Theoretische Philosophie, Teil 4
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Theoretische Philosophie, Teil 4

Die Wirklichkeit der Person

  1. 13 Seiten
  2. German
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Theoretische Philosophie, Teil 4

Die Wirklichkeit der Person

Über dieses Buch

Mit dem Wort "Philosophie" verbindet man gewöhnlich den Versuch, ein umfassendes Weltbild zu entwerfen und zu begründen. Die Metaphysik ist das Herzstück dieser theoretischen Unternehmung. Über den Bereich des naturwissenschaftlich Überprüfbaren hinaus versucht die Metaphysik letzte Grundfragen vor dem kritischen Auge der Vernunft zu prüfen: Gibt es Beständiges, oder ist alles im Fluss? Gibt es nur Materie oder auch Geist? Gibt es Freiheit, oder ist alles determiniert? Gibt es autonome Personen oder nur das biologische Lebewesen Mensch? DIE WIRKLICHKEIT DER PERSON Was macht eine Person aus? Gelten für Personen dieselben Identitätsbedingungen wie für andere raum-zeitliche Objekte? Können nur Menschen Personen sein? Sind alle Menschen Personen? Wann fängt das personale Leben an? Wie können Personen trotz all der körperlichen und geistigen Veränderungen im Laufe des Lebens dieselben bleiben? Die drei klassischen Kriterien für personale Identität werden kritisch untersucht: das körperliche, das psychologische und das so genannte "einfache" Kriterium.

Häufig gestellte Fragen

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In dieser vierten Vorlesung der Reihe Metaphysik beschäftigen wir uns mit der Frage nach der Identität von Personen. Damit verlassen wir die allgemeine Metaphysik und wenden uns einer spezielleren Frage zu, eigentlich der philosophischen Anthropologie aus Sicht der Metaphysik. Zugleich wird hier deutlich, dass die manchmal etwas abstrakten und schwierigen Unterscheidungen, die wir bei dem schnellen Durchgang durch Grundfragen der allgemeinen Metaphysik gemacht haben, notwendig sind, um bei der schwierigen Frage nach der Identität von Personen mit philosophischer Präzision zu Ergebnissen zu kommen.
Die Frage nach der Identität von Personen, was ist eine Person, wann fängt sie an zu existieren, ist natürlich auch außerhalb des philosophischen Diskurses, etwa bei der Frage um die Abtreibung oder Euthanasie, eine viel diskutierte Sache – aber ohne philosophische Begriffsklärung kommt man hier leicht zum Hörensagen oder der Meinung nach geformten Urteilen.
Die letzte Vorlesung ging über Personen, über konkrete Entitäten. Und Personen sind natürlich konkrete Entitäten. Es sind Entitäten, die in Raum und Zeit existieren. Ihre Identität kann daher prinzipiell so wie die jeder anderen konkreten Entität konstruiert werden. Erinnern wir uns: Wir hatten die Bündel-Theorie, die reine Substratum-Theorie und die Substanz-Theorie als die drei großen Theorien für konkrete Entitäten.
Man kann nun Personen als reine Bündel von Eigenschaften auffassen. Da wird man unterscheiden, ob man mehr physische Eigenschaften oder mentale Eigenschaften oder eine Verbindung von beiden als typisch für Personen betrachtet.
Man kann auch Personen als Substanzen, die durch die Zeit wandernd mit sich identisch bleiben, auffassen. Die klassische Version der Substanz-Theorie von Personen ist die der „Geist-Seele“. Dass eine Person identifiziert wird dadurch, dass sie eine Geist-Seele hat. Man kann allerdings auch sagen, dass die Person deshalb eine Substanz ist, jetzt mehr in der Tradition des Aristoteles, weil sie ein lebender Organismus ist. Dann wäre die Personalität eben nicht davon abhängig, dass man bestimmte mentale Eigenschaften hat, wie zum Beispiel Selbstbewusstsein, sondern dass man ein Organismus von der Art Homo sapiens ist.
Man kann sich nun fragen, ob es auch eine reine Substratum-Theorie der Personalität gäbe. Also jenseits von allen Eigenschaften etwas, was der Träger der Personalität ist. Das ist nicht so leicht zu beantworten. Vielleicht wenn man sich so etwas vorstellt wie die „erste-Person“-Perspektive, die „Ich“-Perspektive, die all unser Denken begleiten kann, fast so wie das transzendentale „Ich“ in der Kantischen Philosophie, das keinen bestimmten qualitativen Inhalt hat, also keine bestimmten Eigenschaften. Es ist aber der Einheitspunkt, der mich als diese Person ausmacht. Die „erste-Person“-Perspektive, mit der ich „Ich“ sage, das könnte so etwas wie ein reines Substratum in der Personen-Theorie sein.
Nun soll aber unser Thema insbesondere sein: Identität von Personen in der Zeit. Die Frage: Wie ist es zu denken, dass beispielsweise ich heute derselbe bin wie vor 10 Jahren, derselbe wie vor 20 Jahren? Wenn wir unsere soziale Praxis anschauen, ganz unabhängig von der Philosophie, dann ist sie durch und durch geprägt von der Annahme, dass Menschen durch die Zeit dieselben bleiben. Wenn ich etwa einen Vertrag abschließe mit jemanden, der über einen längeren Zeitraum gilt, kann er nicht nach einem Jahr sagen: Ich bin an den Vertrag nicht mehr gebunden, weil mein Gewicht sich geändert hat, weil die Zahl meiner Hirnzellen eine andere ist oder andere körperliche oder geistige Veränderungen.
Wir machen Versprechen, wir planen in die Zukunft, aber wir sind auch moralisch nach gängiger Auffassung verantwortlich für das, was wir in der Vergangenheit getan haben. Ich bin natürlich nur dann für etwas, was eine Person in der Vergangenheit getan hat, verantwortlich, wenn ich mit dieser Person identisch bin. Ich bin nicht dafür verantwortlich, was eine Person getan hat, die nicht mit mir identisch ist.
Und schließlich zum Aufbau der inneren Geschichte, das Selbstverständnis, das Selbstbild, das jeder von uns entwickelt, etwa wenn man sich einem Menschen vorstellt und ein bisschen von sich erzählt. All das fußt auf der Idee, dass ich tatsächlich durch einen längeren Zeitraum hindurch der- oder dieselbe bleibe.
Nun hatten wir in der letzten Vorlesung bei der Frage nach der Identität von konkreten Entitäten bereits unterschieden zwischen numerischer und qualitativer Identität.
Lassen Sie mich kurz erinnern: Die numerische Identität ist das, was wir im Deutschen als „Selbigkeit“ bezeichnen, und die qualitative ist das, was wir im Deutschen als „Gleichheit“ bezeichnen. Die numerische Identität ist eine eins-zu-eins-Beziehung. Die qualitative Identität ist eins-zu-viele. Das heißt, wenn ich sage, das ist derselbe Schläger, den ein bestimmter Tennisspieler benutzt, und meine das eigentlich im Sinne von der gleiche, manchmal sind wir da in der Sprache ungenau, dann kann das bedeuten, dass es sehr sehr viele Exemplare dieses Schlägers gibt, die alle Gleichheit haben mit dem einen, den der Tennisspieler benutzt. Das heißt, wir haben eine eins-zu-viele-Beziehung. Während wir, wenn wir nur von dem einen spezifischen Schläger sprechen, den der Spieler benutzt, dann haben wir nicht mehr eine eins-zu-viele-Beziehung. Das heißt, wenn wir nun auf Personen schauen, auf Identität von Personen durch die Zeit: Kann es da sein, dass wir nur Gleichheit meinen und nicht Selbigkeit? Dann würden wir eine Menge philosophischer Probleme, die ich im Folgenden entwickle, gar nicht erst haben.
Schauen Sie auf die alltägliche Praxis, die ich Ihnen vorher beschrieben habe. Verträge, Versprechen, Zukunftsplanung, moralische Verantwortung, Aufbau eines Selbstbildes, einer inneren Geschichte – all das kann man sich gar nicht denken, wenn mehrere mit mir in diesem Sinne identisch sein könnten. Wenn ich etwa das Versprechen mache, in der Zukunft jemanden zu heiraten oder ich gebe bei der Heirat das Versprechen, mit der Person mich auf ewig zu binden, so ist es für unser Verständnis dieses Vollzugs unvorstellbar, dass ich mich dann aufteilen könnte, etwa in drei oder vier, so wie es drei oder vier Exemplare des Tennisschlägers gibt, und dann all diese vier an dieses Versprechen, an dieses Heiratsversprechen gebunden wären.
Das heißt, für unser Alltagsverständnis von personaler Identität durch die Zeit setzen wir strikte numerische Identität voraus. Qualitative Identität, also bloße Gleichheit, scheint nicht auszureichen.
Es gibt da in der Philosophie sog. „Science-Fiction-Fälle“. Sie kennen die Science-Fiction-Filme, in denen jemand auf der Erde oder auf einem Planeten ist und wird dann mit einem Teletransporter zum Raumschiff „gebeamt“. Die Information wird mit Lichtgeschwindigkeit übertragen und die Person wird im Raumschiff neu synthetisiert. Stellen wir uns vor, Captain Kirk ist auf einem Planeten, wird heraufgebeamt, und weil der Computer einen Fehler macht, kommt Captain Kirk nicht einmal raus im Raumschiff, sondern gleich dreimal. Da hätten wir eine eins-zu-viele-Beziehung. Und die Frage stellt sich natürlich: Wer ist jetzt Captain Kirk? Die drei Kirks sind äußerlich, physisch ununterscheidbar. Sie haben auch dieselben mentalen Eigenschaften, dieselben Erinnerungen, denselben Charakter, und stehen auch in der richtigen Verbindung zu der Person da unten. Nur ist leider der Fehler vorgekommen, dass das Programm dreimal durchgelaufen ist anstatt einmal.
In der realen Welt gibt es ähnliche Fälle, die vielleicht einmal auf uns zukommen. Wenn man sich beispielsweise überlegt, dass es eines Tages möglich sein könnte, und einige behaupten, dass wir davon gar nicht mehr so weit entfernt sind, dass man den ganzen Kopf, den ganzen Schädel einer Person transplantieren könnte. Etwa jemand, der einen alten schwachen Körper hat, und ein junger Mensch ist durch ein schweres Schädelhirntrauma gestorben, so dass dann der alte Mensch sich seinen Kopf auf einen jungen Körper transplantieren lassen könnte. Selbst wenn wir das jetzt noch nicht können, die grundsätzliche Möglichkeit kann man nicht ausschließen. Die Frage ist dann: Wohin wandert die Identität? Ist das dieselbe Person, ist das eine andere?
Manche sagen, ja, das entscheidet doch die DNA, was meine Identität ist. Aber das ist keine hier zufriedenstellende Antwort, denn eineiige Zwillinge haben dieselbe DNA, haben dieselbe Erbinformation und sind trotzdem zwei verschiedene Individuen. Also, was immer mich individuiert, ist nicht meine genetische Information.
Gut, damit ist das Problem zunächst einmal skizziert. Wir wollen numerische Identität durch die Zeit und wir wissen nicht genau, was ist eigentlich der Träger dieser numerischen Identität durch die Zeit. Ist es mein Körper, ist es mein Geist, ist es etwas Drittes?
Bevor wir dieser Frage genauer nachgehen können, müssen wir noch einige Sätze dazu sagen, was überhaupt Zeit ist. In der Philosophie gibt es zwei große Konzeptionen der Zeit. Die eine nennt man die präsentistische. Sie wurde in besonderer Weise etwa von Augustinus vertreten und entwickelt. Sie ist dreigliedrig. Sie kennt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Manchmal nennt man sie in der Philosophie auch die „A-Reihe“. Abgesetzt von der anderen Konzeption, die entsprechend die „B-Reihe“ heißt.
Die Zeit ist nach dieser Auffassung im Fluss. Es vergeht Zeit. Nur die Gegenwart ist ganz real, die Vergangenheit ist nicht mehr real und die Zukunft ist noch nicht real. Diese A-Reihe, die die Gegenwart hervorhebt und die Zeit permanent im Fluss sieht, die Zukunft wird Gegenwart und die Gegenwart verschwindet in die Vergangenheit, ist die unseres Alltagsverstandes. Es ist auch die subjektiv erlebte Zeit. Natürlich ist das nicht leicht zu verstehen, wenn man sagt, „die Zeit fließt“. Dann kann man auch fragen: Wie schnell fließt die Zeit? Das scheint irgendwie keinen Sinn zu geben.
Auch die moderne Naturwissenschaft, etwa die Relativitätstheorie, kennt keinen solchen absoluten Gegenwartspunkt. Alles ist relativ auf ein Bezugssystem. Von daher ist die Naturwissenschaft geneigt, diese A-Reihe der Zeit, die präsentistische, abhängig zu machen vom subjektiven Erleben, das ist erlebte Zeit. Davon setzt sich die objektive Zeit ab, die sog. B-Reihe, in der es keine dreigliedrige Struktur gibt, sondern nur früher und später. Nicht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern nur früher und später. Es gibt keinen ausgezeichneten Gegenwartspunkt.
Diese Auffassung der Zeit wird auch Äternalismus genannt, weil Vergangenheit und Gegenwart in ihr gleich real sind. Eventuell sogar die Zukunft. Das heißt, der zeitliche Ort ist ontologisch irrelevant. Nur so kann die Rede von vergangenen Objekten wirklich wahr oder falsch sein. Weil die Vergangenheit eigentlich genauso real ist wie die Gegenwart. Man muss sich das so vorstellen: So, wie es räumliche Abstände im Universum gibt, so gibt es auch zeitliche Abstände. Die Zeit fließt nicht. Diese Auffassung ist in vielfacher Hinsicht sehr gut verträglich mit der Relativitätstheorie und wird daher vor allen Dingen von naturwissenschaftlich beeinflussten Denkern bevorzugt. Natürlich tauchen auch hier Fragen auf. Ist Gegenwart wirklich auf früher und später reduzierbar? Ist Gegenwart nichterlebte Gegenwart und erfordert solche Subjektivität nicht, dass auch das naturwissenschaftliche Weltbild erklärt, wie solches subjekives Erleben der Gegenwart möglich ist?
Auch die Annahme, dass die Zukunft bereits existiert, scheint auf den ersten Blick überhaupt nicht plausibel. Und in welchem Sinne existiert die Vergangenheit? Die Vergangenheit existiert sicher in dem Sinne, dass sie fix ist, dass man sie nicht mehr ändern kann. Aber sie existiert doch nicht im gleichen Sinne und ist im gleichen Sinne real wie der jetzt gerade sich ereignende Moment.
Das sind also die beiden großen Theorien der Zeit, die A-Reihe und die B-Reihe. A-Reihe dreigliedrig – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – die B-Reihe zweigliedrig – früher und später. Diese beiden Reihen gehen nun gut zusammen mit zwei Konzeptionen der Identität durch die Zeit, für konkrete Entitäten, die wir schon in der letzten Vorlesung kennengelernt haben. Nämlich die substantielle Sichtweise und die relationale. Der Endurantismus und der Perdurantismus.
Erinnern Sie sich daran, dass die substantielle Sichtweise davon ausging, dass eine konkrete Entität, in unserem Falle Personen, etwas ist, das keine zeitlichen Teile hat. Es ist in der Zeit nicht teilbar. Wie eine Perle auf einer Schnur wandert, so wandert die Person durch die Zeit und ist zu jedem Zeitpunkt voll und ganz da. Die räumliche und zeitliche Dimension ist getrennt. Man nennt es daher auch eine dreidimensionale Sicht, weil die vierte Dimension der Zeit abgetrennt wird.
Diese Sichtweise des Endurantismus, also die substantielle Sichtweise, geht sehr gut mit der A-Reihe und dem Präsentismus überein. Das kommt normalerweise in einem Paket philosophisch. Wenn man diese Vorstellung hat, dass nur die Gegenwart ganz real ist, kann man sehr schön verstehen, dass die Substanz, das Einzelding, nur im Jetzt-Punkt voll und ganz da ist. Die Vergangenheit ist nicht in gleichem Maße real. Wenn tatsächlich nur der Jetzt-Punkt voll und ganz real ist, kann man auch verstehen, warum ich hier und jetzt voll und ganz da sein kann und nicht nur ein Zeitabschnitt von mir.
Diese dreigliedrige Sicht der Zeit – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft –, die ich die A-Reihe genannt habe, geht mit unserer Konzeption der substantiellen Sicht der Veränderung in der Zeit überein. Etwas, das keine zeitlichen Teile hat, wandert durch die Zeit. Die Zeit fließt.
Die andere Sicht war die relationale. Erinnern Sie sich daran, das war die 4D-Sicht. Man nimmt neben den drei räumlichen Dimensionen, so wie ich als Mensch drei räumliche Dimensionen habe, nimmt man die vierte hinzu und sieht mich als ein 4D-Kontinuum. Sie begegnen mir jetzt nicht ganz, sondern Sie begegnen einem zeitlichen Abschnitt von mir, von etwa 60 Minuten. Nach dieser relationalen Sicht hat ein Einzelding, in diesem Fall eine Person, zeitliche Teile, ist in der Zeit teilbar und hat nicht nur räumliche Teile.
Zu dieser Sicht passt sehr gut die andere Auffassung der Zeit, nämlich die sog. B-Reihe, in der es keinen ausgezeichneten Gegenwartspunkt gibt.
Mit diesen Unterscheidungen haben wir jetzt einiges an Material zusammen, mit dem wir uns im Folgenden genauer der Frage nach dem Wesen personaler Identität widmen können.

Identitätsbedingungen

Die nächste Frage, die wir angehen müssen, die in diesem Kontext sehr wichtig ist, ist die, ob die Identitätsbedingungen von Personen identisch sind mit den Identitätsbedingungen des Lebewesens Mensch. Kann es also Personen geben, die nicht Menschen sind?
Das ist eine interessante Frage, denn der Personenbegriff, so wie wir ihn in der abendländischen Geschichte benutzen, hat seinen Ursprung in Spekulationen über die Trinität, den christlichen Gott.
In der Antike war persona kein philosophischer Begriff, sondern er bezeichnete die Theatermaske und vielleicht davon abgeleitet die Rolle in einem Stück. Wenn nun in der Bibel der eine Gott, der eine einzige Substanz ist, mal ex persona patris, also als Person des Vaters, mal ex persona filii oder spiritus, des Sohnes oder des Geistes, redet, was lag näher als Vater, Sohn und Geist als drei Personen in einer Substanz zu bezeichnen.
Genau das tat Tertullian und daher kommt eigentlich unser moderner Personenbegriff – gar nicht von der menschlichen Person her. In der Neuzeit hat Locke diese Frage auf ganz andere Weise aufgebracht. Er hat sich nämlich einen intelligenten Papagei vorgestellt, mit dem man sich ganz normal unterhalten konnte, heute würden wir wahrscheinlich einen Computer nehmen, und er hat sich gefragt: Ab wann würden wir diesem Papagei, mit dem man sich intelligent unterhalten kann, Personalität zuschreiben? Also, kann es sein, dass es Personen gibt, die gar nicht Menschen sind? Und umgekehrt, kann es Menschen geben, die nicht, nicht mehr oder noch nicht Personen sind? Etwa die Debatte, ob ein Embryo bereits ein Mensch ist, aber noch keine Person. Oder dass ein schwer dementer, im Endstadium einer Demenz-Erkrankung zwar noch ein menschliches Lebewesen ist, aber keine Person mehr. Da werden schwierige Fragen aufgeworfen, die dann in der Ethik behandelt werden. Die Grundlagen für die Unterscheidungen müssen aber in der Metaphysik entwickelt und getroffen werden.
Ich hatte Ihnen zu Beginn bereits das Gedankenexperiment mit dem Teletransporter vorgestellt. Ich steige in den Teletransporter, werde zu dem Raumschiff gebeamt, der Computer macht einen Fehler und ich komme dreimal heraus. Frage: Bin ich mit allen dreien identisch? Das können wir uns schwer vorstellen, weil Identität numerische Identität ist.
Wenn eine Sekunde später, nachdem alle drei hergestellt wurden, zwei sterben: Bin ich dann mit dem verbliebenen dritten identisch?
Oder stellen wir uns eine Verdoppelungsmaschine vor. Sie kopiert meinen Körper komplett materiell. Elementarteilchen für Elementarteilchen. Eine perfekte Kopie meines Körpers. Bin ich mit diesem Duplikat identisch?
Wenn wir uns vorstellen, dass etwa der Geist eine emergente Eigenschaft des Gehirns ist: Hätte dieses Wesen dieselben Gedanken und dieselben Erinnerungen? Wäre ich mit diesem Wesen identisch oder nicht?
Oder eine weitere Frage aus der Theologie. Es gab manche Theologen, die gesagt haben, dass die Auferstehung der Toten nur so gedacht werden kann, dass der Mensch erst einmal ganz radikal stirbt, er ist komplett tot, ganz tot. Dann wird er durch die reine Gnade Gottes neu erschaffen. Ansonsten wäre es ja keine reine Gnade, sonst hätte man ja eine unsterbliche Seele, die sowieso nicht zerstörbar sei. Also muss der Mensch erst ganz sterben und wird dann neu geschaffen. Woher wissen wir, dass dieser neu Geschaffene wirklich ich bin und nicht bloß eine Kopie von mir? Und wie wäre es, wenn Gott mich dreimal neu macht?
Noch andere Gedankenexperimente, um das Problem klarer zu umreißen: Stellen wir uns vor, zwei Hälften verschiedener Gehirne werden zu einem Gehirn verbunden. Man nimmt also die Hälfte von einem Menschen-Gehir...

Inhaltsverzeichnis

  1. Identitätsbedingungen