Vertrauen – die härteste Währung der Welt
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Vertrauen – die härteste Währung der Welt

Warum Leistung und Haltung für Unternehmen essenziell sind

  1. 240 Seiten
  2. German
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Vertrauen – die härteste Währung der Welt

Warum Leistung und Haltung für Unternehmen essenziell sind

Über dieses Buch

Sind alle völlig TikTok? Weder Digitalisierung noch Disruption noch andere hippe New-Economy-Wörter hebeln den maßgeblichen sozialen Grundmechanismus aus, auf dem jede seriöse Organisation ihre Existenz gründet: Vertrauen. Umso unverständlicher ist es, wenn wir tagtäglich mitverfolgen müssen, wie Vertrauen erodiert: Wirecard, der Dieselskandal, die Cum-Ex-Geschäfte oder Lobby-Politik erschüttern das öffentliche Vertrauen und die langfristigen, auch volkswirtschaftlichen Folgen sind weder in Euro noch in Wählerstimmen oder einer anderen messbaren "Währung" auszudrücken. Doch gerade diese Verwerfungen sind es, die den unschätzbaren Wert von Vertrauen erkennen lassen.

Vertrauen setzt ehrliche Leistung voraus – und Zeit. Jedes Unternehmen, ob kleine Kneipe oder großer Konzern, muss es zunächst schaffen, Vertrauen in seine Leistung aufzubauen: Anders ist nachhaltiger Erfolg nicht möglich. Weder vollmundige Marketingkampagnen noch eingekaufte Markenbotschafter und Influencer ersetzen die solide Arbeit an der eigenen Leistung. Das war vor tausend Jahren so und ist im Zeitalter von Industrie 4.0 unverändert brandaktuell. Solange Menschen miteinander kommunizieren, ist nichts effizienter.

Der Markensoziologe Arnd Zschiesche liefert eine kluge und alltagstaugliche Betrachtung darüber, warum Vertrauen der einzige valide Mehrwert für jede Organisation ist. Mit analytischem Sachverstand und auf pointierte Art und Weise setzt er unserer grassierenden Aufmerksamkeitsökonomie eine in ihrer Tiefenwirksamkeit unschlagbare Vertrauensökonomie entgegen.

Arnd Zschiesche bringt auf den Punkt, worauf Unternehmen, aber auch Politiker oder Wissenschaftler ihren Fokus richten müssen, um langfristig das Vertrauen zu gewinnen: Konzentration auf Substanz und Leistung, auf Selbstähnlichkeit und klare Abgrenzung sowie eine integre Kommunikation machen den Unterschied. Ein dringend notwendiger, so zeitkritischer wie zeitgemäßer Beitrag voller Denkanstöße und konkreter Handlungsempfehlungen.

Vertrauen gewinnt. Nicht als Schlagwort, aber als Handlung. Und Haltung.

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Information

1.

Szenenwechsel: Vertrauen auf der Resterampe von Wirtschaft und Gesellschaft (Frankfurt/M.)

Wir sind wieder zurück in Nordeuropa, unternehmen aber zwecks Erkenntnisgewinn eine fixe Fährfahrt von Fanø zum Festland nach Esbjerg, der siebtgrößten Stadt Dänemarks (72 000 Einwohner), und bewegen uns von dort zügig 812 km weiter südlich in die siebtgrößte Stadt Deutschlands (753 000 Einwohner): Frankfurt am Main liegt im Bundesland Hessen, in unmittelbarer Nähe zum beliebten Naturpark Taunus. Viele Frankfurter pflegen ihre Traditionen, unterstützen gemeinschaftlich »ihre« Eintracht (e.V.) oder trinken ortsüblichen Apfelwein, regional: »Äppelwoi« oder »Ebbelwoi«. Einige von ihnen sind stolz darauf, dass Goethe hier geboren wurde, andere auf die historischen Altstadtbauten rund um den Kaiserdom, die immer noch zahlreichen Messen (die erste gab es hier im 12. Jahrhundert), den globalen Drehkreuz-Flughafen (der viertgrößte Europas) oder die imposanten Wolkenkratzer im Stadtzentrum. Der Bahnhof ist der verkehrsreichste und das Autobahnkreuz darüber hinaus das meistbefahrene Deutschlands. Doch der Ort ist nicht nur ein gewaltiger Verkehrsknoten im traditionellen Wortsinn. Hier existiert überdies – gemessen am Datendurchsatz – der weltweit größte Internet-Verkehrsknoten. Zur schönsten Stadt im Staate wurde Frankfurt zwar noch nie erwählt, aber immerhin wurde der Goethe-Wanderweg zum schönsten Wanderweg Deutschlands in der Kategorie »Stadt und Kultur« gekürt (11 km, Startpunkt Goethehaus, Großer Hirschgraben 23–25).
Die zahlreich vorhandenen Hochhäuser bilden eine an US-Metropolen erinnernde Skyline, was dazu führt, dass die Main-Metropole in Reiseführern stets als »Mainhattan« bezeichnet wird, angelehnt an den bevölkerungsreichsten Bezirk von New York City (NYC), Manhattan. Insgesamt sollen es 450 Hochhäuser sein. Ab ca. 150 Meter Höhe gehören sie in die Kategorie Wolkenkratzer. Ganze 19 der 20 höchsten Wolkenkratzer Deutschlands stehen hier in Mainhattan. Und bei dem anhaltenden Bauboom vor Ort kommen wohl noch einige hinzu. Eine der Ursachen für die stadtbildprägenden Hochhäuser ist die kulturell gewachsene Bedeutung Frankfurts als ein maßgeblicher Finanzplatz Kontinentaleuropas neben Paris und London: Bereits 1194 erhielt die Krönungsstadt deutscher Kaiser und Könige erstmals das Recht auf eigene Münzprägung, 1585 wurde die Frankfurter Börse gegründet.
Die meisten der richtig hohen Häuser stehen dementsprechend im sogenannten Bankenviertel. Der von Stararchitekt Lord Norman Foster entworfene Commerzbank Tower am Kaiserplatz bildet mit 259 Metern Höhe den absoluten Gipfel des örtlichen Bankengebirges, in der gesamten EU baute bisher niemand höher. Wer dort als Tourist im Sonnenschein durch die beeindruckenden und zudem schattenspendenden Häuserschluchten schlendert und vor den Repräsentanzen internationaler Großbanken oder der Europäischen Zentralbank (Ostend), von Versicherungen oder sonstigen finanzkräftigen Institutionen verweilt, entdeckt weder blumige Vorgärten noch selbst gebaute Marmeladenschränkchen. Ein hyggeliges Flair ist trotz vereinzelter, perfekt in Form frisierter Grünpflanzen nicht zu entdecken (eventuell oben in den Teppichetagen, vielleicht haben einige Firmen bereits cozy »Innovation-Labs«2). Behaglich oder gar heimelig muss es hier aber auch gar nicht sein, denn die Faszination und Intention des Finanzdorfes ist eine völlig andere … Dennoch oder gerade deswegen starren ein paar der Turmbewohner etwas ermattet auf ihre zahlenschweren Bildschirme. Vielleicht träumen einige dabei gar nicht vom Urlaub im Porsche, sondern vom Urlaub in Dänemark. Der beschleunigt zwar weniger das Ego, sondern entschleunigt primär die Seele, wirkt dafür aber meist nachhaltiger als die 4,2 Sekunden bis Tempo 100 (reine Typenfrage).

Lieber Schein(e) als Sein

Gerade Banken auf der tempolastigen Überholspur, die ihre diversen High-Performance-Anlageschäfchen bevorzugt grenzübergreifend vermehren, bemühen sich gerne um repräsentative Dependancen in bester A-Lage. Ein traditioneller Grund dafür war das damit verbundene Werben um das Vertrauen der Kundschaft – neben dem Wunsch nach Selbstdarstellung, Präsenz, Reputation, Seriosität: »Bei uns ist Ihr Geld sicher.« Die Bank winkt mit dem selbsterklärenden Zaunpfahl bzw. der Carrara-Marmorsäule: Wir können mit Geld umgehen, das sollen unsere Kunden ruhig sehen und spüren. Die älteste Zentralbank der Welt, die 1668 gegründete Schwedische Reichsbank, hatte einst das Motto »Hinc robur et securitas«, zu Deutsch: »Von hier stammen Stärke und Sicherheit.« Es wurde zur massengängigen Bekräftigung der Johanniskraut-Aussage zeitweise sogar auf die 100-Kronen-Scheine gedruckt. Aber als Zentralbank ist ihre Aufgabenstellung naturgemäß deutlich sicherheitslastiger und für alle Schweden definiert.
Wer heute als Nichtbanker vor den höchsten Bankhäusern Frankfurts steht, der spürt vermutlich etwas anderes als eine Aura von persönlicher Sicherheit: Die gewaltigen Bankentürme demonstrieren zwangsläufig – und sind darin durchaus mit Burgen oder Kathedralen des Mittelalters vergleichbar – Macht und Überlegenheit gegenüber der »normalen« Welt. Es sind imposante Burgen aus Stahl, Beton und Glas, die etwas hermetisch Verriegeltes ausstrahlen, sogar ohne Wassergraben und hochgezogene Zugbrücke: Gräben und Mauern sind hier von ganz anderer menschlicher Natur und sozialer Härte … Viele draußen vor den Glastüren würden wohl das Wort »Abgehobenheit« oder – in Bezug auf das massenwirksam überlieferte Verhalten einiger Turmarbeiter – sogar »Arroganz« oder altmodisch »Niedertracht« hinzufügen. Die preisgekrönte deutsche TV-Serie »Bad Banks« hat den Mythos von Gier, Gefühlskälte und Egomanie vor Frankfurts Global-Finance-Kulisse massentauglich mit Coolness-Faktor inszeniert und so ein überzeugendes Investment in alle negativen Vorurteile vorgenommen. Nur einer klemmt sie alle im Vorbeigehen unter seine Hosenträger: Der gut gegelte Finanzhai Gordon Gekko3, dargestellt von Michael Douglas, hat im Film »Wallstreet« von 1987 mit seinem »Gier ist gut«-Credo oscarprämierte Pionierarbeit für die Anziehungs- wie Abstoßungskraft der Branche geleistet.
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Quelle: picture-alliance/dpa
Ihr sympathischer und vertrauensvoller Finanzexperte von nebenan: Herr G. Gekko. Mit eingebauter Vorbildfunktion für mindestens eine Generation Banker.
Die perfekt polierte Oberfläche vieler Banken zeigt Korrosionserscheinungen. Und in der Wahrnehmung vieler Menschen deutlich weniger Oscar-Glamour à la Hollywood, dafür aber mehr Oskar in der sozialen Mülltonne. Im Ergebnis sämtlicher Vorgeschehnisse, spätestens seit der Finanzkrise 2008, ist im 21. Jahrhundert »tiefes Vertrauen« sicher nicht der erste Begriff, der externen Normalmenschen im Angesicht hochstapeliger Frankfurter Finanzbollwerke einfällt. Und »Gemeinschaft«4 vermutlich nicht das zweite Wort, das einem in den Kopf kommt, wenn allmorgendlich gepflegt-stromlinienförmige Anzugträger mit weißen Bluetooth-Knöpfchen im Ohr aus den U-Bahnschächten stromlinienartig in Richtung ihrer jeweiligen Heimattürmchen streben. Übrigens: Headhunter empfehlen mantraartig, für den perfekten CV bzw. Lebenslauf alle zwei bis drei Jahre das Türmchen zu wechseln …

Die soziale Abrissbirne hat kapitales Vertrauen abgeschlagen (dank Dauerbetrieb)

All diese brutal-zerstörerischen Vorgänge sind selbstverständlich weder im Falle pulsgebender Banken noch anderer kapitaler Organisationen der aufstrebenden Architektur zuzuschreiben; diese Architektur ist allerdings ein in Beton gegossener Ausdruck des prestigeorientierten Selbstverständnisses einiger Protagonisten – und soll es wohl auch sein. Die zwei 155 Meter hohen verspiegelten High-End-Zwillingstürme der Deutschen Bank im Frankfurter Westend sind so oft medial gezeigt worden, dass sie mittlerweile zu einem Sinn- und Abziehbild deutscher Wirtschaft geworden sind – im Guten wie zuletzt zunehmend im Schlechten. Ein im Zuge der Cum-Ex-Affäre als Kronzeuge auftretender ehemaliger Banker und Hauptbeschuldigter im größten bundesdeutschen Steuerermittlungsverfahren formuliert es im Interview (anonym) so: »Wir haben da oben in diesem 32. Stock aus dem Fenster auf die Taunusanlage geschaut, da erscheinen dir die Menschen unten ganz klein, und wir haben gedacht, wir sind die Schlauesten, wir sind die Genies hier oben, und ihr da unten, ihr seid alle doof.«5
Diese unter einigen Topbankern anscheinend verbreitete Einstellung fand ihr öffentlich-plakatives Sinnbild bereits Jahre zuvor: in einem vom damaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Gerichtssaal fingerfertig und mit breitem Grinsen in die Kamera gehaltenes Victory-Zeichen. Mittlerweile ist das Foto eine Ikone der Kapitalismuskritik (»Causa Josef Ackermann« anno 2004). Und diese Art der Provokation hat bei der Deutschen Bank offenbar System: Zur Beschreibung der 50 Millionen Mark an offenen Handwerkerrechnungen, die ein Frankfurter Pleitier der Bank hinterließ, hatte ein anderer Deutsche-Bank-Chef zehn Jahre zuvor bereits ein Wort kreiert, das Ikonen-Status erlangte: Weil es bei dieser Sache um – zumindest aus Sicht von Hilmar Kopper – sehr wenig Geld ging, sprach er von »Peanuts« und gewann mit seinem englischen Beitrag im Anschluss überlegen die Wahl zum deutschen Unwort des Jahres 1994. Eines der wenigen Unworte, die sich im alltäglichen Sprachgebrauch (und Duden) etablieren konnten. Darüber, wie die Kinder aus der weltberühmten US-Comic-Serie mit dieser Verunglimpfung und Vereinnahmung klarkommen, ist nichts bekannt.
Derart unnahbar-unsoziale Wesenszüge einiger Banker »da oben« sind inzwischen bis zu einigen Nichtbankern »da unten« durchgesickert: Nach einer Langzeitstudie des Meinungsforschungsunternehmens Gallup aus dem Jahr 2019 misstraut jede zweite Person Banken im Allgemeinen6 – und es ist davon auszugehen, dass sich dieser Wert bereits deutlich verbessert hat seit der Finanzkrise im Jahr 2008. Interessant ist, dass das Vertrauen in die Banken laut Studie bei der Landbevölkerung deutlich höher ist als bei Stadtbewohnern; dies wird mit der stärkeren persönlichen Nähe zur Bank begründet. Auf dem Dorf wird dem Banker des Vertrauens zum persönlichen Finanzgespräch in der Kreissparkasse vielleicht noch ein selbst eingewecktes Gläschen aus dem privaten Marmeladenschränkchen mitgebracht – und der lokale Experte seinerseits kann es sich sozial nicht leisten, in seinem (Wohn-)Ort schimmlige Finanzanlagen oder Finanzierungen zu verkaufen. Die genossenschaftlich organisierten Volks- und Raiffeisenbanken mit regionaler Verankerung lancierten 2020 konsequenterweise einen Youtube-Spot, der sich direkt an die Landwirte – traditionsgemäß eine für diese Bankengruppe attraktive Klientel – wandte: »Wir sind die Banken, die Landwirte besser verstehen, weil wir seit unserer Gründung tief in der Agrarwirtschaft verwurzelt sind.«7 Ob Stadt, Land oder Feld: Hinzu kommt, dass Volksbanken und Sparkassen prinzipiell wie strukturell dezentraler organisiert sind und daher mit ihren Entscheidungen zur Kreditvergabe in jeder Hinsicht näher an der Familie oder der (kleineren) Firma dran sind, die sich bei ihnen um einen Kredit bewirbt. Auch die für die Wirtschaft aus strategischen (Nonsens-)Gründen weiterhin am heißesten begehrte Zielgruppe ist sich relativ einig: Jüngere Menschen zwischen 15 und 29 Jahren haben laut dieser Studie das mit Abstand geringste Vertrauen in die Finanzindustrie, ganze 38 Prozent von ihnen halten ihr persönliches Geldhaus noch für glaubwürdig.8 Der stoische Philosoph Seneca macht die Wurzel allen Übels deutlich:
»Mangelndes Vertrauen ist nichts als das Ergebnis von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in mangelndem Vertrauen.«
Seneca, römischer Philosoph, ca. 70 v. Chr.

2.

Absurdes Theater: Ein Wirtschaftszweig zerlegt sein eigenes Vertrauensfundament

Das erste Fazit aus »Bankfurt« und assoziierten Finanzhochburgen weltweit lautet: Ein Wirtschaftsbereich, der allein vom Vertrauen seiner Kundschaft lebt, wird von sehr vielen Menschen – darunter der eigenen Kundschaft – nicht mehr mit Vertrauen in Verbindung gebracht. Auch wenn die Bank of Scotland unverdrossen mit dem Claim »Vertrauen seit 1695« wirbt, scheint der klassische Banker als eine gesellschaftlich angesehene, seriöse Vertrauensperson im grauen Anzug mit grauer Krawatte nur noch eine naive Petzi-Figur aus dem Wirtschafts-Pleistozän zu sein. Apropos: Nachdem viele der – allerspätestens seit der Finanzkrise – öffentlich bewusst bodenständig und gezielt regional auftretenden Sparkassen bereits länger die Krawatte offiziell entsorgt haben, warfen 2019 sogar die US-Investmentbanker von Goldman Sachs den Old-Economy-Krawatten-Dresscode über Bord.9 Selbst das uraltehrwürdige Frankfurter Privatbankhaus Metzler (seit 1674) gesteht seinen Mitarbeitern inzwischen weitgehende Binderfreiheit zu.

Neue Nahbarkeit braucht die Bank: die Einführung des bodenständigen Bankers

Natürlich geht es bei alldem um viel mehr als um halsbelastende Krawattenpflicht, auch wenn das hängende Stückchen Stoff wichtiger Bestandteil des hochstehenden Selbstverständnisses von Bankern war. Banken möchten auf diese neue, von der Weiberfastnacht inspirierte Weise demonstrieren, dass sie den Zeitgeist erfolgreich erkannt haben. Banker wollen als normale Menschen, die »rein zufällig« in einer Bank arbeiten, viel näher bei ihren Kunden sein und daher wirklich alles tun, um nicht abgehoben oder unzugänglich zu erscheinen. Eine Krawatte wäre dabei nur im Weg, genauso wie hohe Schalter oder verschlossene Türen, hinter denen sich Angestellte mit dunklen Geheimnissen verschanzen könnten. Deswegen werden Banken derzeit zu einladenden »Open Spaces« mit Wohnzimmer-Lounge-Treffpunkt-Atmosphäre transformiert, manchmal fläzt sich ein Kuscheltier auf den skandinavisch-weißen Möbeln, Bücher stehen im sozial nahbaren Original-Ikea-Regal. Die »Overall«-Botschaft: Es ist ja alles so transparent, offen und einladend bei uns. Der wichtigste Satz des dynamischen Bankberaters von heute lautet: »Vielleicht ein Cappuccino oder Latte Macchiato für Sie?«
Ein Problembewusstsein dafür, dass eine Vertrauensstörung im Verhältnis zur Kundschaft existiert, es mehr Nähe benötigt, ist prinzipiell ein guter erster Schritt. Aber kann ein derart äußerlicher Ansatz, ohne Krawatte, dafür mit Ikea-Möbeln und Cappuccino, überhaupt problemorientiert und somit vertrauensförderlich sein? Eine Binsenweisheit, die sich in der Beobachtung von Wirtschaft und Politik immer wieder bestätigt, ist, dass die schnelle Arbeit an oberflächlichen Symptomen gern der deutlich mühsameren und zeitaufwendigeren Arbeit an den systemischen Ursachen vorgezogen wird: So muss das Logo immer zuerst leiden, wenn eine Organisation sich »glaubhaft« neu erfinden oder seine (neue) Positionierung verdeutlichen will, siehe z. B. VW, Lufthansa.10 In dieser Oberflächen-Logik werden Bankfilialen mithilfe einer hübsch getünchten Kulisse und der Positionierung als nahbare »Bank in deinem Viertel« zu einem sympathischen kleinen Nachbarschaftstreffpunkt (mit Leseecke) umgebaut. Um die Marketing-Kosmetik zu unterstützen, greift das einstige Vorzeigeland des formalen Siezens zum d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung: Vertrauen als allgemeiner Sehnsuchtsort (Sønderho)
  6. 1 Szenenwechsel: Vertrauen auf der Resterampe von Wirtschaft und Gesellschaft (Frankfurt/M.)
  7. 2 Absurdes Theater: Ein Wirtschaftszweig zerlegt sein eigenes Vertrauensfundament
  8. 3 Akute Ansteckungsgefahr: Kein Vertrauensmissbrauch ohne massive Nachwirkung
  9. 4 Von der Muschel zum Bitcoin: Das Geld als rein kulturell geprägtes Vertrauensmedium
  10. 5 Vertrauen hat Herkunft und Historie: Grundsätzliche Wort-Bestandsaufnahme
  11. 6 Vertrauen als Überlebensgarantie in beschleunigten Zeiten: Grundsätzliche Alltags-Bestandsaufnahme
  12. 7 Inhalte dringend benötigt: Nur mit Substanz wird man zur (Vertrauens-)Instanz
  13. 8 Trust goes World Wide Web: Analoges Vertrauen digital umsetzen
  14. 9 Oft vergessen: Im Wort »Vertrauen« steckt das Wort »Treue«
  15. 10 Wie aus Treue zu sich selbst kollektives Vertrauen erwächst: Die öffentliche Person Angela Merkel
  16. 11 Treue im steten Wandel: Das Betriebsgeheimnis der Natur lautet Selbstähnlichkeit
  17. 12 Kundentreue entsteht immer intern – externes Vertrauen ist »nur« Wirkung
  18. 13 Nur Erkennbares zieht an: Um Vertrauen entwickeln zu können, muss Gestalttreue gewährleistet sein
  19. 14 Vertrauensabbau mit Megafon-Ansage: Wachstum über alles – bis hin zur eigenen Unkenntlichkeit
  20. 15 Je komplexer die Organisation, umso anspruchsvoller das Vertrauensmanagement: Die Nähe zur eigenen Leistung ist (und bleibt) essenziell
  21. 16 Nur das Besondere lässt Vertrauen entstehen: Allgemeine Emotionen sind kein Werbe- oder Verkaufsargument
  22. 17 Ohne konkrete Handlungen und Leistungen kein Vertrauen: Warum Vertrauen mehr als ein Marketing-Gag oder »Purpose« ist
  23. 18 Vertrautheit durch geteilte Geschichte: Unsere Zukunft liegt in unserer Vergangenheit
  24. 19 Das Urfundament von Vertrauen: Die soziale Gemeinschaft (keine Hipster-Community)
  25. 20 Das Handlungsmuster hinter Vertrauen: Wiedererkennung und Wiederholung
  26. 21 Das Lebenselixier von Vertrauen: Warum Grenze jedes »Wir sind alles für alle«-Marketing schlägt
  27. 22 Der reale Inhalt von Vertrauen: Ein positives Vorurteil
  28. 23 Warum Vertrauen immer konkret und spezifisch ist – nie universell
  29. 24 Ein Zeitgeist-Problem: Vertrauen ist keine Zahl und kein Modell
  30. 25 Der Gegenstand von Vertrauen: Das Soziale als Substanz
  31. Quellen und Anmerkungen
  32. Literatur
  33. Danksagung
  34. Der Autor