Sozialphilosophie, Teil 5
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Sozialphilosophie, Teil 5

Transformation der Weltgesellschaft: Globalisierung und Philosophie

  1. 13 Seiten
  2. German
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Sozialphilosophie, Teil 5

Transformation der Weltgesellschaft: Globalisierung und Philosophie

Über dieses Buch

Was ist Gesellschaft? Sie ist unser Raum und unsere Zeit, ihr gehören wir untrennbar an und stehen doch auch immer außerhalb von ihr. Ihre hierarchische Ordnung und ihr Gedächtnis spiegeln sich in den unvermeidbaren Konflikten, die in Wirtschaft und Politik besonders weitreichend sind. Unverzichtbar für ihre Lösung ist es dabei, sich über sozialethische Maßstäbe wie Gerechtigkeit zu verständigen. Zwei Brennpunkte dieser Debatte sind die Fragen nach der Gestaltung der Globalisierung und der Rolle von Religion in demokratischen Gesellschaften. TRANSFORMATION DER WELTGESELLSCHAFT: GLOBALISIERUNG UND PHILOSOPHIE Globalisierung ist ein hoch umstrittenes Phänomen: Die einen erhoffen sich davon Wohlstand für alle und eine Befriedung internationaler Beziehungen, die anderen sehen durch dieses Phänomen die Schere zwischen Arm und Reich nur größer werden und die Zahl gewalttätiger Konflikte steigen. Was kann die politische Philosophie zur Klärung dieses vielschichtigen Phänomens beitragen? So die Frage nach dem Staat und dem Recht oder globalen Institutionen. Entlang der Modelle von Weltpolitik, die Immanuel Kant am Ende des 18. Jahrhunderts in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" entworfen hat, wird eine Antwort gegeben. Das Modell von "Global Governance", das vor allem auf Kommunikation und Kooperation setzt, hat die größten Aussichten auf Erfolg.

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1. Die Renaissance als eine Frühform von Globalisierung

Nikolaus von Kues, einer der bedeutendsten deutschen Philosophen und Theologen, lebte im 15 Jahrhundert. Er wurde 1401 Bernkastel-Kues an der Mosel, woher auch sein Name stammt, geboren. Neben der Theologie und der Philosophie befasste sich Nikolaus Cusanus auch mit den Naturwissenschaften und der Mathematik und war zudem politisch tätig. Als Bischof setzte er sich für politische Belange ein und befeuerte die Debatten über neue Konzilstheorien mit eigenen Vorschlägen. Die Renaissance, zu deren Zeitgenossen der Universalgelehrte gehörte, gilt bei vielen Entwicklungshistorikern als eine erste Phase der Globalisierung.
Verschiedenste Entwicklungen dieser Zeit weisen Ähnlichkeiten zur heutigen Form der Globalisierung auf. Die Entdeckung Amerikas und der Ausbau verschiedener Schifffahrtsrouten veränderten den Transportsektor, was nicht ohne ökonomische Folgen blieb. Durch die neuen Handelsrouten zu Wasser und Land entstanden Handelsstrukturen zwischen Europa und den neu entdeckten Regionen der Welt. Dabei entwickelte sich mit der Geldwirtschaft ein neues Wirtschaftssystem. Geld setzte sich zu dieser Zeit in Europa und damit der Welt als allgemeines Zahlungsmittel durch.
Auch auf politische Ebene fanden Umbrüche statt. Die Spannungen zwischen Papst und Kaiser führten zur Trennung zwischen der Sphäre der Religion und der Politik – eine Frühform dessen, was wir heute als Trennung zwischen Staat und Kirche bezeichnen. Daneben darf die naturwissenschaftliche Forschung mit ihren technischen Neuerungen nicht vergessen werden, die auf vielen Feldern das alltägliche Leben revolutioniert und verändert hat.
Nikolaus von Kues hat in drei Dimensionen eine Antwort auf diese Frühform der Globalisierung gegeben. Erstens hat er eine Erkenntniskritik formuliert. Er war der Auffassung, die Welt könne, da sie ein kompliziertes und dynamisches Netzwerk sei, von menschlicher Erkenntnis nicht eins zu eins abgebildet werden. Menschliches Sprechen ist in seiner Perspektive immer begrenzt, und es muss auf diese Grenzen reflektieren, da sich die Horizonte so massiv erweitert haben. Deswegen entwickelte Nikolaus von Kues Frühformen von Interdisziplinarität - wie man heute sagen würde – zwischen Naturwissenschaften, Philosophie, Theologie, Recht und Politik. Damit versuchte er seine eigenen Erkenntnisbegrenzungen wissenschaftlich durch Einsichten anderer Disziplinen wieder zu ergänzen. Die zweite Dimension ist in der ersten schon angedeutet: Welt wird von Nikolaus von Kues als großes Netzwerk verstanden. Die Welt begreift er als ein großes relationales Gefüge, das aus vielfältigen interdependenten Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Regionen, Akteuren und Institutionen besteht. „Alles hängt mit allem zusammen“ – so lautet einer der Kernbotschaften von Nikolaus von Kues.
Die dritte Antwort auf diese Frühform der Globalisierung betont die Bedeutung von Kommunikation und Dialog. Für eine Orientierung im Feld des Sozialen und der Politik ist es wichtig, dass Menschen miteinander kommunizieren und fragen, was andere Perspektiven auf die Welt sind und wie gemeinsam anstehende Probleme gelöst werden können. In dieser Perspektive entwickelt er eine neue Konzilstheorie, die im 15. Jahrhundert revolutionär war.
Nikolaus von Kues hatte letztlich einen Ansatz zur Strukturierung des Konzils vorgelegt, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Realität in der Kirche wurde und stark auf den gemeinsamen Dialog der Bischöfe, Priester und Christen setzte.

2. Merkmale der heutigen Globalisierung

Globalisierung, so meine Ausgangsthese, ist heute eine Umbruchsituation, die große Ähnlichkeiten zu der frühen Globalisierung der Renaissance hat. Die Form ist natürlich eine andere, vor allem mit einer deutlich größeren Reichweite. Es finden sich aber ganz ähnliche Merkmale, beispielsweise im Bereich des Transports. Man denke an die Etablierung der großen Containerschiffsrouten weltweit oder den Luftverkehr, der enorme Veränderungen für die Wirtschaftswelt gebracht hat.
Ein zweites sind die Veränderungen im Informations- und Kommunikationszeitalter, die noch einmal deutlich einschneidender im Vergleich zum 15. Jahrhundert sind. Neben dem Telefon sind es das Handy und Internet, die völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation und des Informationsaustausches weltweit ermöglicht haben. Eine dritte Dimension, die sich auch schon im 15. Jahrhundert gezeigt hat, ist die Herausbildung neuer politischer Strukturen. Heute ist eine Vielfalt von neuen Akteuren auf globaler Ebene aktiv und machen im Grunde das aus, was mit dem Begriff Globalisierung gefasst werden soll. Daneben haben natürlich auch der Fortschritt in den Naturwissenschaften und die sich anschließenden technischen Neuerungen vielfältige Auswirkungen auf das Alltagsleben der Menschen. Die damit skizzierte Globalisierung, so beweist ein Blick in die Zeitungen, wird heute sehr unterschiedlich eingeschätzt. Auf der einen Seite finden wir Autoren, die eher die Globalisierung glorifizieren, und auf der anderen Seite Autoren, die zu einer Dämonisierung von Globalisierung neigen. Beide Positionen finden sich sowohl in den Industrieländern des Nordens als auch in den Entwicklungsländern.
Diejenigen, die eine positive Perspektive auf Globalisierung haben, betonen, dass globale Vernetzungen letzten Endes zu globalen Wohlstand durch wirtschaftlichen Austausch führen und zudem den Weltfrieden fördern. Auch die Chancen im Informations- und Transportsektor tragen in beide Richtungen zu Wohlstand und friedlichem Zusammenleben auf globaler Ebene positiv bei.
Auf der anderen Seite steht die Gruppe, die eine skeptische Haltung gegenüber der Globalisierung einnimmt. Darin impliziert ist eine deutlich kritischere Haltung zu Themen wie freier Handel oder den Möglichkeiten des Transports. Führt freier Handel wirklich zu Wohlstand für alle oder wird damit nicht die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, so die kritische Anfrage.
Ein Blick auf die Friedens- und Konfliktforschung zeige außerdem, dass seit 1990 die Anzahl der gewalttätigen und militärischen Konflikte weltweit stark zugenommen hat. Die Skeptiker zweifeln also an, dass Globalisierung weltweiten Frieden fördere.
Beide Positionen haben bei genauerer Betrachtung ihre Berechtigung. Im Folgenden versuche ich deshalb die verschiedenen Facetten von Globalisierung zu verbinden und eine vermittelnde Position bezüglich dieser beiden extremen Einschätzungen zu entwickeln.
Die moderne politische Philosophie antwortet in einer ganz ähnlichen Richtung. Dabei tauchen immer wieder Argumente auf, die an die Überlegungen von Nikolaus von Kues und dessen Antworten auf „globale“ Herausforderungen erinnern.
Erstens spielt die Einsicht, dass die Welt ein großes Netzwerk ist, in dem alles mit allem zusammenhängt, eine wichtige Rolle. Dass ein Ereignis in einer Region der Welt vielfältige andere Ereignisse nach sich ziehen kann, wird heute allgemein angenommen.
Dabei werden zweitens Grenzen der Erkenntnis deutlich. Aufgrund der Komplexität und Dynamik globaler Prozesse gibt es kein „Superwissen“ über Globalisierung, keinen endgültig fixierbaren Ausdruck dafür. Die politische Philosophie der Globalisierung entwickelt deshalb Ansätze, die auf einer solchen Skepsis gegenüber einem Superwissen über Globalisierung aufbaut. Schon allein deswegen sind viele Ansätze interdisziplinär ausgerichtet. Ein Gespräch mit Politologie, Ökonomie oder Soziologie für die Philosophen wird dabei als notwendig und sinnvoll erachtet.
Die dritte und letzte Einsicht, die Nikolaus von Kues als Antwort auf die Globalisierung entworfen hat (Bedeutung von Kommunikation und Kooperation), finden wir heute ebenfalls in vielen aktuellen philosophischen Ansätzen zur Globalisierung. Die Idee, die dahinter steckt, ist die, dass Menschen nur gemeinsam in einem kooperativen Dialog Weltprobleme werden lösen können.
Bevor der Blick nun genauer auf verschiedene Aspekte einer politischen Philosophie der Globalisierung gelenkt werden kann, sollen einige Begriffe voneinander abgegrenzt werden, die im aktuellen Globalisierungsdiskurs häufig auftauchen
Der erste Begriff ist die Internationalisierung. Der Wortstamm verrät schon seine Bedeutung: es geht um zwischen-staatliche Beziehungen. Damit wird vor allem auf den Staat als Akteur und seine Beziehungen zu anderen Staaten fokussiert. Wir kennen diese Konzeption aus dem 19. und 20. Jahrhundert, denn in diesen Phasen wurden globale Phänomene fast ausschließlich als internationale Beziehungen zwischen Staaten konzeptualisiert.
Ein zweiter Begriff, der häufig verwendet wird, ist die Transnationalisierung. Damit werden Phänomene bezeichnet, die über der Nation liegen, und jenseits davon eine neue Ebene bilden. Man denke beispielsweise an die Institutionen der „Europäischen Union“ oder „Vereinten Nationen“ mit ihren vielfältigen Unterorganisationen. Die Transnationalisierung ist ein Prozess, den man für gewöhnlich nach dem Zweiten Weltkrieg ansiedelt und der bis heute fortwirkt.
Globalisierung versucht sich von Internationalisierung und Transnationalisierung abzusetzen, indem nicht nur betont wird, dass sich jenseits des Nationalstaats neue Institutionen bilden, sondern es sich hierbei um ein verschachteltes System von Beziehungen handelt. Globale Dynamik kann dann gefasst werden als eine Verdichtung und Beschleunigung grenzüberschreitender Interaktionen, die vielfältige Abhängigkeiten nach sich ziehen. Globale Vernetzungen spannen quer durch alle Ebenen (lokal, regional, national, international, global) komplexe Beziehungsgeflechte auf. Erst in der Erfassung dieser komplexen Beziehungen kann ein Verständnis dessen gewonnen werden, was Globalisierung ausmacht. Als Arbeitsbegriff wird hier Globalisierung deshalb als die Verdichtung und Beschleunigung von komplexen Interaktionen bezeichnet.

3. Drei wichtige Aspekte der Globalisierung aus philosophischer Sicht

Bei der Beschreibung dieser Verdichtung und Beschleunigung globaler Interaktionen spielen drei Fragen aus philosophischer Sicht eine besondere Rolle: Wer sind die Akteure, die innerhalb dieses komplexen Netzwerkes interagieren? Wie kann man die Strukturen und Prozesse zwischen diesen Akteuren fassen? Und drittens: Was sind geeignete politische Steuerungsformen auf globaler Ebene? Diese drei Fragen werden im Folgenden analysiert.

3.1. Vielfalt globaler Akteure

Zunächst wird die Frage nach den globalen Akteuren behandelt. Aus der Einleitung ist schon deutlich geworden, dass für die politische Philosophie die Globalisierung durch eine große Zahl teils neuer Akteure geprägt ist. Neben den Nationalstaaten gibt es viele internationale Akteure, die bereits genannt wurden: Europäische Union, Vereinte Nationen, Weltbank, Welthandelsorganisation usw. Außerdem existieren vielfältige private Akteure wie die großen transnationalen Unternehmen. Firmen wie BMW, Allianz oder die BASF sind Unternehmen, die nicht nur weltweit produzieren, sondern auch global Handel treiben. Damit werden sie zu Akteuren auf der globalen Ebene, die in unterschiedlichen Regionen der Welt Gesellschaft prägen und damit auch politisch Bedeutung erlangen.
Ein weiterer privater Akteur sind so genannte „Nichtregierungsorganisationen“ (NRO). Dies sind Organisationen, die jenseits des offiziellen politischen Systems ihre Agenda verfolgen. Zu den NROs gehören unter anderem „Greenpeace“ im Bereich des Umweltschutzes oder „Amnesty International“ im Feld des Menschenrechtsschutzes. Zudem können Religionsgemeinschaften, die jenseits des politischen Systems Weltgesellschaft mit gestalten, als NRO bezeichnet werden.
Daneben existieren auf globaler Ebene noch weitere private Akteure und Gruppierungen, die ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Natürlich sind Gruppierungen wie „Al Kaida“ auch ein bestimmender Faktor, der Weltpolitik prägt. Aus diesem Grund muss sich die Globalisierungstheorie damit befassen, welche Rolle solchen Organisationen innerhalb des globalen Netzwerkes zukommt.
Drei dieser Akteure sollen ein weniger genauer betrachtet werden – zunächst der Nationalstaat. Lange Zeit hatte er in der politischen Philosophie der Globalisierung eine dominante Stellung inne. Das zentrale Merkmal des Nationalstaates war und ist im Prinzip bis heute seine Souveränität. Souveränität bedeutet, dass ein Staat eigenständig Entscheidungen treffen und damit seine politische Struktur wie Themen bestimmen kann. Traditionell wird zwischen interner wie externer Souveränität unterschieden. Der Staat kann intern, d.h. innenpolitisch, selbständig Entscheidungen treffen – beispielsweise die Höhe von Steuern festlegen und Gesetze erlassen. Auf der anderen Seite ist er souverän nach außen, womit er das Recht hat, seine Außenpolitik autonom zu gestalten.
Im System der Vereinten Nationen wird die Souveränität stark betont und zum Ausgangspunkt für Weltpolitik gemacht. In der „UN-Charta“ ist daher in Artikel 2.4 das Nichtinterventionsverbot verankert. Damit ist der Eingriff in die Angelegenheiten eines anderen Staates verboten. Obwohl dieses Prinzip immer stärker unter Druck gerät, bleibt es ein zentrales Merkmal der Vereinten Nationen.
Auch für die Philosophie der Neuzeit war der Staat der zentrale Bezugspunkt beim Nachdenken über globale Fragen. Im Angesicht der Globalisierung stellt man jedoch fest, dass dieser sowohl intern wie extern einem massiven Formwandel unterworfen ist. Der Staat ist ein Teil des bereits beschriebenen komplexen Interaktionsgeschehens auf globaler Ebene. Er ist deshalb nicht mehr der allein bestimmende Faktor, sondern nur noch Teil eines Mehrebenensystems auf globaler Ebene. Der Staat muss sich deshalb der Herausforderung stellen, seine Souveränität innerhalb dieser Situation neu zu definieren. Daher finden sich heute viele Debatten über die Transformation der internen wie externen Souveränität.
Intern stellt man fest, dass hierarchische Steuerungen heute nicht mehr möglich sind. Der Staat ist weniger Kontrolleur, sondern er ist vielmehr Moderator oder Schnittstellenmanager. Und er ist eingebunden in vielfältige netzwerkartige Formen politischer Steuerung. Blickt man auf die Geschichte der deutschen Bundeskanzler der letzten 60 Jahren zurück sieht man sehr deutlich, wie die Rollenveränderung des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin diese Entwicklung des Souveränitätsverständnisses widerspiegelt. Vergleicht man Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Konrad Adenauer, so lassen sich deutliche Unterschiede im Regierungsstil ausmachen. Während Adenauer noch stärker autoritär und hierarchisch Politik bestimmte, greift Merkel eher moderierend in den politischen Prozess ein und versucht, verschiedene Positionen in ihre Problemlösungsstrategien einzubeziehen.
Auch extern hat sich das Verständnis von Souveränität massiv verändert. Die Anerkennung der externen Souveränität von Staaten ist heute nicht mehr nur abhängig von anderen Staaten. Traditionell maß man einem Staat im System der Vereinten Nationen externe Souveränität zu, wenn er von anderen Staaten anerkannt wurde. Heute sind Staaten zusätzlich in vielfältige Institutionen eingebunden und müssen Rechenschaft über ihre eigene Politik ablegen. Die Bundesrepublik Deutschland kann heute nicht mehr unabhängig von der Europäischen Union und den verschiedenen Entscheidungen, die dort getroffen werden, eigenständig agieren.
Darüber hinaus sind Staaten ebenfalls gegenüber nichtstaatlichen Akteuren wie Unternehmen oder NRO „rechenschaftspflichtig“. Wenn Amnesty International eigene Menschenrechtsberichte vorlegt, reagieren Staaten darauf weltweit. Selbst ein Staat wie Deutschland wird alle fünf Jahre einem Menschenrechts-Screening unterzogen und überprüft, ob Menschenrechte überzeugend umgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel sind Rating-Agenturen im ökonomischen Bereich. Am Beispiel Griechenlands zeigt sich, dass sie letztlich bestimmen, ob der hoch verschuldete Staat weiter Kredite an den internationalen Finanzmärkten bekommt.
Sowohl interne wie externe Souveränität hat sich also gewandelt. Diesen Prozess umschreiben einige Wissenschaftler als „ausfransende Souveränität“. Dieser Begriff ist zwar etwas unscharf, gibt jedoch intuitiv gut wieder, wie sich das Verständnis von Souveränität verändert hat. Die Grenzen der Souveränität sind heute nicht mehr klar definiert; Staaten werden im Zuge dessen vielmehr verschiedenen Anerkennungsprozessen unterworfen.
Bei dem zweiten Akteur, der unter die Lupe genommen werden soll, handelt es sich im Grunde gar nicht um einen Akteur, sondern um globale Systeme. Die Systemtheorie hat hierzu wichtige Beiträge geleistet.
Der Begriff Systemtheorie ist im deutschen Diskurs vor allem mit dem Soziologen Niklas Luhmann verbunden oder und seinen Schülern wie Helmut Willke.
Das Merkmal moderner Gesellschaften ist laut Luhmann ein Prozess der Ausdifferenzierung. Damit ist gemeint, dass moderne Gesellschaften verschiedene Teilsysteme etabliert haben – das System der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion oder Kunst. Innerhalb dieser Systeme haben sich eigene Kommunikationsformen, eigene Logiken entwickelt. Jedes Subsystem übernimmt außerdem eine eigene gesellschaftliche Funktion. Innerhalb eines solchen Systems, beispielsweise des Systems der Ökonomie oder der Wissenschaft, wird das entsprechende Thema anhand eines spezifischen Kommunikationscodes bearbeitet.
Eine weitere wichtige These von Luhmann ist die Eigendynamik der Systeme. Ein externer Eingriff in ein System ist schwierig, von außen ist es letztlich nicht steuerbar. Ähnliche Erfahrungen macht man in der Alltagskommunikation. Wenn sich dort beispielsweise ein Ökonom und ein Künstler unterhalten, dann wird der Ökonom versuchen, den Künstler zu überzeugen, bei einem Bild zähle nur, welchen Gewinn man damit erzielen könne. Der Künstler wird jedoch entgegnen, es zähle eine bestimmte Form von ästhetischer Erfahrung oder Schönheit. Vermutlich werden die beiden auf keinen gemeinsamen Nenner kommen und letztlich aneinander vorbeireden. Hieran zeigt sich, warum die Systemtheorie von der Geschlossenheit der einzelnen Kommunikationsformen ausgeht und warum man so schwer in ein System intervenieren kann.
Die Pointe hinsichtlich der Globalisierung ist nun, dass Systeme auf globaler Ebene keinerlei Grenzen kennen. Das System der Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst etablieren ganz selbstverständlich auf globaler Ebene ein, wie Willke es nennt, „Weltsystem“, weil die Logik überall in allen Regionen der Welt gleich ist. Jeder weiß weltweit, was mit der Logik der Ökonomie gemeint ist: Es geht darum, ob am Ende des Tages Geld in der Tasche ist oder nicht. Diese Logik ist universell, deswegen verstehen sich alle Menschen, die innerhalb dieser Kommunikationsform agieren.
Willke betont vor diesem Hintergrund hinsichtlich der Transformation des Nationalstaates, dass dieser (nicht mehr) in (Welt-)Systeme inte...

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Die Renaissance als eine Frühform von Globalisierung