Feminismus
verstehen
WAS IST FEMINISMUS?
Zunächst müssen wir verstehen, was Feminismus eigentlich ist. Der Begriff tauchte zuerst im Jahr 1837 auf, als der französische Gesellschaftskritiker Charles Fourier das Wort „féminisme“ für die Selbstbestimmung von Frauen gebrauchte.
Das deutsche Wort Feminismus findet darin seinen Ursprung und leitet sich vom lateinischen Wort femina ab, das Frau bedeutet. Im Duden wird es definiert als „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (beispielsweise der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt.“ Da dieser Begriff jedoch so vielfältig ist und sich im Laufe der Jahre ständig wandelt, gibt es nicht die eine richtige Definition. Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks bezeichnet Feminismus etwas politischer als „eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung abschaffen will.“
Die berühmte britische Schauspielerin und UN-Sonderbotschafterin Emma Watson erklärt: „Im Feminismus geht es darum, Frauen eine Wahl zu geben. Feminismus ist kein Stock, mit dem man andere Frauen schlagen kann. Es geht um Freiheit, um Befreiung und Selbstbestimmung. Wenn du für Gleichstellung bist, bist du Feminist*in.“ Und die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie nennt jede*n eine*n Feminist*in, der*die „an die soziale, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter glaubt.“ Zumindest haben all diese Definitionen etwas gemeinsam: Feminismus strebt nach Freiheit, Selbstbestimmung, gleichen Rechten und gleichen Chancen ungeachtet des Geschlechts.
Er richtet sich gegen ein seit Jahrtausenden vorherrschendes patriarchales, sexistisches System, welches für die andauernde Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen verantwortlich ist, denn im Patriarchat sind die Frauen den Männern untergeordnet und müssen sich nach ihren Entscheidungen richten. Solche kulturellen Auffassungen werden vom Feminismus kritisiert. Jedoch will der Feminismus nicht Frauen an die Macht bringen und dabei Männer unterdrücken; diese Gesellschaftsordnung nennt man Matriarchat. Feminismus hat auch nichts mit Männerhass zu tun; die Bezeichnung für diesen ist Misandrie. Es wird lediglich den dominanten patriarchalen Normen widersprochen. Schließlich soll eine gerechte Gesellschaft für alle geschaffen werden, in der kein Geschlecht benachteiligt oder bevorzugt wird.
GIBT ES „DEN“ FEMINISMUS?
Wie wir bereits festgestellt haben, ist Feminismus vielfältig. Es wird je nach Strömung ein unterschiedliches Verständnis von Geschlecht, Gesellschaft und von Ungleichheit vertreten. Daher gibt es unterschiedliche Strömungen, von denen ich Ihnen einige im Folgenden kurz vorstellen möchte.
Der liberale Feminismus setzt sich ein für die geschlechtsunabhängige Gleichheit. Jede*r soll sich selbstbestimmt entsprechend den eigenen Talenten und Ideen frei entfalten können, ohne wegen des Geschlechts, der Herkunft oder der Sexualität daran gehindert zu werden. Klischees sollen durchbrochen werden, sodass Frauen nicht mehr in die Rolle der Hausfrau und Männer nicht mehr in die Rolle des Alleinverdieners gedrängt werden, und die Chancengleichheit steht im Mittelpunkt. Jede*r soll sich individuell ausleben können.
Der differenzierende Feminismus hebt die Verschiedenheit der Geschlechter hervor. Diese wird aus den biologischen und den aufgrund der Kultur und Gesellschaft entstandenen Unterschieden zwischen den Geschlechtern hergeleitet. Die Vertreter*innen argumentieren, dass Frauen als potenzielle Mütter generell einfühlsamer, hilfsbereiter und sozialer als Männer seien, sodass sie mehr in wichtige Bereiche wie die Weltpolitik und Wirtschaft eingebracht werden müssen. Es soll sich weniger an männlichen Maßstäben orientiert und gleichzeitig typisch weibliche Eigenschaften gefördert werden, um ein friedliches Zusammenleben weltweit zu ermöglichen.
Der konservative Feminismus ähnelt der Strömung des differenzierenden Feminismus dahin gehend, dass die Geschlechterdifferenz betont wird. Frauen sollen dennoch nicht nur Hausfrau und Mutter sein müssen, sondern gleiche Chancen auch im Berufsleben, in der Wirtschaft und der Politik haben. Die Vertreter*innen begründen dies mit den weiblichen Fähigkeiten, die erhebliche Vorteile bieten können. Traditionelle Werte sollen erhalten bleiben.
Der sozialistische Feminismus hebt die Gleichheit der Geschlechter hervor. Er sieht den Kapitalismus und das Patriarchat als Ursache für die strukturelle Diskriminierung an und will die Rolle der Frau in der Gesellschaft stärken, um das kapitalistische System zu überwinden. Schließlich gehen meist Frauen der unbezahlten Care-Arbeit beziehungsweise der Reproduktionsarbeit in Form von Versorgung der Menschen nach.
Der ökologische Feminismus missbilligt die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung der Natur und der Unterdrückung der Frauen. Immerhin gibt es Ähnlichkeiten zwischen der Reproduktionsfähigkeit der Natur und der von Frauen und bei der Umweltzerstörung sind insbesondere Frauen als Mütter und häufig Bäuerinnen in der Dritten Welt betroffen. Daher müssen feministische Theorien eine ökologische Betrachtungsweise einbeziehen, während die Lösung von Umweltproblemen eine feministische Perspektive beinhalten soll.
Der radikale Feminismus fordert eine Revolution zur Überwindung des Patriarchats, da Männer seit Ewigkeiten auf allen Ebenen kontrollieren und unterdrücken. Daher sollen laut dessen Vertreter*innen nicht bloß die männlichen Privilegien, sondern gleich alle Geschlechterunterschiede beseitigt werden. Die bloße Frauenförderung reiche nicht aus.
Der Queerfeminismus stellt sich gegen das komplette System, das einen in Geschlechter einteilt. Er begreift das Geschlecht als etwas, das einem von der Gesellschaft zugeteilt wird, und nicht als etwas biologisch oder psychologisch Vorbestimmtes. Er setzt sich für alle ein, die auf irgendeine Art und Weise diskriminiert werden, wie zum Beispiel auch transgeschlechtliche, dunkelhäutige, lesbische oder arme Frauen. Als Ziel hat er die Auflösung der Geschlechtlichkeit, um die Diskriminierung zu bewältigen.
ZIELE DES FEMINISMUS
Anhand der verschiedenen feministischen Strömungen sehen Sie, dass es keine einheitlich formulierten Ziele gibt. Schließlich widersprechen sich einige Strömungen auch. Sie alle fordern zumindest die Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Freiheit und Chancengleichheit unabhängig vom Geschlecht, und setzen sich gegen Diskriminierung ein. Dabei stehen die Anerkennung und Achtung der Menschenwürde von Frauen im Vordergrund. Gewalttaten gegen Frauen sollen nicht toleriert werden, nur weil sie als das vermeintlich schwache Geschlecht gelten. Das Verhalten von Frauen soll nicht anders bewertet werden als das von Männern, nur weil sie Frauen sind. Frauen soll der gleiche Respekt entgegengebracht werden wie Männern.
Es sollen klischeehafte Rollenbilder durchbrochen werden, um gegen die unterschiedliche Behandlung von Geschlechtern vorzugehen. So sollen Frauen sich nicht nur als Mutter und Hausfrau begreifen, sondern sich wie Männer im Beruf ausleben können. Männer sollen gleichzeitig ebenfalls als Hausmann und Vater akzeptiert werden, ohne stigmatisiert zu werden. Frauen sollen ebenso leicht an die Macht kommen können wie Männer, um ebenfalls die Gesellschaft beeinflussen zu können.
Die Sexualität soll frei ausgelebt werden können. Grundsätzlich soll niemand nur wegen seines Geschlechts in irgendeinem Bereich benachteiligt werden. Schließlich können auch Männer benachteiligt werden, was vom Feminismus auch berücksichtigt wird. Letztendlich soll eine gerechte Gesellschaft für alle erreicht werden.
DIE GESCHICHTE DES
FEMINISMUS
Anfänge
Feminismus und die herrschenden Ansichten dazu wandeln sich ständig. Je nach Epoche, Gesellschaft und kulturellem Milieu werden unterschiedliche Forderungen gestellt. Die Anfänge des Feminismus in Deutschland begannen Ende des 18. Jahrhunderts während der Französischen Revolution, als Männer aus niedrigen Ständen für politische und soziale Rechte kämpften. Es wurden Verfassungen mit Grundrechtskatalogen verabschiedet, die jedoch Frauen nur beschränk...