|11|
Rumänien
|12|
|13|
Die Revolution von 1989
Ein Hilfstransport zwischen zwei Zeiten
Rumänien, 27. Dezember 1989. Unsere Kolonne mit fünf Lastwagen fährt im milden Winterlicht durch die Schluchten und Talsenken der Westkarpaten von Oradea, der rumänischen Stadt an der Grenze zu Ungarn, nach Cluj-Napoca (ungarisch: Kolozsvár, deutsch: Klausenburg). Es geht um einen Hilfstransport. Die Fahrt braucht Geduld. Obwohl als europäische Fernstrecke verzeichnet, ist die Strasse an vielen Stellen beschädigt, einseitig eingebrochen oder ohne Hartbelag. Drum in lucru – Strassenbau: die Tafel ist fast allgegenwärtig, zuweilen kaum mehr lesbar, weil sie seit Jahren da steht. In den wenigen Dörfern und Kleinstädten, durch die wir fahren, ist die Armee unübersehbar. An den Strassenkreuzungen stehen Soldaten, die uns zusammen mit den Kindern am Strassenrand zuwinken und sich mit dem Victoryzeichen als begeisterte Anhänger der eben stattgefundenen Revolution zu erkennen geben. Wenn es denn eine Revolution gewesen ist. Überall rumänische Fahnen mit einem grossen Loch in der Mitte – das Symbol der verhassten kommunistischen Ceauşescu-Diktatur ist herausgeschnitten worden. Die Alten sitzen auf den Bänken vor den Häusern oder Hütten, eingepackt in ihre vielschichtigen Kleider, mit Kopftüchern und landesüblichen Pelzmützen. Als wären sie seit ewig hier, scheinen sie mit offensichtlichem Gleichmut ihre Skepsis zu demonstrieren: Die Dörfer und Hütten Rumäniens haben manches kommen und gehen sehen.
Wir kommen nur langsam voran, die Strassen sind mit vielen Gefährten verstopft, Lastwagen aus dem westlichen Ausland, Kleinlaster aus Ungarn und der Tschechoslowakei, Privatwagen aus aller Herren Länder, irgendwo auch ein offener Trabant, aufgefüllt bis übers Dach mit langen Broten, Sechspfündern aus dem westlichen Nachbarland. Rumänien ist in Not, braucht Hilfe, eine lange Kolonne quält sich durch die Karpaten. Das Ausland eilt in diesen Tagen Rumänien zu Hilfe.
Vor wenigen Tagen ist das Regime von Ceauşescu gestürzt worden. Rumänien ist eines der letzten mitteleuropäischen Länder, das den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes durchmacht, dramatischer auch und vor allem blutiger als in andern Ländern. Die Dezember-Ereignisse in Rumänien sind durch Demonstrationen und Widerstand in der westrumänischen Stadt Timişoara ausgelöst worden, verstärkt durch ein brutales Durchgreifen der Polizei |14|. Das hat in Siebenbürgen und Bukarest zu Demonstrationen und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht geführt. Wohl ebenso entscheidend sind die Interventionen einer Führungsgruppe der kommunistischen Partei um Ion Iliescu gewesen, die den schäbigen Diktator endlich loswerden wollte, mit dem Ziel, das Regime und alle Privilegien durch die unruhigen Zeiten zu retten. Revolution, Volksaufstand oder Putsch – die Frage stellt sich in den Weihnachtstagen 1989 kaum. Gebannt haben wir die Nachrichten gehört von den ersten Demonstrationen bei der reformierten Kirche in Timişoara mit den sinnlosen Polizeieinsätzen, von den Schiessereien in Braşov und andern Städten Siebenbürgens und schliesslich von den Riesenkundgebungen in Bukarest/Bucureşti mit den Versuchen Ceauşescus, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Er befahl den Militäreinsatz, Universität, Nationalbibliothek und Strassenzüge brannten in der Hauptstadt – Verletzte, Tote. Nach dem Jahr des grossen Zusammenbruchs in Osteuropa, bei dem Regimes reihenweise weggefegt worden sind, kommt Rumänien gerade zur rechten Zeit: Die Berichterstattung bei uns wird schrill, angereichert mit bekannten Bildern, die sich in den Spätjahren des europäischen Kommunismus mit dem Karpatenland verbunden haben: Ungeheizte Wohnungen, marode Industrie, Hunger, eine unberechenbare Bevölkerung. Die blutige Revolution passt nach den mehr oder weniger friedlichen Umstürzen in Budapest, Berlin und Prag nur zu gut ins Bild, das sich Westeuropa von Rumänien, dem Lande Draculas, macht. Und: Wer will nicht dabei sein, berichten und helfen?
Zurück zu unserer Kolonne, einem gemeinsamen Transport der grossen Schweizer Hilfswerke, finanziert mit der Glückskette. Die fünf Lastwagen sind gefüllt mit Hilfsgütern aus der Schweiz. Ich kenne das Land von vielen früheren Reisen als Programmbeauftragter u. a. für Rumänien, habe Bekannte, vertrauenswürdige Partner und bin deshalb operativer Leiter des Transportes. Auch Jahre später sind mir fast alle Details jener Nachweihnachtstage präsent, als wäre es gestern gewesen. Die Tage liegen gleichsam am Kreuzungspunkt meiner Arbeit beim Hilfswerk. Vom Hilfstransport in jener denkwürdigen Altjahrwoche ausgehend kann ich meine ganzen Erfahrungen bei HEKS erzählen, vor und nach 1989, und den Bogen schlagen zu Erfahrungen, welche meine Kolleginnen und Kollegen oder unsere Partner gemacht haben.
Unser Transport macht einen ersten Zwischenhalt in Cluj, dem Verwaltungszentrum Siebenbürgens. Wir lassen die Lastwagen am späten Nachmittag |15| am Platz des 23. August, der heutigen Piaţa Avram Iancu, stehen. Der für den Kommunismus wichtige Augusttag musste dem glorreichen Kampf im neunzehnten Jahrhundert weichen: Daten und Namen gewinnen und verlieren ihre Bedeutung, Helden werden ausgewechselt, nur die Menschen mit ihren Hoffnungen und Bedürfnissen bleiben.
Mein Netz bewährt sich. Im Vereinigten Protestantisch-Theologischen Institut finde ich nach einigem Hin und Her einen Freund, Tamás Juhász, mit dem ich die Lage kurz bespreche. Ein seltsames Gefühl: Immer wieder hatte ich diese Institution besucht, Gespräche mit Professoren geführt, ein paar wenige mitgenommene Bücher den Freunden gebracht, Möglichkeiten des Protestes gegen die Zwangsmassnahmen des Regimes geprüft, alles mehr oder weniger heimlich, getarnt als Tourist und doch beobachtet von Leuten der Securitate, dem staatlichen Sicherheitsdienst mit seinem riesigen Spitzelsystem. Ich erinnere mich: Vor drei Jahren hatte einer des Nachts zwei ungarische Wörter an die Mauer des Institutes gepinselt – még élünk, noch leben wir. Das war das Stadtgespräch damals, man war voll Bewunderung für die nächtliche Aktion: Sarkasmus als verzweifelter Widerstand. Und jetzt sitze ich mit meinem Freund im Professorenzimmer, draussen ein paar schäbige Christbäume, auch das ein Novum, und vor allem zwei Panzer der rumänischen Armee, welche die Freiheit des Institutes zu verteidigen scheinen. Ich beginne zu verstehen, wie schwierig es für die Leute geworden ist. Können sie dem Umsturz trauen? Wer steckt hinter den Ereignissen? Was kommt nachher?
Wir werden uns bei der Besprechung rasch einig, dass es sinnvoll ist, trotz der einbrechenden Dämmerung mit dem Transport in die weiter entfernt liegende Stadt Târgu Mureş (früher: Tîrgu Mureş, ungarisch: Márosvásárhely) zu fahren. Die Stadt liegt etwas entfernter von den westlichen Ländern, es werden wohl weniger Transporte da sein, spekulieren wir. Der Freund übernimmt es, in Târgu Mureş den reformierten Dekan, den späteren Bischof Kálmán Csiha, per Telefon zu informieren und zu bitten, an einem genau festgelegten Ort beim Eingang in die Innenstadt auf uns zu warten. Er soll uns helfen, die Lastwagen mit der kostbaren Fracht an einen bewachten Ort in der Stadt zu bringen und anderntags dann die Verteilung zu organisieren. |16|
Turbulenzen der Nothilfe
Über die Fahrt durchs dunkle Land und die fast ebenso dunklen Dörfer und Städte ist kaum etwas zu berichten. Es sind eher die Irrlichter der heruntergekommenen Industrie und deren Gerüche, die verraten, wo wir sind. Die Mischung von defekten Gasleitungen und Fernheizungen, die anzeigt, dass wir durch eine Stadt fahren: Câmpia Turzii mit den Kabelwerken, Turda, die Zementstadt mit der in Hals und Lunge brennenden Luft. Dann nach gut drei Stunden endlich die landesüblich pompöse Ortstafel «Tîrgu Mureş», darunter auf einem Karton der ungarische Name der Stadt – vor zehn Tagen noch undenkbar. Da ich die Stadt von früheren Aufenthalten gut kenne, kann ich mich trotz der Dunkelheit recht gut orientieren. Auf der weiteren Fahrt zum Treffpunkt mit dem Dekan werden wir fünf Mal angehalten, immer von Männern, die beteuern, die verantwortlichen Koordinatoren der Stadt für die Verteilung der Hilfsgüter zu sein und die uns an einen von ihnen festgelegten Platz lotsen möchten. Wir treffen also auf das übliche Chaos in Nothilfesituationen. Menschen machen sich zu Verantwortlichen, teils sicher voll guten Willens, oft aber auch, um selber oder über befreundete Strukturen an die Güter der Nottransporte zu kommen, oder auch einfach, um das mit der Vermittlung von Nothilfegütern verbundene Prestige einzuheimsen. Gutwillige Aktionen oder schon die ersten Regungen der neuen Mafia? Erleichtert treffen wir dann endlich unsern Freund, wie immer in seiner schwarzen Kleidung unübersehbar als Geistlicher gekennzeichnet.
Er fährt mit seinem klapprigen Dacia, dem rumänischen Personenwagen, unsern Lastwagen voraus, zu einem grossen Parkplatz, der von der Frontul National Roman bewacht wird. Dieser eilends gegründeten Basisorganisation der «Revolution» gehörten ausser der Familie Ceauşescu und deren Freunde wohl die meisten Leute Rumäniens an. Wir wissen die Lastwagen mit ihren kostbaren Gütern bewacht und lassen uns mit Taxis zum Continental bringen. Das Hotel ist nicht wiederzuerkennen. Die repräsentative Eingangshalle, früher wie in allen Hotels Rumäniens bis auf ein paar Securitate-Leute in schwarzen Lederjacken leer, ist an diesem Abend gerammelt voll. Hilfstrupps aus verschiedenen Ländern diskutieren kreuz und quer, besprechen das am Tag Erlebte und versuchen, ihre Verteilaktionen zu planen. Das Ungarische dominiert so offensichtlich, dass ich mich in ein Gasthaus des westlichen Nachbarlandes versetzt fühle. Eigentlich hätte ich ein paar Polizisten oder Aktivistinnen der rumänischen Frontul National erwartet. Stattdessen kontrollieren und steuern junge Männer mit MDF-Armbinden das Geschehen – Magyar Demokrátikus Fórum, eine ungarische Reformpartei. Im Speisesaal, wo das Hotel auf Kosten des Staates allen Hilfstrupps ein Nachtessen mit gebratenen Kartoffeln, Schnitzel und |17| reichlich Bier serviert, sind ungarische Fahnen mit dem wiedereingeführten Kossuth-Lajos-Wappen unübersehbar. Kurz: Das Continental ist fest in ungarischen Händen.
Wem gehört die rumänische Revolution von 1989?
Die Situation ist unheimlich. Târgu Mureş ist eine Stadt im traditionell ungarischen Siedlungsgebiet Siebenbürgens, dem Szeklerland. Nach einer forcierten Besiedlungspolitik durch das kommunistische Rumänien wohnen in der Stadt um 1990 etwa gleich viele Menschen rumänischer wie ungarischer Muttersprache, ein Ort also mit einem nicht geringen Potenzial an nationalistischen Konflikten. Die Geschichte Siebenbürgens und mithin der Stadt trägt zu dieser Konfliktsituation bei: In Rumänien (mit einer Gesamtbevölkerung von gut 20 Millionen Menschen) lebten und leben neben der rumänischsprachigen Bevölkerung deutsche und manche andere Minderheiten, insbesondere auch Roma (je nach Schätzungen 1 bis 3 Millionen) und die seit dem Mittelalter in Siebenbürgen ansässigen und politisch dominierenden Ungarn (ca. 1,5 Millionen). Rumänien ist ein verhältnismässig junger Staat, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Erbmassen des kränkelnden Türkischen Sultanats entstanden und nach dem Ersten Weltkrieg durch Siebenbürgen, das zu Österreich-Ungarn gehörte, erweitert. Rumänien stand auf der «richtigen» Siegerseite, Österreich-Ungarn verlor mit Deutschland und der Türkei den Krieg und damit eben weite Gebiete. Was für Rumänien die Geburt des heutigen Rumäniens ist, bleibt für die Ungarn eine Tragödie: Der Verlust grosser Territorien mit ihrer ungarischen Bevölkerung. Die ungarische Marktstadt Târgu Mureş wurde im Vertrag von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit ganz Siebenbürgen und Teilen der ungarischen Tiefebene Rumänien zugeteilt, ein Drama und Trauma der ungarischen Nation. 1940, also während des Zweiten Weltkrieges, wurden Gebiete Siebenbürgens, zu denen auch die Stadt Târgu Mureş gehörte, im sogenannten Zweiten Wiener Schiedsspruch Ungarn zurückgegeben. 1944 besetzte die Rote Armee das Gebiet und 1947 wurde die Region wieder Rumänien zugeteilt. Jede Neuzuteilung des Gebietes forderte neue Verfolgungen, Millionen von Flüchtlingen, Verletzungen, Opfer.
Die «Revolution» in Rumänien im Dezember 1989 wurde recht eigentlich ausgelöst durch den beherzten Kampf des reformierten ungarischsprachigen Pfarrers László Tőkés in Timişoara. Nach seinem tagelangen Kampf gegen die behördlichen Schikanen und die drohende Zwangsversetzung, unterstützt durch |18| die reformierte Kirchgemeinde und einen Teil der Bevölkerung, nach einem mutigen Widerstand gegen die mit brutaler Gewalt operierende Polizei und später durch das Militär in dieser westrumänischen Stadt sprang der Funke auch auf andere siebenbürgische Städte und schliesslich auch auf Bukarest über und löste den Sturz Ceauşescus aus. Wie sehr diese «Revolution» von einzelnen ungarischen Kreisen, insbesondere jenen der Diaspora, als eine ungarische Angelegenheit verstanden wurde, erlebte ich wenige Tage vor Weihnachten anlässlich eines Umzuges mit einem anschliessenden Fürbitte-Gottesdienst im Fraumünster in Zürich. Wir wollten unsere Solidarität mit der Bevölkerung Rumäniens und unsere Hoffnung auf eine Wende ohne Gewalt ausdrücken. In einem ungarischen Flaggenmeer war eine einzige rumänische Fahne zu sehen, etwas verlegen getragen von einem rumänischen Exilfürsten. Nur mit Mühe konnten wir verhindern, dass alle Flaggen in die Kirche getragen wurden.
Die Geschichte der Stadt und die Bilder der letzten Tage in Zürich sind mir ins Bewusstsein gegraben und bereiten mir schlaflose Stunden im Hotel Continental. Wird unsere Hilfe als Aktion zugunsten der ungarischen Minderheit verstanden? Wird sie so als Unterstützung einer Konfliktpartei interpretiert und würde sie mithin einen ethnischen Konflikt fördern? Bringen wir also Streit statt Hilfe? Die Problematik von Hilfe, die auch Schaden anrichten kann, hat in den letzten Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit und in der humanitären Hilfe zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Sie ist heute allgemein unter dem Namen «Do-no-harm-Problematik» bekannt: Jede Hilfe, auch Nothilfe, ist nur dann sinnvoll respektive überhaupt zu verantworten, wenn es keine nebenbei bewirkten Schäden gibt oder diese mindestens gering gehalten werden können. Zu solchen gehören immer wieder die durch einseitige Hilfe verursachten sozialen Spannungen. Nothilfe ist rasch verbraucht, Kollateralschäden wirken oft lange weiter.
Improvisierte Verteilung
In jener Nacht vom 28. Dezember steht uns kein Do-no-harm-Instrumentarium zur Verfügung. Wir müssen selber nachdenken und improvisieren. Anlässlich einer Teambesprechung am frühen Morgen mit unsern rumänischen Partnern beschliessen wir eine spektakuläre Aktion: Die ersten Güter, die wir |19| entladen, sollen möglichst öffentlich und demonstrativ der rumänischsprachigen Bevölkerung zugutekommen, aber selbstverständlich nicht nur. Den Behörden, auch wenn sie sich als Mitglieder der Frontul National kennzeichnen, misstrauen wir. So bleibt nur die Rumänische Orthodoxe Kirche – ein gewiss auch nicht über alle Zweifel erhabener Partner. Rasch wird mit den verantwortlichen Priestern der orthodoxen Kathedrale im Stadtzentrum verhandelt. Sie verpflichten sich schriftlich, die Güter allen Bedürftigen unabhängig von Konfession, Sprache oder Nationalität auszuhändigen. So fahren wir mitten am Vormittag mit unsern fünf Lastern mit Anhängern vor der Kathedrale auf. Der Zulauf von Zuschauern, dankbar für eine weitere spektakuläre Szene in diesen vibrierenden Tagen, aber auch das allgemeine Chaos sind beachtlich. Autos bleiben stecken und werden stehen gelassen. Die Fahrer reihen sich in die Menschenketten ein, in denen Paket um Paket von unsern Lastwagen weitergereicht wird, bis zum sichersten Platz in der Kathedrale, vor und hinter der Ikonostase. Ich sehe das Bild noch vor mir: Zwei mindestens 50 Meter lange Ketten von Männern und einigen robusten Frauen, interessierte Zuschauer, darunter auffallend viele Zigeuner-Frauen in bunten Röcken, eifrige Priester und der Delegierte des Schweizerischen Roten Kreuzes, der mit ernster Miene und grosser Sorgfalt jedes Paket mit Inhalt registriert. Die gewählte Strategie bewährt sich: Allen gegenteiligen Erfahrungen dieser Tage zum Trotz erleben Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, dass durch den Schweizer Hilfstransport in einem ersten Schritt auch rumänischsprachige Menschen begünstigt werden. Nach dieser ersten spektakulären Aktion fahren wir weiter, je eine reformierte und katholische Kirche in Târgu Mureş, eine weitere in Sângeorgiu/Márosszentgyörgy, alle drei ungarischsprachig, werden auf gleiche Art versorgt.
Angesichts der vielen Hilfspakete könnte ich anstelle von «versorgt» auch «eingedeckt» schreiben, buchstäblich. Ich sehe sie noch vor mir, die Priester und Pfarrer, Kirchendienerinnen und Mesmer. Ihr Strahlen angesichts des materiellen Segens, der da in ihre Kirchen gebracht wurde, wich zunehmender Besorgnis. Mit einer solchen Menge hatten sie denn doch nicht gerechnet: Ikonostase und ein Teil der Kathedrale waren ebenso verstellt und verstopft wie die drei weiteren Kirchen. Um die Kirchen herum versammelten sich Menschen, die gerne sofort ihren Anteil bekommen hätten und die wohl bald schon zu einer |20| drohenden Menge werden konnten. Dazu die allgemeine Angst vor den Zigeunern, denen jeder Diebstahl zugetraut wurde – Vorurteile, die von aussen nur schwer zu verstehen waren. Unser Hilfstransport zeigte seine grösste Schwäche: Die grossen Mengen von Gütern stellten in Rumänien einen immensen Wert dar. Da sie auf nur fünf Grosslastern, teilweise mit Anhängern, verteilt waren, war die ganze Aktion ausserordentlich schwerfällig. Das Manövrieren der Kolonne war sehr schwierig, angesicht...