Mindful2Work unterrichten
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Mindful2Work unterrichten

Das Trainingshandbuch

  1. 369 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Das Trainingshandbuch

Über dieses Buch

Mindful2Work: beruflichen Stress reduzieren - neue Lebensfreude gewinnenStress ist ein weitverbreitetes Phänomen und kann sich nachteilig auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirken - am Arbeitsplatz und darüber hinaus.Achtsamkeitsmeditation, Yoga und Bewegung haben positive Effekte bei stressbedingten Symptomen, wie die Forschung zeigt. Das Trainingsprogramm Mindful2Work kombiniert diese drei Elemente. In sechs Wochen lernen die Teilnehmenden, wie sie Stress während der Arbeit und im Privatleben reduzieren können, sodass sie sich ruhiger und leistungsfähiger fühlen und ihre Work-Life-Balance spürbar verbessern.Dieses Handbucherläutert Schritt für Schritt, wie das Training aufgebaut ist, enthält sämtliche Übungen und Meditationenund gibt einen Überblick über die theoretischen Grundlagen, die Ergebnisse der Forschung und die Trainer*innenausbildung.Mindful2Work wurde von den Autorinnen in Zusammenarbeit mit der Universität Amsterdam entwickelt und ist wissenschaftlich evaluiert.

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Information

Kapitel 1
Mindful2Work –
der Hintergrund
»Gerade die Kombination aus Achtsamkeit, Yoga und aktiver Bewegung hat so viel bei mir bewirkt, ein Element alleine hätte nicht diesen Effekt gehabt.«
1 Stress, Erschöpfung und Burn-out
Was ist eigentlich Stress? Dass wir uns im Arbeitsleben ständig gehetzt und unter Druck fühlen, weil wir so viele Termine haben? Dass wir ständig To-do-Listen abarbeiten »müssen«, im Privatleben und während der Arbeit? Dass wir noch schneller arbeiten wollen? Dass wir ständig über E-Mail und die sozialen Medien erreichbar sind? Dass wir die Lücken in unseren Terminkalendern mit noch mehr To-dos füllen? Dass wir nie mit dem Erreichten zufrieden sind? Dass wir ständig Angst davor haben, in den eigenen Augen oder der anderer nicht gut genug zu sein? Auf die Frage »Wie geht es?« ständig zu antworten: »Gut, ich habe viel zu tun, sehr viel zu tun«?
Als ich (Susan Bögels) gerade mit meinem Psychologiestudium in den Achtzigerjahren begonnen hatte, fragte ich meinen Mentor, wie es ihm gehe, und er antwortete: »Ziemlich viel zu tun.« Ich hatte großen Respekt vor ihm und konnte es nicht erwarten, so weit zu sein wie er, und auf die Frage »Wie geht’s?« auch mit voller Überzeugung »ziemlich viel zu tun« antworten zu können. »Viel zu tun« bedeutete für mich damals, Teil eines großen, bedeutungsvollen Ganzen zu sein, in dem man gebraucht wurde, vermisst wurde, wenn man nicht da war, und wo das, was man tat, wirklich Bedeutung für andere hatte. Burn-out-Symptome schien es damals unter Studierenden noch nicht zu geben, denn es gab noch keine begrenzte Studiendauer, keinen Numerus clausus, keine endlosen Formulare, die es auszufüllen galt, Anwesenheitslisten, speziell formulierte Lernziele, die man erreichen musste. Nicht nur die Studierenden, sondern auch die Dozenten schienen um einiges gelassener zu sein, als wir es als Dozenten heute sind, und sie hatten noch wirklich Zeit für uns. Ich kenne keinen einzigen Dozenten oder Studenten, der während meines Psychologiestudiums überarbeitet gewesen wäre oder ein Burn-out hatte. Wir rechneten noch per Hand und ich erinnere mich noch genau daran, wie wir in der Arbeitsgruppe Statistik unsere erste Berechnung auf einem Computer machten: Wir stanzten Löcher in große weiße Karten, die durch eine fauchende Maschine gezogen wurden, die drei Räume für sich beanspruchte (der erste Computer!), und wenn sich ein Loch nicht an der richtigen Stelle befand, musste der gesamte Vorgang wiederholt werden. Wenn die Karten dann endlich fehlerfrei gestanzt waren, spuckte der Computer nach einer halben Stunde unter großem Getöse ein Ergebnis aus, das rasselnd auf großen Rollen weißen Papiers ausgedruckt wurde! Während wir warteten, beobachteten wir voller Staunen den ganzen Vorgang, der sich im Computer abspielte – ein Wunder!
Mit einer analogen Kamera, in der ein aufgerollter Schwarz-Weiß-Film steckte, machten wir Fotos von diesem historischen Moment, dieser Begegnung mit einem echten Computer. Das Röllchen mit dem Film entwickelten wir in einer Dunkelkammer und machten dort Abzüge für die ganze Gruppe. Wir sahen voller Erstaunen dabei zu, wie das Foto, das uns alle im Computerraum zeigte, allmählich sichtbar wurde, während wir das Fotopapier Stück für Stück vorsichtig mit unseren Händen in der Entwicklerflüssigkeit hin und her bewegten.
Meine Hausarbeiten schrieb ich noch mit der Hand. Der Dozent korrigierte sie mit dem Rotstift und ich lieh mir dann eine elektrische Schreibmaschine, um die endgültige Version zu tippen. Wenn ich einen Fehler machte, benutzte ich Tipp-Ex und musste den richtigen Buchstaben exakt auf der korrigierten Stelle platzieren, sobald das Tipp-Ex getrocknet war. Und wenn ich ein wichtiges Stück Text vergessen hatte, tippte ich es auf ein anderes Blatt, schnitt es aus, klebte es unten an die Seite und faltete es nach oben um. Die Grafiken zeichnete ich mit schwarzem Stift und Lineal. Das alles machte ich in der letzten Nacht vor dem Abgabetermin, mit viel Kaffee (Red Bull und Ritalin gab es damals noch nicht) und Shag. Also: Stress und Deadlines gab es damals auch schon. Aber es war nicht möglich, alles immer wieder zu korrigieren, immer wieder neu über das nachzudenken, was man geschrieben hatte, Sätze und Worte immer wieder zu verändern, denn die Tinte auf dem Papier ließ sich nicht mehr ändern. Was einmal dastand, stand da. Dadurch lernten wir damals besser, wirklich nachzudenken, bevor wir zu schreiben begannen, denn man schrieb es nur einmal, und wir lernten, wirklich bei der Sache zu sein, wenn wir etwas schrieben, denn man schrieb oder tippte für die Ewigkeit.
Und auch der Dozent war ganz anwesend, wenn er sein Feedback gab, denn das tat er nur ein einziges Mal, mit dem Rotstift, und auch diese Tinte ließ sich nicht korrigieren. Und anschließend kümmerte er sich nicht mehr um die Arbeit. Man konnte seinem Dozenten nicht mailen, man konnte seine Abgabetermine auch nicht verschieben, man gab die handgeschriebene Arbeit nur einmal ab, persönlich im Sprechzimmer des Dozenten – und dann wartete man auf den Tag des Urteils, der vorher feststand. An diesem Tag fuhr man mit dem Fahrrad zur Universität und holte die mit roter Tinte korrigierten Blätter wieder ab. Es gab keine Zweitkorrektoren, keine Versuchsplanung, die von zwei Personen beurteilt und unterschrieben abgegeben werden musste, keine Plagiatsprüfung, so wie es heute üblich ist. Ja, wären wir doch damals Dozent oder Student gewesen – welche Ruhe und Klarheit!
Auch in der Familienberatungsstelle (LGV), in der ich mein zweites klinisches Praktikum am Ende meiner Studienzeit absolvierte – ein Studium, das damals übrigens mindestens sechs Jahre umfasste, wobei es völlig unproblematisch war, wenn man länger dafür brauchte –, herrschte eine ganz andere Atmosphäre als heute, denn es gab keine Computer und keinen Produktivitätsdruck. Mein Praktikumsbetreuer nahm sich die Zeit, alle Beratungsgespräche anzuhören, die ich mit einem schweren Kassettenrekorder aufgenommen und vorher selbst schon angehört hatte. Und dann hörten wir uns das Band zusammen an, und wenn er etwas kommentieren wollte, was der Patient oder ich gesagt oder nicht gesagt hatten, drückte er auf die Stopptaste. So saßen wir manchmal sicher zwei Stunden zusammen, um uns ein Gespräch anzuhören und das mehrmals in der Woche. Die Aufmerksamkeit, mit der er meine Entwicklung zur Psychotherapeutin begleitete, tat mir unendlich gut, und ich lernte so, dass alles, was ich sagte oder tat, wichtig war, genauso wie alles, was der Patient sagte oder tat, denn immerhin schenkte mein Betreuer all dem seine Aufmerksamkeit und Zeit. Es gab keine Vorgaben, wie viele Patienten man in einer Woche gesehen haben musste, man arbeitete bis fünf Uhr, unabhängig davon, ob man in dieser Zeit zwei oder acht Patienten empfangen hatte, jeder von ihnen bekam die Zeit, die er brauchte. Und als Helfer nahm man sich ebenfalls die Zeit, die man brauchte. Manche Familien wurden auch von mehreren Therapeuten betreut, manchmal hatte sogar jedes Familienmitglied einen eigenen Therapeuten. Und wir alle saßen zusammen mit der Familie im Besprechungszimmer und nicht selten standen weitere Therapeuten hinter dem Einwegspiegel und beobachteten das Geschehen ebenfalls. Wenn die Familie gegangen war, machten wir mit dem gesamten Therapeuten-Team ein Brainstorming zur Formulierung eines Briefs, den wir der Familie zum Zweck einer paradoxen Intervention schreiben wollten. Nach der ausführlichen Diskussion brachten wir den handgeschriebenen Brief, der lediglich ein paar Sätze enthielt, zur Sekretärin, die ihn tippte und an die Familie schickte. Gemanagt wurde damals noch nichts, jeder arbeitete mit vollem Einsatz und das musste nicht kontrolliert werden. Es spielte während meines gesamten Praktikums auch nie eine Rolle, wer der Chef im Team war. Die Patienten konnten damals noch Rat suchen, ohne dass eine Diagnose vorliegen musste, es gab keine Audits, keine Aktenkontrolle, keine Zuzahlungen von Patienten, die verwaltet werden mussten, und keine Budgetüberschreitungen der Krankenversicherungen oder Gemeinden. Es wurde einfach behandelt, mit Hingabe, Fürsorge, Liebe und Weisheit. Und wir lasen sehr viele Bücher von international anerkannten Therapeuten wie Salvador Minuchin und Mara Selvini Palazzoli. Und wenn man Glück hatte, fand man dazu auch einen Film auf Video, in dem man sich anschauen konnte, wie sie einen Patienten oder eine Familie behandelten. Auch während meines klinischen Praktikums habe ich keinen einzigen Therapeuten kennengelernt, der ein Burn-out hatte.
Welche unglaubliche Beschleunigung hat die westliche Welt seitdem erlebt! Und das gilt nicht nur für die technologischen Entwicklungen (wie beim Computer, der heute nur noch den Bruchteil einer Sekunde für dieselbe Berechnung benötigt, für die er früher noch eine halbe Stunde brauchte). Wir sprechen inzwischen sogar schneller, circa 50 Prozent innerhalb von 500 Jahren, und wir gehen schneller (Bregman, 2013). Und obwohl der Ökonom Keynes 1930 noch voraussagte, dass wir 2030 infolge des technologischen Fortschritts und des Kapitalismus nur noch 15 Stunden in der Woche arbeiten müssten, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, ist das Gegenteil eingetreten. Obwohl wir in den Niederlanden die niedrigste Wochenarbeitszeit der Welt haben, ist die Anzahl Stunden, die wir pro Woche in Arbeit, Pflege und Erziehung investieren von 43,6 Stunden im Jahr 1985 auf 48,6 Stunden im Jahr 2005 gestiegen und gleichzeitig hat die Zeit, die wir Hobbys, Kultur, Kunst, Musik und Sport widmen, im Westen abgenommen. Das erklärt sich einerseits durch unser gesteigertes Konsumverhalten (es müssen immer mehr Bedürfnisse befriedigt werden), aber andererseits auch durch die Zunahme von sinnloser Arbeit oder Bürokratie – dazu gleich mehr.
Multitasking, Beschleunigung, Konkurrenzdruck, Arbeitsplatzunsicherheit, ständige Erreichbarkeit durch die sozialen Medien, Reizüberflutung und andauernder Zeitdruck kennzeichnen die westliche Gesellschaft gegenwärtig (Stansfeld, Candy, 2006). Die Bürokratie hat in den letzten zweihundert Jahren extrem zugenommen (Graeber, 2016). Bürokratie definiert eine Organisationsstruktur, die gekennzeichnet ist durch regelgebundene Verfahren, Aufteilung der Zuständigkeiten, Hierarchien und unpersönliche Beziehungen. Dadurch beschäftigen sich Polizisten, Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer, Psychotherapeuten und Wissenschaftler während der Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungsaufgaben, statt inhaltlichen Arbeiten nachzugehen. Der Anthropologe David Graeber von der London School of Economics meint, dass sich »fortschrittliche Ökonomien«, wie zum Beispiel die USA, in Bezug auf die Bürokratie den großen bürokratischen Exzessen annähern, wie sie zum Beispiel in der Sowjetunion oder in unterentwickelten Ländern Afrikas und Südamerikas zu finden sind, wo Zertifikate und Genehmigungen oft als machtverleihende magische Objekte betrachtet werden. Außerdem ist eine explosionsartige Entwicklung in einem Bereich zu beobachten, den man »Kredentialismus« nennt (Collins, 1979), wo (schulische) Diplome für bestimmte Statusgruppen zu einem Instrument werden, um sich den Zugang zum Arbeitsmarkt oder eine Monopolstellung zu sichern, was wiederum eine hohe Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit garantiert. Der Historiker Bregman (2013) betont, dass das Phänomen des gehäuften Burn-out in den westlichen Gesellschaften nicht nur die Folge von zu harter Arbeit ist, sondern auch von zu viel Arbeit, die als sinnlos erlebt wird (Bürokratie).
Auch wenn Geschwindigkeit, Konkurrenzdruck, ständige Erreichbarkeit und eine Vielzahl an Aufgaben und Reizen für manche Menschen inspirierend ist, leiden sie dennoch unter dem daraus resultierenden Stress. Und dieser Stress beeinflusst Gesundheit und Wohlbefinden in einer extrem negativen Weise. Kurzfristig kann Stress zu Symptomen wie Kopf- und Muskelschmerzen, erhöhtem Herzschlag und Blutdruck, Schlafproblemen und einem Gefühl der mentalen Instabilität führen (Hassmén, Koivula, Uutela, 2000; Sadeh, Keinan, Daon, 2004; Schneiderman, Ironson, Siegel, 2005). Langfristig kann Stress zu chronischer Erschöpfung, Burnout, Angst, Depressionen, verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit (Probleme im Bereich der Aufmerksamkeit, der Planung und Organisation, des Gedächtnisses und der Priorisierung), somatischen Symptomen und kardiovaskulären Erkrankungen führen (Hammen, 2004; Leone, Wessely, Huibers, Knottnerus, Kant, 2011; Lupien, Maheu, Tu, Fiocco, Schramek, 2007; Schneiderman u. a., 2005; Wolever, Bobinet, McCabe, Mackenzie, Fekete, Kusnick u. a., 2012). Sind wir am Arbeitsplatz lang anhaltendem Stress ausgesetzt, kann dies die unterschiedlichsten Folgen haben: Verringerung der Produktivität, häufigere Erkrankungen, Anstieg von Betriebsunfällen, Drogen- und Alkoholmissbrauch, höhere Fehleranfälligkeit und interpersonelle Probleme oder Konflikte (European Agency for Safety and Health at Work, 2014; Kalia, 2002). Die World Health Organization (WHO) hält fest, dass unser tägliches Arbeitsleben in den vergangenen Jahrzehnten emotional und mental herausfordernder geworden ist (WHO, 2010). Daher beschäftigen sich Unternehmen und Organisationen heute auch vermehrt damit, wie sie das Wohlbefinden und die Resilienz ihrer Mitarbeiter verbessern können.
In den USA ist Leistungsdruck die Hauptursache für Stress (Aikens, Astin, Pelletier, Levanovich, Baase, Park u. a., 2014). Dem American Institute of Stress zufolge stehen 75 – 90 Prozent der Besuche beim Allgemeinarzt im Zusammenhang mit stressbedingten Symptomen (Rosch, 2001) und Erhebungen der American Psychological Association zeigen, dass mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung Stresssymptome wie Müdigkeit, Reizbarkeit, Aggressionen oder Veränderungen des Schlafrhythmus haben (APA, 2013). In der Europäischen Union stehen 22 Prozent der arbeitenden Bevölkerung unter derart großem arbeitsbedingtem Stress, dass dieser einen entscheidenden negativen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hat (European Agency for Safety and Health at Work, 2014). Von 600 in Großbritannien befragten Senior-HR-Professionals gaben 97 Prozent an, dass sie im Stress die größte Bedrohung für das Wohlbefinden von Arbeitnehmenden sehen und von den 175 Millionen Arbeitstagen, die dort jährlich krankheitsbedingt versäumt werden, ist mindestens die Hälfte auf Stress zurückzuführen (Fuller, 2006). Vergleichbare Zahlen sind für Deutschland verfügbar, wo über 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer laut repräsentativen Studien über Burn-out-Symptome klagen (Pronovabkk, 2018), und 31 Prozent der krankheitsbedingt versäumten Arbeitstage im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen stehen (DAK, 2019). Und es steht zu erwarten, dass diese Zahlen weiter steigen werden (Shanafelt, Hasan, Dyrbye, Sinsky, Satele, Sloan u. a., 2015).
»Ich schlief schon sehr lange schlecht und fühlte mich extrem gestresst. Das war nicht besonders angenehm, aber wie schlecht es mir wirklich ging, habe ich erst gar nicht bemerkt. Bis ich so müde war, dass ich bereits wegen des kleinsten Anlasses weinen musste. Zum Beispiel, als ich einmal zum Einkaufen ging: Nur mit Mühe hatte ich mich dazu aufraffen können, mir überlegt, was ich essen wollte und war durch den vollen Supermarkt gegangen. An der Kasse stellte sich heraus, dass ich mein Portemonnaie vergessen hatte und nach Hause zurückgehen musste. Ich brach sofort in Tränen aus und die Kassiererin schaute mich ziemlich erstaunt an – was ich gut verstehen konnte. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass man so erschöpft sein kann, dass eigentlich alles zu viel ist.«
Neben den hohen »persönlichen Kosten« sind die ökonomischen und marktwirtschaftlichen Kosten, die durch Stress verursacht werden, gigantisch (zum Beispiel aufgrund von Arbeitsausfall, verminderter Produktivität und Inanspruchnahme des Gesundheitssystems). Die jährlichen Krankheitskosten, die im Zusammenhang mit Stress stehen, werden in den USA auf 660 Milliarden Dollar und in Europa auf 920 Milliarden Euro geschätzt (Mino, Babazono, Tsuda, Yasuda, 2006). In Deutschland wird laut Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin krankheitsbedingter Arbeitsausfall zu 12,6 Prozent durch „psychische und Verhaltensstörungen“ verursacht. Dies kostet allein jährlich circa 945 Millionen Euro Produktionsausfallkosten (baua, 2018, S.47).
Das vorliegende Handbuch zum Mindful2Work-Training ist kein Fachbuch zum Thema Stress, Erschöpfung oder Burn-out. Hierzu findet sich ausreichend anderes gutes Material, zum Beispiel »Gelassen und sicher im Stress« (Kaluza 2017) sowie die Dokumentation »Stress: Portrait of a killer«. Dennoch erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle einige Informationen zum Thema Erschöpfung und Burn-out zu geben, da unser Programm für Personen mit Burn-out-bedingten Symptomen entwickelt wurde und zur Verbesserung ihrer Situation beitragen soll.
»Lange Zeit habe ich schrecklich viel zu tun gehabt und mir viel zu viel zugemutet. Ich habe ständig meine eigenen Grenzen überschritten, um das alles stemmen zu können. Irgendwo wusste ich zwar, dass das nicht gut für mich war, aber na ja, es musste ja weitergehen. Ich habe die Signale meines Körpers ignoriert, bis ich zu einem bestimmten Zeitpunkt völlig ausgebrannt war und gar nichts mehr tun konnte. Eine Mail zu verschicken oder eine Einkaufsliste zu machen, war schon zu viel. Auf die Zeit der ständigen Hetze folgte eine Zeit des totalen Stillstands, eine schwierige und traurige Zeit. Ich begriff, was ich verkehrt gemacht hatte und auch wie ich es anders hätte machen können, aber diesen Weg auch zu gehen, war nicht so einfach. Ich habe gemerkt, wer lange Raubbau an sich treibt, braucht auch eine lange Zeit, um sich wieder zu erholen.«
Laut dem sogenannten »BIC-Dokument« (Beroepsziekten in Cijfers – Berufskrankheiten in Zahlen) des Niederländischen Zentrums für Berufskrankheiten (NCvB) von 2016 hat der Anteil psychischer Berufskrankheiten unter allen gemeldeten Berufskrankheiten im Jahr 2015 um 57 Prozent zugenommen. In die große Kategorie Berufskrankheiten fallen ansonsten zum Beispiel Erkrankungen des Bewegungsapparats, Hautkrankheiten oder Lungen- und Atemwegserkrankungen. Unter den psychischen Berufskrankheiten sind Erschöpfung und Burn-out über die Jahre hinweg – im Jahr 2015 waren es 76 Prozent – die Erkrankungen, die am häufigsten auftreten (NCvB, 2016). Den Leitlinien der Niederländischen Vereinigung für Arbeits- und Betriebsmedizin (NVAB) zufolge zeigen Menschen, die erschöpft sind, die folgenden Symptome: Müdigkeit, unruhiger Schlaf, Reizbarkeit, Lärmempfindlichkeit, emotionale Labilität, Grübeln, Gefühl des Gehetztseins, Konzentrationsprobleme und/oder Vergesslichkeit. Dadurch entstehen ernsthafte Beeinträchtigungen bei der Ausübung des Berufs und im sozialen Leben. Erschöpfung kann allmählich in ein Burn-out übergehen, wenn die Symptome mehr als sechs Monate andauern und Gefühle der Müdigkeit und (emotionalen) Erschöpfung im Vordergrund stehen. Die Entstehung von Erschöpfung und Stress wird mit einem Zuviel an Stress(oren) erklärt, gepaart mit einer relativ schwach ausgeprägten Fähigkeit, Stress(oren) in den Griff zu bekommen (Verschuren, Nauta, Bastiaanssen, Terluin, Vendrig, Verbraak u. a., 2011).
»Ich hatte ständig Stress und fühlte mich schon eine Zeit lang schlecht: Ich war schnell gereizt und verärgert, konnte mich nicht mehr entspannen und grübelte die ganze Zeit. Und die Arbeit ging mir auch nicht mehr so leicht von der Hand. Ich machte mir ständig Gedanken über alle möglichen Dinge, sodass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Als ich dann mit einem neue...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Kapitel 1
  7. Kapitel 2
  8. Woche 5
  9. Kapitel 3
  10. Kapitel 4
  11. Literatur
  12. Ressourcen
  13. Quellenangaben
  14. Anhang
  15. Danksagung
  16. Über die Autorinnen