VIERTER KREIS
Uns selbst und den Planteten heilen
Indem wir mit der Verbindung von Geist, Körper und Seele arbeiten, können wir das Gesamtsystem heilen.
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Überleben, Bewusstsein und der Eine Geist
von Larry und Barbara Dossey
»Das magische, geheimnisvolle, heilige Wiedererwachen ist bereits eingeleitet, es wird vom Mainstream bloß noch nicht zur Schau gestellt. Aber seine Sporen säen sich überall auf dem heiligen Boden dieses gesegneten Planeten aus. Es wird geschehen – es ist längst geboren worden.«
KINGSLEY L. DENNIS, BRITISCHER SOZIOLOGE
Wir Menschen stehen heute Bedrohungen gegenüber, die sich viele unserer Vorfahren niemals ausgemalt hätten: Klimakrise, kontaminierte Luft und verunreinigtes Wasser, eine explodierende Weltbevölkerung, der Verlust natürlichen Lebensraums und Artensterben, Wasserknappheit, der Kahlschlag unserer Wälder, Wüstenbildung, mörderische Ideologien, Ressourcenerschöpfung, weitverbreitete Armut, lang andauernde Angriffskriege, Hass gegenüber Ethnien und Religionen, ein Mangel an Anstand, Liebe und Güte gegenüber anderen – und so weiter und so fort; all dies wird noch begünstigt durch die materialistische Denke: »Ich hab ja, was ich brauche« und »Jeder sorge für sich selbst!«, die ein bedauernswert großer Teil unserer Gesellschaft übernommen zu haben scheint – aber beileibe nicht die Mehrheit!
Kurz gefasst, könnte man den Grund für all die Probleme folgendermaßen beschreiben: Unsere Spezies hat versucht, sich von der Natur abzutrennen – und ist daran gescheitert. Indem wir uns so verhielten, haben wir die Natur unseres eigenen Bewusstseins verkannt; unsere Verbundenheit untereinander, unsere Beziehung zu allem fühlenden Leben. Etwas fehlt in unserem modernen Dasein. Wir verzehren uns nach einer Vision. Wir hungern nach einer Kultur, die die erstickende Enge und intellektuelle Unterdrückung – ausgelöst durch Vorurteile, religiöse Intoleranz, Gier und krassen Materialismus –, welche unsere Zukunft bedrohen, transzendiert. Wir sehnen uns nach Verbindung, doch unsere Sehnsucht reicht nicht weit genug. In Wahrheit sind unsere Verbindungen nicht auf das Irdische beschränkt, sondern reichen darüber hinaus in die Unendlichkeit.
Dichter, Physiker – wir alle – sind aus Einem Geist
Die Liebe hilft uns dabei, unsere Welt wieder zu »sakralisieren« – sie wieder heilig zu machen. Liebe ist die natürliche Begleiterscheinung der uns angeborenen Einheit, der Verbundenheit und des Einsseins, die für das menschliche Leben kennzeichnend sind. Wären wir uns unserer Verbundenheit wirklich bewusst, würden wir die Goldene Regel des gewohnten »Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!« (Lukas 6:31) – bzw. dem landläufigeren: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!« – abändern in: »Sei freundlich zu anderen, denn in gewissem Sinne sind sie du!«1 Die Liebe hilft uns zu überleben.
Die Wahrnehmung unserer Verbundenheit erfordert von uns eine Bewusstseinsveränderung – und damit eine Neukalibrierung unseres ethisch-moralischen Kompasses in Richtung Planet Erde und zueinander. Es geht darum, den Kanal zu wechseln, unsere Haltung zu diesem irdischen Schmelztiegel, der uns am Leben erhält, neu zu wählen. Verbundenheit führt zu Liebe, und Liebe führt zu Fürsorge.
Wenn Fürsorge alles Leben einschließt, wird sie zu einer Vision, die mächtig genug ist, einen Unterschied dabei zu machen, wie wir alle Herausforderungen angehen, mit denen wir konfrontiert sind – und zwar nicht als rein intellektuelles Konzept, sondern als etwas, das wir auf tiefstmögliche Weise empfinden.
Unsere Existenz beruht auf Einheit, Verbundenheit und Kooperation – und nicht auf Abgetrenntheit, Konkurrenz und schroffer Individualität, wie man uns dies beigebracht hat. Aus dieser uns angeborenen Beziehung entsteht auf natürliche Weise der Akt der Fürsorge.
Die einheitliche, »nichtlokale« Natur des Bewusstseins impliziert, dass es über keine grundlegenden Begrenzungen verfügt und daher nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann. In einer bestimmten Dimension kommen alle individuellen Geister als ein einziger einheitlicher, kollektiver »One Mind« (Ein Geist) zusammen. Die Vorstellung von einem universellen und kollektiven Bewusstsein gibt es schon seit Jahrtausenden. Bereits Hippokrates sagte: »Es gibt einen gemeinsamen Fluss, einen gemeinsamen Atem, und alle Dinge empfinden gemeinsam.«2
Die Vorstellung vom Einen Geist ist ein Kernbestandteil der ewigen Weisheit. Die modernen Physiker haben diese Einheit nicht entdeckt; sie reflektierten und verifizierten, was Dichter und Propheten quer durch alle Epochen schon immer gewusst haben. Der Dichter William Butler Yeats schrieb von vielen Geistern, die »gleichsam ineinanderfließen und einen einzigen Geist, eine einzige Kraft hervorbringen oder offenbaren können«.3 Walt Whitman sah in ähnlicher Weise »alle diese zerrissenen Bruchstücke«, die »vereint, ineinandergefügt und geschlossen werden« sollten.4 Der Essayist Ralph Waldo Emerson schrieb über einen »universellen Geist«, der allen Menschen gemeinsam sei.5 Die großen Physiker des 20. Jahrhunderts stimmten ebenfalls stark überein hinsichtlich der Erkenntnis, dass es ein einziges Bewusstsein gebe, das alle Dinge miteinander verknüpfe: So schrieb der österreichische Nobelpreisträger Erwin Schrödinger, dass das Bewusstsein nicht aufgespalten werden könne, denn »in Wahrheit gibt es nur ein Bewusstsein«,6 und sein angesehener Physiker-Kollege David Bohm stimmte ihm zu: »Tief im Innern ist das Bewusstsein der Menschheit eins.«7
Der Eine Geist ist zeitlos
Das Konzept vom Einen Geist vertritt die Vorstellung eines nichtlokalen, einheitlichen Bewusstseins – d.h. eines Bewusstseins, das im Raum unbegrenzt und deshalb allgegenwärtig und in der Zeit unendlich – und somit unsterblich und ewig ist. Allerdings übersieht die Wissenschaft häufig den größten Vorzug, der mit dem Konzept des Einen Geistes einhergeht: Als Arzt und als Wissenschaftlerin des Fachbereichs Gesundheits- und Krankenpflege sind wir beide der Auffassung, dass die Angst vor der physischen Vernichtung in der Geschichte der Menschheit zu größerem Leid geführt hat als alle körperlichen Erkrankungen zusammengenommen. Der nichtlokale Eine Geist wäre mithin eine mögliche Heilmethode für die größte aller Krankheiten – die Furcht vor der totalen Vernichtung durch den physischen Tod.
Die Zerstörung unserer Persönlichkeit durch den physischen Tod ist ein unvermeidbarer Bestandteil unserer materialistischen Denkweise. Die Befeuerer des Materialismus unterschätzen diesen hohen Preis ganz erheblich. Carl Gustav Jung sah darin eine existenzielle Frage, als er sagte: »Die entscheidende Frage für den Menschen ist: Bist du auf Unendliches bezogen oder nicht? Das ist das Kriterium seines Lebens.«8 Wenn Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird und mit dem physischen Tod verschwindet, wie die Materialisten beharrlich behaupten, dann ist jegliche bedeutungsvolle Beziehung zu »etwas Unendlichem« ein Hirngespinst. Jung lag diese Angelegenheit so sehr am Herzen, dass er es zu einem Prinzip in der Therapie seiner Patienten erklärte: »Als Arzt gebe ich mir alle Mühe, den Glauben an die Unsterblichkeit zu stärken.«9
Die Unsterblichkeit des Geistes war auch ein Schlüsselmerkmal der Vision des Physikers Schrödinger: »Ich wage, ihn [den Geist] unzerstörbar zu nennen, denn er hat sein eigenes und besonderes Zeitmaß; nämlich er ist jederzeit jetzt. Für ihn gibt es in Wahrheit weder früher noch später, sondern nur ein Jetzt, in das Erinnerungen und die Erwartungen eingeschlossen sind.«10
Vereinfacht gesagt, verschärfen sich Materialismus, gedankenloses Konsumverhalten und ökologische Ausschweifungen nur noch weiter, wenn man die Unsterblichkeit leugnet. Die Erkenntnis unserer grundlegenden Einheit, eines zeitlich und räumlich nichtlokalen Einen Geistes, ist die größte Hoffnung, die wir für unser Überleben auf der Erde überhaupt haben. Wenn wir miteinander auf der tiefsten emotionalen und psychologischen Ebene Verbindungen eingehen – ja, mit dem Planeten selbst –, wird uns dies in die Lage versetzen, den nötigen Mut aufzubringen, um die schwierigen Entscheidungen zu treffen, die erforderlich sind, damit wir am Leben bleiben – und die Erde und unsere eigene Haut retten!
Wir befinden uns an einem Dreh- und Angelpunkt in der Geschichte der Menschheit. Während des 20. Jahrhunderts haben wir den Geist in seine Einzelteile zerlegt. Jetzt müssen wir ihn wieder zusammensetzen. Man hat uns beigebracht, unser Geist sei fragmentiert, er sei aufgespalten ins Bewusste, Vorbewusste, Unterbewusste, Unbewusste, Ich, Über-Ich, Es und sofort. Wir sind nicht nur innerlich gespalten, sondern haben dies auch äußerlich getan – wir haben uns voneinander abgetrennt.
Werfen wir den Blick einmal durch das andere Ende des Teleskops, dann enthüllt uns der Eine Geist, dass der Geist jeder/jedes Einzelnen Teil eines größeren Ganzen ist, einer Dimension des Bewusstseins, welche alle Geister umfasst – vergangene, gegenwärtige, zukünftige; menschliche und nicht menschliche.
Eine kollektive Nahtoderfahrung kann uns alle transformieren
Eines von vielen Szenarios, die eintreten könnten, stellt der Philosoph Michael Grosso in seinem bedeutenden Buch The Final Choice: Death or Transcendence? (Die letzte Wahl: Tod oder Transzendenz?) vor. Er suggeriert, dass mit der sich abzeichnenden zunehmenden Zerstörung unserer Umwelt es zur Version einer Nahtoderfahrung unseres Planeten kommen könnte, vergleichbar mit der Nahtoderfahrung eines Menschen.11
Vier Charakteristika in Bezug auf Nahtoderfahrungen liegen Grossos Vorstellung zugrunde:12
»Auch gesunde Menschen können Nahtoderfahrungen durchleben.
»Menschen, die nicht an die Gültigkeit von Nahtoderfahrungen glauben, können diese erfahren.
»Nahtoderfahrungen können von einer Gruppe von Menschen gleichzeitig erlebt werden.
»Wer eine Nahtoderfahrung macht, erfährt typischerweise eine radikale Transformation, insbesondere hinsichtlich seiner/ ihrer ethisch-moralischen Anschauungen – die sich in Form einer starken Sorge um die Zukunft alles Lebendigen und die Unversehrtheit der Umwelt unseres Planeten äußert.
Im Anschluss an eine Nahtoderfahrung stellen die meisten Menschen fest, dass ihre Angst vor dem Tod verschwindet. Sie werden sich ihrer nichtlokalen Natur und ihrer grundlegenden Unsterblichkeit bewusst. Typischerweise entwickeln sie sich zu liebenderen, mitfühlenderen und versöhnlicheren Personen und werden sich ihrer Verantwortung innerhalb der gesamten globalen Umgebung äußerst bewusst. Oftmals zeigen sie sich auf leidenschaftliche Weise besorgt in Bezug auf Umweltfragen, das Wohlergehen anderer Lebewesen und die Zukunft der Menschheit. Der Arzt Sam Parnia – Leiter für Intensivmedizin und Reanimationsforschung an der medizinischen Fakultät der New York University – formuliert es so: »Was tendenziell geschieht, ist, dass Menschen, die diese sehr tief greifenden Erfahrungen gemacht haben, auf positive Weise verändert ins Leben zurückkehren – sie verhalten sich altruistischer und engagieren sich mehr, um anderen zu helfen. Nach ihrer Begegnung mit dem Tod finden sie einen neuen Lebenssinn.«13
Was wir aus den Nahtoderfahrungen gelernt haben, eröffnet uns auf unserer Reise als Menschheit neue Perspektiven. Die Nahtoderfahrung als Zugang nutzend, sehen wir eine riesige Anzahl von Weltbürgern in ihrem persönlichen Leben möglicherweise Entscheidungen treffen, die sich positiv darauf auswirken könnten, ob die Spezies Mensch auf dem Planet Erde überlebt und gedeiht – unabhängig davon, woran diese Personen vorher glaubten oder wie sie sich verhielten. Es ist nicht so, dass sie um Vernunft, Logik oder wissenschaftliche Evidenz neuerdings einen Bogen machten; vielmehr akzeptieren sie nun Beweise, die sie zuvor ignoriert haben.
Die Evolutionary Leaders, die in diesem Buch schreiben, zählen zu jenen menschlichen »Sporen«, wie es Kingsley Dennis so treffend im Motto zu diesem Kapitel formuliert hat. Und auch Sie zählen dazu. Lassen Sie uns gemeinsam die Samen ausbringen für den heiligen Boden dieses gesegneten Planeten!
AUF DEN PUNKT GEBRACHT
Unsere Herausforderung besteht darin, das ganze System zu h...