorgte umsichtig dafür, dass der Knabe durch die besten Lehrer des schwedischen Reiches umfassend auf das künftige Herrscheramt vorbereitet wurde. Die militärischen Erfolge seines Sohnes erlebte er nicht mehr…
Ende der zwanziger Jahre begannen einige französische Diplomaten zu hoffen, in dem schwedischen Regenten sei ein Feldherr gereift, Frankreichs weitgreifenden Plänen gegen Habsburg zu dienen. Während Richelieu vor La Rochelle den Widerstand der Hugenotten brach, lenkte Hercule de Charnacé die Aufmerksamkeit des Kardinals auf den schwedischen Kriegerkönig, »der mit allen seinen Nachbarn Krieg führt«. Er habe diesen bereits »mehrere Provinzen« entrissen (Burckhardt, 346). Bald ahnten die Herrschenden in Paris, dass dieser Frankreich ferne Eroberer ausgeprägte territoriale Wünsche hegte, die Richelieus Anliegen entsprachen. Als eilig entsandter Sonderbotschafter vermittelte Charnacé den Waffenstillstand zu Altmark zu für Schweden günstigen Bedingungen. Gustav II. Adolf konnte sich so gewaltige Einnahmen sichern und nun ernsthaft an eine Landung in Deutschland denken.
So versammelte der König im Spätherbst 1629 den Reichsrat erneut zur Diskussion der Kriegsproblematik. Es sind natürlich besonders diese geheimen Debatten, die Historiker fesseln, nach schlüssigen Antworten suchen lassen. Solcher Wahrheitsfindung diente denn auch immer wieder das Fazit einer Argumentation des Reichsrates Johan Skytte. Sollte Gustav II. Adolf in Deutschland siegen, würden ihn die deutschen Fürsten bekämpfen, unterliege er jedoch dem Kaiser, ließen ihn auch seine dortigen Bundesgenossen fallen. »Si Rex victor, illi praeda erunt«, siegt der König, werden jene Beute sein, reagierte der König. Das seien »sechs Worte, an denen alles Deuteln derjenigen zerbricht, die nicht Wort haben wollen, dass der König mit Eroberungsgedanken gekommen sei«, so ein deutscher Historiker 1932, im Jubeljahr bedeutender Gustav-Adolf-Ehrungen auf deutschem Boden (Westphal, 114). Treffender kann man es kaum zusammenfassen.
Der Winter des Jahres 1629/30 war eine schwere Zeit in Schweden, quälte mit Hunger, Pest, Verödungen weiter Landschaften die Menschen im Norden unerträglich. Damals steigerten sich Verzweiflung und Resignation, äußerten sich aber auch und immer wieder in Auflehnung, Desertionen der ausgeschriebenen Rekruten, in Selbstverstümmelungen kriegsfähiger Männer gar. So glaubte Gustav II. Adolf sich gut beraten, eine Ausschussversammlung der Stände für den Mai 1630 aufzubieten, auch hier einhellige Zustimmung zu dokumentieren.
Sein einziges Kind, die knapp vierjährige Tochter Kristina im Arm, wandte sich der Herrscher am 19./29. Mai 1630 an ausgesuchte Repräsentanten der drei höheren Stände und einige Bauern. Gustav II. Adolf kalkulierte klug, dass die Geste des treu sorgenden Vaters vielen der Zuhörer auch und vor allem das Bild vom Landesvater suggerierte. Der König, ein begnadeter Agitator, gedachte jenen entgegenzuwirken, die ob der schier erdrückenden Kriegskosten heimlich murrten. Immer spürbarer wurde der Mangel an arbeitsfähigen Knechten. Selbst Bauern fehlten mancherorts bereits. Die ständig wachsenden Steuerlasten und Verödungen des Landes resultierten immer öfter in offenem Aufruhr gegen Steuereintreiber und Rekrutenkommissare. Dem galt es auch nach Überzeugung Gustavs II. Adolf und seiner engsten Vertrauten energisch entgegenzutreten, war das feierliche Zeremoniell mit der Rede des Königs zugedacht.
Mit der ihm eigenen mitreißenden Rhetorik, mit klug bedachtem Gestus und anschwellender Stimmhöhe, benannte der Landesherr Gott als Zeugen, er führe »diesen Krieg nicht aus eigenem Antrieb ode...
