Die Erfindung der bedrohten Republik
eBook - ePub

Die Erfindung der bedrohten Republik

Wie Flüchtlinge und Demokratie entsorgt werden

  1. 464 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die Erfindung der bedrohten Republik

Wie Flüchtlinge und Demokratie entsorgt werden

Über dieses Buch

Scheindebatte Flüchtlingskrise – Wie Politik und Medien eine Notstandsituation inszenierenDie "Flüchtlingskrise" von 2015 war in Wahrheit der Ausgangspunkt einer gewaltigen Medien- und Politikkrise. Mit medialen Fehldarstellungen, Verzerrungen, manipulierten Debatten und ideologischer Einflussnahme wurden die Deutschen in die Irre geführt.Das begann mit der tendenziösen Polit-PR-Show rund um den "Willkommenssommer" 2015. Spätestens das sich unmittelbar anschließende "Sodom und Gomorrha" der Kölner Silvesternacht ließ Medien und Politik eine 180-Grad-Wende vollziehen. Das war der Beginn eines Rechtsrucks, wie ihn die Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte. Das Volk wurde von nun an mit zahlreichen Erzählungen vom "kriminellen Flüchtling", dem "besorgten Bürger", dem "Kartell des Schweigens" in der Politik und der vermeintlichen Alternativlosigkeit der europäischen Abschottung behelligt. Dabei ist jede für sich ein Armutszeugnis bundesdeutscher Medienkultur.Ihre Orientierungslosigkeit, Wankelmut und Hysterie haben die Medien allerdings mit der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung gemeinsam. Diese reagiert, indem sie enorme Kapazitäten in Terrorabwehr und Grenzsicherung steckt, anstatt sich den wahren Problemen dieses Landes zu widmen. Ihr Realitätsferne zu attestieren scheint noch untertrieben.David Goeßmann deckt in seinem investigativen Sachbuch "Die Erfindung der bedrohten Republik" auf, wie innerhalb kurzer Zeit gegensätzliche mediale Konstruktionen von kollektiver spontaner Humanität und einer inneren Notstandsituation von der Politik fraglos übernommen wurden. Am Anfang standen die Flüchtlinge – und am Ende unsere beschädigte Demokratie.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Die Erfindung der bedrohten Republik von David Goeßmann im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Geschichte & Weltgeschichte. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1
DER KURZE SOMMER
DER »WILLKOMMENSKULTUR«
Von Fake-Medienkritik zu verriegelten Toren
Willkommens-PR: »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«
Die Bilder vom »kurzen Sommer der Willkommenskultur« sind zu Ikonen geworden: Jubelnde Menschen auf den Bahnsteigen in München, als die Züge mit Flüchtlingen aus Ungarn ankommen. Die Selfies mit der Kanzlerin in Notunterkünften. Ganzseitige Werbeanzeigen mit dem Slogan »Wir zusammen« von deutschen Unternehmen, die sich für die Integration von Geflüchteten einsetzen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Die deutsche Gesellschaft schien im Spätsommer 2015 für einen Moment von einem humanitären Gleichklang erfüllt zu sein. Die Bundesregierung ließ Zehntausende Gestrandete aus ihrem Budapester Bahnhofselend nach Deutschland kommen und setzte dabei das dysfunktionale EU-Dublin-Abkommen aus. Die Kanzlerin sprach davon, den Flüchtlingen »ein freundliches Gesicht« zu zeigen, von »Wir schaffen das« in Hinsicht auf die Integration und opponierte gegen rechtsradikale Aufmärsche, die der damalige Bundespräsident Gauck als Ausdruck eines »dunklen Deutschlands« bezeichnete.
Die Wirtschaftsverbände stellten sich hinter den Regierungskurs, während von der Zeit bis zur Bild-Zeitung Schlagzeilen wie »Willkommen« oder »Refugees Welcome« auf den Titelseiten zu lesen waren. Prominente hießen Syrer, Iraker oder Afghanen willkommen. Vor allem aber ging durch alle Schichten der deutschen Bevölkerung eine Art gesellschaftlicher »Ruck«, wie ihn der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog einst unter allgemeinem Beifall von den Deutschen eingefordert hatte. Vergleichbar nur mit dem bürgerschaftlichen Engagement in der »Jahrhundertflut« im Jahr 2002 packten Hunderttausende Deutsche ungefragt an, nahmen Flüchtlinge mit offenen Armen auf, unterstützten und integrierten sie vor Ort, ehrenamtlich, unbürokratisch und wie selbstverständlich.58
Doch der Diskurswind drehte sich schlagartig in wenigen Wochen und transformierte Flüchtlinge zum Megaproblem und zur Jahrhundertbelastung. Die Politik hatte längst die Weichen gestellt. So entschied der Bundestag kurz nach dem Willkommenssommer, das Abschreckungs- und Abschottungssystem gegen Schutzsuchende gesetzlich und mit diversen Maßnahmen weiter zu verschärfen. Der Versorgungsstandard der Schutzsuchenden wurde verschlechtert, der Schutzstatus reduziert, der Familiennachzug stark heruntergefahren, die Liste sicherer Drittstaaten erweitert, die Türkei- und Balkanroute geschlossen, der EU-Außengrenzschutz militarisiert und Fluchtrouten wurden durch Deals mit diktatorischen afrikanischen Staaten versperrt.59
Zudem hielt die »Flüchtlingskrise« Deutschland und die EU über Jahre in Atem, als ob die Zukunft des reichsten Kontinents mit einer halben Milliarde Menschen von einigen Hunderttausend Flüchtlingen abhing. Großbritannien trat infolge eines Referendums – angeheizt durch heftige Anti-Flüchtlings-Stimmungsmache – aus der EU aus. In Deutschland scheiterte Ende 2017 zum ersten Mal in der Geschichte der BRD eine Regierungsbildung – an Unstimmigkeiten über Lockerungen des blockierten Familiennachzugs bei Kriegsflüchtlingen. Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU brüskierte Kanzlerin Merkel ein ums andere Mal in der Asylfrage, während diese wie eine liberale Lichtgestalt und ein moralischer Fels in der Brandung von den Grünen gefeiert wurde. In einem Flügelstreit über »offene Grenzen« und politische Flüchtlingsrhetorik zerlegte sich währenddessen die Linke auf offener Bühne. Wie passt das alles zusammen?
Es passt zusammen, wenn man Rhetorik von Realpolitik und bürgerliche Willkommenskultur von politischer Willkommens-PR trennt. So haben zwar die Menschen in Deutschland eindrücklich bewiesen, dass sie nicht nur bereit sind, vor Krieg und Verfolgung Flüchtenden Schutz zu bieten. Das bestätigen sie immer wieder in großen Mehrheiten in Umfragen. Die Deutschen waren wie die Europäer zudem gewillt, sich persönlich und in Initiativen über Jahre für Flüchtlinge zu engagieren. Die Bürger überall in der EU gingen nicht nur immer wieder für Flüchtlingsaufnahme auf die Straße, sondern organisierten private und kommunale Versorgung für Schutzsuchende, gründeten sogenannte »Solidarity Cities«, mit bislang rund 19 Millionen Hilfsaktionen, oder »Cities of Sanctuary« wie in Großbritannien. Die Initiativen reichen europaweit von Aberdeen in Schottland und Namur in Belgien über Turin in Italien und Danzig in Polen bis nach Athen in Griechenland und Ljubljana in Slowenien.60 Eine Sternstunde bürgerschaftlichen Einsatzes, die der Ausdruck »Willkommenskultur«, der in der internationalen Flüchtlingsbewegung geprägt wurde, bezeugt. Sicherlich entsprach auch die Entscheidung der Bundesregierung, Flüchtlinge nicht an der Weiterreise nach Deutschland zu hindern, der Genfer Konvention. Doch die politische Reaktion Berlins wurde, anders als das Engagement der Bürger, keineswegs durch humanitäre Gesichtspunkte oder in Hinsicht auf Menschenrechte ausgelöst.
Die kurzzeitige Willkommenskultur-PR von Regierung, Wirtschaftslobby und Medien hat nämlich wenig bis gar nichts mit deutscher Realpolitik in Sachen Flüchtlingsschutz zu tun. Rhetorik und Handeln klaffen vielmehr weit auseinander. So fährt Deutschland seit zwei Jahrzehnten eine rigide Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge, so dass es rechtlich gesehen gar keine Geflüchteten mehr versorgen muss. Denn durch die Grundgesetzänderung von 1993 und das Dublin-Abkommen sind die Staaten an den EU-Außengrenzen verpflichtet worden, die in die EU kommenden Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland hat seitdem auch nur noch wenige Schutzsuchende aufnehmen müssen, während die Flüchtlingszahlen global stark anstiegen. Das wirtschafts- und bevölkerungsstärkste Land der Union hat sich wie die Industriestaaten insgesamt seit den 2000er Jahren mehr oder weniger durch eine Reihe von Non-entrée-Barrieren vom internationalen Flüchtlingsschutz verabschiedet, sodass die Krise fast komplett den ärmsten Ländern zugeschoben werden konnte (siehe Kapitel 4).
Durch die Aushebelung des Flüchtlingsschutzes der EU unter deutscher Führung – eines mächtigen Staatenverbunds, der über diverse Möglichkeiten verfügt, andere Länder zu Türsteher- und Lagerstaaten zu machen, zu erpressen und Grenzen effektiv zu sichern – waren insgesamt über 60 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene gezwungen, außerhalb der »Festung Europa« in den Entwicklungsländern, meist in entwürdigenden Lagern, dahinzuvegetieren. Wenn es einige von ihnen durch die von der EU gesponserten diktatorischen Auffangregime in Nordafrika unter Muammar al-Gaddafi in Libyen, Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien oder den autoritären Staat Marokko in die Industriestaaten schafften, wurden sie an der Außengrenze in Griechenland, Italien oder Ungarn schikaniert oder demoralisierend hin und her geschoben (»refugees in orbit«).61
Die europäischen Staaten unter Leitung der USA hatten kein Interesse daran, die Produktion von Flüchtlingen zu stoppen oder abzuschwächen, gegen die sie sich zunehmend harscher abschirmten. Der Hauptgrund für den enormen Anstieg der Flüchtlingszahlen und die Verschärfung der Flüchtlingskrise ist unstrittig. Den Angriffskriegen und Militärbesatzungen in Afghanistan und Irak mit all ihren Konsequenzen und »after wars«, den bereits siebzehn Jahre andauernden globalen »War on Terror« inklusive der verdeckten Kriege von Spezialkräften sowie dem Kampfdrohnen-Terror im Nahen Osten und Afrika, der Zerstörung Libyens durch das militärische Eingreifen der NATO, dem Fluten der Kriegs- und Krisenregion mit profitablen Waffen aus westlichen Arsenalen und schließlich der militärischen Eskalation in Syrien folgte Flüchtlingskatastrophe auf Flüchtlingskatastrophe. Dutzende Millionen Menschen mussten infolge der Destabilisierungen, staatlichen Implosionen und vom Westen aufgebauten Radikalkräfte wie der Nordallianz in Afghanistan, Drogenbaronen und Warlords von Afrika bis in den Nahen Osten, korrupten Eliten oder dschihadistischen Milizen ihrer Heimat entfliehen.62
Was war die Reaktion Deutschlands und des reichsten Kontinents der Welt darauf? Humanität und die Gewährleistung der rechtlich garantierten Schutzansprüche für Flüchtlinge, die diesen Implosionen zu entkommen versuchten? Das Kanzleramt insbesondere unter der »Mutter-Teresa«-Bundeskanzlerin Angela Merkel63 schaute der immer schnelleren Abfolge von Flüchtlingskrisen nicht nur tatenlos zu, sondern entzog rund 20000 irakischen Flüchtlingen die Anerkennung. Es versuchte sie gegen humanitäre Mindeststandards und gegen breiten zivilgesellschaftlichen Protest ins Kriegsgebiet zurückzuschieben64, drängte Diktatoren mit reichhaltigen »Gaben« beziehungsweise Erpressungsgeldern, ihre Dienste als Türsteher zu verrichten, verweigerte den zusammenbrechenden Aufnahmeländern in der Region die notwendigen Hilfen, blockierte jede Maßnahme, um ein faires und funktionierendes Asylsystem für die Europäische Union aufzubauen und reduzierte die kommunalen Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge im eigenen Land auf ein Minimum.65
Die deutsche Regierung, die »moralische Supermacht«, hat schlicht kein Interesse an Flüchtlingsschutz. Flüchtlinge sollen nach der offiziellen Regierungsdoktrin, unterstützt von großen Teilen der politischen Klasse und der Wirtschaftsverbände, möglichst außerhalb der EU und Deutschlands versorgt werden. Solange das funktioniert, egal, unter welch menschenunwürdigen, das Flüchtlingsrecht missachtenden Bedingungen auch immer, gibt es weder eine »Flüchtlingskrise« noch eine nennenswerte öffentliche Debatte darüber. Erst als immer mehr Flüchtlinge aus der Krisenregion Irak, Syrien und Afghanistan auf den europäischen Kontinent strebten und schließlich 2015/2016 die Abschottungsbarrieren zeitweise durchbrechen konnten, schoss das Thema ganz oben auf die Agenda der politischen Klasse.
Das Narrativ der »humanen« Einladung von Flüchtlingen ist irreführend und falsch. Es lenkt ab von der grundsätzlichen Ausrichtung der deutschen Flüchtlingspolitik, die auch auf EU-Ebene durchgesetzt wurde. Denn die kurzfristige Aufnahme von Flüchtlingen während der »Krise« steht keineswegs in Widerspruch zum Abschottungskurs des Kanzleramts, der seit Jahrzehnten verfolgt wird. Merkel war wie die Amtsinhaber vor ihr bemüht, mit diversen Regelungen, Deals und Maßnahmen die Flüchtlinge so gut es geht »auf Armlänge« vom deutschen Territorium zu halten. Wie gesagt: mit Erfolg. Deutschland konnte sich auch dank des Dublin-Abkommens vor Flüchtlingen abschirmen, wodurch vor allem die EU-Südländer für die Versorgung der Flüchtlinge verantwortlich gem...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Über das Buch
  3. Titel
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort: DENKT MIT DEM HERZEN
  6. Prolog: WIR GEGEN DIE IN DER BLOCKIERTEN DEMOKRATIE
  7. 1. DER KURZE SOMMER DER »WILLKOMMENSKULTUR«
  8. 2. KÖLNER SILVESTERNACHT
  9. 3. DER KRIMINELLE FLÜCHTLING
  10. 4. EROSION DES FLÜCHTLINGSSCHUTZES
  11. 5. ABSCHOTTEN FÜR FORTGESCHRITTENE
  12. 6. DAS TINA-PRINZIP DER ABSCHOTTUNGSPOLITIK
  13. 7. UNTER VERSCHLUSS
  14. Epilog: DIE RECHTE GEWINNT, WENN DER GESELLSCHAFT DIE LUFT AUSGEHT