Wie soll das denn konkret gehen?
„Wie soll das denn konkret gehen?“
Andreas Gebhardt
ist der Mann, der in Deutschland an der Weiterentwicklung des Fabrikators arbeitet. Seit dem Jahr 2000 ist er Professor für „Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Rapid Prototyping“ an der Fachhochschule Aachen. Als solcher muss er natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass „Fabrikator“ kein optimales Wort ist und man besser von generativen Verfahren sprechen sollte. Seiner Freundschaft mit Frithjof Bergmann tut das jedoch keinen Abbruch, und sie versuchen gemeinsam, das erste „Neue-Arbeit-Fabrikator-Projekt“ in Südafrika auf die Beine zu stellen.
Sie haben seit vielen Jahren engen Kontakt mit Frithjof Bergmann. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Das erste Mal bin ich Frithjof Bergmann im Jahr 2000 auf einer Tagung der NC-Gesellschaft für neue Technologien begegnet. Wir hatten ihn im Deutschlandfunk gehört und als Gastredner eingeladen. Dabei hat er sehr eingängig über den aktuellen Zustand der Welt gesprochen, vor allem über den ärmeren und größeren Teil. Das sind Dinge, die uns allen eigentlich bekannt sind, die wir aber meistens aus dem Bewusstsein verdrängen.
Vor allem hat er mit seiner Theorie der Neuen Arbeit einen Lösungsvorschlag gemacht. Als Techniker frage ich natürlich: Wie soll das konkret gehen? Die meisten Teilnehmer der Tagung konnten sich das gar nicht vorstellen. Ich hatte etwas, dass man als „leise Ahnung“ bezeichnen könnte. Für mich kam Frithjof Bergmann vor allem nicht als „Philosoph in der Tonne“ daher, sondern als jemand, der schon technikorientierte Projekte durchgeführt hat und alles andere als weltfremd ist.
Mich hat fasziniert, dass Frithjof Bergmann keine „Apfelsinenkisten-Technologie“ anstrebt, wie das sehr oft vorgeschlagen wird. Stattdessen möchte er ein System etablieren, in dem sich die Menschen selbst vor allem auch mit High-Tech-Produkten versorgen. Die Frage, wie das gehen soll und welche Möglichkeiten der Realisierung es gibt, hat mich seitdem weiter beschäftigt.
Frithjof Bergmann ist ein Visionär – mit dem Kopf in den Wolken, aber mit den Beinen auf dem Boden. Er ist ein Mann mit Charisma und der Fähigkeit, zu begeistern. Man spürt, dass er hinter seiner Theorie steht und bis zur Selbstaufopferung dafür kämpft. Unsere Zusammenarbeit begann auch nicht sofort. Wir haben uns fast drei Jahre lang mehr oder weniger aus den Augen verloren. Dann, zum 100-jährigen Bestehen unserer Hochschule, wollten wir einen weiteren Blick auf die Dinge wagen und haben Frithjof Bergmann als Philosophen mit technischem Einfühlungsvermögen zum Festvortrag eingeladen. Er hat das Amt, unseren Studenten einige Gedanken über die Schnittstellen von Mensch und Technik näherzubringen, gerne angenommen. Seit diesem Vortrag war unsere Zusammenarbeit dann eng auf Projekte ausgerichtet.
Sehen Sie denn die Einsatzmöglichkeiten des Fabrikators ähnlich optimistisch wie Frithjof Bergmann?
Grundsätzlich ja. Allerdings kenne ich die Möglichkeiten und Grenzen heutiger Verfahren sehr genau, vielleicht ja zu genau. Das zwingt mich manchmal, ihn ein wenig zu bremsen. Heute ist eben noch längst nicht alles möglich, was man sich auch in realitätsnahen Szenarien gut vorstellen kann. Aber diese Technologie hat mit Sicherheit Zukunft.
Wie weit sind wir von den Visionen von Frithjof Bergmann entfernt, dass der Fabrikator den gesamten Produktionsprozess revolutioniert?
Das Besondere an dieser generativen Technologie ist, dass man Produkte ohne spezielle Werkzeuge oder Fertigungsanlagen herstellen kann. Man braucht nur einen Computer und einen Fabrikator. Das hat schon revolutionäres Potential.
Jeder, der eine Idee hat, kann sie unmittelbar umsetzen. Er braucht kein Fertigungsspezialist zu sein und auch keine teuren Fertigungsanlagen. Er muss auch nicht mühsam Leute überzeugen, dass sie ihm Geld für die Infrastruktur geben. Damit haben viel mehr Menschen die Möglichkeit, etwas herzustellen, etwas, was sie selbst kreieren und was sie auch selbst nutzen wollen.
Bei der Beurteilung, was zu verwirklichen ist, kommt es jedoch darauf an, welche Produkte man herstellen will. Beim heutigen Stand der Entwicklung können wir bereits fast jedes beliebige Kunststoffteil herstellen. Das Gehäuse eines Föns, einer Kaffeemaschine, einer Bohrmaschine, Gehäuse von Hörgeräten, Autoausstattungen und so weiter. Die Liste ist sehr, sehr lang. Und auch Metallteile lassen sich immer besser herstellen.
Wie kann der Fabrikator im Alltag einen ähnlichen Platz einnehmen wie der Drucker des PC?
Es ist ein längerer, aber recht wahrscheinlicher Prozess dahin. Vor 30 Jahren hätte auch keiner geglaubt, dass man Fotos zum Entwickeln nicht mehr ins Fotofachgeschäft bringt, sondern zu Hause selbst ausdruckt. Oder sie sogar mit dem Computer als anspruchsvolle Drucksache, Einladungskarte oder Poster gestaltet und im Copyshop in Druckauftrag gibt. Dorthin kommen wir mit unseren Daten auf CD oder auf einem USB-Stick. Das eigentliche Produkt haben wir auf unserem PC selbst erledigt. Das Copyshop ist nur die „Druckerei“.
Genau so wird es mit dreidimensionalen Gegenständen gehen: Wir konstruieren auf unserem PC und der Fabrikator steht in einem Copyshop – oder in einem Zentrum für Neue Arbeit.
Die dreidimensionale Konstruktion ist nur etwas komplizierter als das Bedienen von „Word“. Deshalb könnte man notwendige digitale Konstruktionsdaten für möglichst viele Gegenstände, die jemand herstellen will, als Download im Internet bereitstellen. Und wenn es dann noch eine für Laien leicht erlernbare Software gäbe, mit der die Vorlage den individuellen Vorstellungen angepasst werden könnte – dann sind die meisten Voraussetzungen für die Integration des Fabrikators ins Alltagsleben vieler geschafft.
Gibt es Beispiele,
was man für den Alltag damit herstellen könnte?
Jeder Mensch hat andere Körpermaße. Man könnte sich Computermäuse oder allgemein Bedienelement machen, die perfekt zur Hand passen. Wenn ich einem älteren Verwandten ein Handy gebe und sage, „ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst“, werde ich mit Sicherheit nie einen Anruf bekommen. Die Tasten sind für ältere Menschen viel zu klein und als solche weder sicht- noch fühlbar. Bei diesem Problem könnten mit dem Fabrikator hergestellte Teile schnell Abhilfe schaffen.
Frithjof Bergmann träumt davon, mit Hilfe
des Fabrikators die Großkonzerne zu entmachten …
Die großen Konzerne sind nicht dumm. Sie sind schwerfällig, aber nicht dumm. Eine Technik, die wir uns erarbeiten, kann Siemens sich auch erarbeiten. Allerdings passt der Fabrikator nicht in die Struktur großer Unternehmen, vor allem nicht in deren zentralisierte Serienfertigung. Er ist eine Maschine, die dezentral aufgebaut werden kann und übers Internet vernetzt und gesteuert wird. Von daher kann man den großen Konzernen mit intelligenten Konzepten tatsächlich Konkurrenz machen.
Der Fabrikator bietet Einzelpersonen zum ersten Mal die Möglichkeit, in bestehende Märkte einzubrechen. Wenn jemand ein neues ergonomisches Handy-Gehäuse auf den Markt bringen wollte, hätte er vor 20 Jahren unter anderem einen Werkzeugkonstrukteur, einen Werkzeugbauer und einen Fertigungsbetrieb für Werkzeuge und Spritzgussbauteile benötigt. Das bedeutet Investitionen von mehreren Millionen Euro und den Zwang zur Großserie.
Heute braucht es etwas Gehirnschmalz und einen Fabrikator. Die Elektronikteile bleiben unverändert und müssen dazu gekauft werden. Also: Menschen mit Ideen bietet der Fabrikator fast alles, was sie zu deren Fertigung brauchen.
Sie arbeiten an einem Projekt in Südafrika. Worum geht es?
In Südafrika fährt eine riesige Flotte alter Toyota-Busse herum, die den regionalen Transport der armen Bevölkerung absichert. Ersatzteile kann sich dort keiner leisten. Die wären teilweise teurer als der ganze Bus. Mit wenigen Fabrikatoren könnte man diese Ersatzteile herstellen. Damit würde man Menschen Arbeit geben, die Sicherheit auf den Straßen erhöhen und einen Beitrag zur Verbesserung des Regionalverkehrs leisten. Mit dem Fabrikator kann man alle defekten Bauteile ersetzen. Ich war inzwischen selbst dort und habe mit verschiedenen Leuten gesprochen. Es gibt großes Interesse an dem Projekt.
Spielen dabei nicht aber auch Urheberrechtsfragen eine Rolle. Könnte Toyota nicht intervenieren?
Solange es um Pilotprojekte geht, ist das sicher nicht zu befürchten. Außerdem: Vor Gericht zu ziehen macht keinen Sinn, denn der Gegner sind die Armen in Südafrika und die haben kein Geld. Prozesse machen nur Sinn, wenn der Gegner Geld hat. Außerdem wäre ein Prozess gegen Arme nicht gut fürs Firmen-Image … Nein, ich habe da keine Befürchtungen.
Erzählen Sie Menschen in Ihrem Umfeld vom Neue-Arbeit-Konzept? Welche Erfahrungen machen Sie dabei?
Ja – und ich erlebe Wechselbäder. Die Titulierung reicht von „Spinner“ bis „Prophet“. „Kommunist“ ist auch dabei – das scheint als Schimpfwort wieder tauglich. Doch die meisten sind fasziniert von der Idee der Neuen Arbeit. Sie können sich aber oft nicht konkret vorstellen, wie diese Ideen umgesetzt werden sollen. Ich arbeite daran, sie zu überzeugen.
„Ich will nicht gleich die gesamte Gesellschaft verändern“
Rosalind Honig
war als Jugendliche sehr engagiert im Umwelt- und Naturschutz. Nach dem freiwilligen ökologischen Jahr hat sie Landschaftsplanung studiert – mit dem Ziel, Flüsse wieder krumm zu machen, die andere begradigt haben.
Diesen Wunsch hat sie zurückgestellt, nachdem sie beim Studium die Bedeutung der sozialen Komponente entdeckt hat. Seitdem liegt ihr Schwerpunkt auf Projektmanagement und Bürgerbeteiligung. Sie ist ausgebildete Mentorin für Neue Arbeit und Mitbegründerin des Werkstattprojekts „Fundus“ in Potsdam. Dieses Projekt ist als sozialer Treffpunkt und Kontaktschmiede für kreative Lebensgestaltung und lebenslanges Lernen konzipiert.
Wie sind Sie mit der Neuen Arbeit in Berührung gekommen?
Ich habe einen Artikel gelesen und darüber Menschen gefunden, die ähnlich denken wie ich: Dass man sich mehr daran orientieren kann, was man eigentlich will, statt dass man immer tut, was man soll. Dieser Perspektivwechsel hat mich sehr angesprochen. Dass man nach Möglichkeiten sucht, wegzukommen von dem resignierten „die Umstände sind halt so, dass ich so leben muss, wie es eben ist“. Dass man stattdessen überlegt, was man eigentlich möchte.
Das ist ja nur die eine Seite der Neuen Arbeit …
Na ja, ich dachte zuerst schon, das wirklich Wollen ist meins und das mit dem High Tech Self Providing können andere machen. Als ich mich dann ausführlicher damit befasst habe, habe ich festgestellt, dass es genauso wichtig ist. Dabei steht für mich nicht so sehr der Fabrikator im Vordergrund, sondern die Frage, wie man auf intelligente Weise sein Leben vernünftiger, ressourcenschonender und unabhängiger von Geld organisieren kann.
Haben Sie sich schon in der Selbstversorgung versucht?
Eher in gegenseitiger Unterstützung. Manchmal arbeite ich nicht für Geld, sondern für Gegenleistungen. Und dabe...