Theoretische Philosophie, Teil 3
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Theoretische Philosophie, Teil 3

Die Wirklichkeit der Substanz

  1. 11 Seiten
  2. German
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Theoretische Philosophie, Teil 3

Die Wirklichkeit der Substanz

Über dieses Buch

Mit dem Wort "Philosophie" verbindet man gewöhnlich den Versuch, ein umfassendes Weltbild zu entwerfen und zu begründen. Die Metaphysik ist das Herzstück dieser theoretischen Unternehmung. Über den Bereich des naturwissenschaftlich Überprüfbaren hinaus versucht die Metaphysik letzte Grundfragen vor dem kritischen Auge der Vernunft zu prüfen: Gibt es Beständiges, oder ist alles im Fluss? Gibt es nur Materie oder auch Geist? Gibt es Freiheit, oder ist alles determiniert? Gibt es autonome Personen oder nur das biologische Lebewesen Mensch? DIE WIRKLICHKEIT DER SUBSTANZ Die Frage nach der Substanz ist eines der zentralen Themen der Philosophie. Sind nur die Elementarteilchen Einzeldinge und alles andere nichts weiter als Anordnungen von Elementarteilchen? Oder gibt es neue, höherstufige Einzeldinge, etwa eine Zelle oder ein Organismus, die mehr sind als nur die Summe ihrer Teile? Was macht dieses "mehr" aus? Die Einzeldinge verändern sich in der Zeit. Wie kann etwas dasselbe Einzelding bleiben und sich doch verändern? Ist nicht doch alles beständig im Fluss? Die drei klassischen Positionen werden dargestellt und kritisch hinterfragt: Bündeltheorie, Substratumtheorie und Substanztheorie.

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Dies ist die dritte Vorlesung in der sechsteiligen Reihe über Metaphysik. In der ersten Vorlesung hatten wir gesehen, was Metaphysik überhaupt ist und auch was die Kritiker der Metaphysik, jedenfalls in groben Zügen, an ihr auszusetzen haben. Diese und auch die vorherige Vorlesung beschäftigen sich mit der sog. allgemeinen Metaphysik, den grundlegendsten Fragen der Strukturen des Seins.
In der letzten Vorlesung hatte ich angesetzt mit der Analyse der Satzformen. Jeder Satz hat die Form „etwas wird von etwas ausgesagt“, ein Prädikat wird von einem Subjekt ausgesagt. Oder, wie die Philosophen sagen, die Form, die abstrakte Form F(X), ein F wird von einem X ausgesagt, zum Beispiel das X – Peter – F ist groß.
Wir hatten uns mit diesem F beschäftigt, dem, was dem Prädikat entspricht, nämlich dem Allgemeinen, was verschiedenen Dingen zukommt. Verschiedene Dinge können groß sein. Und die Frage war: Was ist die Natur dieses Allgemeinen? Dahinter verbirgt sich die Frage nach der Natur der abstrakten Entitäten.
Die heutige Vorlesung ist der korrespondierenden Frage gewidmet: Was ist die Natur der Einzeldinge? Das, worauf sich eben in der allgemeinen Satzform – F(X) – das X bezieht. Wenn ich sage, Peter ist groß, was ist die Natur von so etwas wie Peter. Es geht hier nicht speziell um die Person Peter – das individuelle Einzelding. Man könnte auch den Hund Fido nehmen oder ein anderes konkretes Einzelding.
Diese Frage ist in der Tat so allgemein, dass keine andere Wissenschaft sie eigentlich stellt. Die meisten Wissenschaften gehen einfach davon aus, und auch der Alltagsverstand, dass es Einzeldinge gibt. Wenn wir aber die Frage stellen, wie viel Einzeldinge gibt es in diesem Raum, und anfangen, darüber nachzudenken, dann ist schon gar nicht mehr klar, ob wir sie wirklich abzählen können. Ist zum Beispiel ein Pult ein Einzelding? Und wenn ich einen Teil davon, wie zum Beispiel ein Buch daraus entferne, sind das eigentlich zwei Dinge, das Pult und das Buch? Oder eines? Oder der Tisch und die Beine. Wenn man sie im Ersatzteillager bestellt, sind es verschiedene Einzeldinge. Wenn man den Tisch hinstellt, betrachtet man ihn als ein Einzelding.
Sind die Einzeldinge Substanzen, wie man es in der klassischen Philosophie nennt, also etwas, das durch die Veränderung gleich bleibt, oder sind die Einzeldinge eher wie in der heutigen Physik etwas Ereignishaftes, was einen Anfang und ein Ende hat und während dessen sie sich in einem Fluss der Veränderung befinden. Ist überhaupt alles prozesshaft und immer im Werden? Damit hängt natürlich zusammen, wie Veränderung überhaupt möglich ist.
Es gibt die berühmte Geschichte des Schiffs von Theseus. Theseus hat ein Schiff, das aus, wie die Schiffe der Antike so waren, aus Holzplanken zusammengesetzt ist. Nun tauscht Theseus, der sich gut um sein Schiff kümmert, nach und nach die Holzplanken aus und ersetzt sie durch bessere. Immer, wenn sie ein wenig schadhaft sind, ersetzt er sie durch neue und legt die alten auf einen Stapel in der Nähe des Hafens, weil er Perfektionist ist.
Jemand, der weniger betucht ist als Theseus, findet all diese alten Planken und Holzstücke und baut sich, nachdem Theseus sein komplettes Schiff ausgewechselt hat, aus diesen alten Planken selbst ein Schiff zusammen, und die beiden begegnen sich nun auf dem Ozean. Welches von beiden ist eigentlich das Schiff von Theseus? Das ursprüngliche Schiff von Theseus fährt offensichtlich jetzt der andere. Wenn Theseus eine Versicherung abgeschlossen hat für sein Schiff, wird er die in Anspruch nehmen für das, was er jetzt fährt.
Dieses kleine Beispiel kann uns schon zeigen, dass die Frage nach der Identität der konkreten Einzeldinge schwierig werden kann.
Aber noch mal zur Erinnerung: Was sind konkrete Einzeldinge? Wir hatten die abstrakten Dinge, die abstrakten Entitäten in der letzten Vorlesung kennen gelernt und sie dadurch charakterisiert, dass sie in Raum und Zeit nicht lokalisierbar und datierbar sind. Ein Schiff des Theseus oder eine Person oder ein Hund, sind natürlich in Raum und Zeit lokalisierbar und datierbar. Und genau deshalb bezeichnen wir sie als konkrete Entitäten. Es stellt sich nun aber die Frage: Wie verhalten sich die allgemeinen Entitäten, also die Eigenschaften, die wir in der letzten Vorlesung kennen gelernt haben, zu den konkreten?
Wenn man sagt, X = F, also Peter ist groß, ist das ja nicht identifizierend zu verstehen in dem Sinne, dass Peter identisch ist mit der Größe oder Großsein, sondern es ist ein attributives Ist, es schreibt Peter eine Eigenschaft zu. Und dann stellt sich natürlich die Frage: Wie verhält sich Peter zu seinen Eigenschaften? Peter kann ja nicht einfach identisch sein mit seinen Eigenschaften, denn einige der Eigenschaften ändern sich.
Vor 20 Jahren war ich noch nicht glatzköpfig, jetzt bin ich glatzköpfig. Meine Eigenschaften ändern sich. Bin ich aber trotzdem derselbe? Das Thema der Identität von Personen durch die Zeit ist übrigens so wichtig, dass ich diesem Thema eine eigene Vorlesung in dieser Reihe widme.
Wir hatten bereits in der ersten Vorlesung kennen gelernt, dass die grundlegende Unterscheidung für jedes metaphysische Problem diejenige zwischen dem Realismus auf der einen Seite und dem Antirealismus auf der anderen ist. Das gilt nun auch für die konkreten Entitäten. Der Realismus bezüglich der konkreten Entitäten sagt, dass die Menge von konkreten Einzeldingen, die es in der Welt gibt, ganz unabhängig vom menschlichen Geist, unseren begrifflichen Unterscheidungen von der Welt selbst festgelegt wird.
Man könnte zum Beispiel als atomistischer Materialist sagen: Die echten Einzeldinge in der Welt sind nur die Elementarteilchen. Alles andere sind nur Agglomerationen, Anhäufungen von solchen Elementarteilchen. Aber die echten Einzeldinge sind die Elementarteilchen, und deren Zahl steht unabhängig von unseren begrifflichen Unterscheidungen fest. Es könnte ein extremer Quantenholist, der den Zusammenhang von allem sieht, sagen, das ganze Universum ist in Wirklichkeit nur ein einziges Einzelding. Und alle Unterscheidungen, wenn wir sagen, ich unterscheide mich von Ihnen als Einzelding, sind nur künstliche, die wir einführen, die aber im Letzten von der Welt nicht so eingegrenzt werden. Die Grenzen ziehen nur wir.
Ein anderer könnte sagen, Lebewesen sind echte Einzeldinge, aber ein Tisch oder ein Computer nicht. Da ist es rein konventionell, ob wir sagen, der Tisch besteht aus einer Platte und 4 Beinen, oder wir sagen, es ist ein Ding. Bei einem Lebewesen sind solche Unterteilungen nicht konventionell, es ist eine natürliche Einheit.
Die Antirealisten würden sagen, dass die Zahl der Individuen und was als Individuum gilt, nicht von der Welt festgelegt wird, sondern von uns. Wir entscheiden darüber, wie viele Individuen es gibt und was ein Individuum ist, was ein konkretes Einzelding ist. Damit meine ich jetzt nicht nur ein menschliches Individuum, sondern eben auch einen Hund oder ein Elementarteilchen.
Denken Sie daran, der Antirealismus ist ein Realismus nach menschlichem Maß, eine reine Frage unserer Zumessung.
Damit ist der ganze Fragebereich aufgezeigt, was es heißt, ein konkretes Individuum zu sein. Im Folgenden versuche ich auf diese Frage sukzessive einige Antworten zu geben, um dieses Feld in größere, begriffliche Klarheit zu bekommen. Damit das gelingt, müssen wir zu Beginn einige begriffliche Unterscheidungen machen. Ich hatte Ihnen schon gesagt, dass bei einem Satz der Form F(X), „Peter ist groß“, ich sage von einem X ein F aus - das „ist“ keine Identität ausdrückt, es ist kein identifizierendes „ist“. Das ist eine wichtige Unterscheidung, die wir später noch brauchen, um zu sehen, dass tatsächlich das Ding von den Eigenschaften unterschieden sein kann.
Eine weitere Unterscheidung müssen wir zwischen qualitativer Identität und numerischer Identität machen. Wenn Sie zum Beispiel in ein Sportgeschäft gehen und der Verkäufer im Sportgeschäft sagt Ihnen, dies hier ist der Schläger, den Spieler Federer selbst benutzt, dann meint er normalerweise nicht, dass dies ein Schläger ist, den Federer selbst beim letzten Spiel in der Hand gehalten hat, sondern er meint, dass dieser Schläger vom selben Typ ist, ein anderes Exemplar vom selben Typ wie der, den Federer benutzt. Im Deutschen unterscheiden wir zwischen „Selbigkeit“ und „Gleichheit“. Wir würden hier sagen, es ist zwar der gleiche Schläger, den Federer benutzt, aber nicht derselbe. Philosophisch sprechen wir bei Gleichheit von qualitativer Identität und bei Selbigkeit von numerischer Identität. Da gibt es wirklich nur ein Ding, was mit sich selbst identisch ist, abzählbar eins.

Intrinsische und relationale Eigenschaften

Eine erste Frage ist nun: Kann etwas in allen Eigenschaften qualitativ identisch sein, ohne numerisch identisch zu sein? Um dieser Frage genauer nachgehen zu können, müssen wir eine weitere wichtige Unterscheidung machen. Wir müssen intrinsische Eigenschaften von relationalen Eigenschaften unterscheiden. Intrinsische Eigenschaften sind diejenigen, die das Ding auch dann noch hätte, wenn es ganz allein im Universum wäre. Relationale Eigenschaften sind die, die das Ding in Bezug auf andere hat. Also eine intrinsische wäre zum Beispiel rund, und eine relationale wäre zum Beispiel „links von“. Man kann das an einem Gedankenexperiment verdeutlichen, das auf den Philosophen Max Black zurückgeht. Er hat folgendes Experiment im Gedanken vorgeschlagen: Stellen Sie sich eine Welt vor, in der existiert nichts anderes außer zwei perfekt gleichgroßen Kugeln. Diese Kugeln haben alle ihre Eigenschaften gemeinsam. Also ihren Radius, oder was auch immer Sie sich vorstellen können, was Kugeln für Eigenschaften haben, wenn es die Kugel A hat, hat es auch die Kugel B. Und Sie haben auch relationale Eigenschaften, die es in dieser Welt gibt, gemeinsam. Beide haben zum Beispiel den gleichen Abstand voneinander. Diese beiden Kugeln scheinen ununterscheidbar in all ihren Eigenschaften, intrinsisch und relational. Und trotzdem, scheint es uns, sind sie verschieden. Sie werden sich vielleicht sagen, ja aber die eine ist doch links von der anderen und die andere rechts von der ersten. In dieser Welt können Sie nicht links und rechts sagen, das würde einen Beobachter voraussetzen, der dort drin steht und sagt, links von mir ist die eine, rechts von mir ist die andere. Das gibt es in dieser Welt nicht. In dieser Welt gibt es nur die beiden Kugeln. Und da sind die Relationen einfach die Abstände, und der Abstand von der linken Kugel zur rechten ist natürlich genauso groß wie der von rechten zur linken.
Leibniz hatte den Satz aufgestellt, dass das Ununterscheidbare identisch sein muss. Wenn zwei Kugeln wirklich alle ihre Eigenschaften gemeinsam haben, dann handelt es sich um dieselbe Kugel. Aber diese Intuition wird durch das Beispiel von Max Black ins Wanken gebracht. Man könnte sich vorstellen, dass zwei Kugeln wirklich alle, die intrinsischen und die rationalen Eigenschaften gemeinsam haben und trotzdem zwei sind.
Das sind einige begriffliche Unterscheidungen, die wir jetzt am Anfang machen müssen, auf die ich nachher noch zurückkomme.

Einzeldinge in der Zeit

Wir müssen noch eine letzte begriffliche Unterscheidung machen, die auch im Folgenden noch wichtig werden wird - wir müssen noch die Zeit hinzunehmen. Was sind die Identitätsbedingungen für konkrete Einzeldinge in der Zeit? Der einfachste Fall: Warum bin ich heute identisch mit dem Godehard Brüntrup vor 20 Jahren? Wo sich doch mein gesamter Körper, die Bausteine, mit jedem Atemzug wird neues Material hineintransportiert, geändert hat.
Es gibt hier zwei Sichtweisen in der Philosophie, die Veränderung durch die Zeit zu denken. Die eine ist die substantielle Sichtweise, und die andere ist die relationale Sichtweise. Man nennt die eine auch die dreidimensionale und die andere die vierdimensionale. Die substantielle Sichtweise, der philosophische Fachausdruck heutzutage ist der Endurantismus, sagt, dass wir uns die Veränderung so vorstellen müssen, dass etwas in der Zeit gleich bleibt und in der Zeit läuft wie eine Kugel auf einer Perlenkette. Also, mich als Godehard Brüntrup, stellen Sie sich vor als die Kugel auf einer Kette oder auf einer Schnur vielleicht. Die Schnur symbolisiert die Zeitachse, auf der ich einfach durch die Zeit laufe. Und zu jedem Zeitpunkt - stellen Sie sich die Schnur vor, auf der die Kugel läuft - zu jedem Zeitpunkt bin ich voll und ganz da. Das heißt, die räumliche und die zeitliche Dimension sind völlig getrennt. Ich habe zwar räumliche Teile, man kann etwa ein Stück von meinem Fingernagel abschneiden, dann hat man einen räumlichen Teil von mir abgeschnitten, aber ich habe keine zeitlichen Teile. Das heißt, wenn Sie mir heute begegnen, begegnen Sie nicht einem Teil von mir, sondern Sie begegnen mir voll und ganz. Das heißt, ich bin zu jedem Zeitpunkt voll und ganz präsent. Diese
Position, also die substantielle Sichtweise, auch Endurantismus genannt, geht davon aus, dass es tatsächlich in der Welt Dinge gibt, die nicht in der Zeit teilbar sind. Die Substanzen.
Daneben gibt es die relationale Sichtweise, die im philosophischen Fachausdruck oft auch Perdurantismus genannt wird. Oder die 4D-Sicht. Hier wird die Zeit neben den drei räumlichen Dimensionen dazugenommen und statt einer Perlenkette oder einer Schnur, auf der das Ding läuft, haben wir jetzt so etwas wie einen vierdimensionalen „Raumzeitwurm“, der einzelne Abschnitte hat. Das heißt, Sie begegnen mir jetzt nicht ganz, sondern einem 60minütigen Abschnitt von Godehard Brüntrup. Sie können niemals einem Menschen voll und ganz begegnen, sondern immer nur einem zeitlichen Abschnitt von ihm. Das heißt, nach dieser Konzeption haben konkrete Einzeldinge zeitliche Teile, sie sind nicht nur im Raum teilbar, sie sind auch in der Zeit teilbar.
Das sind zwei sehr verschiedene Sichtweisen darüber, was ein konkretes Einzelding ausmacht.
Das mag nun an begrifflichen Vorerklärungen genügen. Jetzt haben wir genügend Material, um uns den drei großen Theorien der konkreten Entitäten oder der drei großen Theorien der Einzeldinge zu widmen. Die drei Theorien heißen die Substratumtheorie, die Bündeltheorie und die Substanztheorie. Die Substratumtheorie nennt man auch antiessentialistisch, die Bündeltheorie ultraessentialistisch und die Substanztheorie, die auf Aristoteles zurückgeht oder auch auf Platon, nennt man Essentialismus. Das will ich im Folgenden erläutern.

Übersicht der Theorien

Beginnen wir in einer ersten Übersicht mit der Substratum-Theorie. Sie sagt, dass das Einzelding der Träger von Eigenschaften ist. Deshalb hatte ich eben die Frage aufgeworfen, dass das „ist“ in dem Satz „Peter ist groß“ nicht identifizierend ist, sondern Peter ist der Träger der Eigenschaft „groß“ zu sein. Die Substratumtheorie sagt, was meine Identität ausmacht, zum Beispiel als Einzelding Godehard Brüntrup ist ein solcher Träger und der hat zu einem bestimmten Zeitpunkt die Eigenschaft lockiges Haar zu haben, volles, und zu einem anderen die Eigenschaft glatzköpfig zu sein.
Warum nennt man diese Theorie jetzt antiessentialistisch? Deshalb, weil sie sagt, keine Eigenschaft ist dem konkreten Einzelding essentiell, also wesenhaft, kommt ihm notwendig zu. Das konkrete Einzelding kann jede seiner Eigenschaften ändern, ohne in seiner Identität verändert zu werden.
Das klassische Beispiel dafür ist die Weltsicht der Märchen. In den Märchen kann der Prinz zum Frosch werden und der Frosch wieder zum Prinz. Da werden alle möglichen Eigenschaften geändert und es ist trotzdem noch dasselbe Individuum.
Die Bündeltheorie ist der entgegengesetzten Auffassung, deshalb heißt sie auch Ultraessentialismus. Sie sagt nämlich, jedes konkrete Einzelding ist ein Bündel von Universalien, also Eigenschaften. Jedes konkrete Einzelding hat keinen Träger, sondern ist einfach ein Bündel von Eigenschaften. Und wenn das Einzelding natürlich dadurch definiert wird, dass es, nehmen wir mal ein einfaches Einzelding, ein Bündel ist von 17 Eigenschaften, dann ist das natürlich nicht mehr der Fall, wenn ich ihm eine Eigenschaft wegnehme. Dann habe ich ein anderes Bündel und deshalb ein neues Einzelding. Deshalb Ultraessentialismus. Jede Eigenschaft ist wesentlich, jede Eigenschaft ist essentiell.
Die Substanztheorie in der Tradition des Aristoteles, also unsere dritte Theorie, auch genannt Essentialismus, sagt nun, ja, die konkreten Einzeldinge sind Träger von Eigenschaften, aber bestimmte Eigenschaften kommen diesen Trägern nicht essentiell zu, zum Beispiel die Menge der Haare oder die Haarlänge, sie kommen ihm nur accidentiell zu, sie können sich im Laufe der Zeit ändern.
Das sind also zunächst mal unsere drei großen Theorien. Im Folgenden möchte ich auf diese Theorien noch mehr im Detail eingehen.

Substratum-Theorie

Beginnen wir mit der reinen Substratumtheorie. Die Annahme von reinen Einzeldingen, man spricht auch im lateinischen von Haecceitas, reine Diesheit, nur das da sein, ohne jegliche prädikative Qualifikation, ohne die Zuschreibung von Eigenschaften. Die Annahme von solchen Einzeldingen soll ausdrücken, dass die Individualität von etwas jenseits aller begrifflichen, das heißt sprachlichen Beschreibungen liegt. Dieser Ansatz findet sich auch schon bei Aristoteles, obwohl er im Endeffekt mehr die Substanztheorie bevorzugt, indem er sagt, dass das, was zugrunde liegt, etwas nicht Sagbares ist. Und diese Theorie, dass es einen Träger der Eigenschaften geben muss, der selbst keine Eigenschaften hat, sonst würden wir ja in einen infiniten Regress geraten, ist eigentlich die, die wir als Quintessenz aus dem Gedankenexperiment von Max Black ziehen können. Die beiden Kugeln in unserem Universum, das nur zwei Kugeln enthält, unterscheiden sich in ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Intrinsische und relationale Eigenschaften